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Wasserstrassen
und
Binnenschiffahrt.
Von
Cpt. с V. Suppân,
Vorstand der Schiffahrtsabtheilung
der Ersten k. k. priv. Donau -Dampfschiffahrts- Gesellschaft
Mit 309 in den Text gednickten Abbildangen.
1902
Verlag von A. Troschel, Berlin -Grunewald.
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^^/^c^ ^%û\,01,3
Harvard C^'^^-f^. Library
Wm. Came !гп Forbes
June 2(J, löoe.
Alle Rechte vorbehalten.
Druck von A. W. Hayn's Erben, Berlin und Potsdam.
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Vorwort.
Eine fünfundzwanzigjährige Thätigkeit im Schiffahrtsbetriebe auf
der Donau veranlasst mich, die in demselben gemachten Erfahrungen,
•weiche ja auch für andere Stromgebiete vorbildliche Bedeutung haben
können, zu veröffentlichen.
Zahlreiche Versuche über den Schleppzug und den Zugswiderstand,
femer die Kenntnisse, welche ich gelegentlich der Internationalen Schiffahrts-
Kongresse, an denen ich seit dem Jahre 1886 theilnehme, und durch
Bereisungen des Rheines, der Elbe, der Oder, der Seine, der Rhône sowie
anderer Flüsse und Kanäle, erwarb, endlich verschiedene Studien über
Schiff-, Maschinenbau und über das Verkehrswesen im Allgemeinen haben
diese Erfahrungen gereift und bieten mir nun die Möglichkeit, dem
Schiffer zur Erweiterung seiner Kenntnisse, die er sich bisher nur
auf empirischem Wege erwerben konnte, einen Leitfaden an die
Hand zu geben.
Da ein solcher in dieser Gestalt meines Wissens noch nicht besteht,
schmeichle ich mir mit der Hoffnung, damit einem thatsächlichen Be-
dürfnisse entgegenzukommen.
Zugleich habe ich aber Erwägungen über Stromverbesserungen imd
Kanalbauten, sowie Ausführungen über den wirthschaftlichen Werth der
Wasserstrassen und endlich eine Reihe statistischer Angaben mitein-
bezogen, um damit auch für weitere Kreise ein „Handbuch über Wasser-
strassen und Binnenschiffahrt" zu schaffen, welches im Laufe der Zeit
durch entsprechende Beiträge vervollständigt werden soll.
Wien, am 18. Februar 1902.
С V. Suppân.
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Inhaltsübersicht
L Theil. Natürliche Wasserstrassen.
I. Abschnitt Entstehung und allgemeine Eigenschaften
der Flüsse und Ströme. stite.
Niederschläge. Kreislauf des Wassers 3
Verdunstung. Thau, Regen, Hagel, Schnee 4
Winde und Wetter. Land- und Seewinde, Witterungserscheinungen 4
Wettervoraussagung 5
Wetterkunde, Wetterkarten. Vorherbestimmung der Winde und Stürme 5
Windstärke. Windtafel, Wirbelsturme, Wind- und Wasserhose, Orkan, Cyklon, Taifun
und Tornados 7
Regenhöhe 8
Voraussichtliche Niederschläge. Niederschläge des Donau-, Rhein-, Elbe- und Oder-
gebietes 8
Versickerung 9
Grundwässer und Quellen Unterirdische Sammelbecken 9
Oberflächenabfluss, Bäche. Thalweg, Regenbäche, Wildbäche und Gletscherbäche . . 10
Flüsse und Ströme. Ursprung, Ober-, Mittel- und Unterlauf, Karstflusse, Wasserscheiden 11
Allgemeine Flusseigenschaften 11
Wasserstand 11
Niederwasser 11
Normalwasser 12
Hochwasser. Grösstmögliches Hochwasser, Zunahme der Hochwässer, Ausforstungen,
Wasserwirthschaft, Höhe und Dauer .der Hochwässer, Hochgebirgs- und Mittel-
gebirgsfltlsse, Winter- und Sommemiedeiwässer, Frühjahrs- und Herbsthochwässer . 12
Ebbe und Fluth. Meeresfluthwelle, Springfluth nnd Sturmfluth, Nippfluth, Fluthgrösse,
Fluthmesser und Fluthkurve, Fortgangsgeschwindigkeit der FluthweUen im Mündungs-
gebiete 14
Wasserstands-Beobachtungen. Pegel 15
Pegelaufschreibungen nnd Pegelkurven. Tägliche Wasserstände, mittlere monatliche
und jährliche Wasserstände 16
Voraussage der Hochwässer. Schwimmer- und selbstzeichnende Pegel, Staatlicher
Wasserbeobachtungsdienst 18
Elbewasserdienst 19
Donauwasserdienst. Wichtigste Donaupegel, Wasserstands-Nachrichtendienst in Oester-
reich-Ungam, Verlauf, Zeitdauer und Geschwindigkeit von Donaufluthwellen ... 20
Wasserdienst in Frankreich 25
Abschwächung der Hochwässer. Deichanlagen und Sammelbecken 25
Wassermenge und deren Messung 26
Wassermengen der Donau, des Rheines, der Elbe und Oder 26
Gefälle. Absolutes und relatives Gefälle, Oberflachen- und SohlengeШle 27
Gefälle der Donau, des Rheines, der Elbe und Oder 28
Stromgeschwindigkeit 30
Stromstrich. Fahrrinne 30
Strömung der Donau, des Rheines, der Elbe und Oder 31
Stromgeschwindigkeitsmessungen. Oberflächen- und Tiefengeschwindigkeit 31
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VI Inhaltsübersicht.
Seite
Dampfer- und Stromgeschwindigkeiten 3a
Formehl für Berechnung von Stromgeschwindigkeiten 32
Gestaltung des Flussbettes, Geschiebefûhrung. Flnssbett, Sohle, Ufer 32
Mittelwasserbett 33
Hochwasserbett, Niederwasserbett 33
Stosskraft des Wassers. Bewegung der Flusssoble 33
Wildbftche. Schuttwalzen, Vermunxng, Murgang, Wildschaden 34
Stromdurchbruch. Klamm, Wassersturze. Durchbruch 35
Geschiebeablagerungen. GeröUe, Kies, Sand, Schlamm. Fortbewegung dès Ge-
schiebes, Erhöhungen und Vertiefungen des Strombettes 36
Uferabbruch. Gekrümmte und gerade Stromstrecken 37
Flussseichten und Flusstiefen. Untiefen und Führte, Flusstiefen und Kolke 37
Wirbel, Kehrwässer. Schwall, Kehr, Gegenströmung, Wechsel, Wirbelbildung, Wellen
und Strudel. Fahrt in Kehiwässem und im Schwall 38
Flusskrflmmungen. Eingebogene und ausgebogene Flusskrümmung, Durchbruch von
Flusskrttmmungen 41
Inseln imd Stromspaltungen 4a
Geschiebe der Zuflüsse 42
Strombettverdnderungen durch Eis 42
Eisstopfungen, Eisstoss 42
Eissperre. Dauer des Eisstandes 43
Eisbildung. Eisbildung im stromlosen und im strömenden Wasser 43
Dauer der Eisbildung 43
Dauer und Arten der Donaueisbildung. Eisschollen, Treibeis, Grundeis und Kemeis,
Eisgang, Eisstoss . 44
Enteisungen, Eisbrechdampfer. Rammende und auflaufende Eisbrechdampfer .... 45
Nutzen der Enteisungen. Enteisungen auf Flassen und Kanälen, Eispflug 47
Flussmündungen. Fluthgrenze, Fluthstrom, Rückstau 47
Deltabildungen 48
DonaumQndungen 48
2. Abschnitt. Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen.
Beharrungszustand der Flüsse. Natürliche Scbüfahrtsstrasse 50
Stromverfassimg 50
Stromverbesserung vom Standpunkte der Schiifahrt 50
Grundrissform. Lageplan, Langenprofil, Nivellement, Querprofile 50
Schiffahrtsweg im nichtregulirten Strome 51
Streckenweise Stromverbesserung . . 52
Unnatürliche Stromverbesserung 52
Im Sonderinteresse durchgeführte Regulirungen 53
Einheitliche Stromregulirung. Natürliche Gestaltung des Flussgerinnes 53
Fahrt durch regelmässige Flusskrümmungen. Abtragende und antragende Sandbänke
und Ufer .53
Fahrt zwischen Sandb&nken 56
Fahrt in stark gestreckten Krümmungen und Durchstichen 56
Allgemeine Fahrregeln 57
Sanftgckrümmter Stromstrich. Gute Führte 57
Steiler Stromstrich 58
Schlechte Fuhrtbildungen 58
Steile und lange Fuhrt 59
Donausandbflnke 59
Ausbildung des Thalweges. Veränderungen des Thalweges 60
Niederwasserthalweg. Fahrweg und Führte bei Niederwasser 61
Gestalt der Sandbänke 6a
Rechenbaggerung. Auflockerung des Flussgrundes 62
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Inhaltsübersicht. VH
Seite
Feste und wandernde Sandbflnke. Gestaltung der Geschiebe 63
Regehnftssige Geschiebeplätze. Bleibende und wechselnde Fahrstrasse 64
Starke Stromstreckungen, Durchstiche -65
Donaudurchstich bei Wien 65
Erhaltung der Flusskrûmmungen 66
Beobachtung der Stromverfaesung. Muldenförmiges Flussbett (parabolische Form) . . 66
Schiffererfahrung. Fahrt in regelmässigen und steilen KrOmmungen, in geraden
Strecken und in Ueberbreiten 66
Schiffahrtshindemisse der Donau. Längen, Breiten, Tiefen, Gefälle und Strom-
geschwindigkeiten 67
3. Abschnitt Schiffbarmachung von. Flüssen und Strom-
regulirungen.
Linienführung 76
Flussquerschnitte 76
Stromverbesserung, Regulirung 76
Mittelwasserregulirung. Normalprofile 77
Einschränkung einzelner Stromstrecken 77
Fortlaufende Einschränkung, Parallelwerke 78
Niederwasserregulirung 78
Erhaltung der Fuhrtschwellen 78
Schlechte und gute Fuhrtschwellen 78
Rhônereguhrung 79
Allgemeine Regeln für den naturgemässen Flussbau. Festlegung der natürlichen
Gestalt und Form des Flusses 81
Vortheile des naturgemässen Flussbaues 83
Billigkeit des naturgemässen Flussbaues 83
ReguHrungswerke 83
Leitwerke. Deckwerke, Böschungsbauten, Parallelwerke, Traversen 83
Buhnen. Sporne, Grundschwellen, Tauchbuhnen, versenkte Buhnen, FlUgelbuhnen ... 84
Absperrungen 84
Durchstiche '85
Theisshochwässer. Durchstiche und Geradestreckung der Theiss 85
Hochwässer bei Wien 86
Innhochwässer 86
Leck und Po. Aufschwemmung der Flusssohle 86
Stromschnellen. 'Felsbänke und deren Sprengung 87
Donaustromschnellen 88
Hofkirchner Kachlet 88
Aschacher Kachlet . 88
Donaustruden *. 89
Katarakte und Eisernes Thor. Schiffahrtsverhältnisse vor und nach der Regulirung . . 89
Rheinstromschnellen 96
Schififbarmachung mittels Wasseraufspeicherung, Thalsperren 96
Geplante Oderstaubecken 96
Stromregulirung im Fluthgebiete. Clyde-, Tyne-, Seine- und Weserregulimng ... 97
Stromreinigung 98
Vermalung des Donaufahrweges. Bestimmung der Flusstiefen, Wasserschaudienst,
Hasen, Waberl und Schwemmer 98
Bojen. Wahrschau 99
Vermaltmg des Rhein fahrweges. Landmarken, Baken und Tonnen 100
Vermalung der Elbe- und Oderfahrwege. Landbaken, Mummen und Blossen, War-
nungstafeln 100
Bezeichnung fester Strombauten. Bewegliche Bake loi
Signaldienste. Signaldienst in Stromengen, SondirziUen loi
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УШ Inhaltsabersicht
Seite
Tiefenmessungen wahrend der Fahrt loi
Baumstöcke loi
Uferreinigung 103
Baggerrechen 193
Alte Bauwerke, Wracks • 104
П. Theil. Künstliche Wasserstrassen.
4. Abschnitt. Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
Stauanlagen. Stauhöhe, Stanweite, StaukrQmmung, Oberwasser und Unterwasser .... 107
Feste Wehre. Grundwehr, Ueberfallwehr, Wehrkörper, Vorboden und Abfallboden,
Sturzbett . 107
Bewegliche Wehre. Schleusenwehre und Nadelwehre .... 108
Flossdurchlass, Flössereianlagen. Wasserstuben und Klausen, Trift-, Leit- und Fang-
rechen, Holzhof 109
Schiffbare Stauschleuse, Schiffsdurchlass. Schiffahrt mittels Schwellungen iio
Traunschiffahrt iia
Stecknitzfahrt 113
Kammerschleuse. Deichschleuse, EinflUgUge- und Doppelthore, Thornische und Thor-
kammer, Drempel, Oberhaupt und Unterhaupt 113
Schiffschleusung 115
Kanalisirung von Flüssen. Flusshaltungen, Staustufen 115
Feste und bewegliche Kanalisirungsanlagen. Schiffsdurchlass, Flnthgerinne, Wehr-
anlage im Templeflusse 116
Nadelwehre. Rahmen, Nadelwehrbock, Wehrboden, Holm, Aufstellen und Niederlagen
der Nadelwehre, Moldauwehr bei Klecan 117
Klappenwehre. Einfaches und Doppelklappenwehr, Wehranlage am Islefluss 120
Schwimmerklappen. Selbstwirkende Wehre, Marly- Wehr . lai
Trommelklappen. Wehr, an der Marne und bei Charlottenburg, Hydraulisches Wehr
und Wehr mit Gegengewichts-Klappen 121
Schutz- und Rollwehre. SchQtzverschluss von Caméré, Schtttztafeln von Boulé,
Wehr vor Suresnes, am St. Marysfall-Kanal und bei Pretzien 122
Cylinderwehr 123
Kanalisirungen in Frankreich. Kanalisirung der unteren und oberen Seine, Wehr-
anlage bei Poses, Schiffisdurchlass bei Port à l'Anglais und bei Mulatière 124
Kanalisirungen in Deutschland. Oderwehranlage, Oderschiffsdurchlass bei Konty, Main-
kanalisirung, Muhlendammwehr, Kanalisirung der Lahn, Fulda, Ems u s. w. ... 127
Kanalisirung der Moldau-Elbe. Stauanlage und Schleppzugschleuse bei Libschitz . . . 129
Kanalisirung des Donauarmes bei Wien. Wehranlage bei Nussdorf, Sperrschiff , . 132
Kanalisirungen in Nordamçrika und Schweden. Sault-Sainte-Marie, Welland-Kanal . 135
Vor- und Nachtheile einer Flusskanalisirnng 135
Zur Kanalisirung geeignete Flussstrecken 136
Durch Kanalisirung zu gewinnende Wasserkräfte. Wehrpfeiler mit Turbinen,
Wasserkraft zum Schiffahrtsbetrieb 136
BauUche Anordnung der Kanalisirungen, Seitenkandle. Anordnung der Stauwerke,
Ansteigen des Grundwassers, Entschädigungsansprüche der Anrainer 137
Fischpass 139
5. Abschnitt Schiffahrtskanäle.
Allgemeine Anordnung .der Kanäle. Schiffahrtskanäle im Alterthnm, Kanalhaltungen
und Scheitelhaltung 140
Schleppzugschleuse 141
Zwillingschleuse, Parallelschleuse, Kuppelschleuse 142
Sparschleuse 14a
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Inhaltsübersicht. IX
Seite
Verbundschleusen 142
Wasserverbrauch. Betriebswasser, Verluste durcli Versickerung und Verdunstung . . 143
Mittel zur Verringerung des Wasserverbrauchs. Kesselscbleuse, Bassinschleuse . . 144
Kammerschleuse mit Hebersystem. Caligny-Schleuse, Hotopp-Scbleuse 145
Wassererspamis durch Regelung des Betriebes 146
Ersatz des Wasserverbrauches 146
Seekanfile. Suez-Kanal, Kaiser Wilhelm-Kanal, Manchester-Kanal, Kanäle von Korinth
und Kronstadt n. s. w 146
Binnenkanäle. Stamm- und Zweigkanäle, Wasserscheiden, Scheitelkanal 152
Schleusen mit grossem Geffille. Schleuse bei St. Denis 152
Normalabmessungen der Kanflle 153
Französische Normalabmessungen 153
Deutsche Normalabmessungen 154
Voraussichtliche österreichische' Kanalabmessungen 154
Kanalquerschnitte und Sohlenbreite .156
Kanalhaltungen, Krümmungshalbmesser. Gerade und gekrümmte Kanalstrecken . . 156
Linienführung des Kanales. BrQckenkanal, Tunnelkanal 157
Kanalnfer und Böschungen. Beschädigungen der KanalbOschungen, Kanalprofile . . . 158
Treidelweg. 159
Anlagen zur WasserbeschafTung. Speisegräben , EinmUndungsschleusen und Ent-
lastungsgräben, Pumpwerke und Aquädukte, Reservoire 160
Dichtung der Kanäle 161
Schleusungszeit 161
6. Abschnitt Schiffshebewerke und Trockenförderung von
Schiffen.
Ueberwindung hoher Wasserscheiden. SchifEshebewerke und Schiffseisenbahnen . . 164
Senkrechte Schiffshebewerke. Hebewerk am Grand-Westem-Kanal 164
Presskolbenwerke. Anderton, Les fontinettes, La Louvière 165
Schwimmerhebewerke. Wirkungsweise der Schwimmer, Hebewerk bei Henrichenburg 166
Gewichtshebewerke. Hebewerk mit Gegengewichten, Pneumatisches Hebewerk .... 170
Geneigte Schiffshebewerke, Längsbahnen. Geneigte Ebene am Monkland - Kanal,
Dodge-Schleuse 171
Geplante Längsbahnen. Projekte von Peslin, Creusot und Barret, Donau-Oder-Kanal-
projekt 17a
Nachtheil der Längsbahnen 174
Längsgleitbahn von Haniel-Lueg und deren Betrieb. Einfache und doppelte Gleit-
bahn, Projekt für den Wismar-Elbe-Kanal. Betrieb auf einer Gleitbahn 175
Geneigte Quer bahnen. Projekte von Flammant und Hoch 177
Querbahn am Junction-Kanal 179
Vor- und Nachtheil der Querbahnen 179
Geplante Querbahn für den Donau-Moldau-Kanal. Wälzungsrollen ^ 180
Schleusungszeit bei geneigten Hebewerken 180
Schiffseisenbahn, Trockenlagerung der Schiffe 182
Beanspruchung der Schiffe. Dockung und trockene Hebung von Schiffen 182
Bestehende und geplante Schiffseisenbahnen. RollbrQcken, Schiffseisenbahn am
Morris- und am Elbing-Oberländischen Kanal, Projekte für Schiffseisenbahnen . . 185
Trockenförderung der Schiffe mittels Hänge Vorrichtung. Einfacher Trockenwagen
mit Gurtenbändem 187
Rundseil 189
Wirkungsweise der Hängevorrichtung 190
Erfordernisse einer Schiffseisenbahn. Ueberfahrung der Scheitelhöhe, Trace mit senk-
rechten und wagerechten KrUmmungsbögen 192
Zweitheiliger Wagen für grössere Bahnsteigungen 192
Antrieb und Betriebssicherheit des Wagens mit Hängevorrichtung 194
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X Inhaltsübersicht.
Seite
Senkrechte Bahnkrümmungen. Presskolben- und Federlagernng des Wagens . . . 194
Anwendung der neuartigen Trockenförderung. Weiche Bettung der Schiffe . . . 195
Vortheile der Trockenförderung 196
Leistungsfähigkeit der Schiffseisenbahn 197
Schiffseisenbahn für die geplanten Österreichischen Kanäle 198
7. Abschnitt Anlage und Ausrüstung von Binnenhäfen.
Fluss- und Kanalhäfen. Winterhäfen, Handels- und Verkehrshäfen, Umschlagplätze,
Flosshäfen, Kanalhäfen • 200
Hafenentfemungen 200
Erfordernisse einer Hafenanlage. Schutz gegen Hochwasser und Eisgang, Grundrissfoim,
Hafeneinfahrt und Hafentiefe 201
Hafendienst 202
Hateneinrichtungen. Geleise, Lagerhäuser, Speicher, Ladevorrichtungen 203
Hafenanlagen der Donau, des Rheines, der Elbe und der Oder. Rheinhafen bei
Ruhrort 205
Hafenausrüstung. Lagerhaus in Passau, pneumatischer schwimmender Elevator, Kohlen-
kipper bei Pas de Calais, Entladeanlagen in Breslau, Kohlenhafen bei Kosel . . . 208
Amerikanische Verlade Vorrichtungen 209
Ш. TheU. Binnenschiffalirt.
8. Abschnitt. Flösserei und Ruderschiffahrt.
Alter und Kulturwerth der Wasserstrassen 217
Tonnenkilometrische Beförderungskosten der Land- und Wasserwege. Be-
förderungsarten zu Land und zu Wasser 218
Entstehung und Entwickelung der Schiffahrt. Einbäumler, Bambusflösse, Schwimm-
töpfe, Kurbisschiflfe , Weidenruthenboote , Nilboote, Dschunken. Katamarangs,
Magnetnadel und Boussole 218
Beförderungsweisen auf Binnenwasserstrassen 220
Triften und Flösserei. Balkenflösse und Bretterflösse, Donau- und Rheinflösse, Flösse
auf der Wolga, Seetüchtige Flösse 221
Flossmanöver. Schwengelruder und Riemen, Kukasanker, Wenden und Landen der Flösse 223
Ruderschiffahrt zu Thal. Kleinschiffahrt für den Nahverkehr, Schiffe f)ir einmalige
Thalfahrt, Marktschiffe und Plätten . 224
Fortgangsgeschwindigkeit durch Stromantrieb 224
Manöver mit Ruderschiffeu. Naufahrt, Vorholen und Rinnenlassen , Wenden und
Landen, Schorrbäume 225
Fähren^ Ueberfuhrplätten, Fährboote, fliegende Fähren und Brücken, Trajektschiffe . . 226
Ruderschiffahrt zu Berg, Fluss- und Kanalschiffe 227
Darstellung und Beschreibung eines Schiffskörpers. Spantenriss, Aufriss und Wasser-
linien riss, Wasser- oder Ladelinien, Abmessungen des Schiffskörpers und Benennung
seiner Theile, Querschnitt eines eisernen Schiffskörpers, Steuerlastig und Kopflastig 228
Deplacement und Völligkeit 229
Tragfähigkeit und Schiffsvermessung. Tragfähigkeit, Aichungstabellen , einfache
Schiffsvermessung, Freibordhöhe 231
StabiUtAt des Schiffes, Metacentrum. Stabile und labile Schwimmlage, Ballast, Stampfen
und Schlingern 232
• Donauruderschiffe. Ruderschiff, Razin, Luntra, Dumbas, Steinschiff, Weinschiff, Plätte
und Gams, Ghirlasche, Fischhalter 233
Bauart und Völligkeit der Holzschiffe. Hölzerne Fluss- und Kanalschiffe, Durchbiegung
der Holzschiffe, Abmessungen und Völligkeit derselben^ Haffschiffe 235
Fortschritte im Holzschiffbau. Mischbau aus Holz und Eisen, Löffeiförmiger Oderkahn 236
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Inhaltsübersicht. XI
Seite
Eisenschiffbau und Zunahme der Tonnengehalte. Tragföhigkeiten der Donau-, Rhein-,
Elbe- und Oderschleppe 238
Grösste Eisenschleppe der Donau, des Rheines, der Elbe und Oder 239
Einfluss der SchleppgrOssc auf die Betriebskosten 239
Gegenzug auf Flüssen, Treideln auf Kanälen. Manöver eines Gegenzuges, Davon-
sprengen, ehemaliger Strudenzug 239
Wirkungsweise und Leistung der Gegenzüge. Leistung des Pferdezuges auf Flüssen
und auf Kanälen 241
Segelbetrieb. Steuerschwerter, Fluss- und Kanalsegelschiffe 242
Schieben der Schiffe 243
9. Abschnitt. Danxpfschif fahrt.
Papin, Fulton und Symington 244
Allgemeine Bauweise der Flussdampfer 246
Personen- und Eilgutdampfer. Betrieb mit Personendampfern, Personendienst auf der
Donau und dem Rheine, Scheidedampfer, amerikanische Personenschiffe, Betrieb mit
Eilgut- und Frachtendampfern 246
Zugdampfer, Schleppzugbctrieb 254
Schaufelrad. WirJsungsweise, Slip und Nutzleistung der Schaufelräder, feste und beweg-
liche Schaufelräder, gekrümmte Radschat^feln 255
Schraube. Wirkungsweise, Slip und Nutzleistung der Schiffsschraube, Durchmesser und
Steigung der Schraubenflügel 257
Vergleich des Schaufelrades mit der Schraube 260
Reaktionsdampfer 260
Ketten- und Seiitauer 26т
Tauereibetrieb. Tauerschiff des Maréchal de Saxe, erster Tauerzug auf der Rhône . . 262
Auf- und Abnehmen der Kette 265
Kettenrolle mit Fingerlingen. Bellingrath's Kettentrommel 266
Elektrische Kettenrolle. Elektromagnetischer Seinetauer von Bovet 266
Vor- und Nachtheile der Tauerei. Nutzleistung des Tauerzuges, Vergleich des Rad-
dampfer- und Tauerbetriebes 266
Zugsversuche mittels endloser Kette 269
Wasscrlokomotive und Wasserrad 270
Wirtbschaftliche Zugsmittel 271
Zweckmässiger Fahrpark auf verschiedenen Stromstrecken 272
Vortheilhafte Maschinensysteme. Compound - und Triplexmaschinen , Schrauben-
Hammermaschine . 273
Schraubenrad. Wirkungsweise des Schraubenrades 274
Probeergebnisse eines Schraubenraddampfers. Hinter- und nebeneinander gelagerte
Schraubenräder 275
Dampfturbine 277
Wirthschaftlicher Schlepptyp 279
Seelcichtcr. Remorquirungen zur See 280
Bagger. Baggerprahme, Löffelbagger, Drehschaufelbagger, Eimer ketten- und SpQlbagger 281
10. Abschnitt. Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf
seichten Flüssen.
Der Donaustrom. Stromlauf und Nebenflüsse 284
Schififbarkeit der Donaustrecken 286
Betriebswerth der einzelnen Donaustrecken 287
Ausgeführte Regulirungs werke. Normalprofile der Donau, Uferdeckwerk in Bayern,
ParaUelwerke und Hochwasserdämme in Niederösterreich, Absperrwerk auf der
oberungarischen Donaustrecke, Faschinenbauten in Ungarn 288
Angestrebte Donaufahrtiefen. Regulirung des Donaustromes für Niederwasser . . . 289
Fahrtiefen von Regensburg bis Gönyö 290
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ХП Inhaltsabersicht.
Seite
Fahrtiefen der Donau-Katarakte 395
Donauschiffahrt und Flotte. Donauschiffahrt in Bayern, Oestenreich, Ungarn, Serbien,
Rumänien und Balgarien, Donauflotte auf den verschiedenen Stromstrecken, Schiffs-
park der Ersten k. k. pr. Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft, Abmessungen und
Tonnengehalte der Donaufahrmittel 395
Schleppzug auf der Donau. Seilschiff am Eisernen Thor-Kanal, Betriebsleistungen der
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft 300
Normalschleppe der Donau. Der 650- und 670 Tonnenschlepp 301
Bauformen der Eisernen Donauschleppe. Verdeckschleppe, offene und löffeiförmige
Schleppe, Schleppe mit Dachverschluss, Leichterboote, Tankschleppe 306
Bauformen der Donauzugdampfer 306
Normalzugdampfer 308
Zugskosten zeitgemftsser Donaudampfer 312
Der Rhein. Stromlauf und Nebenflüsse 314
RheinschiflTahrt und Rheinflotte 316
Schiffbarkeit der Rheinstrecken 318
Die Elbe. Stromlauf und Nebenflüsse 319
Elbeschiffahrt und Flotte 321
Balanceruder 324
Bauart der Elbekähne 324
Schiffbarkeit der Elbestrecken 326
Die Oder. Stromlauf und Nebenflüsse 329
Oderschiffahrt und Flotte 330
Schiffbarkeit der Oderstrecken. Vergleich der Schleppausnützung auf der Donau, dem
Rheine, der Elbe und Oder 331
Seineschiffahrt. Französische Binnenflotte .332
Rhôneschiffahrt 333
Grappins ; 334
Bateau-écluse •. 335
Rhônetauerei 335
Französische Schleppformen. Rhôneschleppe, Seineschleppe und Kaoabchiffstypen . . 337
Schiffahrt auf seichten FlQssen. Kolonialflüsse 338
Turbinendampfer. Turbinenschraube 338
Heckraddampfer 339
Aluminiumboote 339
Schrauben in Auswölbungen 339
Schraubenrad für seichte Flusse 340
Kolonialdampfer 341
TV. TheiL Schiffswiderstand und Schleppzugf.
II. Abschnitt. Schiffswiderstand.
Wesen, Entstehung und Arten des Schiffs Widerstandes. Versuche von Froude, Be-
wegungswiderstände. Wellenbildung 345
Oberflachen- oder Reibungswiderstand 347
Formwiderstand 348
Wellen- und Wirbelwiderstand 348
Wellenbildung an Flussseichten 348
Widerstände im Kanäle 349
Einsinken der Schiffe 350
Luftwiderstand 351
Widerstandsformeln. Alte Formel 352
Formel von Rankine. . . . • 352
Formel von Riehn 352
Anwendung der Formel Riehn auf die Donauschiffsformen 356
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Inhaltsübersicht. ХШ
Seite
Formel von Rauchfuss. Anwendung der Formel auf den 670 Tonnenschlepp .... 358
Widerstandsversuche von de Mas auf Flüssen und Kanälen. Zugsversuche auf der
Seine und am Kanal von Burgund, Formel von de Mas, Vergleich der Wider*
standsergehnisse mit den Bonauzugsversuchen 359
Donauzugsversuche 362
Donauformel 363
Widerstände einiger Donauschleppe. Widerstands-Kurven für die 820, 670, 650 und
350 Tonnenschleppe 364
Wirth schaftlichster Donauschlepptyp 368
Einfluss der Schiffsform auf den Gesammtwiderstand 368
Einfluss der benetzten Schiffsoberilache auf den Gesammtwiderstand 370
12. Abschnitt. Schleppzug auf Flüssen und Strömen,
a) AUgeûieine Erfordernisse für einen wirthschaftllchen Schleppzug auf
Piassen.
Wirthschaftliche Fahrmittel. Betriebsmittel der Binnenschiffahrt und der Seeschiffahrt,
Zeitgemässe Fahrmittel 373
Leichte Bauart der Schififsgefusse. Beanspruchung der Seeschiffe und der Flussschiffe,
Schwingungen der Dampferkörper . . , 374
Vorzug des Eisens und Nachtheil des Holzes im Schiffbau 375
Betriebserfordernisse für einen wirthschafthchen Schleppzug 377
b) Ausnutzung der Scblffsmaechine.
Leistung der Dampfmaschine. Nominelle, indizirte und effektive Pferdekräfte . . . 377
Ueberlastung der Schifi'smaschine 378
Maschinenleistung in stromlosem Wasser 379
Maschinenleistung in strömendem Wasser 379
Kesseldruck und CylinderfüUung 380
Wirkung der trägen Massen 381
c) Vortheilhafte SchleppzugsmanOver.
Dampfermanöver 381
Abfahrtsmanöver. Ankermanöver, Abfahrt bei Windstille nnd bei anlehnendem Winde 382
Seilmanöver. Intaunahme der Schleppe, Strupfe, Schlepptau und Aufklampfseile, Aus-
taulassen der Schleppe und deren Verhaftung, Thalschleppzug mit Bremstauen . . 382
Wendemanöver, Wenden am Anker, mit gebremstem Schlepptau und mit Bruthseil . 384
Landungsmanöver 386
Flottmachnngsmanöver 387
d) Steuerfähigkeit der Schleppzüge.
Gieren der Schleppe während des Zuges 387
Ungenügende Steuerfähigkeit der Schleppe 389
Einfluss der Steuer fähigkeit auf die Zugskosten 390
Steuerung eines Schiffes. Steuerruder, Steuerfähigkeit und Steuer kreis, Handsteuer- und
Dampfsteuervorrichtungen 391
Einfluss der Schiff"sform auf die Steuerfähigkeit 394
Steuervorrichtung mit Gegengewicht, Patentschiffsteuer 394
Schleppzug mit dem Patentschiffsteuer 396
e) Vertauung der Schleppzüge.
Lange und kurze Schlepptaue 396
Zweckmässige und unzweckmässige Vertauung . 397
Berg- und thalfahrende Donauschleppzüge 399
Grösse und Fortgangsgeschwindigkeit der Donauschleppzüge 404
Rheinschleppzug 405
Elbeschleppzug 407
Oderschleppzug 408
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XIV Inhaltsübersicht.
Seite
Schleppzug aof der Rhône und der Seine 409
Schleppzüge am Ohio und Mississippi 409
Schleppzuge auf den Flüssen Aire und Calder 410
Schleppzug auf kanalisirten Flüssen 411
13. Abschnitt. Schleppzug auf Kanälen.
a) Allgemeine Erfordernisse für einen wirthschaltliohen Schleppzug auf
Kanälen.
Schleppzug in Kanalkrümmungen und bei Kreuzungen 41a
Kanalzugsgeschwindigkeit 412
Steueriähigkeit der Kanalschleppzüge. Widerstandsversuche am Dortmund-Ems-Kanal 413
Einfluss des Kanalquerschnittes und der Kanalform auf den Zugswiderstand . . 414
Einfluss der Kanaloberfläche auf den Zugswiderstand 416
b) Zugsmittel auf Kanälen.
Pferdezug 416
Elektrische Einzeltauerei 417
Elektrische Kettenschiflfahrt am Bourgogne- Kanal 418
Drahtseilhängebahn von Lamb 420
Trägerbahn von Thwaite-Cawley 420
Schleppdreirad 421
Schlepplokomotive 422
Lokomotivzug am Finow-Kanal 423
Schraubensteuerzug 424
Elektrischer Schraubenbootbetrieb am Erie-Kanal 424
Einzelbetrieb mittels Schraubenrädern 425
Wandertaubetrieb 426
Nachtheile der einzelnen Kanalzugsmittel 427
Kanalzug mittels Schrauben- oder Schraubenraddampfer 428
Winhschaftlichkeit der einzelnen Kanal zugsmittel. Wirkungsgrad, Anlagekosten, Be-
dienungs- und Zugskosten 428
Tonnenkilometrische Kosten des Kanalzuges 430
Zweigeleisige Kanalzugsanlagen 431
Betriebssicherheit der einzelnen Kanalzugsmittel . 433
Behinderung des Treidelweges 433
Durchfahren der Schleusen 434
c) Lokomotivzug und Dampferbetrieb.
Zugskosten des elektrischen Lokomotivzuges 434
Zugskosten des Dampferzuges 435
Berechnung der Dampferzugkraft 435
Berechnung der Selbstkosten eines Dampferbetriebes 436
Kosten des Dampfers 436
Kosten der Schleppe 437
Vergleich der Dampfer- und Lokomotivzugskosten 438
Staatlicher und einheitlicher Kanalbetrieb 438
Zweckmässige Einrichtung eines Kanal betriebes 440
V. Theil. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen«
14. Abschnitt. Leistungsfähigkeit der Wasserstrassen
und der Schienenwege.
Allgemeine Verkehrssteigerung 443
Leistungsfähigkeit der Binnenverkehrsmittel. Vortheile der Wasserstrassen . . 443
Zugkraft und Zugswiderstand. Indizirte Pferdekrafte und Zugswiderstände der Eisen-
bahn und der Schiffahrt !.. 444
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Inhaltsübersicht. XV
Seite
Grösse der Fahrmittel. Todte Last und Nutzlast 445
Anschaffungs- und Bemannungskosten 445
Vielseitige Benutzbarkeit der Wasserstrassen. Stufenleiter der Frachtkosten . . . 445
Nachtheile der Wasserstrassen, Verkehrsunterbrechungen. Wintersperre und Ent-
eisungen, Betriebsdauer auf der Donau, am Rheine, auf der Elbe, Oder, den
deutschen, französischen und russischen Kanälen 446
Tag- und Nachtbetrieb 447
Einfluss der Wasserstrassen auf die Preisbildung der Güter 447
Seeverkehr und Seeflotte Tonnengehalt und Entwickelung der Seeflotte Grösste und
schnellste Seedampfer, Amerikafahrer, Segelschiffahrt 448
Beförderungskosten des Seeverkehres . 450
Beförderungskosten des Binnenverkehres 452
Massengut- und Stückgutverkehr auf Wasserstrassen 454
Güterdienst auf der Donau, der Elbe und dem Rheine 455
15. Abschnitt Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt.
Eisenbahnverkehre 457
Tarifarische Massnahmen der Eisenbahnen 457
Staffeltarife. Staffel-, Differential- und andere Begünstigungstarife, Anschlusstarife . . . 458
Frachtrücklässe 459
Betriebstechnische Massnahmen der Eisenbahnen 460
Betriebstechnische Massnahmen der Schiffahrt 461
Einwirkung des Wasserverkehres auf das Bahnerträgnis 461
Sinken des Ertrages der Transportanstalten. Frachtzusammenschluss 463
Frachtsätze und Selbstkosten. Normaltarife. Unveränderliche und veränderliche Selbst-
kosten, Voraussichtliche Selbstkosten 464
Schiffsfrachtsätze des Donau-, Rhein-, Elbe- und Odergebietes 467
Durchschnittsfrachtsätze. Auf der Donau, dem Rheine, der Elbe und Oder .... 474
Niederste Frachtsätze. Auf der Donau, dem Rheine, der Elbe und Oder 474
Durchlaufender Fluss- und Kanal frachtsatz 474
Niederste und höchste Schleppladungstarife 474
Bahnfrachtsätze im Donau-. Rhein-, Elbe- und Odergebiete 476
Niederste und höchste Wagenladungstarife 479
Vergleich der Schiffs- und Bahnfrachtsutze 479
16. Abschnitt. Volkswirthschaftlicher Werth der
Wasserstrassen.
Nutzen der Wasserstrassen für die Landwirthschaft, Handel und Industrie . . . 480
Verkehrstechnischer W^erth der Wasserstrassen 482
Privatkanäle 482
Kanäle und Eisenbahnen ohne ausreichende Verzinsung 483
Staatskanäle 484
Abgaben auf Wasserstrassen 484
Wasserstrassen vom Standpunkte der Verkehrspolitik 485
Wirthschafilicher Werth der Wasserstrassen für Deutschland 486
"Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen für Frankreich 489
Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen für Europa 489
VI. Theil. Statistik der Wasserstrassen.
17. Abschnitt Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
Entwickelung der Binnenschiffahrt in Europa 495
Oesterreich 497
Donau- und Elbeverkehr in Oesterreich 49^
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XVI Inhaltsübersicht.
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Ungarn 499
Ungarische Transporlsteuer und Schiffahrtsgebuhren am Eisernen Thor .... 500
Ungarische Kanalbauentwûrfe 500
Rumänien 50a
Europäische Donaukommission 502
Serbien 503
Bulgarien 5РЗ
Deutschland 503
Verkehrszunahme aut den deutschen Wasserstrassen 504
Rhein-, Elbe- und Oderverkehr. Tonnenkilometrischer Verkehr der deutschen Strom-
gebiete 505
Wichtigste Kanäle Deutschlands 506
Deutsche Kanalbauentwtlrfe 508
Frankreich 510
Französischer Kanalbetrieb 512
Verkehrszunahme auf den französischen Wasserstrassen 512
Französische Kanalbauentwûrfe 513
Belgien 514
Niederlande 515
England. Irland und Schottland 517
EngUsches Kanal -Tarifgesetz 521
Schweden und Norwegen 521
Russland . . 523
Russische Binnenflotte 525
Wolgaschiffahrt. Stromlanf, Nebenflüsse, Gefalle und Fahrtiefen, Wolgadampfer und
russische Schlepptypen, Astatkifeaerung, Wasserstrassen in Finnland und in Sibirien 526
Russische Kanalbauentwûrfe 530
Italien 531
Spanien 531
Vereinigte Staaten von Nordamerika 532
Schiffahrt auf den grossen Binnenseen 534
Erie-Kanal 534
Kanäle des Mississippi und des Seegebietes 534 .
Mississippischiffahrt. Stromlauf, Nebenflüsse, Tiefen, Geschiebe und Mündung, Mississippi-
flotte 536
Binnenverkehr und Binnenflotte Amerikas 539
Amerikanische Kanalbauentwûrfe 540
Panama-Kanal 541
Kanada 541
Indien 543
China 544
18. Abschnitt. Das österreichische Wasserstrassengesetz.
Das Gesetz und seine Begründung 545
Gesammtlänge der geplanten österreichischen Wasserstrassen 549
Höhen der Wasserscheiden. Schleusen oder Hebewerke s-.o
Wirthschaftlicher Werth der einzelnen Kanallinien 552
Donau-Oder-Kanal 552
Donau-Moldau-Kanal 556
Oder-Elbe-Kanal 560
Öder-Weichsel-Dnjester-Kanal 560
Schiffbare Flüsse Galiziens 561
Linz-Moldau- Kanal 562
Voraussichtliche Kanalverbindungen 563
Verbindung des Donaugebietes mit Triest 564
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I. Theü.
Natürliche Wasserstrassen.
Sup pan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt I
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I. Abschnitt.
Entstehung: und allgemeine Eigenschaften der Flüsse
und Ströme.
NiedereeUftge. Alles Sein und Werden, alle Bewegung und jede Art
von Kraftäusserung verdanken wir der Sonne. Die Sonne ist fortwährend
und seit ewig thätig, Bewegung und Leben hervorzurufen, während die Erde
Alles an sich zu ziehen und jede Bewegung zur Ruhe zu bringen bestrebt ist.
Durch die beständig wirkende Sonnenkraft verdunstet das Wasser an
der Oberfläche des Meeres und der Erde, wird emporgehoben und fortge-
führt, bis es durch den Einfluss niedrigerer Luftwärrae wieder abgekühlt, zur
Verdichtung kommt und auf die Erde zurückkehrt.
Sow^eit nun dieses Wasser auf höher gelegenen Stellen des Festlandes
niederfällt, bietet es dem Menschen dadurch, dass es auf der Erde wieder zur
Ruhe zu kommen trachtet und den tieferen Stellen und endlich dem Meere
zufliesst, ein Arbeitsvermögen zur Ausnützung dar.
Wir verdanken somit der Urquelle aller irdischen Kraft, der Sonnen-
wärme, nicht nur den unscheinbaren Bach, sondern auch unsere gewaltigen
Ströme und Millionen noch unausgenützter Wasserkräfte.
Das Emporsteigen des Wassers in luftförmigem Zustande in die Höhe der
dasselbe fortbewegenden Luftströmungen, dessen Verdichtung daselbst zu einem
Niederschlage und endliche Rückkehr als Flüssigkeit zum Meere bildet einen
fortwährenden Kreislauf.
Die in diesem Kreislaufe befangene Niederschlagsmenge wird aber offen-
bar, wenngleich in nicht wahrnehmbarem Maasse, immer geringer, denn das
Wasser, welches die Schwerkraft den metallischen Massen und Gesteinen des
Erdinnem ununterbrochen zuführt, wird von diesen theilweise aufgesaugt, theil-
weise chemisch gebunden, daher der Wassermasse der Erdoberfläche entzogen.
Wenn man bedenkt, wie gering die Wassermasse der Ozeane, von durch-
schnittlich 4 km Tiefe, gegenüber der Erdkugel mit ihrem Halbmesser von
6000 km ist, so ist der Schluss zulässig, dass der Wassergehalt der Meere
im Rückgange begriffen sein muss. Aber auch der Gedanke ist nicht abzu-
weisen, dass dadurch die Regenmengen, welche heute die Wasserläufe speisen
und das Erdreich befruchten, immer seltener und endlich ausgedehnte Wüsteneien
entstehen werden, denen einst das ganze organische Leben zum Opfer fallen
wird. Freilich ist dieser Prozess, welcher schon vor Millionen von Jahren
begonnen hat, an keine absehbare Zeit geknüpft.
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A I. Natürliche Wasserstrassen.
Der Niederschlag auf der Erdoberfläche scheidet sich in vier Theile.
Jener Theil, welcher von dem Pflanzenwuchse nicht aufgesaugt wird, ver-
dunstet entweder, oder er sickert in die Erde, oder aber er fliesst auf
der Oberfläche derselben ab. Die drei letzten Formen bilden den Ursprung
aller Flüsse und Ströme.
Verdnnstnng. Die Fähigkeit der Luft, Wasserdampf aufzunehmen^
hängt von der Wärme derselben ab und nimmt bei höheren Wärme-
graden zu.
In loo Gewichtstheilen mit Wasserdampf gesättigter Luft sind bei einem
Luftdrucke von 0.730 m enthalten:
bei o^ -h 50, + loO, + 15O, -f 20O, 4-25«, +30^ Celsius
o>3o» 0*40, 0,60, 0,90, 1,30, 1,80, 2,40 Gewichtstheile
Wasserdampf.
• Die mit Wasserdampf gesättigte Luft ist durchsichtig, wird sie abgekühlt,
so verdichten sich die Dämpfe zu Nebel oder Wolken. Je nachdem sich die
Wassertheilchen dieser miteinander verbinden, entstehen Thau, Regen^
Hagel oder Schnee.
Die Ausscheidung ist, wie sich aus obiger Ziffernreihe ergiebt, je nach
der Luftwärme verschieden. Wird beispielsweise mit Wasser gesättigte Luft
von 30 Grad C. auf 20 Grad С abgekühlt, so scheiden sich 2,40 — 1,30 -=
1,10 pCt. Wasser aus, während, wenn eine Abkühlung von 15 Grad auf
5 Grad C. erfolgt, nur 0,90 — 0,40 = 0,50 pCt. Wasser, ausgeschieden wird.
Hieraus erklärt sich, warum die Niederschläge in einer heissen Zone
und im Sommer reichlicher als in einer kalten Zone und im Winter sind.
Winde und Wetter. Die Luftströmungen, Winde, welche durch die
verschiedene Erwärmung der einzelnen Stellen der Erdoberfläche entstehen^
wodurch Unterschiede im Luftdrucke hervorgerufen werden, haben die Auf-
gabe, den von den gewaltigen Meeresflächen emporsteigenden Wasserdampf
den Landflächen als Niederschläge zuzuführen.
Die stärkste Luftströmung entsteht dadurch, dass die Luft über der Zone
zwischen den Wendekreisen durch die Sonne viel stärker erwärmt wird, als
über den Polargegenden, daher in grosse Höhe emporsteigt und überfliesst,
während von letzteren die kältere Luft in tieferer Lage wieder dem Aequator
zuströmt.
Wäre die Erdoberfläche gleichartig gestaltet, so müssten diese Luft-
strömungen und mit ihnen die Witterungsverhältnisse ziemlich gleichmässig
und leicht zu beobachten sein.
Die Regelmässigkeit der Luftströmungen wird aber durch die Lage^
Form und den Zustand der Erdtheile und Gebirge gestört und es entstehen
stets wechselnde Land- und Seewinde.
Die hierdurch bedingten verschiedenartigen Witterungserscheinungen
werden noch dadurch beeinflusst, dass die Luftströmungen sowohl an den
Polen, als auch am Aequator durch die Drehung der Erde eine Abwei-
chung erleiden. Die Luftströmung, welche an einem Orte in der Richtung
eines Längenkreises beginnt, erhält durch diese Achsendrehung gleichzeitig
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. с
die Umfangsgeschwindigkeit des Ortes von Westen nach Osten, also eine
zweifache Bewegung.
Von weiterer Einwirkung auf den Kreislauf des Wassers ist die Lage
und Vertheilung der Meere und des Festlandes, sowie die Beschaffenheit der
Erdoberfläche selbst. Da die Luft mit zunehmender Wärme immer mehr Wasser-
dampf aufzunehmen im Stande ist, wird eine öde, kahle, ebene, von der Sonne
stark erwärmte Gegend nur wenig Niederschläge ermöglichen, während wald-
reiche Gebiete und ein üppiger Pflanzenwuchs eine übermässige Erhitzung
der Erdoberfläche nicht gestatten und daher der Hervorbringung von Nieder-
schlägen günstig sind.
So ist an der Westküste von Südamerika, an der Ostküste von Afrika
und im Südwesttheile von Indien der Regenfall beträchtlich, dagegen fast null
in der Sahara und Mittelasien, sowie in einigen Gebieten von Mittelamerika.
Auf die Menge der Niederschläge sind die Wälder allerdings von keinem
Einflüsse, sie regeln jedoch die vorhandenen Niederschlagsmengen, weil sie einen
grossen Theil derselben in ihre Moosdecke und in ihr Laub aufnehmen und er-
halten und diese dann langsam verdunsten oder zum freien Abfluss kommen lassen.
Aus diesem Grunde werden bestimmte Regenmengen aus waldreichen
Gegenden nur als langsam abfliessende Hochwässer abgehen, während kahle
und entwaldete Gebiete die gleich grossen Niederschläge in viel kürzerer Zeit
den Flüssen als verheerende Hochfluthen zuführen können.
Waldungen sind daher ebenso wie die Binnenseen, durch welche Wasser-
läufe hindurchgehen, als Regler der Wasserführung zu betrachten.
Eine Ausnahme bilden die plötzlich eintretenden aussergewöhnlichen Nie-
derschläge, Wolkenbrüche, bei welchen die Aufnahmsfähigkeit auch des be-
waldeten Gebietes gegenüber der gefallenen Regenmenge zu gering ist.
Wettervoraussagnng. Wenn man die vielseitigen Beeinflussungen, welche
die Luftströmungen durch die Gestaltung der Erdoberfläche und durch die
Achsendrehung erfahren, ins Auge fasst, so ist es klar, dass die Vorherbestim-
mung der Witterungserscheinungen, die Wettervoraussage, soweit sie nicht
fiuf wissenschaftlicher Grundlage fusst, nur eine zufällig eintreffende sein kann.
Oertliche Erscheinungen und Anzeichen in der Natur ermöglichen zwar
für kurze Zeit und für einen beschränkten Umkreis die Vorherbestimmung
eines Gewitters, Sturm oder Kälte; jedoch im allgemeinen für einen längeren
Zeitabschnitt, wie beispielsweise für ein Jahr das Wetter vorauszusagen, ge-
hört in das Gebiet der Einbildung. Der Glaube an derartige Voraus-
sagungen hat sich nur dadurch verbreitet, dass thatsächlich gewisse verzeichnete
Witterungserscheinungen an bestimmten Tagen in irgend einer Gegend zu-
fällig eintrafen und erwähnt zu werden pflegen, während die grosse Anzahl
nicht eingetroffener Ereignisse unbeachtet bleibt.
Wetterkunde, Weiterkarten. Dagegen lässt sich in Folge der zunehmen-
den Erkenntnis der Naturgesetze und mit Hilfe zahlreicher Beobachtungen das
Fortschreiten der Luftströmungen und damit die Vorherbestimmung der
Winde und Stürme mit ziemlicher Genauigkeit durchführen und hieraus
auf die zukünftigen Witterungsereignisse schliessen.
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6 1. Natürliche Wasserstrassen.
Das über ganz Europa und viele Punkte der übrigen Welttheile aus-
gedehnte Netz von meteorologischen Beobachtungsorten liefert dazu
die Grundlagen.
Um den Zusammenhang zwischen den Hauptrichtungen der Winde und
der Verth eilung des Luftdruckes zu veranschaulichen, werden Wetterkarten^
Bild I. Wetterkarte.
welche die Grösse des mittleren Luftdruckes und die herrschende Windrich-
tung an den einzelnen Orten der Erdtheile darstellen, von den meteoro-
logischen Hauptanstalten herausgegeben.
Der jeweilige Luftdruckstand eines Ortes wird mittels selbstverzeichnender
Vorrichtungen bildlich dargestellt und aus diesen Darstellungen die Tages-
mittel gezogen.
Führt man die mittleren Luftdruckstände für jeden Ort auf den Meeres-
spiegel zurück und verbindet die Punkte gleichen Luftdruckes auf der Karte
miteinander, so erhält man die Isobaren. Diese Linien umschliessen entweder
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. n
solche Orte, welche einen höheren Luftdruck als die benachbarten Orte auf-
weisen, die Luftdruckhochstände, Maxima, oder solche, deren Luftdruck nie-
driger als jene der Umgebung ist, die Luftdrucktiefstände, Minima.
Die geschlossenen unregelmässigen Krummungslinien auf der Wetter-
karte Bild I sind die Isobaren. Die jeweilig höchsten und tiefsten Luft-
druckstände werden mit ,,Hoch** und „Tief** bezeichnet.
Die Pfeile fliegen mit dem Winde, deren Befiederung giebt die Wind-
stärke an: Schwacher Wind - — ^ bis Orkan '-^. Die Ziffern bei den
Orten bezeichnen die Wärmegrade nach dem hunderttheiligen Wärmemesser
(Celsius). Die Witterung an den einzelnen Orten wird durch folgende Zeichen
bemerkt: Bewölkung О klar bis • bedeckt, Regen • : , Schnee 94», Nebel «s,
Gewitter #R.
Der höchste bisher beobachtete Luftdruck steigt bis 800 mm, der tiefste
fällt bis 700 mm, während der gewöhnliche Luftdruck (Nonnal-Barometerstand)
in Meereshöhe bei о Grad Celsius 760 mm beträgt.
Aus der auf der Karte in dieser Weise dargestellten Vertheilung des
mittleren Luftdruckes und der herrschenden Windrichtungen lassen sich
folgende Schlüsse ziehen:
1. Die Luft strömt immer von der Gegend höheren Luftdruckes zu der
Gegend niederen Luftdruckes und wird dabei durch die Erddrehung auf der
nördlichen Halbkugel nach rechts, auf der südlichen nach links abgelenkt.
2. Je dichter die Isobaren nebeneinander liegen, um so grösser ist die
Windgeschwindigkeit, um so stärker der Wind.
3. Mit den Luftdrucktiefständen bewegen sich auch die zugehörigen
Windzonen, so dass die Windrichtung und damit die Witterung eines Ortes
von der Lage des in seiner Nähe vorübergehenden Luftdrucktiefstandes abhängt.
Die Ursachen der Entstehung aller Maxima und Minima sind zwar
noch nicht erforscht, jedoch wurden durch die umfassende Thätigkeit der
meteorologischen Anstalten so viele statistische Erhebungen gesammelt, dass
sich die Bewegungsrichtungen sehr vieler Minima heute schon mit einiger
Sicherheit vorausbestimmen lassen.
Winèsttrke. Zur Messung der Windgeschwindigkeit und des Druckes
desselben werden verschiedene, oft selbstverzeichnende Vorrichtungen verwendet
Für den gewöhnlichen Schiffergebrauch wird die Windstärke nur an-
nähernd abgeschätzt und den praktischen Bedürfnissen entsprechend in der
auf umstehender Windtafel dargestellten Weise verzeichnet.
Eine strenge Unterscheidung zwischen Wind, Sturm und Orkan lässt
sich kaum geben. Schwere Stürme, Wirbelstürme, gehören in unseren Ge-
genden zu den Seltenheiten und haben meist eine geringe Ausdehnung. Zu-
weilen treten als Wind- und Wasserhose bezeichnete Wirbelströmungen auf,
welche auf der Erd- oder Wasseroberfläche eine fortschreitende Bewegung
annehmen, aber zumeist bald ohne Schaden zu verursachen, zerstäuben.
In den Tropen dagegen treten Wirbelstürme oft mit grossem Sturmfeld
und zerstörend auf. Je nach der Gegend werden sie als Orkan, Cyklon
oder Taifun bezeichnet und entstehen durch eine örtlich ausgedehnte Erwär-
mung der Luft über den grossen Ebenen und Wüsten.
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I. Natürliche Wasserstrassen.
Wind-
stärke
Geschwin-
digkeit
des Windes
in Meter i.d.
Sekunde
Druck des
Windes
auf im*
in Kilogr.
Wirkungen des Windes
о Stille
o— o,5
0 — 2
Dem Gefühle unmerkbar; Rauch steigt
fast gerade empor.
I Schwach
o,5— 4
3-8
Für das Gefühl merkbar; Gräser, Blätter,
Wimpel oder Flaggen werden leicht
bewegt.
2 Frisch
5— lo
9 — 20
Bewegt Blätter und Baumzweige, streckt
Wimpel und kleine Flaggen gerade.
3 Stark
11 — 16
21—40
Bewegt grosse Zweige und schwache
Stämme, zerreisst Flaggen und streckt
alles Tauwerk.
4 Sturm
17—30
41—90
Grosse Bäume, Schiflfsmaste werden be-
wegt, leichtes Tauwerk zerrissen.
5 Orkan
über 30
91 — 200
Entwurzelungen, zerstörende Wirkung,
Anker Verlust.
Von verheerender Wirkung sind die unter dem Namen Tornados be-
kannten, in ihrer Grösse immer zunehmenden hohen Wettersäulen in Mittel-Amerika.
RegeuhShe. Von grosser Wichtigkeit, sowohl für die Wetterkunde, als
auch für die Binnenschiffahrt, den Wasserbau und die Landwirthschaft ist die
Bestimmung der Niederschlagsmengen. Dieselben werden, indem man sich
alle Niederschläge in Regen verwandelt denkt, als Regenhöhe an-
gegeben.
Die Regenhöhe ist die Höhe der Wasserschichte, welche entstünde,
wenn der Regen auf eine wagerechte Bodenfläche fallen und sich weder durch
Abfluss noch durch Verdunstung verringern würde.
Nach diesem Grundsatze sind alle Vorrichtungen zur Messung der Regen-
höhe verfertigt. Um den Zusammenhang zwischen Windrichtung und Regenfall
zu erfahren, werden zu feineren Beobachtungen Instrumente verwendet, welche
selbstthätig anzeichnen, wie viel Wasser innerhalb bestimmter Zeiträume niederfällt.
Voraassichtliche Niederschläge. Die beobachteten Regenmengen versucht
die Meteorologie mit der Breite und Lage des Ortes, sowie mit den Jahres-
zeiten in einen Zusammenhang zu bringen, um hieraus die voraussichtlich
eintretenden Niederschläge zu veranschlagen. Diese Beobachtungen
sind jedoch, weil sie auch von örtlichen Verhältnissen beeinflusst werden, un-
sicher. Selbst die jährlichen Niederschlagsmengen an einem bestimmten Orte sind
so verschieden, dass aus deren Jahresmittel keine sicheren Schlüsse gezogen
werden können.
Für unsere Gegenden und für Mittel-Europa fällt die grössere Regen-
menge auf die Sommermonate. Man nimmt an, dass von einer mittleren Regen-
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. g
höhe von 67 cm auf den Winter 15 pCt., den Frühling 25 pCt., den Sommer
40 pCt. und auf den Herbst 20 pCt. entfallen.
Die mittleren jährlichen Niederschläge für das Donaugebiet stellen
sich nach zehnjährigen Aufschreibungen auf 89,33 cm. Hiervon entfallen auf
die Monate: Jänner 4,81, Februar 4,60, März 4,81,- April .6,52, Mai 9,23, Juni
9,82, Juli 11,47, August 10,04, September 7,30, Oktober 8,66, November 6,82
und Dezember 5,25 cm.
Im Stromgebiete des Rheines berechnet man das Jahresmittel mit 69 cm,
in jenem der Elbe mit 72 cm und in jenem der Oder mit 57 cm.*j
Die Frage, wie viel von den Niederschlagsmengen verdunstet und der
Luft wieder zugeführt wird, wäre eben so wichtig, als die Bestimmung der
Niederschlagsmengen selbst Leider liefern die zu diesem Zwecke bisher an-
gestellten Beobachtungen nur ein unsicheres Ergebnis. In unseren Gegenden
ist die Verdunstung am geringsten während der Wintermonate, nimmt im
Frühlinge zu und ist am grössten im Sommer. In freier Gegend, bei nicht-
bewölktem Himmel, entsteht eine besonders starke Verdunstung. In Wald-
gebieten ist sie wesentlich geringer als auf flachem Lande.
Versiekeruug. Wie viel vom Niederschlage in die Erde sickert, ist schwer
zu bestimmen. Die Annahme, dass von den gesammten Niederschlägen ein
Dritttheil verdunste, ein Dritttheil versickere und ein Dritttheil auf der Erd-
oberfläche ablaufe, ist eben so unsicher, als die Voraussetzung, dass, weil
ein grösserer Theil der eingesickerten Regenmenge unterirdisch abfliesse, die
durch Quellen, Bäche und Flüsse abgeführte Wassermenge die Hälfte der ge-
sammten Regenmenge betrage.
Nach mehrjähriger Beobachtung der Abflussmengen am Moldaupegel
in Karolinenthal fliesst beispielsweise von den im Moldaugebiete gefallenen
Niederschlagsmengen ein Drittheil ab, daher zwei Drittheile verdunsten und
versickern würden. Festgestellt durch mehrfache Beobachtungen ist nur die
Thatsache, dass bewaldeter Boden grössere Niederschlagsmengen aufnehmen
kann, als das freie Feld,' während letzteres wieder im Winter eine grössere
Wassermenge als der Wald abgiebt. Der Wald bildet also im Sommer einen
Wassersammler, aus welchem Quellen, Bächc und Flüsse langsam gespeist
werden.
Grundwasser und Quellen. Das versickernde Wasser folgt dem Gesetze
der Schwere und sinkt in die oberen Erdschichten ein. Ein Theil des Sicker-
wassers bleibt im Erdinnern und heisst Grundwasser.
Das Grundwasser bildet für die Flüsse gleichfalls einen aufgespeicherten
Wasser vorrath, welcher die nächstliegenden Wasserzüge speist oder seinen
Inhalt einem Wasserlaufe unterirdisch allmählig abgiebt.
Bild 2 veranschaulicht die Bewegung des Grundwassers.
Die Wassertheilchen* sickern in der durchlässigen Schichte a durch
zumeist sehr enge Röhrchen auf die undurchlässige Schichte b. Unter der
Einwirkung der Schwerkraft, welche sie im Sinne des Gefälles abiliessen
macht und der Erscheinung, welche sie in den Durchflussröhrchen zurückhält,
treten sie endlich, zu einer Wassermenge versammelt, im Flussthale с zu Tage.
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lO I. Natürliche Wasserstrassen.
Das Sammelbecken d zeigt einen unterirdischen Abfluss e von an-
gesammeltem Grundwasser. Wenn die Niederschläge gross sind, steigt das
Wasser im Fluss und im Sammelbecken bis c', überfliesst im letzteren und
erzeugt bei f eine Quelle.
Aus der Abbildung ist auch zu entnehmen, in welchem Zusammenhange
das Grundwasser mit dem Flusswasser steht und wie beide wechselseitig zu-
nehmen oder abnehmen, eine Erscheinung, die zur Zeit von Ueberschwemmungen
in jedem Flussgebiete leicht beobachtet werden kann.
Die Quellen entstehen demnach, wenn das Sickerwasser eine undurch-
lässige Schichte erreicht und auf dieser in der Richtung des grössten Gefälles
so lange weiterfliesst, bis es an der Stelle, wo diese Schichte in tieferer Lage
wieder zu Tage tritt, hervorquillt.
15(^Ж'
Bild 2. Grundwasser.
Oft vereinigen sich derartige Quellen noch im Erdinnern zu Bächeii
und diese zu Flüssen, oder bilden unterirdische Wasserbecken und treten
dann plötzlich als schon starke Flusse zu Tage. Diese Erscheinung tritt
besonders in Karstgebieten auf, deren zerklüftete durchlässige Schichten und
Erdrisse grosse Wassermengen aufnehmen können.
Oberffifheiiabflliss, Bäeke. Die Niederschlagsmengen, welche in die Erde
nicht eindringen können, rinnen an den Abhängen nieder, vereinigen sich
in der tiefsten Stelle des Thaies zu einem Wasserlaufe und fliessen nun
dem Thal gefalle entlang als Bach weiter.
Diese von den Wasserläufen genommene Abflussrichtung nennt man den
Thal weg. Je nachdem der Thalweg mehr oder weniger undurchlässigen oder
durchlässigen Boden hat und je nach dessen Quellgebiete werden die Bäche
wasserreich oder wasserarm sein.
Die Bäche werden als Regenbäche bezeichnet, wenn sie durch Nieder-
schlagswasser unmittelbar gespeist werden. Entstehen solche im Gebirge, so
heissen sie Wildbäche. Die Wildbäche haben ein grosses Gefälle und zeichnen
sich durch heftige Hochwässer aus, die um so zerstöi*ender wirken können,
wenn sie grosse Geschiebe mitführen, dieselben im Thalweg ablagern und
dadurch oberhalb dieser Ablagerungen Wasseranschwellungen verursachen.
Die durch Schmelzen von Gletschereis gespeisten Wasserläufe nennt
man Gletscherbäche. Diese haben bei kalter Witterung wenig, bei warmem
Regen oder im Sommer jedoch viel Wasser.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flusse und Ströme. ц
Flfisse md Strftnie. Aus dem Zusammenflusse vieler Bäche entstehen
Flosse, die sich zu Strömen vereinigen und endlich in das Meer münden.
Der Fluss fliesst so wie die Quellen in der Gefällsrichtung der undurch-
lässigen Schichte. Aendert sich diese und trifft der Fluss durchlässigen
Boden, so tritt die Erscheinung auf, dass sich seine Wassermenge zusehends
verringert, ja dass der Fluss ganz verschwindet, sein Wasser aber unter-
irdisch weiterströmt und an anderer Stelle wieder zu Tage tritt. Die Karst-
fltlsse bilden hierfür ein Beispiel.
Bei jedem Flusse oder Strome unterscheidet man den Ursprung,
den Oberlauf, Mittellauf, Unterlauf und die Mündung.
Hat der Oberlauf ein besonders starkes Gefälle, so wird er als Gebirgs-
fluss bezeichnet. Gewöhnlich ist auf solchen eine Bergfahrt mit Schiffen
nicht möglich, weil ihre Strömung zu gross ist und. starke Geschiebeführungen
das Flussbett verändern und verwildern.
Die höchsten Bodenerhebungen, welche die einzelnen Fluss- oder Nieder-
schlagsgebietc von einander trennen, nennt man Wasserscheiden.
Der Wasserreichthum eines Flusses hängt von der Grösse, von der
natürlichen und der wirthschaftlichen Beschaffenheit seines Niederschlaggebietes,
von der Menge und der Vertheilung des Niederschlages, von den vorhandenen
Wassersammelbecken, sowie vom Klima ab. Nachdem nicht nur die Nieder-
schlagsverhältnisse, sondern auch die einzelnen Flussthäler und Thalwege
verschieden sind, so folgt, dass jeder Fluss oder Strom seine besonderen
Erscheinungen hat, welche wieder auf seinen einzelnen Strecken verschieden sind.
AU^emeine FlHSsei^eilselHlfteil. Die wissenswerthesten Erscheinungen
eines Flusses sind dessen Wasserstand, Wassermenge, Gefälle und
Strorageschwindigkeit, ferner dig Gestaltung seines Bettes und
die Geschieb efohr un g in demselben.
Wasseretand. Der Wasserreichthum eines Flusses hängt von vielen
Umständen ab, es wechseln deshalb auch seine Wasserstände.
Für den Schiffer ist hauptsächlich noth wendig die Kenntnis des Nieder-
wassers, des gewöhnlichen Wasserstandes oder Normalwassers und
des Hochwassers. Der Flussbau muss ausser diesen noch den aus sämmt-
lichen Tagesbeobachtungen gerechneten mittleren Wasserstand kennen,
welcher in der Regel dem Normalwasserstande nahezu gleich ist.
Niederwasser. Unter Nie<Jerwasser versteht man die in jedem Jahre
längs des ganzes Flusses eintretenden niederen Wasserstände. Dasselbe ist
dadurch kenntlich, dass einzelne Regulirungsbauten seine Höhe überragen.
Bei länger andauerndem Niederwasser erfolgt meist die gleichzeitige Auf-
nahme aller Wasserslandshöben an den wichtigeren Flussstellen, wodurch die
Höhe des ganzen fortlaufenden Wasserspiegels, das Längenprofil des Flusses,
bestimmt wird.
Auf das Niederwasser ist der Bau der Schiffskörper insofern begründet,
als der Tiefgang, die Breite und die Länge aller Dampfer und Schleppe den sich
bei diesem im Thalwege ergebenden Abmessungen angepasst werden müssen.
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12 I- Natürliche Wasserstrassen.
Ausser dem Niederwasser werden noch die aussergewöhnlichen, durch
besondere Veränderungen des Flussbettes oder durch anhaltende Trockenheit
beobachteten niedersten Wasserstände aufgezeichnet, welche aber für die
Schiffahrt, weil sie nur vorübergehende Erscheinungen sind, erst in zweiter
Reihe in Betracht kcjmmen.
Normalwasser. Das Normalwasser ist der gewöhnliche, unter gleich-
bleibenden Verhältnissen andauernde Wasserstand. Derselbe ermöglicht in der
Regel der Schiffahrt einen ungestörten Betrieb.
Hochwasser. Unter Hochwasser werden jene grossen Wassermengen
verstanden, welche über die Ufer des Flussbettes austreten und dessen an-
grenzende Gebiete Überflutben.
Das grösstmögliche Hochwasser eines Flusses ist vom Standpunkte
des Schiffahrtsbetriebes deshalb nothwendig zu kennen, um die Landungsplätze,
Kaimauern, Hafenanlagen und Magazine über den höchsten Stand desselben
anlegen, die Strombrücken aber so hoch führen zu können, dass die Schiffe
dieselben unterfahren können.
Leider ist es eine oft beobachtete Thatsache, dass auf vielen Flüssen
sowohl die Niederwässer andauernder sind, als auch die Hochwässer schneller
kommen und grösser werden, wodurch die festen Bauten, Kaianlagen und
Ufer immer höher überschwemmt, die Durchfahrtshöhen der Brücken aber
weniger ausreichend werden, so dass durch letztere der Schiffsverkehr auf
gewissen Strecken zeitweilig ganz gesperrt wird.
Als Ursache dieser Erscheinungen sucht man die übermässigen Aus-
forstungen, die Trockenlegung von - Sumpfgegenden im Flussgebiete, den Weg-
fall der natürlichen Sammelbecken eines Flusslaufes durch Regulirungsabbauten
und die Wasserentnahme aus Bächen zu Bewässerungszwecken hinzustellen.
Neuere Forschungen im Donaugebiete haben indessen dargethan, dass
die in den letzten Jahren beobachtete raschere Aufeinanderfolge der Donau-
hochfluthen mit immer steigender Wasserhöhe nicht allein auf die Wald-
zerstörungen, sondern auch auf eine zufällige Wechselwirkung atmosphärischer
Erscheinungen zurückzuführen sei.
Auf die Niederwässer sind jedoch grosse Waldbestände jedenfalls von
massgebendem Einflüsse. Es geht dieses aus der Thatsache hervor, dass
ausgedehnte Entwaldungen immer eine fühlbare Wasserarmuth der diese Ge-
biete durchziehenden Gerinne zur Folge haben, während dies bei grossem Forst-
bestande nicht der Fall ist. Ferner wird der Verlauf von Ueberfluthungen im
Quellgebiete und in den sich daran anschliessenden Thälern durch grosse Forste
immer günstig beeinflusst und geregelt.
Eine gute Wasser wir thschaft bedingt daher unstreitig die Erhaltung der
VValdbestände, welche die Bodendecke vor Abschwemmung und dadurch die
Wasserläüfe und Thäler vor Verschotterung bewahren, im Frühjahre und im
Sommer aber das Abschmelzen der dort abgelagerten Schneemassen verzögern
und einen ruhigeren Wasserabfluss gewährleisten.
Die Höhe der Hochwässer über dem niedrigsten Wasserstande ist bei
allen Flüssen verschieden. Die Herbsthochwässer der Donau betragen 5 bis
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme.
13
II m Ober dem tiefsten Win ter Wasserstand. In den Jahren 1840 bis 1895
war der niedrigste Wasserstand am Orsovaer Pegel am 15. October 1865
0,26 m und der höchste am 17. April 1895 6,48 m über Null, somit ein Unter-
schied von 6,22 m. Bild 3 zeigt, dass während einer Dauer von 75 Jahren
in der Donauötromenge Struden ein Unterschied von 14 m zwischen Tief-
stand und Höchststand eingetreten ist. Von den Nebenflüssen der Donau,
kann die Save 10 m, die Theiss 8 m steigen.
Der mittlere Rhein steigt bis 7 m, die Elbe 7 m, in Tetschen auch
schon um, während der bisher beobachtete grösstc Unterschied zwischen
niederstem und höchstem Wasserstande auf der mittleren Oder 5,70 m betrug.
Bild 3. Nach 75jährigen Pegelaufschreibungen gerechnete Monatswasserstände der
Donaustromenge Struden.
Die grössten Steigungen treten am Mississippi ein. Derselbe stiei^
1883 bei der Einmündung des Ohio т6 m, welcher Fluthwelle eine Erhöhung
des Wasserstandes bei New-Orleans von 5 m entsprach. Der Po und der
Nil nehmen bis 10 m zu. Wenn der Nil in Cairo 7,50 m zunimmt, beträgt
die Hochfluth 700 km oberhalb in Assouan 9 m.
Die Dauer der Nieder- und der Hochwässer sowie die Jahreszeiten, in
welchen sie eintreten, ist ebenso ungleichmässig, und wird der Abfluss in einem
Strome durch verschiedene Umstände beeinflusst. Schon Beigrand hat in
seinen Untersuchungen über die Seine (La Seine, Paris 1873) nachgewiesen,
dass auf den Abfluss von sehr erheblicher Einwirkung die geologische Gestaltung,
sowie die von dieser abhängige grössere oder geringere Durchlässigkeit des
Bodens ist.
Ferner ist das Verhalten eines aus dem Hochgebirgsgebiete gespeisten
Wasserlaufes von jenem, dessen Zuflüsse aus dem Mittelgebirge oder
Hügellande kommen, wesentlich verschieden. Während die HochgebirgsflOsse
im Winter und in das Frühjahr hinein niedrig sind, beginnt sich deren
Gerinne Ende März in dem Maasse anzufüllen, als die Abschmelzung des
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ч
I. Natürliche Wasserstrassen.
Schnees in dem Hochgebirge hinaufrOckt, und erreicht, stetig zunehmend, den
Höchststand im Juni. Dann geben starke Niederschläge, besonders Gewitter-
regen, Anlass zu unruhigen Wasserstandsschwankungen, welche bis zur An-
schwellunj( in Folge der Herbstregen andauern. Nach Frosteintritt in dem
Hochgebirge verhalten sich die Wasserstände wieder ruhig, worauf dann der
niedrige Beharrungswasserstand des Winters eintritt Für den Abflussvorgang
der GebirgsflQsse ist demnach die WasserzurOckhaltung der Schneefelder,
Gletscher und Hochgebirgsseen bestimmend. * Die stärkste Wasserabgabe aus
dem Hochgebirge stellt sich dann ein, wenn auf rauhe Frühjahrswitterung
warme Sonnentage unvermittelt folgen, und zu dem im Abschmelzen begriffenen
Spätschnee auf den Vorbergen die Schneeschmelze und das Abfliessen der
Gletscher dazutritt. Diese Erscheinungen sind beispielsweise im Oberlaufe
des Rheines zu beobachten, welcher von Zuflüssen aus dem Hochgebirge
der Schweiz gespeist wird.
Der Oberlauf der Donau hat durch seine AlpenzuflQsse ein Winter-
und ein Sommernieder Wasser. Während des Winters sammeln sich die
Niederschlage im Gebirge zu mächtigen Schneemassen, welche gefrieren und
keine Wassermengen abgeben. Im Frühjahr tritt gewöhnlich Anfangs März
die Schneeschmelze ein und es entsteht das FrOhjahrshochwдsser, welches,
wenn die Donau noch mit Eisschollen bedeckt ist, von schweren Eisgängen
begleitet wird. Unter dem Einflüsse der Sonne erhält das Donauthal von den
schmelzenden Schnee- und Eismassen im Gebirge seine regelmässige Speisung-
das für die Schiffahrt günstige Normalwasser dauert sodann bis gegen Sommer-
ende, worauf die eigentliche andauernde Niederwasserzeit der Herbst- und
Wintermonate beginnt. Diese wird nur durch zeitweilige örtliche Nieder-
schlagsmengen und durch das zumeist im September eintretende Herbsthoch-
wasser unterbrochen. Das Herbsthochwasser tritt fast alljährlich als Folge
der grossen Regen im Hauptthale der Donau und in den Thälern der Seiten-
flosse ein und nimmt meist einen plötzlichen Verlauf. So schnell die Fluth-
welle kommt, so rasch vergeht sie auch im Oberlaufe, während der Mittellaui
schon genügende Breiten und Ueberschwemmungsgebiete hat, um das hier
länger andauernde Hochwasser in seinen Wirkungen zu mildern.
Die Mittelgebirgsflüsse zeigen dagegen im Sommer vorwiegend
niedrige Wasserstände und im Frühjahre und Herbste regelmässige Fluthan-
schwellungen. Nicht selten haben sie auch in der kalten Jahreszeit bei rasch
eintretendem Thauwetter und starken Regenfällen Hochwässer.
Ebbe und Flutfa. Ausser diesen durch die Zuflüsse und Niederschläge
bedingten Veränderungen des Wasserstandes eines Flusses muss noch, wenn
derselbe in das Meer mündet, der Einfluss der Ebbe und der Fluth in Be-
tracht gezogen werden, durch deren Wechselerscheinungen die Wasserstände
des Stromunterlaufes mannigfaltig beeinflusst werden.
Die von der See in die Mündung eintretende und sich im Flussbett
landeinwärts bewegende Fluth ist ein Theil der Meeresfluthwelle. Hierdurch
tritt im Strome täglich zweimal ein Steigen und Fallen des Wasserstandes ein.
Die Fluthperiode des Meeres, die Zeit zwischen dem Eintreten der zwei
aufeinander folgenden höchsten und niedrigsten Wasserstände, dauert theoretisch
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme.
15
12 Stunden 25 Minuten und 14,16 Sekunden. Man nimmt an, dass die
Meeresfluth und die Zeit ihres Eintrittes durch die gegenseitige Stellung und
Entfernung von Sonne und Mond zur Erde beeinflusst wird. Die grosse
Meereswelle, Springfluth, bildet sich zur Zeit des Vollmondes und des Neu-
mondes. Wird diese durch Sturm gestaut, so entsteht die Sturm flu th.
Zur Zeit des ersten und letzten Mondviertels tritt dagegen eine besonders
schwache, die tote oder Nippfluth, ein.
Die Fluthgrösse oder der Unterschied zwischen dem höchsten und
niedrigsten Wasserstand im offenen Meere konnte bisher nicht ermittelt
werden. Jedenfalls ist sie an der Küste und in der Flussmündung kleiner
als im Meere.
Um den Veriauf der Fluth- Mm^^^^^^Lr ^-
erscheinungen eines Mündungs-
gebietes zu erkennen, werden an
einzelnen Orten desselben Fluth-
m csser aufgestellt, welche, ähn-
lich wie die selbstverzeichnenden
Pegel, die Schwankungen des
Wasserstandes aufzeichnen. Die
Bewegungen eines linsenförmigen
Schwimmers werden mit einem
Zeichenstifte auf einen durch
ein Uhrwerk gedrehten, mit der
entsprechenden Zeiteintheilung
versehenen Papierstreifen auf-
getragen.
Aus diesen Aufschreibungen
werden für bestimmte Strecken die Fluthkurven dadurch bestimmt, dass
man auf einer die Zeiten darstellenden Abscissenachse die zugehörigen Höhen
der Fluth als Ordinaten aufträgt. (Bild 4) Diese Kurven geben das Bild dei-
das Mündungsgebiet durchziehenden Fluth und Ebbe während eines bestimmten
Zeitraumes und wird aus diesem dann der voraussichtliche Wasserstand bis
nahe zur Fluthgrenze bestimmt.
Die Fortgangsgeschwindigkeit der Fluthwelle in der Mündung ist je
nach dem Stromgefälle und der Gestaltung des Strombettes verschieden und wird
auch vom Winde beeinflusst. In Hamburg wurde beispielsweise beobachtet,
dass der Hochstand 4 Stunden 16 Minuten später eintritt, als in dem 100 km
seewärts gelegenen Cuxhaven. Die Fortgangsgeschwindigkeit der Fluthwelle
beträgt somit dort 6,5 m in der Sekunde.
AVasserstauds-Beobachtiiilgen. In den Kulturstaaten finden auf fast allen
grösseren Flüssen regelmässige Wasserstandsbeobachtungen statt. Die-
selben werden auch auf die kleineren Zuflüsse, mithin auf das ganze staatliche
Wassernetz ausgedehnt und sind von grossem und allgemeinem Nutzen.
Unentbehrlich für den Flussbau, sind sie sowohl für den Landwirth, als auch
für den Schiffer von hoher Wichtigkeit.
Die Wasserstände werden an senkrecht in dem Strom oder an geneigt
Bild 4. Fluthkurve.
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16
I. Natürliche Wasserstrassen.
auf der Uferböschung angebrachten, nach dem Metermaasse eingetheilten Pe-
geln abgelesen. Die hölzerne oder eiserne Pegellatte muss so aufgestellt
werden, dass sie vor Beschädigungen geschützt ist und eine unbehinderte
Ablesung gestattet.
Jeder Pegel ist in Centimeter und Decimeter über und unter einem Null-
punkte eingetheilt. Der Nullpunkt wird zumeist gleich der Spiegelhöhe des
niedrigsten Sommerwasserstandes angenommen, seltener auf das Mittelwasser
bezogen. Die über dem Nullpunkte stehenden Grade werden mit dem Zeichen + ,
die unter dem Nullpunkt stehenden mit dem Zeichen — bezeichnet.
Die Nullpunkte aller Pegel eines Flusses sollen womöglich zu gleicher
Zeit für den gleichen Niederwasserstand bezeichnet und deren Höhen in
der Nähe des Ufers durch feste Punkte unverrückbar bestimmt werden. Diese
Fixpunkte, meist behauene Steine, sind deutlich durch Höhenbestimmung
und Lagezeichnung zu kennzeichnen und die Höhenlage der Pegel-Nullpunkte
immer wieder durch genauen Höhenmessungsvergleich mit den dazu gehörigen
Fixpunkten zu überprüfen.
Die Wasserstandsbeobachtungen sollen zu bestimmten Tagesstunden,
ferner bei allen grösseren Flu th wechseln, bei Gewitterregen und Eisgängen
aber ununterbrochen erfolgen. Der Zeitpunkt des Eintrittes der Niederwässer,
sowie des höchsten Hochwasserstandes muss verzeichnet und über alle Pegel-
ablesungen eine Aufschreibung geführt werden.
Beispiel: Wasserstände in Centimetern am Pegel in Semlin
Pegel — Nullpunkt; Höhe:
Jahr: 1901. Monat: März.
Tag
+
Anmerkung
•
I
+
147
•
heiter, Treibeis, — 5 " R.
2
141
H- I "
3
141
+ 4»
4
156
regnerisch + 6 ^
5
170
Wind und trocken
6
140
»
7
ÎI5
kalt - 7OR.
8
85
»
9
60
zunehmende Temperatur + 7 '^
10
40
sonnig + 10 ^
II
20
Wind und trocken
12
10
13
—
2
der tiefste Stand um 8 Uhr Abends
14
+
4
Regen, Südwind + 13 ^R.
Pegelanfschreibttllgen und Pegelkurveil. Aus diesen Aufschreibungen
werden verschiedene Zusammenstellungen gemacht. Beispielsweise die täg-
lichen Wasserstände aller wichtigeren Pegel für das ganze Jahr.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. ly
Wasserstände in Gentimetern im Monate August 1897.
Donau
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I
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509
437
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271
210
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342
317
138
215
193
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3
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3
4
154
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935
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738
642
578
534
375
282
178
324
356
342
138
192
207
4
5
125
478
267
785
465
736
694
606
568
385
289
162
318
356
354
170
182
306
5
6
III
420
207
656
386
714
710
634
604
394
295
148
307
348
362
146
191
300
6
7
86
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158
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662
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142
305
339
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195
aoo
7
Das Mittel aus den monatlichen Wasserständen am Pegel in Wien
(Praterkai) für das Jahr 1897.
Monat
Jänner
Februar
März . .
April . .
Mai . . .
Juni . . .
Juli . . .
August . .
September .
Oktober .
November .
Dezember .
cm
—
199
+
17
+
I
—
10
+
132
+
132
+
49
+
209
+
107
—
54
—
147
—
114
+
10
Ч-
10 cm.
+ 505 cm.
Jahresmittel
Mittlerer Wasserstand des Jahres 1897 =
Höchster Wasserstand am 3. August 1897 =
Niedrigster Wasserstand am 31. Januar 1897 = — 218 cm.
Der Wechsel der Wasserstände wird durch bildliche Darstellung,
graphisch, veranschaulicht. (Bild 5.) Die sich daraus ergebende Linie
nennt man die Pegel- oder Wasserstandskurve.
Für das ganze Jahr werden die für die Schiffahrt wichtigsten Pegel-
kurven für den niedersten, gewöhnlichen und höchsten Wasserstand auch
in der Art dargestellt, dass um einen gemeinsamen Mittelpunkt, der Tageszahl
des betreffenden Monates entsprechende, Winkelgrössen aufgetragen und auf
Suppän, Was.serstrassen und Binnenschiffahrt.
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i8
I. Natürliche Wasserstrassen.
deren Scheitel dann die dem Monate zukommenden Pegelhöhen bezeichnet
und miteinander verbunden werden.
Voraussage der Hochwasser. Durch eine Reihe sorgfältiger Wasserstands-
beobachtungen ist es möglich, den Zusammenhang zu ermitteln, welcher
zwischen der Häufigkeit und der Zeitdauer des Auftretens der verschiedenen
Wasserstände bei einem Flusse besteht.
Werden solche Beobachtungen zahlreich und längs aller Zuflüsse eines
Stromes gemacht, so kann man schliesslich das Steigen und das Fallen der
Bild 5- W^sserstands-Kurve über die Pegelstände in Wien. Praterkai, vom 15. März
bis 15. Mai 1900.
einzelnen Fluthw eilen vorausbestimmen, was für die wirthschaftlichen Ver-
hältnisse eyies Landes und für die Schiffahrt von ausserordentlichem Nutzen ist.
Zu solchen feineren Wasserstandsbeobachtungen dienen ausser den ein-
fachen Pegeln die Schwimmerpegel, bei welchen eine an der Wasser-
oberfläche schwimmende Linse, auf der eine Stange befestigt ist, die Pegel-
höhen mittels Zeigers auf ein Zifferblatt überträgt. Die sorgfältigsten Ab-
lesungen ermöglichen jedoch die „selbstzeichnenden Pegel", bei welchen, so
wie beim Fluthmesser, ein Schreibstift die wechselnden Pegelständc als Wasser-
standskurve, nach den Zeiteinheiten geordnet, unmittelbar aufträgt.
Am gefährlichsten wird eine Fluthwelle, wenn gleichzeitig die Hochwässer
des Hauptstromes mit jenen verschiedener Nebenflüsse zusammentreffen, wenn
der Boden des Niederschlagsgebietes undurchlässig oder noch gefroren ist,
oder wenn an einer Stromstelle Eisstopfungen entstehen.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flusse und Ströme. 19
Durch die Einrichtung eines ausgedehnten staatlichen Wasser-
beobachtungsdienstes, welcher drahtlich oder mittels Fernsprecher alle
Pegelbeobachtungen aus dem oberen Flussgebiete und aus den Zuflussthälern
übermittelt, ist es möglich die Höhe und den Zeitpunkt des Eintreffens des
Hochwassers im mittleren und unteren Flusslaufe mit einer gewissen Sicher-
heit vorher zu bestimmen und durch einen geregelten Nachrichtendienst zur
allgemeinen Kenntnis zu bringen.
Für eine zuverlässige Vorherbestimmung der Hochwässer sind jedoch
vieljährige Beobachtungen nicht nur über den Verlauf zahlreicher Fluth wellen,
sondern auch über die Grösse und die Dauer der Niederschlagsmengen
noth wendig. Da ausserdem die Hoch Wässer nicht nur eine Folge andauernder aus-
gedehnter Regengüsse sind, sondern auch der Schneeschmelze entstammen,
üo ist auch die Kenntnis der winterlichen Schneedecke von Wichtigkeit,
weshalb an möglichst vielen Stellen deren Höhe und Wasserwerth bestimmt
werden muss.
In Oesterreich und Ungarn, in Deutschland, Frankreich und
den Vereinigten Staaten sind staatliche Einrichtungen zur Meldung der
Hochwässer und der Eisgänge vorhanden.
Elbewasserdienst. Am durchdachtesten ist der von Harlacher geschaffene
Hochwasserdienst für die Elbe, welcher das Eintreffen der Hochfluth für den
oberen Lauf innerhalb 24 Stunden und für den Mittellauf, ab Dresden inner-
halb 36 Stunden voraus bestimmt.
Die Wasserstandsvoraussagen auf der Elbe beschränken sich jedoch
nicht nur auf die rechtzeitige Anmeldung der Hochfluthen, sondern es werden
auf dieselben auch die Beladungen der Schiffe bezogen, was für die dortige
Schiffahrt um so werthvoller ist, als sie dadurch die jeweilig sich ergebenden
Fahrtiefen immer voll ausnützen kann. Wahrend der Schiffahrt werden von
13 Hauptorten des Niederschlagsgebietes der oberen Elbe die voraussichtlich
zu erwartenden Wasserstandshöhen an den einzelnen Umschlagplätzen mit
einer derartigen Genauigkeit im vorhinein gemeldet, dass bei 96 Prozent
der bisher gemachten Voraussagungen der Fehler die Grösse von 5 cm, bei
75 Prozent sogar das Mass von 2 cm nicht überstieg.
Ein derart gut eingerichteter Voraussagedienst trägt zur Regelung des
Seh iffahrts Verkehrs auf einem Flusse wesentlich bei.
In Schiffahrtskreisen werden auch die Erfolge dieses Dienstes in Böhmen
in ihrem vollen Umfange gewürdigt und hervorgehoben, dass der Schiffahrt
und den beim Umschlagsverkehr in Betracht kommenden Eisenbahnen durch
die Voraussagen ein grosser Nutzen erwächst und die glatte Abwickelung
des dortigen lebhaften Verkehrs möglich macht. '
'2'
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20 I. Natürliche Wasserstrassen.
Donauwasserdiensi Die wichtigsten Pegelablesungen der Donau erfolgen .
Beobachtete
Wasserstände
Als Grundlage der Hydro-
gradeintheilung für den
Wasserwechsel
1
Pegelort
kleinste
grösste
kleinste
grösste
l
im
Jahre
Höhe
im
Jahre
Höhe
im
Jahre
Höhe
im
Jahre
Höhe
^
cm
cm
cm
cm
cm
Schärding
1889
- 8
1840
+ 769
1889
— 8
1840
+ 769
777
Passau
1845
- 58
1862
1882
+ 965
+ 750
1845
- 58
1882
+ 750
80S
Linz
1891
■ 1894
- 148
— 229
1883
+ 482
1891
— 148
1883
+ 482
630
Wien
1887
1894
1871
1890
1891
— 230
— 288
1876
1883
+ 540
+ 482
1887
— 230
1883
+ 482
712
1
Pozsony (Pressburg) . . . '
+ 23
+ 68
+ 78
1850
1876
+ 982
-f 612
1890
+ 68
1876
+ 612
544
1
Budapest 1
1889
1891
1895
+ 13
+ 45
— 30
1838.
1876
1876
+ 9361
+ 767
+ 727
1889
+ 13
1876
+ 727
714
Mohäcs
1889
1891
1895
+ 6
+ 53
— 18
1891
1895
+ 700
+ 685
1889
+ 6
1895
+ 685
679
Ujvidék (Neusatzj ....
1887
1889
1891
— 49
— 25
+ 27
1876
1895
+ 631
+ 619
1889
— 25
1895
+ 619
644
Zimony (Semlin) ....
1874
1889
1891
— 21
+ 9
1876
1895
+ 642
+ 711
1889
+ xo
1895
+ 711
701
Orsova
1889
1891
1898
+ 28
+ 68
— 52
1888
1895
+ 640
+ 648
1889
+ 2^
1895
+ 648
620
Auf der in Ungarn, auf Grund der drahtlich einlaufenden Pegelbeob-
achtungen des Donaugebietes täglich angefertigten Karte (Bild 6) sind nicht
nur die Hochwasser, die Niederschlagsmengen und die zu erwartenden Wasser-
stände verzeichnet, sondern auch die jeweiligen Fahrtiefen, Eisgänge und
Wärmeverhältnisse bemerkt.
Auf der Karte wird die Höhe des Niederschlages durch schwarze Linien
(Isohyêten) zur Anschauung gebracht.
Die Höhe des Schnees ist mit Nummern in schwarzen Ringen nach
Centimetern angegeben.
Die Wasserstände sind mittels rother, den Flussläufen entlang gezogener
paralleler Linien, ausgedruckt; jede Linie bezeichnet einen Grad des Wasser-
standes. Bei beiläufig 6 Linien tritt das Wasser aus dem Bette.
Die Höhe des Wasserstandes wird nach „Hydrograden" zur Darstellung
gebracht, wobei ein Grad den zehnten Theil des Höhenunterschiedes zwischen
dem höchsten und niedersten Wasserstand bedeutet.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme.
21
Die Wasserhöhen von über 5 Grade werden mit stärkeren Linien, die
Wasserstände von über 10 Hydrograde mit wellenförmigen Linien verzeichnet.
Zunehmendes Wasser. j
Abnehmendes Wasser H öchsf stehendes Wésserr —
Eissfénd.msvm Eisrinnen.»» Eisstärke cmQ
isohyeten,r\^ Schneehöhe, О Schmelzen. ^
Bild 6. Wasserstands-Nachrichtendienst in Ungarn.
Zunehmendes Wasser wird mit vollen, höchststehendes mit unter-
brochenen und abnehmendes mit punktirten Linien zur Darstellung gebracht..
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20 I. Natürliche Wasserstrassen.
Die atn Pegel abgelesenen Wasserstände nach Centiitietern sind neben der
pegelstation roth eingeschrieben.
Quer durch strich ene Linien weisen auf stehendes, keilförmig durch
strichene hingegen auf rinnendes Eis hin. Die in rothen Ringen stehenden
Zahlen bezeichnen die Stärke der Eisdecke in Centimetern.
Die Angaben über die Niederschläge beziehen sich auf die letztver-
gangenen 24 Stunden, diejenigen der Wasserstands- und Eisverhältnisse hin-
gegen auf den Zustand am Berichttage morgens.
Wesentlich schwieriger als für diesen mittleren Donaulauf gestaltet sich
der Hochwasserdienst für die österreichische Donaustrecke, dessen
Regelung Lau da in die Hand genommen hat. Das unter seiner Leitung
stehende hydrographische Central-Bureau verfasst sorgfältig gearbeitete Wasser-
standsnachrichten, welche werthvolle Behelfe für das Donauthal enthalten.
Die Donau von ihrem Ursprünge bis unterhalb Wien hat ein Nieder-
schlagsgebiet, das zum grösseren Theile im Hoch- und Mittelgebirge liegt.
Penk unterzog einige Alpenzuflüsse und Mittelgebirgsflüsse einer Unter-
suchung und fand bei den
Abflusshöhe des
Niederschlagshöhe . Abflusshöhe Niederschlages
Alpenflüssen 1510 mm 800 mm d. i. 53 %
Mittelgebirgsflüssen 701 „ 210 „ „ 30 ^j^
Ebenenflossen 58т „ i2o „ „ 21 7«
Diese Werthe beweisen die Thatsache, dass mit der Höhe des Nieder-
schlagsgebietes nicht nur die Niederschlagsmenge, sondern auch deren Abfluss
steigt, dass somit das gebirgige Niederschlagsgebiet der Donau auf die Ver-
fassung derselben einen grossen Einfluss hat.
Die österreichische Donaustrecke ist auch als Alpengewässer dadurch ge-
kennzeichnet, dass häufige Regen ein rasches Ansteigen mit ebenso raschem
Sinken des Stromes verursachen. Diese der Donau eigenthOmliche Empfind-
lichkeit für Niederschläge in den Alpen, sowie die grossen Wassermassen,
>yelche der Donau durch die Schmelze der im Hochgebirge aufgespeicherten
Mengen von Schnee und Gletschereis in dem stark geneigten Gerinne des
Stromes zufliessen, machen eine rechtzeitige genaue Voraussage der Hoch-
wässer sehr schwierig, weil nicht nur die Niederschläge, sondern auch die
Witterungsverhältnisse der Alpen, welche ja bekanntlich sehr schwankend sind,
die Donauwasserstände überwiegend beeinflussen. Hierdurch erklären sich auch
die in der oberen Donau herrschenden ausserordentlich veränderlichen
Wasserstande.
Die grösseren Hochwässer der Donau fallen in die Monate August und
September, die grössten Niederwässer in den Oktober und November, während
in den Monaten Dezember, Jänner und Februar die Vereisung des Zufluss-
gebietes in den Alpen, daher der Tiefstand der Donauwasserstände eintritt.
Die Monate Mai, Juni, Juli haben andauernd mittlere Wasserstände, welche
Ers(ïheinung sich' zum grossen Theil von der Wasserabgabe aus den Eis- und
Schneefeldern der Alpen erklärt.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flusse und Ströme.
аз
T
•11 M H
is « «Д 3 TS
Bild 7 zeigt die Zeitdauer in Stunden für den mittleren Verlauf einiger
Hochwasser- und Niederwasserfluthen der oberen Donaustrecke bis Wien.
Wenn die Dauer und Mengen der im Donaugebiete gefallenen Regen
und das damit häufig zusammentreffende Abschmelzen der in den Alpen
aufgespeicherten Schneemassen die Vorbedingung zur Entstehung der Donau-
hochwässer bilden, so sind dagegen auf deren Verlauf verschiedene Um-
stände massgebend, die sich all-
gemein in folgenden Sätzen zu-
sammenfassen lassen:
Die Höhe der Hochwasser-
stände wird im Durchflussprofile
durch die natürlichen oder künst-
lichen Einengungen desselben ver-
grössert.
Die Hochwässer werden um
so höher, wenn das Niederschlags-
gebiet vor dem Regen schon durch-
nässt war.
Die grössten Fluthöhen ent-
stehen beim Zusammentreffen der
Dpnaufluth welle mit Hochständen
aus den Seitenflossen.
Oertlich wird die Welle endlich
auch von einem sie aufstauenden starken Gegenwinde beeinflusst.
In folgender Tabelle ist nach i о jährigen Ermittelungen der Schiffahrts-
abtheilung der Ersten K. K. pr. Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft die Ab-
flussdauer von Fluthwellen im Donaugebiete zusammengestellt:
Bild 7. Zeitdauer von Donaufluthwellen.
Donaustrecken:
с
Abflussdauer
der Fluth welle
Geschwindigkeit
der Fluthwelle
in km pro
Tage Stunden
Stunde
Passau
bis Linz
92
16
5.75
Linz
„ Wien
209
I 10
6,15
Wien
„ Pozsony (Pressburg)
61
9
6,78
Pozsony
„ Göny5
86
18
4,78
Gönyo
„ Budapest
144
I ' 10
4,24
Budapest
„ Draumündung
290
3 ; 15
3,33
Draumündung „ Savemündung
(Zimony)
Zimony „ Drenkova
214
160
3Î I
2 6
2,93
2,96
Drenkova „ Orsova (Katarakte)
62
8
7.75
Passau
bis Orsova
1318
13
21
3.96
Drau
Essegg bis Draumündung
Essegg „ Orsova
20
456
5
5
19
4.00
3,28
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24
I. Natürliche Wasserstras&en.
Donaustrecken:
bo
a
is
Abflussdauer
derFluthwelle
Geschwindigkeit
der Fluthwelle
in km pro
Tage
Stunden
Stunde
Theiss
Szeged bis Zimony
Szeged „ Orsova
217
439
2
5
20
ID
3.19
3,38
^ j Sissek bis SavemOndung
j Sissek „ Orsova
603
822
6
8
Ч
4.19
3.99
Fur kleinere Fluthwellen hat sich die Erfahrungsregel ergeben, dass, wenn
das Normalwasser seinen Beharrungszustand erreicht hat, sich die FluthwelJe
derart fortpflanzt, dass die Pegelstände der unteren Stationen folgende Procent-
sätze von einem oberhalb liegenden Pegelorte bekommen, und zwar:
Von einer Pegelablesung in
Wien gelangen nach Zimony, 795 km .... 30 ^/j,
Mohäcs
Essegg (Drau)
Szeged (Theiss)
Sissek (Save)
293
234
217
603
45.^/0
8 7o
Von einer Pegelablesung in Zimony gelangen nach Orsova (oberhalb des
Eisernen Thores), 222 km,
bei Orsova-Pegel -f 379 cm aufwärts . 50 ^/^
„ • von + 285 bis 379 cm . . 70 ^lo
„ + 190 „ 285 „ . . 100 0/0
Von T. Severin (unterhalb des Eisernen Thores) kommen nach Giurgevo,
433 km 25<>/o
und von T. Severin nach Galaz, 772 km ... 20 %.
Diese Ermittelungen gründen sich nur auf den Abfluss der gewöhnlichen
und kurzen Anschwellungen, deren Verlauf darum leicht und auf grössere.
Entfernungen hin zu beurtheilen ist, weil sie, durch Hochwasser einzelner
Seitenflüsse bewirkt, nicht in das Ueberschwemmungsgebiet austreten, sondern
sich im Strombette selbst unbehindert weiterbewegen.
Ein Beispiel einer kurzen Anschwellung ist im Bilde 8 dargestellt.
Klunzinger hat die Einwirkung dieser am 28. August 1890 in Passau einge-
tretenen Fluthwelle bis Orsova auf 1320 km Stromlänge nachweisen können.
Dieselbe wurde durch ein Hochwasser des Innflusses veranlasst, traf in der Donau
bis Wien einen mittleren Wasserstand und ab Wien ein sehr kleines Spät-
sommerwasser, daher ihr Verlauf ein unbehinderter und rascher war. Sie
erhielt durch Zunahme der Breite des Bettes eine stetige Verflachung strom-
abwärts und verlief regelmässig. Die Durchlaufzeit für die ganze Strecke
betrug 12,5 Tage, somit ihre Geschwindigkeit
Sekunde.
1,320^000 m
1,080,000 "
= 1,22 m in der
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme.
35
Dieser ersten Fluthwelle folgte in einem kurzen Zeiträume von 3 Tagen
eine zweite viel bedeutendere
welche, weil sie die Ufer über-
fluthete und in ihrem Abflüsse
verzögert wurde, trotz ihrer
grösseren anfänglichen Geschwin-
digkeit erst nach 22 Tagen oder
mit einer mittleren Geschwindigkeit
von nur 0,70 m in der Sekunde
in Orsova eintraf. Die Abfluss-
dauer derartiger Hoch Wässer kann
daher auf grössere Entfernungen
nicht so einfach als jene der ge-
wöhnlichen Fluthwellen bestimmt
werden.
Wasserdienst in Frankreich.
Die Verhältnisse der französischen
Flüsse Seine und Loire sind
ähnlich schwierige, wie jene der
oberen Donau. Trotzdem war es
möglich, auch auf diesen einen
vorzüglichen Wassermeldedienst
zu schaffen, welcher für die dortige
Schiffahrt von grossem Nutzen ist.
Die Voraussage der Hoch-
wässer der Seine hat Beigrand,
jene der Loire Guillemain ausge-
arbeitet.
Abschw&chon^ der Hoch-
w&sser. Zu erwähnen ist noch,
dass der Abfluss der Hochwässer
durch Schaffung grosser Sammel-
becken, Deichanlagen und Ueber-
fluthungsgebiete regulirt und in
seiner Wirkung gemildert werden
kann.
Solche Werke wurden bei-
spielsweise in Frankreich und am
Mississippi mit Erfolg angelegt.
Die durch Dammanlagen ge-
schaffenen Ueberfluthu ngsgebiete
Anschwellung im Donauthale selbst.
Bild 8. Hochwasserstände der Donau
im Jahre 1890 in der Strecke Passau-Orsova.
für die Hochwässer der Theiss und der dortige ausgezeichnet geregelte Dienst
sind bekannt.
Sammelbecken geben auch die Möglichkeit, einem Flusse zur Zeit des
Niederwassers bestimmte Wassermengen zuführen zu können .Man unter
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2б I- Natürliche Wasserstrassen.
Scheidet deshalb Sammelbecken für Hochwasser und solche für Nieder-
wässer.
Wassermenge nad deren Messung. Die Anzahl der Kubikmeter Wasser,
welche während einer Sekunde durch einen in den Strom gelegten Quer-
schnitt durchfliessen, nennt man dessen Wassermenge.
Die Bestimmung der Wassermenge erfolgt bei grösseren Wasserläufen
und Flüssen auf Grundlage genauer Geschwindigkeitsmessungen im Wasser-
querschnitt derselben und bei Quellen und kleineren Bächen durch unmittel-
bare Messung.
Die sekundliche Was s er m enge ist von der Form und vom Flächen-
inhalt des Durchflussquerschnittes, von der Stromgeschwindigkeit und, weil
der Flächeninhalt des Querschnittes mit steigendem oder fallendem Wasser
grösser oder kleiner wird, vom Wasserstande abhängig.
Verschiedene Messungen haben jedoch ergeben, dass durch einen und
denselben Querschnitt, wenn der Wasserstand im Beharrungszustande ist,
gleiche Wassermengen, bei steigendem Wasserstande jedoch mehr und bei
sinkendem Wasserstande weniger als während des Beharrungszustandes
durchfliessen. Die Ursache dieser Erscheinung, welche übrigens bisher nur bei
kurzen Fluthwellen nachgewiesen werden konnte, liegt darin, dass das Gefälle des
steigenden Wasserspiegels grösser, des fallenden aber kleiner als jenes des
Beharrungswasserstandes ist.
Die Wassermengen für das Niederwasser und für das Mittelwasser
können, weil deren Querschnitte scharf begrenzt sind, genau ermittelt werden.
Die Berechnung der sekundlichen Wassermenge der Hochwasser ist jedoch,
weil die Querprofile sehr gross und die verschiedenen darin vorkommenden
Geschwindigkeiten nicht scharf bestimmt werden können, oft ungenau.
Zur Beurtheilung des Wasserreich thums eines Flusses nimmt man stets
die auf seinen gewöhnlichen Wasserstand bezogene Wassermenge. Es ist klar,
dass je nach den Wasserständen die Unterschiede der durchfliessendcn Menge
sehr grosse sind. Die mächtigen Ströme führen bei Hochwasser bis über 50
mal so viel Wasser als bei Niederwasser.
Wassermengen der Donau, des Rheines, der Elbe nnd Oder. Die Wasser-
menge der Donau bei dem höchsten bisher beobachteten Wasserstande im
Jahre 1899 von -f 5,66 m am Pegel der Reichsbrücke in Wien betrug 10 100 cbm,
die gleichzeitige Wasserführung des Nebenarmes der Donau, des Donaukanals,
386 cbm, daher die gesammtc Wassermenge der Donau nächst Wien bei
Höchstwasser sich auf 10486 cbm in der Sekunde beläuft.
Die Wasserführung bei bordvöUem Mittelwasser, einem Pcgelstande
von + 220 an der ReichsbrOckc, beträgt 3667 cbm, mit der gleichzeitigen
Wass'ermenge im Donaukanalc von 126 cbm zusammen 3793 cbm in der Sekunde.
Die Wasserführung bei Nullwasserstand am Reichsbrückcnpcgcl beträgt
1550 cbm. Jene des längstandauernden Niedrigwasserstandes während der
Schiffahrtszeit 1898 bei — 135 am Pegel der ReichsbrOcke zeigte 735 cbm, die
gleichzeitige Wasserführung im Kanäle von 80 cbm, daher zusammen 815 cbm in
der Sekunde.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. 27
Die Wassermenge der Donau bei dem niedrigsten bisher beobachteten
Wasserstande vom 7. Jänner 1894 bei — 288 am Pegel der Reichsbrucke be-
rechnete sich auf 200 cbm, zusammen mit der im Kanäle gleichzeitig abge-
flossenen Menge von 45 cbm auf 245 cbm.
, Die bei Orsova bisher beobachtete kleinste Wassermenge betrug 1680,
die grösste 17000 cbm.
Die Wasserführung des Rheins betrug nach den Messungen bei
Diersheim, unterhalb der Illmündung, bei Hochwasser 4500 cbm, bei Mittel-
wasser 1000 cbm und bei Niederwasser 550 cbm.
Die sekundliche Abflussmenge des Bodensees in den Rhein bei Konstanz
beträgt nach Hon s eil bei niedrigstem Wasserstande 20 сЬф, bei Mittelwasser
300 cbm und bei höchstem Wasserstande iioo cbm.
Die geringste Wasserführung der Elbe beziffert sich unterhalb
Leitmeritz auf 49 cbm, die Niederwassermenge, — 1,28 am Dresdener Pegel,
bei Torgau auf 75, bei Magdeburg auf 240 und bei Lauenburg auf 330 cbm.
Noch niedrigere Wasserführungen wurden bei Tetschen mit 60 und bei Magde-
burg mit 120 cbm beobachtet. Bei Torgau beträgt dagegen die sekundliche
Wasserführung bei Mittelwasser 200 und bei Hochwasser 1400 cbm.
Die sekundlichen Wasserführungen der Oder betragen unterhalb
der Qatzer Neisse (km 181,3) 5^ ^^^ ^^^ Nieder-, 160 cbm bei Mittel- und
1370 cbm bei Hochwasser; zwischen Bartsch und Obrzycks (km 378,1 bis
469,4) 70 cbm bei Nieder-, 210 cbm bei Mittel- und 3000 cbm bei Hochwasser.
Zwischen dem Obrzycks und dem Bober (km 469 bis 514) 210 cbm bei Mittel-
und 2400 bei Hochwasser; zwischen dem Bober und der Lausitzer Neisse
(km 514 bis 542) 105 cbm bei Nieder-, 255 bei Mittel- und i860 cbm bei
Hochwasser; zvvûschen der Lausitzer Neisse und Warthe (km 542 bis 617)
115 cbm bei Nieder- und 1750 cbm bei Hochwasser: unterhalb der Warthe
(km 617) 215 cbm bei Nieder- und 3600 cbm bei Hochwasser.
Gefälle. Das Gefälle des Wasserspiegels ist durch die Gestaltung des
Flussbettes und Flussthaies bedingt. Das Gefälle ist in der Regel am grössten
im Oberlaufe, im Mittellaufe grösser als im Unterlaufe, während die Strom-
mündung das flachste Gefälle aufweist.
Man unterscheidet ein absolutes Gefälle, den Höhenunterschied
zwischen zwei bestimmten Punkten des Längenprofiles, und ein relatives
Gefälle, das Verhältnis des Höhenunterschiedes als Einheit zur wagerechten
Entfernung dieser zwei Punkte. Letzteres wird entweder in Bruchform aus-
gedrückt, wie 25^00 ^^^ ^ • 2500 oder in Metern auf einen Kilometer, wie 0,4 m
auf I km = 0,4 pro mille.
Das Gefalle an derselben Stelle ist bei zunehmendem Wasserstande um
ein Geringes grösser als bei abnehmendem. In engen Flussstrecken ist das
Gefälle oft stärker als in den Stromerweiterungen. Auf einigen engeren Strom-
strecken der österreichischen Donau ist jedoch das Gegentheil der Fall.
Bei Hochwasser ändert sich dieses Verhältniss und es kann, je nach
der Bildung des Flussthaies, das Gefälle bei Niederwasser grösser oder auch
kleiner als bei Hochwasser sein.
Das Oberflächengefälle folgt dem Sohlengefälle nahezu voll-
kommen; dort wo Gcschiebeablagerungen im Strombette sind, zeigen sich
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28
I. Natürliche Wasserstrassen.
jedoch Verschiedenheiten und wird nach der Lage, Höhe und Ausdehnung
dieser Sandbänke das Gefälle streckenweise bald grösser, bald geringer.
Vor Stromspaltungen ist das Gefälle kleiner, weshalb sich auch dort
grössere Schotterablagerungen bilden.
Gefälle der Donau, des Rheines, der Elbe und Oder. (Gefälle der
Donau siehe auch Seite 68 bis 74.)
Nach den Ermittelungen der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft beträgt
das relative Gefälle der einzelnen Donaustrecken und der schiffbaren Neben-
flüsse derselben:
Strecken
Gefälle
in Metern
auf je
1000 m
Relatives
Gefälle
Ulm-Donau worth
Donauwörth-Regensburg ....
Rcgensburg-Passau
Passau-Wien
Wien-Göny6
Gönyo-Budapest
Budapest-Draumündung ....
Draumundung-Theissmundung
Tlieissmündung-Drenkova (Kataraktenbeginn)
Eisernes-Thor bis zum Meere (Sulina)
Drau von Bares bis Essegg ....
Save von Sissek bis Belgrad ....
Theiss von Nâmény-Tokaj
„ „ Tokaj-Szolnok
„ „ Szolnok-Szeged ....
„ „ Szeged-Theissmündung . .
Das Gefälle des Mündungsgebietes
I
der
0,9052
o»543i
0,2501
0,3860
0,3194
0,0698
0,0655
0,0528
0,0552
0,0390
0,1513
0,0418
0,0607
0,0537
0,0304
0,0219
Donau
von
0,0009052
0,0005431
0,0002501
0,0003860
0,0003194
0,0000698
0,0000655
0,0000528
0,0000552
0,0000390
0,0001513
0,0000418
0,0000607
0,0000537
0,0000304
0,0000219
Galaz bis Sulina
beträgt :
Galaz-Tultscha 77,9 km Entfernung 1,615 m Gefälle
daher auf i Kilometer 0,0207 ^^^ »
Tiiltscha-Tschatal-St. Georg 11,2 km Entfernung 0,305 m „
daher auf i Kilometer 0,0273 m „
St. Georg-Gorgova 26,9 km Entfernung 0,914 m „
daher auf i Kilometer 0,0345 m „
Gorgova-Sulina 54,7 km Entfernung 1,143 m „
daher auf i Kilometer 0,0209 m „
Das Gefälle des Rheins beträgt von Basel bis Strassburg auf 129km
I : 1250, von Strassburg bis Mannheim auf 133 km .1 : 2840, von Mannheim
bis Ruhrort auf 351 km j : 5220 und von Ruhrort bis Rotterdam auf 241 km
1 :9390. Das Gefälle beträgt insbesondere bei Bingen-Bacharach i : 2060, Bacha-
rach-St. Goar i. : 2880, Boppard i : 4100, Coblenz i : 4800, Bonn i : 4600,
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flusse und Ströme.
29
Bonn-Köln I : 4430, Düsseldorf i : 5100, Ruhrort i : 6000, Wesel i : 6400,
Emmerich i : 9000 und Emmerich bis Holland i : 9600.
Das Gefälle der oberen Elbe von der Quelle in Eibbrunnen
(1396,6 m) bis Melnik (156,4 m) beträgt auf 307 km 1240 m oder im Mittel
1 : 2500, von Melnik bis Tetschen auf eine Länge von 96 km 33 m oder i : 2950.
Der zweite Stromabschnitt von Tetschen bis Barby hat ein Gefälle von
74 m auf eine Stromlänge von 304 km oder im Mittel i 141 10. Dasselbe .
vertheilt sich in den 139 km langen Lauf von Tetschen bis Muhlberg auf
38 m oder i : 3660 und in der 165 km langen Strecke von Muhlberg bis
Barby auf 36 m oder i : 4580.
Der dritte Stromabschnitt hat von Barby über Magdeburg bis Hitzacker
auf eine Länge von 229 km ein Gefälle von 40 m oder im Mittel i : 6000.
Der unterste Stromabschnitt ist von Hitzacker bis zur MQndung 204 km
lang und hat bis Geesthacht auf 63 km ein Gefälle von 7 m oder im Mittel
1 : 9000. Von der Mündung bis oberhalb Hamburg und bei mittlerem Som-
merwasserstande bis Geesthacht reicht der Einfluss der Fluth. Bei der Ebbe
findet ein Gefälle flussabwärts, bei der Fluth flussaufwärts statt. Bei Ham-
burg beträgt dieses Gefälle während der Ebbe zum Meere hin i : 15000, bei
der Fluth in entgegengesetzter Richtung i : 300000.
Nach Bellingrath hat die Elbe folgende Gefälls- und Strom Verhältnisse.
Bezeichnung der Orte
äs
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« V fl
Je i2 a
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Wasser-
mengen bei
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104
54
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60
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65
113
65
113
100
68
110-130
75
150
70
82
170
80
170
226
100
345
100
245
90
289
100
313
о .Д
с
TS
II
Prag a. d. Moldau . .
Melnik a. d: Elbe . .
Aussig
Tetschen
Deutsche Grenze . .
Dresden
Riesa
Torgau
Polster, unterhalb der
ElstermQndungr . .
Wallwitzhafen, unterhalb
der MuldemQndung .
Barby, unterhalb der
SaalemUndung . . .
Magdeburg ....
UnterhalbHavelmlindung
Wittenberge . .
Lenzen ....
Lauen bürg . .
SevemQndung
km
777
725
655
630
620
565
513
466
421
360
m
159,16
136,10
125.07
122,72 120,
.0,(
,000329
,000441
000335
.000241
329
293
189
165
135
50
13
Fluth
Ebbe
^^'71 j 0.000277
93-341 1 0.00026s
80.901 ^ ^
70.85^
58.13
52,22
'•45'24j
25*641
22,14
i8,P3
7.52
l 5»20
) 4.17
0,000223
0,000208
0,000191
0,000194
0,000188
0,000146
0,000137
1 0,000 124
0,000063
bis
0,000091
cbm
cbm
46,i
75
II
!
m
11,20
740
6,59
240
330
HO
135
6,07
6,19
6,41
6,38
5.39
M Gemessen bei Niederwasser von — 1,28 Dresdener und + 1,06 Magdeburger PegeL
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ЗР
I. Natürliche Wasserst rassen.
Bezüglich der ia umstehender Zusammenstellung angeführten Gefälls-
verhältnisse ist zu bemerken, dass einzelne Gefälle, auf kurzen Strecken
gemessen, von den für lange Strecken angegebenen Durchschnittsgefällen, wie
überall, bedeutend abweichen. So finden sich bei Niederwasser Einzelgefälle -
zwischen Aussig und Tetschen von 0,001990, zwischen Tetschen und der deutschen
Grenze von 0,001410 und 0,001350, zwischen der deutschen Grenze und Dresden
von 0,000970 und 0,001240, zwischen Dresden und Riesa von 0,001290, 0,001950,
0,001120, 0,001070, 0,001180 und 0,001010 und zwischen Riesa und Torgau
von 0,000550 und 0,000480, während von da ab thalwärts erhebliche Ab-
weichungen vom DürchschnittsgefäUe nicht mehr vorkommen.
Das relative Gefälle der Oder von Ratibor (180,4 m Wasserspiegel-
höhe) bis Kose! (168,9 ™) beträgt auf 48 km Stromlänge 0,000240.
Von Kosel abwärts bis zur Neissemündung ist die Oder kanalisirt. Von
Kosel bis Breslau betragt die Stroralänge 162 km, das Gefälle unterhalb der
kanalisirten Strecke 0,000270. Das Gefälle der Oder von Breslau bis Stettin
auf 492 km wechselt von 0,000317 bis 0,000029 und ist im Mündungsgebiete
von den Gezeiten beeinflusst.
Gefälls- und Strom Verhältnisse der Oder:
Bezeichnung
der
Orte
Höhenlage
des
Wasser-
spiegels
über
Normalnull
Durch-
schnittliches
relatives
Gefalle
Geringste
Tauchtiefen
bei
niedrigstem
Wasserstande
Normal-
breiten
Schleusen
Breslau . . .
Aufhalt . . .
Glogau . . .
Xeusalz . . .
Krossen . . .
Frankfurt , . .
Küstrin . . .
Hohensaaten . .
Stettin . . . ,
492 i
431
356
319
234
164
133
80
0
112,49 (
93,14 \
71,98 (
61,76
39,71 \
20,70 \
12,37 \
2,57 (
0,48
0 p 0 p p p p p
0,75
0,75
0,75 1
0,80
0,90 1
1,00
1,30
1,80 '
53
(^ u.70
1 -■
Х32
1 132
* u. mehr.
Die Schleusen
für Breslau.
Ohlau, Brieg und
die 12 Staustufen
von der Neisse
aufwärts bis
Kosel haben
9,6 m Breite.
Stromgeschwiadigkeit. Die Stromgeschwindigkeit oder die Strö-
mung ist in erster Linie vom Gefälle, dann von der Form und Grösse des
Flussquerschnittes und endlich vom Wasserstande abhängig. Dieselbe wechselt
daher mit jeder Stromstrecke und jedem Wasserstande. Sie ist vor Eintritt
der höchsten Fiuthwelle am grössten, kann jedoch bei niedrigerem Wasser-
stande auch grösser als bei höherem sein.
Die Stromgeschwindigkeit ist im Oberlaufe in der Regel dem grösseren
Gefalle entsprechend stärker als im Mittellaufe; an der Flussmündung nicht nur
wegen des geringen Gefälles- sondern auch wegen der vom Meere aus er-
zeugten Stauung am geringsten und je nach der Fluth und Ebbe wechselnd.
Stromstrich. Derjenige Theil der Wasserfläche, welcher in einer be-
stimmten Stromstrecke die grösste Strömung hat, heisst der Stromstrich.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme.
31
Der Stromstrich folgt bei niederem Wasserstande der grössten Wasser-
tiefe, der Fahrrinne oder Fahrbahn, bei höherem Wasserstande zieht ejr
jedoch oft von einem zum anderen Ufer ohne Rücksicht auf die Wassertiefe.
In gekrümmten Strecken geht die Strömung nahe dem einbiegendea
Ufer, in geraderen Strecken nahe der Stromniitte.
Die zumeist schlangenförmige Linie des Stromstriches theilt sich bei den
durch Sandbänke oder Inseln gebildeten Stro^ispaltungen in verschiedene
Richtungen, welche sich nach den Spaltungen wieder zu einer Linie vereinigen.
StrSmung der Douaii, des Rheines, der Elbe und Oder. Die vom k. k.
hydrographischen Amte im Profile der Franz- Josefsbrücke im Don au durchsuche
bei Wien gemessenen Stromgeschwindigkeiten der Donau betrugen bei dem
höchsten bisher beobachteten Hochwasser vom Jahre 1899 + 5,66 m Reichs-
brückenpegel, 3,00 m in der Sekunde, bei Mittelwasser + 2,20 m R.-P.
2,22 m und bei Nullwasser 1,70 m in der Sekunde, bei Niedrigwasser
— 1,35 m R.-P. 1,30 m in der Sekunde und bei dem bisher beobachteten
niedrigsten Wasserstande im Jänner 1894 von — 2,88 m R.-P. 1,00 m
in der Sekunde.
Die Stromgeschwindigkeiten der einzelnen Donaustrecken siehe S. 68 bis 74.
Der Rhein hat bei Mittelwasser im Bingerloch 3,42 m, bei Koblenz
1,90 m und bei Mannheim 1,50 m in der Sekunde.
Die Stromgeschwindigkeit der Elbe bei Hochwasser, -f 2,00 m Dresdener
und + 4,50 m Magdeburger Pegel, hat Stellen mit 3,00 m, bei gewöhnlichem
Wasserstande 0,50 bis 1,50 m in der Sekunde.
Die mittlere Stromgeschwindigkeit der Oder beträgt streckenweise bei
Niederwasser 0,50 bis 0,65 m, bei Mittelwasser 1,00 und bei Hochwasser
1,80 m in der Sekunde.
Stromgeschwiudigkeitsmessuogen. Zum Messen der Stromgeschwin-
digkeit auf der Wasserfläche, der Oberflächengeschwindigkeit, dienen
Schwimmer, zu denen kleinere schwimmende Gegenstände,
am besten blecherne Schwimmkugeln oder Flaschen benützt
werden, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt, gut verkorkt
und, um sie leicht bemerkbar zu machen, mit kleinen
Fähnchen versehen sind.
Damit ein genaues Messungsergebnis erzielt werde,
ist es nothwendig, den vom Schwimmer zurückzulegenden
Stromweg möglichst lang zu wählen und am Ufer oder
im Thalwege genau abzumessen, zu gleicher Zeit aber
mehrere Schwimmer abgehen zu lassen und das Durch-
schwimmen derselben durch die einzelnen Entfernungen
mittels Peilung und Sekundenuhr zu bestimmen.
Zum Messen der Geschwindigkeit unter der Ober- Tiefenschwrmmer. .
fläche des Wassers, Tiefengeschwindigkeit, dient der
Tiefenschwimmer, welcher aus einem hohlen Schwimmkörper besteht, der solange
belastet wird, bis er in die zu messende Tiefe einsinkt. Derselbe wird nun
mittels einer Leine mit einem Qberflächensch wimmer, zumeist einer gut wahif-
Bild 9.
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32
1. Natürliche Wasserstrassen.
nehmbaren Holz- oder Korkplatte verbunden und die Messung so wie bei der
Oberflächengeschwindigkeit durchgeführt (Bild 9).
Ausser diesen einfachen, wohlfeilen und genügend genaue Ergebnisse
liefernden Schwimmern dienen zum Messen der Geschwindigkeiten noch be-
sondere Vorrichtungen, wie die Pitot'sche und Darcy'sche Röhre, für sehr
genaue Bestimmungen aber die hydrometrischen Flügel von Woltmann, Har-
lacher und Amsler. Die Messungen mit dem gewöhnlichen Log und dem
Patentlog liefern durch den Widerstand der sich abwickelnden Leine ungenauere
Ergebnisse als jene mittels einfacher Schwimmer.
Dampfer- und Stromgeschwiiidigkeiten. Aus den mittleren Fortgangs-
geschwindigkeiten eines ohne Anhang zu Thal oder zu Berg fahrenden
Dampfers und den mittleren Umdrehungszahlen seiner Maschine lassen sich
seine Todtwassergeschwindigkeiten in einzelnen genau bekannten Stromlängen
und aus diesen die Stromgeschwindigkeiten berechnen.
Wenn Ct die Geschwindigkeit des Dampfers gegen das Ufer zu Thal
und Cb die Geschwindigkeit des Dampfers gegen das Ufer zu Berg, nt die
Umdrehungszahl der Maschine in der Thalfahrt und Пь die Umdrehungszahl
in der Bergfahrt bedeutet, so ist die Stromgeschwindigkeit
V n» — Пк
s = V, (с, — Cb ) — (Cb + Ct ) ' . J"
nt + Пь
Ist die Umdrehungszahl zu Thal Ut kleiner als jene von пь zu Berg,
so kann obiger Ausdruck auch in folgender Form benutzt werden:
s = V» (Ct — Cb ) + (Cb + Ct ) ^ °'
Ht -t- Пь
1st endlich щ = пь , so ist
s = V» (ct — Cb ).
Auf diese Weise wurden aus einer grossen Zahl Personenfahrten auf
den einzelnen Donaustrecken, mit Ausnahme der Kataraktenstrecke und des
Eisernen Thores zwischen Drenkova und Tum-Severin, folgende Strom-
geschwindigkeiten bei Mittelwasser in Metern in der Sekunde ermittelt:
Passau — Linz 2,44, Linz — Wien 2,63 m
Wien — Gönyo 2,30, Gönyo-^Budapest 1,12 m
Budapest — Drenkova 1,10, Turn-Severin — SOistria 1,00 m
und Silistria — Galaz 0,90 m.
Formeln ffir Berechnniig von Stromgeschwindigkeiten. Die Ermittelung
der Geschwindigkeit eines Wasserlaufes soll immer durch Messung und
nicht durch Berechnung mittels Formeln erfolgen, da diese Berechnungen
kein richtiges Ergebnis liefern können, weil in den bisher vorhandenen For-
meln keine sicheren Erfahrungsziffern über den Einfluss der Form und des
Qberflächenzustandes eines Durchflussprofiles auf die Geschwindigkeit aufge-
nommen werden konnten.
eesMtnng des Flnssbettes, eescfaiebefBhrung. Jener Theil eines Thaies,
in welchem sich das Wasser eines Flusses oder Stromes bewegt, heisst Bett.
Die untere Begrenzung des Bettes wird Sohle, die seitliche Ufer genannt.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaken der Flüsse und Ströme. 33
Man unterscheidet ein Nieder wasser-, ein Mittelwasser- und ein Hoch-
wasserbett.
Mittelwasserbett Das Mittelwasserbett ist das zwischen den eigent-
lichen Ufern gelegene Bett^ in welchem sich die normale Wassermenge des
Flusses bewegt.
üoehwasserbett Niederwasserbett. Das Hochwasserbett führt die,
die Ufer überfluthenden Hochwässer und wird von den angrenzenden Thal-
erhOhungen begrenzt, während das Niederwasserbett zum Theil von den
im Strome lagernden Kiesbänken, zum Theil von der Ufersohle umfasst
wird und den eigentlichen Thalweg, die Fahrbahn der Schiffe bildet.
Die Unterschiede zwischen den Breiten dieser Bette sind oft sehr bedeutend.
Das Niederwasserbett der Donau ist 30 bis 200 m, das Mittel Wasserbett 200 bis
3000 m und das grosse überfluthete Hochwasserbett 1000 bis loooo m breit.
Der Po hat regelmässig eine Breite von 1схю bis 2схю m, sein Hoch Wasser-
bett beträgt 5000 bis 30000 m; der Nil ist 500 bis 15000 m^ der Missis-
sippi 900 bis 120000 m breit.
Stosskraft des Wassers. Die Gestaltung des Flussbettes selbst
ist das Ergebniss der mechanischen Arbeit des fliessenden Wassers und der
Geschiebe.
Die Flüsse und Ströme fliessen zumeist durch Thäler, deren Sohlen
von uralten Ablagerungen gebildet sind. Oft nähern sich die das Flussthal
einschliessenden Gebirge derart, dass der Fluss sich durch eine Enge durch -
zwingen muss, oft wird das Flussbett von Felsbänken durchsetzt, über welche
sich die Stromschnellen ergiessen, oft bildet das Mittelwasserbett eine Ueber-
breite mit geringer Strömung, welche mit Kies- und Sandbänken, von denen
einige bereits Pflanzenwuchs haben, bedeckt ist und die alle zur Zeit der
Hochwässer Oberfluthet werden. Die Sohle des Flussbettes wird von der Stoss-
kraft des Wassers unuhterbrochen angegriffen. Ist dieselbe grösser, als der
Widerstand der Sohle, so wird deren GeröUe von der Strömung solange
fortgerollt und weitergeschoben, bis es sich an Stellen mit geringerer Strömung,
nun abgeplattet, abgerundet, zerkleinert und zerrieben wieder ablagert.
Die Bewegung der Fluss sohle und mit dieser die Veränderung des
Bettes geschieht daher fortwährend, aber in unregelmässigen Zeiträumen und
nimmt streckenweise mit der Stosskraft des Wassers zu, welche wieder mit der
Masse des sich bewegenden Wassers, dem Gefälle und der Stromgeschwindig-
keit wächst.
Die schwereren Sohlentheile, Steine und grobes Gerolle, rollen auf der
Sohle weiter, die leichteren und schon zerkleinerten Theile, wie Kies, Sand
und Schlamm werden von der Strömung schwimmend fortgetragen.
Durch die Stosskraft des Wassers werden nach ihrem Gewichte und ihrer
Grösse zuerst die leichteren und nach und nach die schwereren Geschiebe in
Bewegung gesetzt. Mit Verminderung der Stosskraft lagern sich daher diese
Geschiebe wieder in -umgekehrter Ordnung ab, weshalb auf allen freiliegenden
Schotterbänken immer der tiefer liegende grobe Schotter mit Kies, feinem
Suppan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt. о
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34
I. Natürliche Wasserstrassen.
Flusssand oder Schlamm, also mit dem zuletzt abgelagerten Niederschlage,
bedeckt ist.
Die hier beschriebenen Erscheinungen kann man nicht nur längs des
ganzen Flusslaufes, sondern auch bei allen seinen Zuflössen beobachten, ob
nun diese kleine Wasseradern oder mächtige Gebirgswässer sind. Sie treten,
je nach der Verfassung der Zuflüsse und je nach der Beschaffenheit deren
Sohlen, mehr oder minder heftig auf.
Wiidbäche. Am grellsten sind sie bei Wildbächen wahrnehmbar.
Die Wildbäche strömen durch kurze Hochthäler oder Gebirgsabhänge
mit starken Gefällen, in deren Vertiefungen in regenarmer Zeit Gerolle und
Schutt liegen bleiben. Bei eintretendem Regen bilden sich sodann starke
Bäche, welche in diese Vertiefungen
dringen, das GeröUe und den Schutt mit
sich reissen und die Seitenabhänge
durch Unterwaschen zur Abrutschung
bringen , wodurch zuweilen grosse Schutt-
walzen entstehen, hinter Avelchen sich
die Geschiebe und Wasser ansammeln
und die schliesslich dem Wasser-
drucke nachgeben und zerreissen. Ein
Gemenge von GeröUe, Schlamm, Schutt,
Steinen und Felsblöcken bewegt sich
nun lavaartig mit zerstörender Gewalt
zu Thal und „vcrmurt" dieses oder
den vorbeiströmenden Fluss.
Die in Bewegung gebrachte Masse
nennt man einen Mur gang, das be-
wegende Gewässer einen Wildbach.
Im Bilde lo sind a, b, с und d
Gebirgsbäche, welche sich vereinigen
und dort einen Gefällsbruch erleiden,
in dem sich das GeröUe ablagert. Die Strecke bis f nennt man das Ab^
schwemmungsgebiet. Zerreisst bei starken Niederschlägen die Schutt walze
bei f, so bewegt sich deren Inhalt durch den steilen Murgang fg und lagert
sich zu einem Schuttkegel gh ab. hi stellt den Ablauf des WUdbaches in
den Gebirgsfluss dar. Oft geht der grösste Theil des Schuttkegels unmittel-
bar in letzteren und bildet eine den Fluss durchquerende feste Geschiebeab-
lagerung k.
In dieser Weise können sich in dem Abschwemmungsgebiete einer
Thalenge durch eine lange Reihe von Jahren gewaltige Massen von GeröUe
ablagern, welche zumeist die Form eines weiten Kegels, dessen Grundlinie mehrere
Kilometer lang sein kann, annehmen, hinter welchem sich oft kleine Seen
aufstauen. Wenn nun der vorgelagerte Kegel in Folge eines Wolken-
bruches oder plötzlicher Schneeschmelze bricht, kommt diese mächtige Ge-
schiebemasse mit aUes vernichtender Gewalt in BeweccunGr.
Bild lo. AVildbach.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. 35
Die Wildbache verursachen demnach einen ausserordentlichen Schaden.
Mit den Abrutschungen werden urbare Bodenflächen fortgeschwemmt, andereüber-
lagert und grosse Kulturen zerstört. Oft tritt der nackte Felsboden zu Tage, Ober
welchen sich das Wasser ergiesst. Die in Bewegung gekommenen Schuttmassen
richten furchtbare Verwüstungen an. Ortschaften, Brücken, Ufermauern werden
weggerissen oder mit Schutt und Steinen überschüttet. Am meisten gefährdet
ist jenes Gebiet, in welchem der Wildbach in das Hauptthal tritt. Nach Ritt,
„Regulirung der Gewässer in Tirol", erwuchs im Spätherbste 1882 durch
WildbachausbrOche in Tirol ein Schaden von 21 Millionen Gulden und gingen
51 Menschenleben zu Grunde. Am 17. September 1882 soll die Rienz nahe-
zu 700000 cbm urbare Erde fortgeschwemmt haben.
In ähnlicher Weise, wie die grossen Wasserkräfte die Gebirge zerstören
und verkleinern, arbeiten auch Hitze, Regen, Kälte und Eis daran, die
stärksten Felsen zu vernichten und in Millionen Theilen den Flussthälern
zuzuführen.
Stromdarcfabrnch. Die gewaltigste Wirksamkeit der Wasserkräfte auf.
die Gestaltung der Wasserläufe kommt jedoch bei den Stromdurchbrüchen
• zum Ausdruck.
Die Entstehung von Durchbrüchen sieht man am besten bei den Gebirgs-
klammen. Ein den Wasserabfluss hemmender Bergrücken wird an seiner
niedrigsten Stelle von der Strömung angegriffen und ausgewaschen. Es
bildet sich ein Gerinne, welches sich immer mehr und endlich zu einer steilen
Felsspalte vertieft, deren Wände nun in senkrechter Senkung die Klamm
einengen. Durch seitliche Quellen bilden sich in diesen Wänden weitere
Spalten, diese und das Gestein der Hauptwände werden unterwaschen, von
dem in ihren Fugen schmelzenden Eise zerrissen, stürzen zusammen und nun
erfolgt die Verbreiterung des Gerinnes zu einem Flussbett.
Die gigantischen Wassermassen der Urzeit haben in ähnlicher, jedoch
viel gewaltsamerer und grossartiger Weise gewirkt. So sind nach wohl bisher
allgemeiner Ansicht die Donaukatarakte und der Kazan die Folge der Erosions-
thätigkeit des Pannonischen Meeres, und der Rhein musste, bevor er sich bei
Bingen zwischen dem Taunus und Hundsrück seinen Weg allmählig ausge-
rieben, im Rheingau einen weiten See gebildet haben.
Der berühmte Fall des Niagara, zwischen dem Ontario- und Eriesee,
zeigt deutlich die vom Wasser und Gerolle erzeugte Erosion.
In zwei Arme getheilt, stürzt der Niagara 48 m tief auf ein aus Muschel-
kalk bestehendes Gestein, welches, dem Wasser keinen übergrossen Wider-
stand bietend, von unten her immer mehr abgerieben wurde und sich schliess-
lich zu einem engen, 100 m tiefen Feisthaie ausgebildet hat. Wahrscheinlich
bildete dieses Thal ursprünglich einen Gebirgsrücken, über welchen das Wasser
floss, während der Wassersturz weit oberhalb des heutigen, beim Ontario-See
gelegen.
Die Auswaschung und Zerstörung des bestehenden Sturzrückens hat noch
keineswegs ihre Grenze erreicht. Basil Hall bemerkt, dass der Wasserfall in
36 Jahren etwa 40 m stromaufwärts gerückt ist, was den Schluss zulässt, dass
mit der Zeit das Gebirge gänzlich durchbrochen und dem Niagara ein freier
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^ I. Natürliche Wasserstrassen.
Abfluss eröffnet sein wird, in welchem Falle der Eriesee, nachdem er nur 70 m
Tiefe hat, nahezu verschwinden muss. (Bild 11.)
Durch die Stosskraft des Wassers im Vereine mit den chemisch
wirkenden Kräften erfolgt demnach mit der Zeit eine allgemeine Umgestaltung
der Erde. Diese Kräfte zerstören, wenn auch langsam, doch unwiderstehlich.
Bild II. Der Niagarafall.
jede Oberfläche und das Ende der mechanischen Wirksamkeit der Wasser-
kräfte ist erst denkbar, wenn der ganze Erdball, also Land und Wasser eine
Ebene bilden wird.
eeschiebeablagerungen. Gerolle, Kies, Sand, Schlamm. Die Bewegung
des Geschiebes im Flussbette nimmt daher ihren Ausgang von den höchsten
Spitzen der Berime. Ein mächtiger Felsblock stürzt vom Gletscher und zer-
bröckelt sich. Seine Trümmer werden durch einen Wildbach in Bewegung
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. ^y
gesetzt und in das Flussbett gebracht. Die Strömung des Flusses rollt sie
als Gerolle weiter und verkleinert dieses zu Schotter, welcher endlich, zu
Kies, Sand und Schlamm verrieben, durch das Wasser bis in das Meer ge-
schwemmt wird. Nur ein sehr geringer Theil der Geschiebe gelangt als
Schlamm oder Schlick bis in das Meer. Der grösste Theil desselben erhöht
das Flussbett und lagert sich bei zeitweiligen Anschwellungen des Flusses
in Buchten, am Ufer und im Ueberiluthungsgebiete ab.
Da zur Fortbewegung des groben Geschiebes schon eine grössere Stoss-
kraft des Wassers nothwendig ist, so werden die Ablagerungen im Ober-
laufe eines Flusses, welcher ein stärkeres Gefälle und eine grössere Strömung
hat, zumeist aus Gerolle, grobem Kies und Schotter bestehen, während das
feinere Geschiebe, Sand und Schlamm, weitergetragen und erst in der gerin-
geren Strömung des mittleren und unteren Flusslaufes zur Ruhe kommen wird.
Das abgelagerte Geschiebe ist demnach um so feiner, je entfernter es vom
Ursprünge des Flusses ist.
Die Bewegung des Kieses am Grunde kann man in grösserer Strömung,
in einem Nachen treibend, deutlich hören. Die Schiffer sagen ,^er Strom
singt**.
Mit jeder Zunahme der Stromgeschwindigkeit werden Theile des Bettes
losgerissen und fortgeführt, mit jeder Verminderung derselben aber wieder abgela-
gert. Die abgelagerten Sinkstoffe erhöhen wieder das Strombett so lange,
bis durch Gefällsänderungen oder Aufstauungen des Wassers abermals so grosse
Stromgeschwindigkeiten entstehen, dass von denselben einzelne Theile der
Ablagerungen wieder weitergeführt werden können.
Durch das fortwährende Arbeiten dieser Naturkräfte entstehen die Er-
höh ungen und die Vertiefungen des Strombettes.
Die grössten Vertiefungen geschehen während des Hochwassers, die
meisten Geschiebeablagerungen bei Ablauf desselben. Die grössten Ver-
ilachungen entstehen bei Niederwasser, wenn bei diesem eine geringe Strö-
mung eintritt.
Uferabbrach. Ausser diesem Angriffe der Sohle durch das fliessende
Wasser erleiden die Flussbette auch noch eine Umgestaltung durch den Ab-
bruch und die Unterwaschung ihrer Ufer.
Es treten demnach im natürlichen Laufe des Flusses, einerseits durch
die Geschiebeführungen anderseits durch den Uferabbruch fortwährende Ver-
änderungen in den Gefälls- und Geschwindigkeitsverhältnissen ein, wodurch
an einer Stelle mehr, an anderer Stelle wieder weniger Ablagerungen statt-
finden und eine Strecke, von der Strömung mehr angegriffen und ausgewaschen,
eine gekrümmte, die andere Strecke, in welcher die Strömung mehr in der
Flussmitte bleibt, eine geradere Längenform annimmt.
Flossseicliten und Flusstiefen. Wo die Ablagerungen am stärksten sind,
entstehen Untiefen, Führte, welche die Fahrbahn verlegen und verändern und
die durch Baggerungen in der Regel dauernd nicht entfernt werden können,
weil ja durch diese die Ursache ihrer Bildung nicht beseitigt wird.
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38 I. Natürliche Wasserstrassen.
Zwischen solchen Ablagerungsstrecken liegen wieder Strecken ohne sicht-
bare Geschiebe mit genügenden und gleichmässigen Tiefen, denen wieder
aussergewöhnliche Flusstiefen, Kolke, folgen.
Kolke entstehen Oberall dort, wo eine stärkere Strömung schwach-
strömendes oder nahezu stromloses Wasser trifft. Dieses geschieht an allen
steilen Krümmungsstellen des einbiegenden Ufers, wo der vom ausbiegenden
Ufer abgeworfene Stromstrich das schwere ruhige Wasser desselben trifft,
ferner unterhalb jeder Kiesbank und Insel, wo sich der von denselben
gespaltene Stromstrich wieder vereinigt.
Die Tiefe der solcherart entstandenen Kolke in der Donau beträgt bei
Niederwasser in den nicht regulirten Theilen oft lo bis 15 m. Dieselben
verursachen auch die bekannten Abrutschungen der hohen einbiegenden Ufer
und Inseln. In Stromengen, wie beispielsweise in der Donauenge Kazan, be-
stehen Tiefen bis 50 m .
Wirbel, Kehrwässer. An diesen Stellen entstehen die dem Schiffer
bekannten Wirbelbildungen und Kehrwässer, deren Wirkung auf die
Steuerfähigkeit er stets in Betracht ziehen muss, um besonders einen Schlepp-
zug ohne Gefährdung führen zu können. Man nennt sie auch Wirbel,
Schwall, Kehr, Gegenströmung oder Wechsel.
Jede Wirbelbildung hat in ihrer Mitte eine trichterförmige Einsenkung
des Wasserspiegels. In ddr Achse dieser Einsenkung liegt der Wirbel,
welcher sich an der Oberfläche durch kreisbildendes wirbelndes Wasser kenn-
zeichnet. Nachdem die Kreisdurchmesser von der Oberfläche nach unten zu
und damit die von den Wassertheîlchen zurückzulegenden Wege gegen die Tiefe
zu immer kleiner werden, so nimmt die Geschwindigkeit derselben zu, und
wird nun die zumeist aus Kies und Sand gebildete Flusssohle schliesslich von
einer • sich schnell drehenden, starken Strömung gelockert und solange
unterwühlt, bis die Reibung an der ausgehöhlten Tiefe einen ihrer Stärke
gleichen Widerstand bietet.
Die stärkste Wirbelbildung stellt sich dort ein, wo heftig strömendes
Wasser an ein steiles Oberhaupt eines Einbaues oder an einem vortretenden
senkrechten Uferrand anprallt, wodurch ein vermehrter Druck entsteht, der das
Wasser nach allen Seiten, wohin ein Ausweichen möglich ist, fortdrängt.
Letzteres wird also nach rechts und links auszuweichen suchen, haupt-
sächlich aber abprallen und eine aufwärts gerichtete Bewegung annehmen.
Diese Erscheinung zeigt sich auch oberhalb eines jeden in starker Strömung
bis nahe zur Wasseroberfläche liegenden Felsens. Vor demselben bildet
sich eine starke, bergwärts fluthende Strömung, die sich an der Oberfläche
durch ein heftiges Aufwallen des Wassers zu erkennen giebt. Es zeigt sich
eine Erhebung der Wasserfläche, welche fortwährend ringsumher abfliesst
und sich durch immer erneuten Wasserzudrang von unten ersetzt. Diejenigen
Wasserfäden des Stromes, welche über dem Steine fortgehen, stossen mit
dieser Strömung zusammen, verändern ihre Richtung und die Erhebung des
Wasserspiegels zeigt sich nicht unmittelbar über dem Steine, der sie verursachte,
sondern weiter stromabwärts.
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Entstehuug und allgemeine Eigenschaften der Flusse und Ströme. qg
Ein geübter Schiffer nimmt dieses Aufwallen noch wahr, wenn der Felsen
oder Stein ziemlich tief unter der Wasserfläche liegt. Es giebt sich durch
die sprudelnde Bewegung, den Weller, zu erkennen. Die Schiffer pflegen
hierauf, besonders bei der Thalfahrt, aufmerksam zu sein, um die Lage der
einzelnen Klippen richtig beurtheilen zu können.
Auf der Donau bestehen die stärksten Wirbelbildungen in der Thalein-
fahrt zwischen den Klippen des Eisernen Thores und einiger Katarakte.
Der für die Schiffahrt gefährlichste ,, Wirbel** bestand jedoch in früheren
Zeiten unterhalb des Donaustrudels gegenüber dem Städtchen Struden (siehe
Bild 12), wo früher sich die ganze Wassermasse an einem im Strome liegen-
den Felsen brach und hierdurch in eine ausserordentlich schnelle und ausge-
dehnte Drehung gebracht wurde. . Wenn die Schiffe dem Umkreise dieses
Wirbels nicht wegsteuern konnten, wurden sie von ihm erfasst, herumgedreht
und an einer Bordseite so stark herabgezogen, dass sie oft kenterten.
Vom Wirbel zu unterscheiden sind die dem Schiffer in anderem Sinne
gefährlichen Kehrwässcr, Gegenströmung oder Wechsel. Sie entstehen, -,
wenn das Strombett plötzlich seine Breite oder Tiefe verändert. Die Strom-
faden verlieren dann ihre parallelen Richtungen und ihren glcichmässigen
Fortgang uud es stellen sich verschiedene Geschwindigkeiten oft in entgegen"
gesetzter Richtung ein. Kehrwässer entstehen beispielsweise vor dem Kopfe
einer weit in den Strom reichenden Buhne. Der Buhnenkopf staut die ihn
treffende, heftig strömende Wassermasse plötzlich auf, welche nun ihr dadurch
erhaltenes Gefalle derartig ausgleicht, dass sie längs der oberen Seite der
Buhne nach dem Ufer und an diesem so weit stromaufwärts fliesst, bis sie
wieder von dem Hauptstrome erfasst wird.
Auf diese Weise bilden sich bei scharf vortretenden Werken oder Ufer-
ecken weit ausgedehnte und zuweilen sehr starke Gegenströme. Wenn die
Schleppe eines zu Berg fahrenden Zugdampfers in dieselben gerathen, werden
sie, weil die normale Gegenströmung plötzlich aufgehoben wird, vorwärts
rennen, heftig gieren, ,,oben ausgehen** und sich gegenseitig rammen. Bei
nicht genügender Vorsicht brechen dann die Schlepptaue, die Fahrzeuge
laufen in das Ufer und havariren.
Die starken Kehrwasser ergeben sich nur bei jenen Stromhindemissen,
an welchen die Wasserfäden voll anprallen und dann bis zuA Hauptstrome '
zurückgewiesen werden. Wird dagegen ein Hindernis, beispielsweise eine
Buhne, höher überfluthet, so ist die Seitenablenkung viel geringer und der
i^rösste * Theil des Wassers fliesst darüber fort. Es bildet sich alsdann wegen
der Hemmung, die das Wasser hier erfährt, ein schwacher Wassersturz,
Schwall oder U eher fall, der auch bei tiefer Lage des Hindernisses dieses
erkennen lässt. Bei geringer Ueberfluthung eines Stromeinbaues gewährt die
dann noch vorhandene Seitenströmung für die Schiflfahrt den Vortheil, dass
sie das Schiff von diesem abweist. Ist das Fahrwasser vor dem Kopfe sehr
schmal, so muss das Schiff sogar in der Thalfahrt so gesteuert werden, als
ob es auf die Buhne auflaufen wollte, wodurch man es verftieidet, dass die
Seitenströmung das Schiff zu weit forttreibt und es auf die gegenüberliegende
Untiefe führt.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. ^i
In gleicher Weise wie vor künstlichen Einbauten bilden sich auch vor
Sandbänken Kehrwässer, welche den Kurs der Schiffe beeinflussen. Diese
Seitenströme sind, wenn die Sandbänke tief unter Wasser liegen, an der
Oberfläche nur sehr schwach zu erkennen, während sie in der Tiefe kräftig
wirken.
Das durch sie hervorgerufene Abweisen der Schiffe aus ihrer Fahrrich-
tung giebt sich daher bei Fahrzeugen von verschiedener Einsenkung verschie-
denartig zu erkennen. Ein seichtes Schiff kann davon nicht getroffen werden
und in unverändertem Kurse neben der unter Wasser liegenden Sandbank
vorbeifahren, während ein tiefer getauchtes grosses Schiff seitwärts abgetrie-
ben, „da vongetaucht"; wird.
FlusskrBmmnngen. Die von der Strömung angegriffenen Flussufer
nehmen eine gekrtlmmte Form an. Die gekrümmten Flussstrecken ent-
stehen, wenn der Stromstrich sich knapp einem Ufer nähert und dieses, wenn
es nicht genügend widerstandsfähig ist, an der Sohle oder oberhalb derselben
angreift und zum Abbruch bringt.
Es bilden sich anfangs ganz flache Krümmungen, Sohle und Ufer werden
immer mehr und mehr ausgewaschen, die Krümmungen stärker und steiler
und es entsteht schliesslich die eingebogene tiefe Uferkrümmung, während
sich in der, dieser gegenüberliegenden ausbiegenden Uferkrümmung
in Folge der dort herrschenden geringen Strömung Geschiebeablagerungen,
Sandbänke, bilden.
In jeder Krümmung liegt sonach das tiefe Wasser in der Ein-
biegung, das seichte um die Ausbiegung.
Durch eine scharfe Verkrümmung des Flussbettes tritt der Fall ein,
dass sich das Ende einer oberen Krümmung immer mehr dem Anfange der
unteren Krümmung nähert, bis endlich die schmale Landzunge zwischen beiden
von der Strömung durchbrochen wird und der Fluss sieb nun ein neues,
kürzeres und geraderes Bett schafft.
Als Beispiel dienen die grossen Krümmungen der Donau oberhalb Baja,
wo innerhalb 20 Jahren von sechs Krümmungen zwei vollständig verschwun-
den sind. Im Bilde 13 bezeichnet der Strom-
strich a, a, a den früheren gekrümmten Thalweg,
derzeit ganz verlandet und als toter Arm be-
zeichnet, der Stromstrich b das neue durchge-
brochene Strombett. Durch einen solchen Durch-
bruch zweier Flusskrümmungen setzt die Natur der
Ausdehnung derselben eine Grenze.
Ist die Krümmung noch nicht genügend
stark entwickelt, so kann auch eine andere zu-
fällige Veranlassung, das Sinken eines Schiffes
oder das Festschwimmen eines treibenden grossen ßjjj ^^ Durchbruch zweier
Baumstammes mit seiner Wurzel, bei der Angriff- FlusskrOmmungen.
stelle der Hauptströmung die weitere Ausbildung
unterbrechen, wodurch man nicht selten während eines Schiffahrtsjahres ein
Ufer abbrechen und eine einbiegende Krümmung annehmen sieht, während
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42
I. Natürliche Wasserstrassen.
im nächsten Jahr vor dieser Einbiegung sich wieder Geschiebe ablagert und
ein ausbiegendes Ufer bildet.
Inseln and Stromspaltnngen. Durch Erhöhung und Festwerden von
Geschiebeablagerungen, sowie durch Uferdurchrisse können Inseln entstehen,
welche Strom Spaltungen erzeugen, wodurch sich der Stromstrich, nach
zwei oder mehreren Richtungen hin verzweig^.
Eine dieser Stromspaltungen fuhrt das schwere Wasser und dient der
Schiffahrt, wahrend die anderen nach und nach verlanden.
Geschiebe der Znflfisse. Eine weitere Umbildung des Flussbettes findet
durch Geschiebeführungen der in dasselbe einmündenden Nebenflüsse statt.
Die Geschiebeablagerungen bei Flussmünduhgen entstehen dadurch, dass die
Geschwindigkeit des einen Flusses durch den Stau bei der Mündung ver-
mindert wird und der andere Fluss die Geschiebe nicht weiter führen kann.
Je verschiedener die Verfassung beider Flüsse ist, umso ungünstiger gestalten
sich diese Ablagerungen; die grössten finden im Hauptstrome mit dem Hoch-
wasser des Nebenflusses statt, während, wenn ersterer anschwillt, die Ab-
lagerung sich wieder in letzterem bildet. Insbesondere die Gebirgsflüsse
führen dem Strome nach heftigen Regengüssen grosse Mengen Gerolle, Kies,
Sand und Schlamm zu und vermuren dann die ganze dortige Fahrbahn.
(Siehe Bild lo).
Strombettveränderungen dnrch Eis. Endlich wird ein Strombett auch
durch das Eis umgestaltet. Das auf der Sohle des Flusses sich bildende
Grundeis nimmt von derselben Sand und Schlamm auf, steigt zur Wasser-
fläche empor und vereinigt sich zu stromabwärts treibenden Eisschollen.
Diese nehmen an Dichtigkeit und Grösse zu und frieren zu Eisfeldern zu-
sammen.
Eisstopfangen, Eisstoss. Wenn das Treiben dieser Eisschollen und Eis-
felder durch Stromengen, Krümmungen, Führte oder Brückenjoche gehemmt
wird, so zerschellen sie zum Theil, zum Theil brechen sie aber die Ufer ab und
schieben sich über und untereinander, wodurch dann Eis stopf ungen und
schliesslich der Eisstoss entsteht.
Eisstopfungen wirken wie ein Stauwerk. Oberhalb derselben werden
die Ufer überfluthet und es können diese und die Strombauten stark beschädigt
werden. Findet die Eisbildung bei niederem Wasserstande statt, so entstehen,
weil nur geringe Wassermassen vorhanden und die Stromverhältnisse gleich-
massigere sind, keine gefährlichen Eisversetzungen. Findet die Eisbildung
jedoch bei plötzlich eintretender Kälte und höherem Wasserstande statt, so
stellt sich das Eis in den Krümmungen und in den Stromstrecken mit
geringerer Strömung. Die Eisfelder unterschoppen sich und es bildet sich
eine mächtige Eisstopfung, bedeckt mit einem gewaltigen Trümmerfelde von
Eisblöcken, welche sich nach und nach dem Strome entgegen aufbauen.
Am gefahrdrohendsten werden Eisstopfungen, wenn zu einem schon bei
Niederwasser gebildeten Eisstosse ein zweites vom Oberlaufe des Stromes mit
höherem Wasserstande kommendes starkes Eistreiben hinzutritt.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flusse und Ströme. 43
Nach dem Abgange der Eisstösse sind im Strombette die meisten Ver-
änderungen wahrzunehmen und hat an vielen Stellen der Stromstrich eine
ganz veränderte Richtung, wodurch die Schiffahrt neue Fahrbahnen erhält.
perre. Die Dauer des Eis Standes ist je nach der Lage der Flüsse
sehr verschieden. Während im europäischen Russland der Dnjester beispiels-
weise drei Monate mit^Eis bedeckt ist, sind die Flüsse der östlichen Hälfte
Russlands und Sibiriens sechs Monate vom Eise eingeschlossen. Die Eissperre
der Donau dauert im Mittel zwei Monate. Nach 40jährigcr Beobachtung währt
der Eisstand zu Bingen am Rhein drei Tage und der Eisgang sechzehn Tage
im Jahre.
Eisbildnilg. Die erste Bedingung für Eisbildung im Flusse ist natürlich
die Abkühlung der Luft auf und unter о Grad Celsius, doch erfolgt dabei
die Abkühlung des Wassers infolge seiner Wärme nur langsam. Dazukommt
noch, dass das specifische Gewicht des Wassers bei + 4 Grade am grössten
ist. Die bis auf diesen Wärmegrad abgekühlten Theilchen sinken also unter
und mischen sich so mit dem leichteren und wärmeren, und andererseits
steigen die wärmeren und leichteren Theilchen, im Austausch mit den ge-
sunkenen, nach der Oberfläche. Die von der kalten Luft an der Oberfläche
ausgeübte Wärmeentziehung wird also erst nach Verlauf einer gewissen Zeit
dann zur Eisbildung führen, wenn durch diese Mischung die ganze Wasser-
masse bis auf den Wärmegrad der sie umgebenden Luft, also auf und unter
о Grad, erkaltet ist.
Nach den am Donau ströme gemachten vieljährigen Beobachtungen
vollzieht sich die Eisbildung in folgender Art:
Auf den schwach strömenden und den stromlosen Stellen der Donau,
in den Buchten, Nebenarmen und zwischen den Regulirungswerken tritt die
Eisbildung zuerst und viel rascher ein, als im fliessenden Strome, weil in den
stromlosen und seichten Flächen derselben die Wassertheilchen ungehindert
und viel rascher als im Strome an die Oberfläche steigen und, wenn an dieser
erkaltet, wieder sinken können. Hierdurch tritt die Abkühlung aller Wasser-
schichten sehr schnell ein und gefrieren dieselben.
Eine stromlose Kanalhaltung oder ein stilles Buchtwasser, ein Hafen
oder ein schwach fliessendes Einrinnen werden demgemäss bei Eintritt der
Kälte rasch zufrieren.
Im Flussbette selbst wird diese gleichmässige Auf- und Abwärts-
bewegung der Wasserschichten durch die Wirkung der Strömung gestört,
die Abkühlung daher verzögert und das Zufrieren erschwert, weil die der
kalten Luft ausgesetzten Wassertheilchen von der Strömung immer wieder
verdrängt werden.
Dauer der Eisbildung. Für die Binnenschiffahrt ist es von Wichtigkeit
zu wissen, wieviel Zeit vom ersten Auftreten der Luftwärme von о Grad bis
zum Zufrieren der Gewässer, und wieviel Tage wieder bis zum Eisabgange
verstreichen, weil innerhalb dieser Zeit der Schiffer sein Fahrzeug in Sicherheit
bringen muss.
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>|ij I. Natürliche Wasserstrassen.
Im Allgemeinen wurde beobachtet, dass in unseren Klimaten im Spät-
herbste nach Sinken der Luftwärme unter о Grad Celsius die Kanäle sich
binnen einer Woche, die kleinen Flüsse und Binnenseen innerhalb zwei
Wochen und die grösseren Flüsse und Ströme innerhalb drei Wochen mit Eis
derart bedecken, dass eine Schiffahrt auf denselben nicht mehr möglich ist.
Mit Zunahme der Luftwärme über о Grad Celsius findet im Frühjahre wieder
das Aufthauen des Eises auf Kanälen^ Flüssen und Strömen innerhalb zwei
Wochen, auf den Binnenseen oft erst in drei Wochen statt.
Dauer und Arten der Donaneisbildimg. Auf der Donau unterscheidet
man vier Eisbildungen:
1. Die breiten Eisblöcke, welche von den Nebenflüssen und Seitenarmen
in den Hauptstrom treiben, in diesem grösser werden und die Eisschollen
bilden.
2. Das lose zusammenhängende schneeartige Gefüge von Eisnadeln und
Biättchen mit zumeist klumpenartiger Gestalt und schmutziger Färbung, das
Treibeis.
Dieses bildet sich hauptsächlich von den durch die Strömung zusammen-
getriebenen Schneemengen. Die Klumpen nehmen, wenn sie sich längs der
Ufer fortwälzen, Erde und Schlamm auf, sodass sie oft schwere Massen bilden,
deren grösster Theil unter Wasser schwimmt. Die klumpenartige Gestalt nimmt
durch Einwirken der Strömung verschiedene Lagen an, wodurch deren ein-
zelne Theile nacheinander der kalten Luft ausgesetzt werden und dabei immer
Wasser anschöpfen, welches anfriert, so dass die Юитреп an Ausdehnung
rasch zunehmen. Tritt bei diesem Treibeise noch ein Scheefall ein, so frieren
die einzelnen Klumpen binnen wenigen Stunden zu mächtigen Schollen zusammen.
3. Das Grundeis, welches dadurch entsteht, dass bei grösserer Kälte
Wassertheilchen sich in die Tiefe senken und am Flussgrunde mit Sand und
Geröll in Berührung kommen, von welchen ihnen die letzte Wärme entzogen
wird. Dieselben frieren zu Eisnadeln, welche sich nun loslösen und mit
Schlamm und Kies vermengt aufsteigen.
Nachdem das Grundeis an der Flusssohle solange angefroren bleibt,
bis es durch die, von den in Bewegung gerathenen Eismassen erzeugten
Uiiterströmungen losgelöst wird und emporsteigt, so kommt es erst dann
zum Vorschein, wenn die Kälte vorgeschritten, daher die Eisbildung bereits
in kräftiger Ent Wickelung begriffen ist.
Das Grundeis ist daher immer das erste sich im Flussbett selbst bildende
Eis und das sichere Zeichen für den Schiffer, dass strenges Frostwetter
eintritt. Wenn Grundeis wahrgenommen wird, müssen sofort die nöthigen
Massregeln zur Sicherung der Flotte ergrififen werden, weil dann Gefahr im
Verzuge ist.
Durch zeitweilig zunehmende Lüftwärme werden die ersten Grundeis-
bildungen verhindert, so dass im Spätherbste oft mehrere derselben eintreten
können und erst die letzte zum Eis g ange führt.
4. Die letzte Form ist das spiegelglatte durchsichtige Kristalleis, Kern-
eis, welches sich, wenn das Eistreiben schon sehr stark ist und einzelne Eis-
felder sich schon gestellt haben, zwischen dem schwachströmenden Stauwasser
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme.
45
etzterer bildet und jene ausgedehnten glatten Eisfelder schafft, welche alle
übrigen schwimmenden Eisschollen, Treibeis und Grundeis zu starren geschlos-
senen, oft die ganze Strorabreite öberbröckende Eisdecken vereinigt, die den
Eisstoss darstellen.
Das Donaueis besteht demnach zu Beginn der Eisbildung nur aus den
nicht im Hauptstrome gewachsenen Eisschollen und aus dem Treibeise. Tritt
zu diesem die Grundeisbildung, so entsteht dann rasch das Kristalleis und
endlich der Eisstoss.
Im Bild 14 ist der Abgang eines Donaueisstosses im Frühjahre, der Eis-
gang, dargestellt.
Enteisttiigeil, Eisbrechdampfer. Die Bildung des Grundeises kann durch
Bild 14. Eisgang.
lebhaftes Befahren der Fahrrinne verzögert werden, hat sich dasselbe jedoch
einmal kräftig gebildet, so ist eine Enteisung nicht mehr zu erreichen.
Von grossen Tostklumpen gebildetes, bis zu einem halben Meter
dickes Treibeis kann, weil dieses noch kein festes Gefuge hat, von den
eisernen Radschaufeln der Dampfer leicht zertrümmert werden und man kann,
wenn keine weitere Abnahme der Luftwärmc eintritt, in solchem Eise so
lange fahren, bis der Strom bis zu sechs Zehntel seiner Breite mit Eisschwaden
bedeckt ist. Nimmt jedoch die Kälte bis zu — 10 Grade zu und bemerkt
man Grundeis, so muss jede Fahrbewegung im Donaustrome eingestellt werden.
Bei Wiedereröffnung der Schiffahrt ist den Schiffen das dem Eisstosse
nachschwimmende starke, von den Ufern mit steigender Fluth abgeschwemmte
Landeis darum gefährlich, weil es stellenweise mit Erde, Bruchsteinen und Ge-
rolle vermengt ist, daher tief eintaucht und dann nicht immer rechtzeitig wahr-
genommen werden kann. Dasselbe hat schon oft schwere Havarien verursacht.
Zur Enteisung werden entweder rammende oder auflaufende Eis-
brechdampfer verwendet.
Erstere haben einen scharf abgekanteten Bug, mit welchem sie das Eis
durchschneiden. Sie sind achterlastig gebaut, so dass der Schwerpunkt hinter
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4б
I. Natürliche Wasserstrassen.
der Schiffsmitte Hegt, wodurch sich der Bug aus dem Wasser hebt und
während des Rammens von oben nach unten auf die Eisplatten drückt.
Bei den auflaufenden Dampfern ragt der Bug 0,50 m über die Wasser-
linie, fällt unter einer Neigung von beiläufig 20 Graden gegen dieselbe ab und
geht mit allmähliger Krümmung gegen die Schiffsmitte in eine gerade Fläche
über. Durch Füllen der Wasserkästen am Achter kann der Bug noch höher
gestellt und damit der Auflaufwinkel vergrössert werden, wodurch der Dampfer
mit beiläufig einem Drittheil seiner Länge auf die Eisplatten auflaufend diese
durch sein Gewicht entzweibricht.
Die Eisbrechdampfer haben zumeist eine Schraube mit grossem Durch-
messer, jedoch eignen sich starke Raddampfer mit Eisenschaufeln auch gut
zum Rammen der Eisdecke und haben den Vortheil, dass die Räder das
Bild 15.
Eisbrecher.
gebrochene Eis besser als die Schraubendampfer zu beiden Bordseiten in der
Kiellinie abführen.
Die rammenden Dampfer sind manövrirfähiger als die auflaufenden, sie
sind besonders verwendbar bei dünnen Eisdecken, daher zu Enteisungen von
Häfen und Eisstopf un.2:en.
Auf grösseren Strecken kann festgesetztes Kerneis dagegen durch auf-
laufende Dampfer wirksamer beseitigt werden. Im letzteren Falle arbeiten
in der Regel zwei Dampfer nebeneinander mit einem Anlauf von 100 bis
200 m gegen die Eisdecke, wobei sie je nach der Eisstärke um eine halbe
oder ganze Schiffslänge in das Eis eindringen, auflaufen, und dieses theils
auseinandersprengen, theils durch ihr Gewicht zertrümmern. (Bild 15.J
Auf der Donau wird nur bis zum Eintritte des starken Frostes Eis ge-
brochen und werden zum Eisbrechen starke Zugdampfer mit Eisenschaufeln
verwendet, welche rammend arbeiten und zur Speisung der Kessel eigene
Wasserkästen eingebaut haben.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme. 4^
Nutzen der Enteisungen. Den grössten Nutzen ergeben Enteisungen
im Mündungsgebiete der unteren Flussläufe, weil das Abtreiben der gebrochenen
Eisschollen dadurch befördert wird, dass dieselben mit der jeweiligen Ebbe
abgehen. In den Flüssen oberhalb der Fluthgrenze ist das Abtreiben der Schollen
nur bis zu einer gewissen Grenze stromaufwärts möglich und von der Strömung,
der Windrichtung und der Höhe des Wasserstandes, sowie von der Be-
schaflfenheit des Flussbettes abhängig.
Das Eisbrechen muss stets von unten beginnen und gegen den Strom
aufwärts fortgesetzt werden; denn nur dann findet das treibende Eis Vorfluth.
Es muss eine breite Rinne im Flusse gebrochen werden, damit das Eis nicht
Gelegenheit findet, sich wieder festzusetzen, und muss das Abtreiben der
Schollen durch Dampfer, welche lebhaft hin- und herfahren, begünstigt werden.
Die Thätigkeit dieser Dampfer ist unausgesetzt Tag und Nacht erforderlich,
und je weiter stromaufwärts die Enteisung geführt werden soll, um so mehr
Dampfer sind zum Abtreiben des Eises einzustellen. Die Schwierigkeiten und
Bild 16. Eispflug.
Kosten für das Abtreiben des Eises nehmen demnach zu, je höher flussaufwärts
das Brechen geschieht. Man muss sich daher auf Kanälen und den oberen
Flussläufen damit begnügen, die vorübergehenden Fröste zu überwinden, die
Schiflfahrt im Herbst durch Brechen des Eises einige Tage länger zu erhalten
und ihre Wiedereröffnung im Frühjahr früher zu erreichen.
Im Allgemeinen ist also das Eisbrechen auf Flüssen und Kanälen nur
bei Thauwetter von Erfolg begleitet, während bei strengem Froste der
Erfolg ein geringer ist. In neuerer Zeit hat man, um ein besseres Ergebnis
zu erreichen, versucht, mittels einer pflugähnlichen Rammvorrichtung das ge-
brochene Eis seitlich auszuwerfen. Dieser Eispflug ist eine schwimmende
Vorrichtung von 10 m Länge, 4,5 m Breite und 2,0 m Höhe, welcher an dem
Buge des in dieselbe rückwärts einfahrenden Dampfers mittels Schrauben und
Nietbolzen festgemacht wird (Bild 16).
Für Kanäle dürfte sich diese Vorrichtung deshalb gut eignen, weil
hierdurch bei Brechung der Eisplatten dieselben gleichzeitig auf die Ufer
hinausgeworfen werden können.
Flassmfindimgen. Die bisherigen Ausführungen haben den Fluss von
seiner Entstehung an behandelt Es erübrigt nur noch dessen Mündung in
das Meer zu beschreiben.
Auch in ihrem untersten Laufe, im Mündungsgebiete, unterliegen die
Flüsse durch die Fluthschwankungen des Meeres, und weil der Unterlauf des
Flusses meist ein sehr geringes Gefälle hat, noch verschiedenen Veränderungen.
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48 I- Natürliche Wasserstrassen.
Die Fluthhöhe ist je nach der Fluthgrösse des Meeres und der Gestal-
tung der Strommüadung verschieden. Ihre grösste Höhe erreicht sie, wenn
die Mündimgsufer in trichterförmiger Gestalt sich einander nähern und der
Flussgrund allmählig ansteigt. In diesen Trichter wird die Meeresfluth hinein-
gepresst, und in seiner Verengung steigt dann der Scheitel der Fluthwelle.
Die Stelle im Fluthgebiet eines Stromes, an welcher die Erhöhung des
Wasserspiegels Null wird, ist die Fluthgrenze; weiter unterhalb der Fluth-
grenze liegt die Grenze des Fluthstromes; zwischen diesem und der Fluth-
grenze findet keine Fluthströmung mehr, sondern nur noch ein Aufstauen des
Oberwassers statt.
Die genaue Mündungsgrenze eines Flusses ist schwer zu bestimmen.
Der Schiffer bezeichnet als solche jene Stelle, wo die Flussströmung bei Ebbe
nicht mehr wahrnehmbar ist. Die Flut h des Meeres ist oft weit oberhalb der
Mündung im Strome durch den Rückstau erkennbar.
Deltabildangen. Oft münden Ströme, besonders die grossen, in mehreren
Armen aus, und wir nennen sie dann deltabildend. Oft hat die Mündung
nur einen Fluthtrichter, oft kommen beide Erscheinungen vor und bilden sich
an der Mündung Untiefen und Barren.
Die Deltas entstehen durch die vom Flusse gebrachten nun schon
ganz zerkleinerten Geschiebe, welche unter dem Einflüsse der Fluthschwan-
kungen und des geringen Stromgefälles niedersinken. Diese dem Meere jahr-
aus, jahrein zugeführten Geschiebemengen sind sehr gewaltig. Von Guille-
main wurden sie für die Donau mit 60000000 cbm,*) den Po mit 43000000,.
den Mississippi mit 170000000 und die Rhône mit 21000000 cbm berechnet.
Es entstehen hierdurch mächtige Ablagerungen, in welchen sich der Stromj
in mehreren Richtungen verzweigt. Die einzelnen Verzweigungen bilden sich
immer mehr aus, gleichzeitig rücken die Sinkstoffe in das Meer hinein und
schliesslich sind mehrere Mündungen vorhanden, welche vom Hauptstrome
aus gesehen die Form von unregelmässigen Dreiecken mit dem Meeresufer
als Grundlinie haben. Besonders jene Ströme haben starke Deltabildungen,
welche viel Schlamm führen und in Meere mit geringer Fluthbildung münden.
Solche Ströme sind die Donau, der Mississippi und der Nil.
DooaumKudttngeil. Die Deltabildung der Donau beginnt bei Tulcia,.
90 km oberhalb Sulina. (Bild 17.)
Der dort bei Mittelwasser 500 m breite und 15 m tiefe Strom verzweigt
sich in drei Hauptarme: Der nördliche, bei Kilia, ist der mächtigste. Er
bildet in seinem Mittellaufe zahlreiche Verzweigungen und ergiesst sich in ein
Delta mit zwölf seichten Mündungen. Die Vorrückung der Ufer der Kilia-
mündung in das Meer betrug früher jährlich 50 bis 90 m. Dieser weitaus
wasserreichste Donauarm ist heute von der russischen Regierung festgelegt
und für die Durchfahrt von 3,2 m tieftauchenden Seeschiffen regulirt.
Der mittlere wasserärmste Arm, bei Sulina, hatte vor seiner Regulirung
*) Nach einer Berechnung Breitenlehner's führt die Donau bei Wien bei Hoch-
wasser in I cbm Wasser 0,114 kg, was für ein Jahr einer Schlammführung von 6 Mil-
liarden kg oder, I cbm Sinkstoff mit 1400 kg angenommen, 43 Millionen cbm Sinkstoffen
gleichkommen wurde.
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Entstehung und allgemeine Eigenschaften der Flüsse und Ströme.
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eine seichte Barre, welche in Folge der durch die kleine Wassermenge
zugefuhrten geringen Sinkstoffe jährlich nur mit 30 m seewärts rückte.
Die südliche, St. Georgsmündung, hat die grössten natürlichen Tiefen,
jedoch zu seichte Mündungsarme.
Durch die 1856 eingesetzte Europäische Donau-Kommission wurde die
Die Durchstiche
1 bis ГХ wurden
1869 bis 189B
ausgeführt.
Durchstich X isi
im Bau.
Bild 17. Die Donaumundungen.
Sulinamündung für die Durchfahrt von Seeschiffen in einer Länge von 100 km
regulirt Es wurden bisher neun Durchstiche ausgeführt und der Strom durch
den Bau von weit in das Meer hinausgehenden Dämmen den grössten See-
schiffen geöffnet, während früher nur kleine griechische und türkische Segler
diese Donaumündung durchfahren konnten. Im Jahre 1898 liefen aus der
Mündung 141 9 Schiffe mit 1,5 Millionen Tonnengehalt, darunter 446 englische
mit 0,7, 142 österreichische mit 0,2, 134 russische mit 0,06, 85 italienische
mit 0,1, 34 französische mit 0,04 und 27 deutsche Schiffe mit с,озМйИопеп Tonnen.
Suppàn, Wasserstrassen und Bimienschi£fahrt
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so
I. Natürliche Wasserstrassen
2. Abschnitt
Flüsse und Sfröme als Schiffahrtsstrassen.
Beharrangszastand der Flosse. Im Abschnitte i wurde nachgewiesen,
dass die Sohle des Flussbettes, sowie die Ufer desselben in fortwährender Um-
gestaltung begriffen sind. Nur bestimmte Flussstrecken, deren Sohlen von der
Strömung nicht mehr angegriffen, durch Geschiebezufûhrungen von Zuflüssen
nicht mehr verändert werden und deren Ufer den Stromfäden schon ausrei-
chenden Widerstand bieten, bilden sich bei genügender Wassermenge voll-
standig aus und kommen in einen Beharrungszustand. Diese Strecken
liegen zumeist im Mittellaufe und im, ausserhalb des Fluthgebietes liegenden Un-
terlaufe, in welchen das Gefälle und die Wasserstände gleichmässiger sind.
Ein solcher in Beharrungszustand gekommener Strom, dessen
Sohle und Ufer so gestaltet sind, dass sie durch Hochwässer nicht mehr an-
gegriffen und abgebrochen, bei Niederwässern aber nicht mehr aufgeschwemmt
werden, bildet eine gute, natürliche Schiffahrtsstrasse, weil sein Thal-
weg bei entsprechender Wasserführung in diesem Zustande aus regelmässig
aufeinander folgenden Krümmungen mit genügenden Breiten und Tiefen besteht.
StromyerfassttDg. Die Summe aller Eigenschaften und Erscheinungen
eines Stromes im Beharrungszustande nennt man seine Verfassung.
Alle jene Flüsse und Ströme, deren Verfassung eine möglichst unveränder-
liche ist, bilden die guten Wasserstrassen, während eine veränder-
liche Verfassung eine schlechte Wasserstrasse darstellt.
Stromverbesseriiug vom Standpunkte der Schiffahrt. Jene technischen
Arbeiten, welche bezwecken, die Verfassung eines Flusses unveränderlich zu
gestalten, nennt man Flussbesserung, Regulirung. Das Bestreben des
Flussbaumeisters muss sonach dahin gerichtet sein, für den Fluss einen
möglichst gleichmässigen Beharrungszustand zu schaffen.
Der Zweck dieser Veröffentlichung ist es nicht, sich mit der technischen Seite
einer Flussregulirung eingehend zu befassen, wohl aber ist es zur Beurth eilung des
Flusses als Schiffahrtsstrasse nothwendig, jene Aufgaben zu kennen, welche
eine, den Zwecken der Schiffahrt dienende Flussregulirung zu lösen hat.
Um den Zustand des Flusses zu beurtheilen und jene Verbesserungen
durchführen zu können, welche die Veränderung und Verwilderung des
Thalweges hintanhalten oder gänzlich zum Stillstand bringen sollen, ist
sowohl die genaue Kenntnis des Zusammenhanges der allgemeinen Fluss-
eigenschaften und deren Erscheinungen, als auch der Lage, Grundrissform
und Linienführung des Strombettes nothwendig.
Grundrissform. Zur Erkenntnis der Gestalt und Grundrissform ist es
nothwendig, von jedem Flusse einen Lageplan, ein Längenprofil und die
nothwendigsten Flussquerschnitte oder Querprofile aufzunehmen.
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Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen.
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Der Lage plan bringt die natürliche Gestalt und den Lauf des Fluss-
bettes, seine Zuflüsse und unmittelbare Umgebung in einem bestimmten Mass-
stabe zur Darstellung.
Das Längenprofil giebt einen Längendurchschnitt der Flusssohle, des
Wasserspiegels bei bestimmten Wasserständen und die Ansicht der Höhenlinien
der beiden Ufer zwischen zwei bestimmten Punkten. Zum Zwecke der Auf-
nahme des Lângenprofîles eines Flusses muss vor allem eine genaue Höhen-
messung, Nivellement, des ganzen Flussthaies durchgeführt werden.
Bild 18. Längenprofil.
Das Längenprofil zeigt je nach der Verschiedenheit des Gefälles, welches
es darstellt, ein mehr oder weniger treppenartig abgestuftes Bild, welches
jenem in der Natur gleich ist, weil auch in dieser die Flusssohle infolge des
Angriffes durch das fliessende Wasser und die verschiedenartigen Geschiebe-
ablagerungen eine treppenartige Linie bildet. Ober welche das Wasser wie Ober
Wehre dahinströmt. (Bild 18.) Die Sohle wird an den Stellen a, b, с diurch
das fliessende Wasser bei zunehmender Geschwindigkeit angegriffen und es
entstehen dann die Gefällsbruche bei aj, b^ und c^.
. _ _ _ _ ^^^^^^^€*??c _
/IpfofertirasseTi
Bild 19. Querprofil.
Das Querprofil, Bild 19, zeigt die Ansicht einer Stromstelle, welche
sich ergiebt, wenn man das Flussbett senkrecht zum Stromstriche durchschneidet
Diese Flussquerschnitte werden zumeist in bestimmten Abständen von einander
aufgenommen und ermöglichen die Kenntnis der Breitengestaltung und der
Tiefenverhältnisse des Strombettes.
Schiffahrtsweg im nichtregulirteu Strome. Jeder nichtregulirte Strom
-windet sich, nach den im Abschnitte i über die Gestaltung und Geschiebe:
führung des Bettes beschriebenen Erscheinungen, zwischen Kiesbänken durch,
wirddurchlnselnoftinmehrereArme gespalten und verändert dadurch fortwährend
die Richtung seines Stromstriches und damit den Schiffahrtsweg, Bild 30
veranschaulicht den Zustand einer nichtregulirten Stromstrecke. Im Bilde ist
auch der heute bestehende Durchstich eingezeichnet.
Die vielen Versandungen machen die Schiffahrt unsicher, oft unmöghch,
und im Vereine mit den Stromspaltungen hindern sie den regelmässigen Ab-
gang des Hochwassers und des Eises. Der angrenzende Grundbesitz ist
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J. Natürliche Wasserstrassen.
gefährdet, weil sich die Flusskrömmungen in den unregel massigsten Formen
ausbilden, in welchen die Ufer unterwaschen und zum Abbruch gebracht
werden und Ueberfluthungen und Eisstauungen nicht vorauszusehende Aus-
dehnungen annehmen können. Grosse Ueberbreiten wechseln mit engen
tiefen Stellen, in ersteren setzen sich die vom eingestürzten Ufer in den Strom
gefallenen „rinnenden" Baumstöcke fest und gefährden die Schiffahrt, in
letzteren bilden sich Wechselströmungen und Wirbel.
^У<шшА\\о &ст/потсс- 1726
Bild 30.
Die Regulirung ist nun bestrebt, diese für die Schiffahrt und Landwirth-
schaft nachtheiligen Verhältnisse zu verbessern. Dieselbe wird ein um so
besseres Ergebnis erzielen, je einheitlicher alle Arbeiten für das ganze Strom-
thal durchgeführt werden und je mehr man der Verfassung des Stromes
und den natürlichen Erscheinungen seines Bettes Rechnung trägt
Streckenweise Stromverbesserungen. Eine nur streckenweise durch-
geführte Regulirung, welche beide Ufer des Stromes festlegt, ist von
keinem dauernden Werthe, weil sie von den Verhältnissen der nichtregulirten
Strecken immerwieder beeinflusstwird oder auf diese selbst wieder ungünstig wirkt,
Unnatfirliehe Stromverbessermig. Ebenso darf dem Strombette kein
theoretischer Zwang angethan werden. Nirgends rächt sich die „graue
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Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen.
S3
Theorie** und Scbulgelehrsarakeit mehr als bei einem Strome. Es fällt dem-
selben gar nicht ein, sich den zahllosen unrichtig angewendeten mathemati-
schen Gesetzen zu fügen. Es wurden wiederholt die schönsten Normalproffle be-
rechnet, durch schnurgerade Durchschnitte die natürlichen Flusskrummungen
beseitigt, in der Flussmitte durch kostspielige Baggefungen ein Stromstrich
geschaffen und genau bestimmt, dass bei diesem und jenem Wasserstande so
viel Kubikmeter in der Sekunde durchfliessen werden, und nach kurzer Zeit
hat sich der Strom in dem mit aller Sorgfalt angelegten Kunstschlauche
wieder seinen neuen natürlichen Lauf geschaffen, Krümmung folgt auf Krüm-
mung, Sandbank auf Sandbank, und wo die gr<>ssten Tiefenbaggerungen
stattgefunden, zeigen sich bei Niederwasser die glänzendsten Kiesbänke.
1ш Souderinteresse darchgefAhrte Regalirungen. Werthlos und oft un-
mittelbar schädlich sind jedoch jene Regulirungsarbeiten, .welche eigentlich nur
aus Rücksicht für die Sonderbedürfnisse bestimmter Flussanrainer gemacht
werden. Derartige Dammbauten oder den persönlichen Wünschen dienende
Durchstiche können beispielsweise auf die Ueberfluthung der ober- und unter-
halb gelegenen Thalstrecken von nachtheiligstem Einflüsse sein und den Schifl-
fahrtsweg gänzlich verwildern.
Einheitliche Stromregnliruug. Eine zweckentsprechende Regu-
lirung muss daher einheitlich vorgehen und alle Gesichtspunkte ins Auge
fassen, sie muss sich aber vor allem mit der natürlichen Gestaltung des
Flussgerinnes befassen, diese eingehend untersuchen, die Regulirungswerke
dem Gerinne anpassen, langsam und fortwährend, den Erfolg derselben beob-
achtend, fortschreiten und auch die Verbesserung der Zuflüsse miteinbeziehen.
Die Regulirung eines Stromes soll sich sowohl auf die Schaffung einer
leistungsfähigen sicheren Schiffahrtsstrasse, als auch, auf den möglichsten Schutz
der Ufer gegen Hochwasser erstrecken.
Es müssen demnach die stark geschiebeführenden Nebenflüsse regulirt
und Thalsperren angelegt, die im Strome befindlichen Geschiebeablagerungen
regelmässig gestaltet und zu einer begrenzten, nicht veränderlichen Fahrstrasse
für das gewöhnliche Niederwasser festgelegt, die Hochwässer und das Eis
günstig abgeführt und endlich Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen ge-
schaffen werden.
Alle diese. Fragen befriedigend zu lösen, ist aber, abgesehen von den
Kosten, schon darum sehr schwierig, weil jeder Fluss seine eigenartige Ver-
fassung hat und man daher die Erfahrungen, welche gelegentlich der Re-
gulirungen anderer Flüsse gemacht wurden, nicht ohne weiteres und nur
zum Theile allgemein anwenden kann.
Fahrt durch regelmässige Flnsskrfimmnngen. Vom Standpunkte der Schiff-
fahrt erscheint es vor allem nothwendig, jene Zustände des Flusses zu kennen,
welche ihr eine möglichst gute Fahrstrasse sichern.
Die leichteste und regelmässigste Schiffahrt geht immer durch nicht zu
scharfe, mit annähernd gleich massigen Halbmessern aufeinanderfolgende
Flusskrümmungen.
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54
I. Natürliche Wasserstrassen.
Wenn ein Zugdampfer, welcher seinen Anhang hinten am Schleppseile
fuhrt, mit gemässigter Maschinenkraft in derart gestaltete Krümmungen thal-
wärts einfährt, so muss er immer die Krümmung „hochanfahren", oder mit
anderen Worten, der dem ausbiegenden Ufer vorgelagerten Sandbank
scharf zusteuern, damit der Anhang nicht an das einbiegende Ufer ge-
Bild 21
schleudert werde. Trotz dieses scharfen Anfahrens wird sich aber der Schlepp-
zug in der Krümmungsmitte ganz nahe am einbiegenden Ufer befinden und
muss nun durch rasche Steuerung, oft unter gleichzeitiger Erhöhung der Ma-
schinenkraft, bestrebt sein, gegen die Strommitte zu steuern, um das ausbie-
gende Ufer der nächsten Krümmung wieder in richtigem Kurse anfahren zu können.
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Klflssc und Ströme als Schitfahrtsstrassen.
55
Dieses Spiel wiederholt sich während der Durchfahrt durch alle
Krümmungen und ist bei einiger Vorsicht die Schiffahrt in diesen ganz ein-
fach und sicher. Dieselben Erscheinungen beobachtet man, wenn man sich mit
einem Ruderschiffe oder Flosse durch die Thalströmung in die Krümmung treiben
lässt. Im Bilde ai ist die Schiffahrt in einer Flusskrümmung dargestellt. Der
Dampfer S und sein Anhang wird bei deren Durchfahrt nacheinander die
Lagen S, S^, S,, S3, S4 und S5 einnehmen, und nur in der Lage S und
S5 sich in der Strommitte befinden. Trotzdem der Dampfer bei S^ die Sand-
bank des ausbiegenden Ufers anfährt, wird er bei Sg die ganze Maschinen-
kraft anwenden müssen, um den Anhang vom einbiegenden Ufer wegzubringen.
Bei S4 muss er aber von der Sandbank kräftig ablenken, um bei S5 wieder
die Strommitte zu erreichen und das gleiche Manöver zur Durchfahrt der
nächsten Krümmung beginnen zu können.
Die Ursache dieser Erscheinung liegt darin, dass in jeder Flusskrümmung
der Stromstrich vom ausbiegenden Ufer D an das einbiegende Ufer H ge-
worfen wird, in der Krümmungshälfte bei H sich förmlich an das Ufer schmiegt
und erst zwischen S, und S4 wieder die Richtung gegen das Ende A der
gegenüberliegenden Sandbank nimmt.
Die Donauschiffer sagen, die Sandbank oder der Haufen bei Si,
„tragt ab", während das Sandbankende bei S^ „antragt". Erstere kann
man „anfahren", von letzterem muss man „davonfahren".
Genau so wie die Schiffahrt in dieser Krümmung vor sich geht, ist auch
das Strombett derselben gestaltet. Wenn man sich durch H К ein Querprofil
gelegt denkt, so ergiebt sich Folgendes: Das tiefe, schwere Wasser fliesst
langsam und gestaut bei H und wird bei diesem einbiegenden Ufer die
Wasseroberfläche höher oder gleich hoch wie in der Strommitte und merklich
höher als am gegenüberliegenden Sandbankufer sein. Die Stromfäden bewe-
gen sich in der Stromrichtung und in der mit Pfeilen bezeichneten Richtung
längs des tiefen Ufers hinab und waschen dieses bis zur Tiefe T aus. Die ab-
geschwemmten Ufertheilchen werden stromabwärts und quer über den Strom auf
die Sandbank des ausbiegenden Ufers getragen und bleiben zum Theil auf der
Sandbank zwischen К bis А liegen, zum Theil werden sie weiter flussabwärts
abgelagert. Die Sandbank setzt sich zwischen S3 und S^ an und ist flach
und zutr[agend, während sie von S^ bis Sg von der Strömung abgescheuert,
hoch oder „schleusig" und abtragend ist.
Wenn man die Längenprofile С bis В des einbiegenden Krümmungs-
ufers und D bis А des ausbiegenden Krümmungsufers aufzeichnet, so stellt
sich die von den Stromfäden in der Längenrichtung des Stromstriches gelei-
stete Arbeit in folgender Art dar: Die Sohle des einbiegenden Ufers wird von
dem schweren Wasser in der Pfeilrichtung ausgewaschen, der Abbruch legt
sich zum Theil auf die Sandbank um das ausbiegende Ufer, zum Theil erhöht
er die Sohle der nächsten Flusskrümmung. Der Wasserspiegel ist längs des
einbiegenden Ufers CB erhöht, in der Strommitte nahezu normal, längs des
ausbiegenden Ufers DA gesenkt. An den Stellen, wo beim einbiegenden Ufer
die grösste Stauung der Wasseroberfläche bei H ist, ist beim ausbiegenden
Ufer bei К die grösste Wasserspiegelsenkung.
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5б
I. Natürliche Wasserstrassen.
Solange der Boden und die Sohle beim einbiegenden Ufer keinen
genügenden Widerstand gegen die Stosskraft der Stromfäden bieten, wird
dieses Ufer immer mehr und mehr abgebrochen und die FlusskrQmmung
stärker. Dies geschieht solange, als der Stromstrich nicht seine äusserste Seiten-
richtung bekommen hat, was dann eintritt, wenn das Erdreich des einbiegen-
den Ufers der Stosskraft der Strömung genügenden Widerstand bietet. Man
sagt dann, der Stromstrich hat seine Beharrungsrichtung erreicht.
Fahrt zwischen Saudb&nken. Die Art und Weise, wie durch die oben
beschriebene Flusskrümmung gefahren wird, bildet des Schiffers Hauptregel;
denn es ist gleichgiltig, ob die ein- und ausbiegenden Begrenzungen der
Fahrbahn durch zwei Ufer, oder durch ein Ufer und eine Sandbank oder
endlich im Strome selbst durch zwei oder mehrere Sandbänke gebildet werden.
Fahrt in stark gestreckten Krammunj^eu uud Durchstiches. In derselben
Weise, wie man auf die Gestaltung einer regelmässigen Biegung bei deren
Durchfahrt schliessen kann, ist auch die Verfassung einer gestreckten
Krümmung und selbst eines geraden Durchstiches durch die Schiffahrt
genau erkennbar. Eine gestreckte Flusskrümmung zeigt Bild 22.
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Bild 22. Fahrt durch eine gestreckte Krümmung.
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Fiasse und Ströme als Schiffahrtsstrassen.
57
Bei S sind die beiden Sandbänke schleusig und bei t flach. Bei A
und G sind die tiefsten Stellen, in der Mitte von CD bei n die seichteste,
eine Fuhrt. Die dazugehörigen Profile AB, CD und EG geben die unter
dem Bilde dargestellten Schnitte. Die Längenprofile AE und BG veranschau-
lichen das linke und das rechte Ufer.
Die Lage der Sandbänke und den Thalweg in ganz geraden, regulirten
Durchstichen wird der Schiffer ebenso leicht erkennen. Dieselben kennzeichnen
sich in der im Bilde 23 dargestellten Gestalt. Der Schiffer muss bei Nie-
derwasser auf diese zumeist in regelmässigen Entfernungen lagernden Sand-
bänke wohl achten und stets in der Richtung A В С D und niemals in der
geradlinigen Kursmitte des Durchstiches а d fahren.
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Bild 23. Fahrt durch einen Durchstich.
Allj^meiiie Fahrregeln. Diese Gestaltungen des Strombettes vor Auge
gehalten, ergeben sich für den Schiffer bei Niederwasser folgende Fahrregeln :
In der Thalfahrt immer in der stärksten Strömung, fahren. In geraden,
geschiebefreien Strecken, also in Stromengen und in jenen Stromstrecken,
deren Uferbegrenzungen felsig sind, aus hartem Gestein und nicht angreifbarer
Sohle bestehen, die Strommkte einhalten. Auf allen übrigen Strecken die aus-
biegenden „abtragenden" Ufer oder Geschiebeablagerungen, also jedes Ober-
haupt einer Sandbank und den schleusigen Theil derselben, das „Happ",
anfahren, den einbiegenden „annehmenden" Ufern oder Geschieben, also den
Sandbankenden, davonfahren.
In der Bergfahrt wird der Schiffer in gleicher Weise obige Regeln
berücksichtigen, jedoch dabei die geringeren Strömungen auszunützen suchen.
Sanftgekrümmter Stromstrich. In regelmässig aufeinanderfolgenden
Krümmungen wird demnach die Schiffahrt bei entsprechender Aufmerksamkeit
ohne Störung vor sich gehen. Die Sohle besteht aus einer Reihe von auf-
einanderfolgenden längeren oder kürzeren Haltungen, welche verhältnismässii^
tiefes Wasser, ein massiges Oberflächengefälle haben und durch die einzelnen
Geschiebeablagcrungen, Führte, getrennt sind. Ober welche der Abfluss wie
über Wehre erfolgt.
Wenn das Querprofil durch diese Führte auch uneben ist, so ist die
Fahrbahn doch eine nahezu gesicherte, solange der Stromstrich über dieselben
in sanfter Krümmung verläuft, weil dann über den Führten immer genügend
Wasser ist.
Solange also Flusskrümmungen und Sandbänke die in den Abbildungen 21
bis 23 gezeichneten Gestaltungen haben, bilden sie im allgemeinen gute
Führte und eine für die Schiffahrt günstige Fahrbahn.
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58 I- Natürliche Wasserstrassen.
Nehmen sie aber durch verschiedene Umstände und Störungen in der
Stromgeschwindigkeit die in den Bildern 24 und 25 gezeichneten Formen an,
so entstehen die die Schiffahrt hindernden Fahrbahnen.
Steiler Stromstrich. Kolken nämlich die einbiegenden Krümmungsufer
steil aus und treten unregelmässige Geschiebeablagerungen dadurch auf, dass
der Stromstrich plötzlich ohne Uebergang vom tiefen Ufer auf das gegenüber-
liegende oder umgekehrt überspringt, so erhöhen und verlängern sich die
Ablagerungen und es entstehen Fuhrtschwellen mit zu geringen Wassertiefen.
Die Auskolkung der einbiegenden Krümmungen geschieht, wie schon
erwähnt, durch die sich spiralförmig wirbelnden Stromfäden, immer von oben
nach unten. Das einbiegende Ufer wird immer steiler und tiefer, während das
gegenüberliegende Ufer, an welchem die Stromfäden sich in die Länge ziehen
und eine geringere Gewalt haben, in sanfter Neigung das vom einbiegenden Ufer
abgelöste Geschiebe ansetzen. Der Abbruch der Einbiegung und dessen
Ablagerung quer zum Strome an der Ausbiegung dauert solange, bis die
Sohle des Bruchufers eine solche Tiefe erreicht hat, dass die Geschiebe-
theilchen den Ablagerungskegel nicht mehr ersteigen können. Die das
ausbiegende Ufer umlagernde Sandbank kommt nun in einen Behamings-
zustand.
Kolkt aber das tiefe Ufer noch weiter aus, so lagert sich dieser Ab-
bruch an einer weiter flussabwärts liegenden Stelle, wo der Stromstrich durch
irgend einen Widerstand steiler an das andere Ufer geworfen wird, ab, und
es entsteht eine neue Sandbank, wodurch sich im Flussbette zwei Fahrbahnen
bilden.
Dieser Fall tritt überall dort ein, wo der Flussquerschnitt auffällig breiter
als das gewöhnliche Niederwasserbett ist, daher in Ueberbreiten oder in auf
zu breites Mittel Wasserbett regulirten Strömen. Man sagt dann, der Strom hat
zu grosse Normalbreiten. Der Stromstrich gräbt sich in diesem Falle
innerhalb des ihm durch die Uferversicherung gewährten Raumes seinen eige-
nen, schlangenförmig gewundenen Thalweg, die Fahrtiefen dort bildend, wo er
sich an ein Ufer anlehnt, Stromseichten dort bildend, wo er von einem Ufer
auf das andere überspringt.
Schlechte FuhrtbildaDgen. Wenn daher die Richtung des Stromstriches
bei unregulirten Flüssen nicht gleichmässig und sanft ist oder derselbe durch
Regulirungswerke in nicht entsprechender Richtung geleitet wurde, ferner bei
allen nicht genügend widerstandsfähigen oder nicht versicherten Ufern, bei
zu breiten, nur für das Mittelwasser regulirten Flussquerschnitten, werden die
Geschiebeablagerungen und damit die Führte, nicht die in den Abbildungen
21 bis 23 gezeichneten regelmässigen Formen annehmen. Es werden sich
vielmehr an jenen Stellen, bei welchen der Stromstrich unvermittelt in steiler
Richtung von einem Ufer auf das andere Ufer geworfen wird, bei Nieder-
wasser die Ablagerungen verlängern, das untere Ende der stromaufwärts ge-
legenen Sandbank wird das obere Ende, das Happ, der flussabwärts gelegenen
übergreifen und zur Bildung von schlechten Führten führen. Die schlechten
Führten liefern aber alle Erschwernisse für die Schiffahrt, wie seichtes Wasser,
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Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen.
59
unregelmässige, oft heftige und wirbelbildende Strömungen und jähe Richtungs-
änderung der Fahrt, welche durch die beste Steuerung nicht mehr ein-
gehalten werden kann. Ein Festfahren der Schiffe und, wenn die Sohle un-
rein, grobes Gerolle oder einen angesetzten rinnenden Baumstock enthält,
Havarien sind die unvermeidliche Folge.
Steile und lange Fahrt. Solche die Schiffahrt erschwerende Fuhrt-
schwellen sind in den Bildern 24 und 25 dargestellt. Die erstere nennt man
eine „steile Fuhrt", die letztere eine „lange Fuhrt".
Bild 24. Steile Fuhrt.
Beide kann man durch die Seite 62 beschriebenen Rechenbagge-
rungen unschwer bis auf eine genügende Tiefe erhalten, solange der Strom-
strich nicht gespalten und am oberen Ende der Schwelle eine noch genügende
Stosskraft hat.
Beginnt sich jedoch der Stromstrich bei S in der Richtung des Pfeiles
nach Sg zu spalten (Bild 24) und will er dort ein Einrinnen bilden, so kann
das obere Ende der Fuhrtschwelle mittels des Rechens nicht mehr erfolgreich
vertieft werden, weil die nun wesentlich geringer gewordene Strömung zur
Fortschaffung des durch den Rechenbagger aufgelockerten Geschiebes nicht
mehr ausreicht.
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Bild 25. Lange Fuhrt.
Donausaiidbäiike. Im Donaustrome senken sich bei langsam fallendem
Wasser die Rücken der Fuhrtschwellen in der Regel breit und genügend tief
ab. Die Sandbänke „verlaufen sich" und bilden für die Schiffahrt unwesent-
liche Hemmnisse. Bei starker Anschwellung und darauffolgendem raschen
Abfallen des Wassers werden jedoch die Höhenlagen der Schwellen ungleich-
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6o
I. Natürliche Wasserstrassen.
massig und es raehrt sich die Zahl der Führte mit hochliegendem Rücken, weil
das schnell kommende Hochwasser den Kies hoch bis über die mittlere Wasser-
standshöhe der Sandbank hinaufschiebt.
Ragt nun eine solche Fuhrtschwelle nahe an die Oberfläche des Wassers,
so staut sie das Wasser nach aufwärts und vergrössert das Gefälle nach ab-
wärts, sie vermindert demgemäss die Geschwindigkeit des Wassers oberhalb,
um sie unterhalb entsprechend zu vergrössern. Dann bildet diese Fuhrtschwelle
wegen ihrer steilen Lage, wegen der über ihr stehenden geringen Wassertiefe
und wegen der scharfen Strömung über ihren thalseitigen Abfall der Schiff-
lahrt bei niedrigem Wasserstande Hemmnisse.
Ausbildung des Thalweges. Im Allgemeinen nimmt der Thal weg bei
steigendem Wasser einen gestreckteren Lauf. Je flacher dieser wird, umso
mehr biegt der Stromstrich von der Linie des stärksten Gefälles ab, verliert
hierdurch an Stromkraft und kann die Geschiebe nicht mehr wie früher fort-
wälzen. Erst bei Niederwasser wird er sich dann wieder, an der schwächsten
Stelle der Sandbank durchbrechend, annähernd seinen alten Weg schaffen.
Der Thalweg des Niederwassers kann ferner durch die Strömung der
Fluthwelle eines Hochwassers, wenn diese den Stromstrich des Niederwassers
unter einem genügend grossen Winkel trifft, verändert werden, wie dieses
aus dem Bilde 26 klar wird.
Bild 26.
Wenn diese Strömungen der Hochwassei-welle das Niederwasserbett an
den in der Pfeilrichtung gezeichneten Stellen treffen, so werden in letzterem
ähnliche Veränderungen wie in den Flusskrümmungen eintreten, es werden
sich die einbiegenden Begrenzungen des Niederwasserbettes vertiefen, die
ausbiegenden verseichten. Man findet deshalb nach jedem Hochwasser ein
verändertes Niederwassergerinne und damit eine neue Fahrbahn, und ist es
nothwendig, nach dem Ablaufe einer jeden Hochfluth die Fahrstrasse neu zu
sondiren'und zu bezeichnen, oder zu ,, vermalen'*.
Wenn die Ufer, zwischen welchen der Strom bei normalem Wasserstande
läuft, überfluthet werden, so nimmt eben innerhalb der entstehenden seeartigen
Ausbreitung der Stromstrich nach kurzer Zeit eine andere Richtung ein und
ändert seine Geschwindigkeit. Je grösser die ausgetretenen Wassermassen
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Flusse und Ströme als Schiffaliitsstrassen. 6l
und ihre seitliche Ausbreitung im Verhältnisse zum Inhalte des bordvollen Ge-
rinnes wird, umsomehr machen sich dann örtliche Einfltlsse geltend. Wenn
unterhalb der Ausbreitung eine plötzliche Verengung des Bettes folgt, stauen
sich die anwachsenden Wassermassen an und der Stromstrich kann sich weit-
ab von seiner früheren Richtung in eine einbiegende Krümmung des Ueber-
schwemmungsufers verlegen und eine Versandung des ursprünglichen Bettes
verursachen.
Gleich starke Veränderungen des Thalweges treten auf, wenn sich
das Niederwasser in zu breiten Flussquerschnitten, besonders in zu breiten,
geraden Durchstichen fortbewegt. In solchen wandert dann dei: Nieder-
wasserthalweg fortwährend stromabwärts, so dass nach gewissen Zeiträumen
seine Tiefen dort sind, wo früher die Führte waren, und umgekehrt.
Die Windungen des Niederwasserbettes werden um so gestreckter, je
mehr man dasselbe einengt, und man wird deshalb einen Beharrungszustand
für dieses, die eigentliche Schifiahrtsstrasse bildende Bett nur durch Führung
des Stromstriches in einer künstlichen Einengung des Flussschlauches in der
Breite des Niederwasserstandes, also durch Regulirun g für Nieder wasser
erreichen.
Ein völlig unveränderliches Bett lässt sich natürlich durch keine Strom-
regelung erzielen. Es ist jedoch zum Zwecke einer unbehinderten Schiffahrt
genügend, wenn der Thalweg nur innerhalb bestimmter Grenzen schwankt
und über eine gewisse Höhe seine Fuhrtschwelleh nicht auflagert, demnach
den Schiffen immer entsprechende Tauchtiefen ermöglicht.
Niederwasserthalweg. Nach den Erfahrungen der Donauschiffer treten
die grössten Aenderungen der Schiffahrtsstrasse oder des Niederwasserbettes
bei rasch steigendem Wasser auf. Die Ablagerungen während des Anschwellens
sind insbesondere dann stark, wenn der vordere Abhang der Fluthwelle steil
ist. Während des Beharrungszustandes des Hochwassers selbst sind die Abla-
gerungen wesentlich geringer, wogegen dieselben beim Fallen des Wassers
unmittelbar vor Eintritt des Niederwaasers, wieder reichlich, während des Nie-
derwassers jedoch am geringsten sind. Wenn dann letzteres in den Beharrungs-
zustand kommt, bildet sich durch dieStosskraft der nun vereinigten Thalströmungen
die eigentliche Niederwasserfahrstrasse aus, welche, wenn auch oft ge-
ringe, doch immer annähernd gleichmässige Tiefen hat und im Allgemeinen
einen sicheren Schiffahrtsweg darstellt.
Die Erscheinung, dass sich bei andauerndem Niederwasser eine gleich-
mässige Fahrbahn ausbildet, ist leicht erklärbar. Denn wenn auch bei höherem
Wasserstande die Stosskraft der Strömung stärker ist als bei Niederwasser,
so übt sie ihre Arbeit im ganzen Hochwasser- oder Mittelwasserquerschnitt
, aus, während die geringere Stosskraft des Niederwassers, in engen Profilen
zusammengefasst, mehr unmittelbar örtlich auf die Fuhrtsch wellen wirkt, diese
auswäscht, durchreisst und vertieft und hierdurch ein Bett schafft, welches
bis zur nächsten grösseren Anschwellung des Stromes einen unveränderlichen
Schiffahrtsweg bildet. Aus diesem Grunde haben auch die Führte bei Nie-
derw asser immer grobes Geschiebe, weil das auf demselben gelagerte feine
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J
б2
I. Natürliche Wasserstrassen.
Geschiebe, Kies und Sand, vom Stromstrich des Niederwassers abgestossen
wird und unterhalb der Führte die Kolke ausfüllt.
Gestalt der Saudbänke. Es ist klar, dass ausser der Schwere und Grösse
der Geschiebe und ausser ihrem mehr oder weniger festen nnd innigen Zu-
sammenhange auch ihre Gestalt auf den Widerstand derselben gegen die
Strömung von Einfluss ist. Die runden Steine werden von der Strömung
leichter in Bewegung gesetzt als die eckigen, die flachen Kiesel schwerer als
die eiförmigen. Liegt der flache Kiesel mit seiner kleineren Seite auf, so
wird er leichter fortgetragen, als wenn er mit seiner abgeplatteten Fläche
festsitzt. *In geringer Strömung fällt er mit seiner schwereren glatten Fläche
zu Boden. Wenn man bei abfallendem Wasser eine Kiesbank betrachtet
(Bild 27), so liegen deshalb die Kiesel mit ihren flachen Seiten wie Dach-
ziegel übereinander geordnet gegen die Strömung und bieten derselben einen
grossen Widerstand. Eine derartige Kiesbank wird erst dann wieder in Be-
wegung gesetzt werden können, wenn der Stromstrich quer, also seitlich und
unter den glatten Kiesseiten einwirkt.
Bild 27.
KechenbafCgerung/^) Aus dieser Ursache rauss man bei Rechenbagge-
r un gen manche Fuhrtsch wellen an der Seite und nicht von oben angreifen,
um gegen die grossen glatten Seiten des festgelagerten Geschiebes ein ent-
sprechend starkes Rinnen zu schaffen^ wodurch dasselbe, seitlich und unter den
glatten Flächen angegriffen, plötzlich in Lösung und Bewegung kommt.
Bei jeder Rechenbaggerung kann man übrigens das Auswaschen einer
Fuhrtschwelle durch die Flussströmung am besten beobachten. Wenn der
Dampfer mit seinem Rechen möglichst in der Richtung der Stromkraft nur
eine schmale Rinne durchzieht, bilden sich sofort rechts und links derselben
weitere kleine Rinnen, die rasch breiter und tiefer werden und die Fuhrt-
schwelle binnen einigen Stunden lockern und zur Abtragung bringen.
Durch Auflockerung des Flussgrundes mittels des Rechenbaggers
werden im Donaustrome ganz bedeutende Ergebnisse erzielt. Das zuweilen
geäusserte Bedenken, dass das gelockerte Material die Fahrrinne und dadurch
den Stromstrich ändere und die Verfassung des Stromes an anderer Stelle
störe, ist bei der geringen Menge des in Bewegung gebrachten Geschiebes
umsomehr hinfällig, wenn man bedenkt, welche grossen. Veränderungen der
Stromstrich bei Hochwasser erfährt und welche Geschiebemassen er dann in
Bewegung bringt.
*) Der Rechenbagger ist ein Dampfer, welcher mit einer der Egge ähnlichen
Vorrichtung den Flussgrund auflockert. (Siehe Abschnitt 3.)
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Flösse und Ströme als Schiflfahrtsstrassen. 63
Bevor die Baggerrechen im Donaubetriebe eingeführt wurden, versuchten
die Schiffer, unfahrbare Führte dadurch zu überfahren, dass sie den beladenen
Schlepp auf der Sandbank so festfahren Hessen, dass dieser schräg gegen die
grösste Strömung lag und nun wie eine mit ihrem Kopfe stromaufwärts lie-
gende Buhne wirkte. Hierdurch wurde an der Stelle der Kiesbank, wo das
Schiff aufsass, eine heftige Strömung erzeugt, diese in kurzer Zeit angegrifien
una in derselben eine genügend breite Fahrrinne geschaffen. Der Schlepp,
welchen man vorher stromaufwärts gut verankerte, wurde flott und der Dampfer
konnte mit ihm und dann mit seinem übrigen oberhalb der seichten Stelle
ausgelassenen Schleppanhang die nun vertiefte Fuhrt durchfahren.
Die Ruderschiffer suchen ihr ländgefahrenes Fahrzeug oft auch dadurch
flott zu bringen, dass sie breite lange Bohlen hochkantig an den Bordseiten
wie ein offenes Doppelthor aufstellen und hierdurch eine schwimmende Rinne
schaffen, die stromaufwärts weit geöffnet, stromabwärts nur die Breite des
Schiffes hat. In kurzer Zeit bildet sich in der Rinne und in ihrer Fort-
setzung entlang dem Fahrzeuge die erforderliche Fahrtiefe.
Nicht selten tritt bei Niederwasser auch der Fall ein, dass nahezu das
ganze Flussbett von einer Sandbank überquert wird, über welche das Wasser
gleichmässig strömt und sich in einem ganz engen, gekrümmten Weg
hindurchzieht. Infolge des Staues, den die Bank erzeugt, ist gewöhnlich auch
an solcher Stelle ein merkliches Gefälle vorhanden. Wenn man nun mit dem
Rechenbagger nur eine flache Rinne auflockert, so bildet sich hier eine stär-
kere Strömung als auf dem übrigen Rücken der Fläche. Infolge derselben
tritt eine geringe Senkung des Oberwassers ein, hierdurch wird die Strömung
zur Seite geschwächt und diejenige durch die Rinne in entsprechender Weise
verstärkt. Die Rinne bildet sich vollständig aus und, wenn ihre Richtung
passend gewählt war, so wird die stärkere Strömung während der niedrigen
Wasserstände dieselbe verfolgen und Verflachungen darin verhindern.
Bei zunehmendem Wasser oder Hochwasser kann diese Rinne allerdings
wieder verworfen werden und man findet nach seinem Abgange keine Spur
der früheren Vertiefung und muss zu neuerlicher Baggerrechenarbeit schreiten.
Immerhin kann aber bei intelligenter Handhabung des Baggerrechens während
der Niederwasserzeit die Schiflahrt anstandslos aufrecht erhalten werden.
Feste and wandernde Sandbänke. Bei jedem Strome nimmt das Gefälle
stromabwärts ab, die Tiefe in der Regel zu und werden die Querschnitte
des Niederwasserbettes in demselben Verhältnisse stromabwärts immer breiter,
gestreckter und gleichmässiger.
In den im Mittellaufe gelegenen grossen Flussbreiten finden durch ausser-
gewöhnliche Hochwässer zeitweilig grössere Geschiebeablagerungen statt,
welche vom Mittelwasser oder gewöhnlichen Hochwasser nicht mehr weiter
getragen werden können. Diese Ablagerungen sind die grossen, .unbeweglich
bleibenden Sandbänke, beispielsweise die grossen Geschiebebänke im
Donaustrom von Gönyö abwärts, welche selbst von der versammelten
Strömung des Niederwassers wahrnehmbar nie angegriffen werden. An solchen
Stellen haben deshalb die Rechenbaggerungen einen geringeren Erfolg, weil
sie diese Geschiebemassen auch durch Schaffung eines breiteren Strömungs-
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64 I. Natürliche Wasserstrassen.
kanales nicht immer in Bewegung setzen können; solche Bänke müssen mittels
Eimerbaggerung entfernt werden.
Es ist selbstverständlich, dass alle diese Geschiebeablagerungen bei den
verschiedenen Wasserständen verschieden sind, daher die Erscheinungen auf
einer und derselben Stromstrecke mit den Schwankungen des Wasserstandes
wechseln.
Sowie im Oberlaufe die Geschiebebewegunç im allgemeinen mit zu-
nehmendem Wasserstande gleichmässig stärker wird, geschieht dieses auch
bei dem abnehmenden Gefälle des Strommittellaufes durch den dort zu-
nehmenden Wasserquerschnitt. Die Tiefe des Stromes nimmt dadurch zu
und die durch die lange Wanderung schon verkleinerten und zerriebenen
Geschiebe werden noch so lange weiter geschoben, bis sie infolge des schon
zu geringen Gefälles endlich in Beharrungszustand kommen. Der Weg, den
die Geschiebe in der stärkeren Strömung des Oberlaufes zurücklegen, ist dem-
zufolge bei weitem grösser und wird rascher zurückgelegt als im Mittel- und
Unterlaufe,
Das Wandern der Sandbänke auf der oberen Donau ist besonders
bei höherem Wasserstande wahrnehmbar und bedeutend. Erfahrungen an
Führten gelegentlich von Rechenbaggerungen haben ergeben, dass Sandbänke
während einer Nacht um 3СЮ m stromabwärts getrieben werden. Die nach
Ablauf einer Hochwasserwelle bei Niederwasser auf der oberen Donaustrecke
an der gleichen Stelle erscheinende Sandbank ist deshalb nur scheinbar die
vor dem Hochwasser dort gelegene; sie ist vielmehr schon weit stromabwärts
gewandert und die an ihrer Stelle liegende hat sich nur auf dem groben
und festen GrundgeröUe der alten Bank neu gebildet und der auf dieser nun
lagernde Kies und Sand stammt wieder von der nächst höher gelegenen.
Man wird eben dadurch getäuscht, dass die Gestalt der neuen Sandbankbildung
der früheren gleich erscheint.
Doch auch dieses ist nur Schein. Sowohl die festen, als auch die
wandernden Bänke behalten nur in seltenen Fällen ihre gleiche Ausdehnung
und Gestaltung, weil diese von der Höhe und der Dauer der Wasser-
anschwellung und von der Länge des vom Geschiebe zurückgelegten Weges,
welche Umstände ja immer in verschiedener Grösse auftreten, abhängig sind,
Wenn durch eigenartiges Zusammentreffen dieser Umstände eine be-
kannte Geschiebeablagerung an Ausdehnung besonders zunimmt, so entsteht
sogar die irrige Ansicht der Schiffer, dass sich die Sandbank stromaufwärts
verschoben habe. Dies ist jedoch nie der Fall. .
Regelmässige Geschiebeplätze. Für die Schiffahrt ist es unerlässlich,
dass die Wanderplätze der Sandbänke in möglichst regelmässigen Entfernun-
gen von einander liegen oder dort, wo dieses nicht zutrifft, diesen bestimmte
Geschiebeplätze durch entsprechende Regulirungs werke angewiesen werden.
Am beständigsten sind die Geschiebeplätze in abwechselnd ein- und aus-
biegenden Flusskrümmungen oder in solchen Stromstrecken, in welchen Sie
Krümmungen sich, allmählig verlaufend, den geraderen Abschnitten anschmiegen
und in diese in sanften Bogen übergehen. Derartige Gestaltungen von Strom-
theilen bilden immer eine gute Fahrbahn, vorausgesetzt, dass die Strombreiten
entsprechend breit und annähernd gleich bleiben.
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Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen. 65
Unvermittelte, steile Uebergänge, wechselnde Strombreiten, zu kurze
oder zu lange Krümmungen geben dagegen keine regelmässigen Wanderplätze
und daher auch eine fortwährend wechselnde Fahrstrasse.
Eines der wichtigsten Erfordernisse der Stromverbesserung zum Zwecke
der Schiffahrt besteht daher in der Rücksichtnahme auf die Geschiebeführung
eines Flusses. Um eine bestmögliche Schiffahrtsstrasse zu schaffen, muss
man dafür sorgen, den Geschieben bestimmte Ablagerungsplätze anzu-
weisen, stockende Geschiebe in entsprechende Bewegung zu bringen, hierbei
aber immer die Stromgeschwindigkeit innerhalb der für eine wirthschaftliche
Schiffahrt zulässigen Grenzen zu halten.
Man darf deshalb in das naturgemässe Walten des Flusses nicht durch
Schaffung eines unnatürlich gestreckten Laufes des Flussbettes gewaltsam
und daher schädlich eingreifen, sondern man soll den natürlich sich
schlängelnden Lauf des Flussgerinnes, so weit als nur möglich, beibehalten
und nur solche Krümmungen verbessern, welche dem Abflüsse des Hoch-
wassers oder dem Abgange des Eises schädlich sind.
Starke Stromstreckimgen, Durchstiche. Geradelegungen und Durch-
stiche soll man aber nach den Erfahrungen, welche man auf der öster-
reichischen Donau, am oberen Rhein, insbesondere aber auf der Theiss
gemacht hat, entschieden vermeiden. Je mehr der natürliche Flusslauf gerade
gestreckt und verkürzt wird, um so ungleichmässiger und grösser wird sein
Gefïdle und um so geringer seine Tiefe. Wird durch die Kürzung des Fluss-
laufes die Stosskrafl des Wassers vergrössert, so bilden sich stromaufwärts
so lange Eintiefungen, bis die feste Beschaffenheit der Sohle solche nicht
mehr zulässt. Am oberen Ende dieser vertieften Flussstrecken entstehen
aber dann die die Schiffahrt erschwerenden Stromschnellen. Stromabwärts
werden dagegen wieder Ablagerungen und Erhöhungen der Sohle stattfinden,
insolange nicht wieder der neue Beharrungszustand eingetreten ist. Beide
Fälle sind also für die Schiffahrt ungünstig.
In jedem Versuche, dem Strome einen geradlinigen Verlauf zu geben,
liegt daher der Keim des Misslingens. Für die Schiffahrt ist dieses um
so nachtheiliger, weil dadurch nicht nur das Gefälle vergrössert, sondern
durch den geradlinigen Zwang auch der Stromstrich fortwährend von einem
Ufer zum anderen hinübergeworfen und unregelmässig wird, wodurch die stets
wechselnden unsicheren Fahrbahnen entstehen. Die Stromregulirungen sollten
aber gerade das Gegentheil zu erreichen suchen.
Donaadnrchstich bei Wien. Dass übrigens durch eine Geradestreckung
eines Flusslaufes nie ein gleichmässiges Stromprofil erreicht werden kann,
beweist der Donaudurchstich bei Wien. In diesem 17 km langen, nahezu ge-
raden Durchstiche zählt man nicht weniger als zehnmaliges Ueberspringen des
Stromstriches von einem Ufer zum anderen. Es hat sich daher in diesem durch
fortlaufende geradlinige Parallelwerke eingeschränkten Profile, durch den Abfluss
der Hochwässer und das Wandern der Geschiebe, ein vollständig unregelmässig
gewundener Thalweg gebildet und muss nun in demselben durch Niederwasser-
bauten ein festes unveränderliches Niederwasserbett geschaffen werden.
Suppän, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 5
Digitized by VjOOQ IC
^ I. Natürliche Wasserstrassen.
Erhaltung der FlasskriimmBDgeii. Bei geschiebefahrenden Flüssen sollen
daher die natürlichen Krümmungen beibehalten, diese nur fest-
gelegt und ausgebaut werden, die günstigen, regelmässigen Ablagerungen,
über welche die Schiffe ohne Schwierigkeit fahren können, erhalten, ungünstige
Ablagerungen aber in für die Schiffahrt günstige Uebergänge umzuwandeln
gesucht werden. Allzu scharfe Krümmungen, welche zwar immer eine ge-
nügende Tiefe, jedoch eine zu schmale und schwierige Durchfahrt haben, sind
in entsprechend sanftere Bogen zu überführen. Gestreckte Krümmungen
mit grossem Halbmesser und grösserer Breite in den Scheiteln als an den
Enden sind, weil diese den besten und unveränderlichsten Schiffahrtsweg
bilden, beizubehalten. Flusskrümmungen, welche am Scheitel weniger breit
als an den Enden oder am Krümmungsübergange sind, geben eine ungünstige
Fahrbahn und sind daher im Scheitel entsprechend breiter zu gestalten, damit
sich annähernd gleiche Fahrbreiten ausbilden.
Alle Krümmungen sollen aber so hohe Ufer haben, dass das gewöhn-
liche Hochwasser aus denselben nicht austrete, dass also auch der Hoch-
wasserstromstrich der Krümmung folge und keine zu grossen Störungen des
Niederwasserbettes verursache.
Beobachtung der Stromyerfassan;;. Um aber die natürliche Gestalt
eines Flussbettes zu erkennen, ist es vor allem nothwendig, seinen
Geschiebe- und Wasserabfluss genau und während eines langen Zeitraumes
zu beobachten und die regelmässig eintretenden natürlichen Veränderungen
des Bettes wahrzunehmen. Bevor man diese natürliche Verfassung des
Stromes nicht vollkommen inne hat, schreite man nicht zu künstlichen Um-
gestaltungen seiner Rinne, weil gewaltthätige Regulirungseingriffe in die
natürliche Gestaltung eines Flussbettes sein naturgemässes Beharrungsbestreben
nur stören.
Niemals wird sich ein Strom dem aus zahllosen Bettquerschnitten berech-
neten trapezförmigen Normalprofil mit wagerechter Sohle anpassen, sondern
immer wieder die seinen jeweiligen Verhältnissen entsprechenden muldenför-
migen Querschnitte annehmen, und nur eine unbefangene Beobachtung der
natürlichen Ereignisse kann zur Bestimmung richtiger Querprofile führen. Auf
der österreichischen Donaustrecke hat man beispielsweise die Flusskrümmungen
durch mächtige und kostbare, oft 50 m vom natürlichen Ufer in das Strom-
bett gelegte Parallelwerke gewaltsam gestreckt. Hätte man aber die ursprüng-
lichen einbiegenden Ufer beibehalten und nur gesichert, so wäre durch die natür-
liche Geschiebeablagerung an den ausbiegenden Ufern das der Verfassung
des Stromes entsprechende Querprofil nach und nach von selbst entstanden
und es wären unmöglich jene grossen Mengen von Sohlengeschieben künstlich
in Bewegung gebracht worden, welche derzeit oft die Fahrrinne verlegen.
Schiffererfahrimg. Es ist ein alter Erfahrungssatz des Donau-
schifTers, dass:
„in Flusskrümmungen immer genügend Fahrtiefe und eine „blinde" Fahrt
ist, dass kurze, steile und schmale Krümmungen immer vorsichtig befahren
Digitized by
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Flüsse und Ströme als Schiflfahrtsstrassen.
67
werden müssen und dass gerade Strecken und Ueberbreiten die grösste Um-
sicht erheischen".
Diese praktischen SchUfererwägungen und die Erfahrungen auf der öster-
reichischen Donau wurden bei der Regulirung der ungarischen oberen Donau-
strecke, von Dévény bis Gönyö, von den damaligen massgebenden Technikern,
trotzdem bei Bestimmung des Regulirungsentwurfes die Freunde der geraden
Linien in der Mehrheit waren, beherzigt und angewendet und haben zu einem
erfolgreichen Ergebnisse geführt.
Bild 28.
Und auch auf dieser Donaustrecke sind die Normalbreiten rOcksichtlich
des Niederwassers zu gross und bilden sich hierdurch zu hohe Fuhrtsch wellen,
welche man derzeit durch weiteren Einbau von Niederwasserwerken zu ver-
tiefen sucht. Eine zu diesem Zwecke bei Körtvelyes durchgeführte Nieder-
wasserregulirung ist im Bilde 28 dargestellt.
Schiffahrtshindemisse der Donaa. In folgender Zusammenstellung sind die
Abmessungen des Donaustromes, sein streckenweises Gefälle und die Stromge-
schwindigkeiten bei gewöhnlichem Wasserstande (Mittelwasser), sowie die haupt-
sächlichsten Schiffahrtshindernisse beschrieben.
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68
I. Natürliche Wasserstrassen.
Strecke
Lange
in
Kilo-
metern
Breite
in
Regu-
lirangs-
Normal-
breite
Tiefe
Geringste] Grösste
GefftUe
auf je
1000
Strom-
chwindig-
keit
t
Meter
& ^
Regensburg
bis Winzer
"3
von 80
bis 330
175
0,80 «
6,40
0,206
bis 0,217
1,00
Winzer
bis Passau
40
von 100
bis 400
175
0,95
7,60
0,390
1.32
bis 2,00
Passau
bis Jochenstein
23
von 144
bis 400
330
1,40
6,40
0,410
2,00
Jochenstein
bis Obermflhl
35
von 175
bis 500
230
2,50
9,50
0,337
2,21
Obermuhl
bis Linz
44
von 152
bis 800
350
1,25
9,50
0,316
bis 0,574
2,00
Linz
bis Grein
58
von 155
bis 600
350
1,25
5,00
bis 0^833
2,20
Grein
bis St. Nicola
3
von 72
bis 190
350
1,10
7,50
0,250
bis 0,710
2,50
bis 3,50
St. Nicola
bis Pöchlam
30
von 133
bis 395
350
1,40
7,50
0,406
2,15
Pöchlarn
bis Stein
43
von lOI
bis 800
340
h59
8,80
0,469
bis 0,485
2,26
Stein
bis
Traisenmündung
15
von 195
bis 500
350
1,40
5i3o
^. о»35б
bis 0,510
2,24
Traisenmündung
bis Tulln
25
von 365
bis 500
350
1,60
9,00
.. 0,332
01s 0,550
2,22
Tulln
bis Wien
35
von 174
bis 600
350
1,20
8,20
bis 0,532
2,50
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Flosse und Ströme als Schiifahrtsstrassen. 69
Schiffahrtshindernissse
und Beschaffenheit des Strombettes
Glcichmässiges Flussbett mit vielen Krümmungen.
Durchbruch (Hofkirchner Gehächel).
Felsiges Flussbett; die Verbesserung des Fahrwassers durch Aussprengen und
Schaffung eines Niederwasser-Profiles in £b Meter Breite ist geplant.
Stromtheilung durch einige Inseln und Sandbänke. Flussbett grobschottrig. Bei
Schildorf felsiges Bett.
Unterhalb Jochenstein einige Felsen unter Wasser Vom Regensburgerhaufen
bis Obermûhl zweifache starke Strombiegung, wovon die erste beim Orte Schlugen
der Schiflahrt durch ihre scharfe Krümmung iiinderlich ist.
Unterhalb Aschach bis gegen Brandstadt das Kachlet (Gehächel) mit sehr grobem
Schotter, unter welchem grosse Steine und Felsblöcke liegen. Derzeit das bedeu-
tendste Schiffahrtshindemis der Donau bei Niederwasser.
Unterhalb Brandstadt fliesst der Strom in Windungen zwischen Kiesbänken; am
linken Ufer das sogen. Herrgott-Kachlet mit einigen grossen Felsstücken. Oberhalb
Linz bei Puchenau einzelne bei Niederwasser sichtbare Felsenriffe.
Von der Steyeregger Brücke bis Mauthausen ist die Schiffahrt bei Niederwasser
durch die Untiefen bei der Traunmündung und En^hagen beeinträchtigt. Der Strom
windet sich durch zahlreiche Kiesbänke, wodurch die Fahrrinne eingeengt wird. Bei
Wallsee ein die Schiffe gefährdender Schwall. Unterhalb Wallsee windet sich der
Strom durch Inseln und Kiesbänke bis Ardagger, von wo an derselbe durch das
vortretende Gebirge eingeengt wird.
Greiner Schwall mit starken Wechselströmungen.
Siruden: Felsiger Grund, bei Niederwasser schmale Fahrrinne. Nach Durch-
fahrt des Kataraktes sehr scharfe Biegung. Am Anfange des Sirudens theilt sich der
Strom bei höherem Wasser in zwei Arme, wovon der eine, Hössgang benannt, bei
Niederwasser fast trocken ist. Regulirung des Strudens der Beendigung nahe. In
Strudenausfahrt 3,50 m Stromgeschwindigkeit
Die ausgesprengte Fahrrinne ist 80 m breit. Gleich unterhalb des Strudens biegt der
Strom nach links über die heute minder gefährlichen Wirbel und Wechselströmungen
^es ehemaligen Wirbels bei Hausstein. (Siehe Bild Seite 40)
Unterhalb Ybbs, eine grosse Felsenscheibe in starker Krümmung, weiter abwärts
eine Gruppe Felsenklippen am Ufer. Bei Pöchlarn Stromtheilungen durch einige Inseln.
Mehrfache Stromtheilung durch Sandbänke und Inseln. Das Fahrwasser engt
sich stellenweise stark ein. Unterhalb der Pillachmündung Steingerölle, bei i\ggsbacn
ein Schwall. Bei Weissenkirchen, Loiben, Mautern felsiger Grund.
Mehrere Sandbänke, grössere Windungen des Stromstriches. Bei Hollenburg
zwei, die Schiffahrt störende Felsen.
Mehrere Sandbänke und Inseln. Oberhalb der Tullner Brücke verwildertes
Strombett.
Bei Tulln stark veränderliche Versandung bei der Brücke, daher wechselnde
Fahrrinne. Weiter stromabwärts bis Langenzersdorf viele Sandbänke und Inseln mit
fortwährend sich änderndem Stromstrich und mehreren Untiefen, welche bei rasch
fallendem Wasser die Schiffahrt bindern. Der Stromdurchstich bei Wien wird derzeit
für Niedrigwasser regulirt.
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^o
I. Natürliche Wasserstrassen.
Strecke
Lange
in
Kilo-
metern
Breite
in
Regu-
lirungs-
Normal-
breite
Tiefe
Gefälle
auf je
1000
Geringste
Grösste
0 ^ ^
Ь л -:^
Meter
ä
Wien
bis Dévény.
50
von 150
bis 450
380
1,20
7,90
0.417
bis 0,511
2,20
Dévény
bis Äsvany.
71
von 350
bis 500
390
bis 380
1,40
8^0
0,211
bis 0,392
2,10
Äsvany
bis Gönyö und
Komârom.
50
von 260
bis 600
380
bis 450
2,00
8,ao
0,200
2,00
Komârom
bis Esztergom
(Gran).
48
von 330
bis 900
450
2,20 1 10,10
0,047
bis 0,090
0,98
Esztergom (Gran)
. bis Szt Endre,
Inselhaupt.
27
von 270
bis 1000^
450
1
!
2,00 1 6,90
1
1
0,068
bis 0,052
Ы5
Szt. Endre Insel-
haupt
bis Budapest
45
von 250
bis 1000
450-
2,00
7,90
0,068
bis 0,063
I.Ol
Budapest
bis Duna-Földvar.
85
von 250
bis 1000
450
2,00 j 11,00
1
0,063
bis 0,089
1.15
Duna-Földvar
bis Baja.
95
von 280
bis 900
450
1
1,80 14,00
bis 0,084
0,90
Baja
bis Mohâcs.
31
von 200
bis 1500
450
1
3,40 12,00
0,068
bis 0,041
0,79
Mohâcs
bis Bezdän.
27
von 190
bis 2000
450
3,50 , 12,00
1
0,031
bis 0,053
0,77
Bezdän
bis Apatin.
35
von 210
bis 2000
450
3,70
14,00
0,105
0,75
Apatin
bis Vukovar.
64
von 240
bis 2000
450
2,60
i5»oo
0,090
0,70
Vukovar
bis Ujvidék.
(Neusatz)
83
von 230
bis 200
450
2,00
14,00
0,063
0,72
Ujvidék
bis Zimony
(Semlin).
84
von 400
bis 3000
600
2,50
i5»8o
0,047
0,70
Zimony (Semlin)
bis Bâziâs.
102
von 450
bis 3009
700
2,80 ' 18,00
0,042
0,90
Bâziàs
bis Moldova
25
von 300
bis 1368
700
3,50
17,06
0,021
1,02
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Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen.
71
Schiffahrtshindernisse
und Beschaffenheit des Strombettes.
Versandungen bei Fischamend, Orth, Wildungsmauer und Regelsbrunn. Bei
Hainburg felsiger Grund.
Strecke Dévény-Pozsony (Pressburg) einige Stellen mit steinigem Grunde. Die
;^ahlreichen, früher vorhanden gewesenen Inseln, Sandbänke und Untiefen sind durch
Regulirung zum grössten Theile beseitigt. Derzeit erfolgt der feinere Ausbau für
Niederwasser.
Selten wechselnde Versandungen, wenige Inseln, allmdhlige Verbreiterung des
Strombettes.
Unterhalb Gönyö theilweise grobes Geschiebe.
Bei Tâth und Ebed Untiefen bei Niederwasser.
Bei Helemba seichte Stelle.
Theilung des Stromes in zwei Arme, beide schiffbar.
Das Fahrwasser zum Theil durch Kiesbänke beengt.
Mehrere Kiesbänke und Inseln.
Der Strom geht in grossen Krümmungen, von welchen einige durchstochen sind.
Inseln, Sandbänke und Krümmungen.
Strom geht in grossen gleichmässigen Krümmungen. Einige Durchstiche.
Grosse Inseln und Stromkrümmungen.
Bei Vörösmart seichtere Stelle.
Durch grössere Inseln, Theilung des Hauptstromes. Kiesbänke und Gruppen-
insehi vor der Draumündung.
Viele Inselbildungen. Steinkugeln an der Bukiner Ecke. Starke Versandungen
bei Palânka mit wechselndem Stromstrich, zumeist mit scharfen Krümmungen und
enger Passage. Die hölzerne Schiffsbrücke bei Ujvidék behindert die Schiffahrt
Unterhalb Ujvidék Mauerreste im Fahrwasser. Grosse Inseln und mächtige
Schotterablagerungen. Oberhalb der Theissmündung bei Slankamen bei Niederwasser
langgestreckte Untiefen, gegen das rechte Ufer felsiger Grund.
Unterhalb Zimony (Savemündung) mächtige Schotterablagerungen. Längs der
ganzen Strecke grosse Inseln.
Grosse Inseln und Sandablagerungen.
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73
I. Natürliche Wasserstrassen.
Länge
in
Breite
Regu-
lirungs-
Normal-
Tiefe
Gefälle
auf je
m-
rindig-
it
Strecke
0 s V
Kilo-
metern
m
breite
Geringste
Grösste
1000
Ь л •i<
Meter
S
Moldova '
bis Drencova
33
von 230
bis 5680
700
1,80
lOyll
0,081
bis 0,280
von 1,20
bis 2,00
Kozla-
Dojke
0,488
auf 4495m
Länge.
Izlas-
Tachtalia
0,191
auf 1745m
Die
Länge.
ausge-
Greben
spreng-
Bei Nullwasser am
1,180
ten
Pegel in Orsova
auf 1536m
Drencova
bis Orsova
62
von 180
bis 2020
Kanäle
in den
Kata-
rakten
sind
60 Meter
können Schiffe
derzeit mit
0,60 Meter
Tauchung ver-
kehren
Länge.
Jucz,
oberer
Sturz
1,661 auf
1555 m
Länge.
1,60
bis 4,00
Ibreit
Unterer
Sturz
•
0,322 auf
2ß33 m
Länge
Kazan-
Orsova
0,022
bis 0,168
Orsova
Bei Nullwasser am
einschliesslich
Pegel in Orsova
auf20iom
dem Eisernen
Thor bis
22
von 500
bis 1150
—
können Schiffe
derzeit mit 1,00 M.
Länge
2,113
,. 2'5o
bis 5,00
Turn-Severin
Tauchtiefe ver-
kehren
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Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen. 73
Schiffahrtshindernisse
und Beschaffenheit des Strombettes
Unterhalb Alt-Moldova beginnt der bis Sip 104 Kilometer lange Durchbruch des
Donaustromes durch die südliche Kette der Karpathen.
Die knapp an den Strom herantretenden hohen Gebirgsabhänee verengen mehr
oder weniger das Flussbett, und die in demselben befindlichen acht Felsbänke ver-
ursachen Stauungen und eine ungleiche Vertheilung des Gefälles.
Bei Moldova Stromtheilung. Am Ende derselben in Mitte des Stromes befindet
sich das Felsenriff „Babakaj'', welches das Fahrwasser einengt.
Unterhalb Bernica die 650 Meter lange Felsenbank „Stcnka*. Der dort hergestellte
Kanal ist 60 Meter breit, 1900 Meter lang.
Bei Drencova beginnt die eigentliche Strecke der Katarakte. Das Flussbett ist
an vielen Stellen theilweise, an anderen der ganzen Breite nach, von Felsbflnken durch-
zogen. Diese Stellen wurden früher einer Regulirung nur insofern unterzogen, als
man durch Abspreneen der am meisten vorstehenden Felsspitzen eine gerade Fahr-
rinne zu erzielen suchte. Die Katarakte waren von jeher für die Schiffahrt das grösste
Hindemiss im ganzen Stromlaufe. Die vielen Wirbel und grossen Wechselströmuneen,
sowie die starken Windungen der Fahrrinne über die Katarakte waren für die Schiff-
fahrt eefâhrlicht sind aber durch die ausgeführte Regulirung zum Theile beseitigt.
Unterhalb Dobra Einengung des Strombettes durch beiderseitige Gebirgsabhänge
bis zu 322 Meter. Hierauf folgen die Felsbänke „Kozla" und „Dojke". Der regulirte
Kanal Kozla-Dojke ist 60 Meter breit und 3500 Meter lang.
Nahezu 10 Kilometer weiter abwärts liegen fast in der ganzen Ausdehnung der
416 bis 948 Meter breiten Strombettsohle die beiden zusammenhängenden Felsbänke
„Izlâs" und „Tachtalia". Der hier geschaffene Kanal ist 60 Meter breit, 4000 Meter lang.
Gleich unterhalb dieser Felsbänke liegt am rechten Ufer der Bergvorsprung
^Greben", welcher den Strom bei kleinem Wasserstande auf 210 Meter einengt.
Auch hier befindet sich eine 450 Meter lange Felsbank, welche heftige Wirbel
und Gegenströme erzeugt. Die grosse Erweiterung des Flussbettes hinter und unter-
halb der Bergnase „Greben^ ist gegenwärtig durch einen, gegen Milanovac sich hin-
ziehenden Steindamm (6 Kilometer lang) abgesperrt, wodurch der Strom aufgestaut
wurde. Am „Greben" ist die Strömung überaus stark, Ober 4 m in der Sekunde und
erfordert für den Schleppzug grosse Maschinenkraft.
12 Kilometer unterhalb „Greben" wird das Strombett bei „Jucz** abermals von
einer Felsbank durchquert. Der hier lür die Schiffahrt quer zur Strömung, daher
ungünstig angelegte Kanal ist 60 Meter breit und 1340 Meter lang. Ausmündung der-
zeit verschottert.
Von „Jucz" abwärts bis Ogradina liegt der lange Gebirgsengpass „Kazan", in
welchem die Donau an zwei Stellen bis zu ifito Meter eingeengt wird und deren felsiges
Bett bis 54 Meter tief ist.
Alle Kanäle sind auf 2 Meter unter Nullwasser ausgesprengt, nachdem jedoch zwischen
den Enden der Kanäle noch viele Klippen in den zumeist gekrümmten (noch nicht
regulirten) Fahrbahnen bestehen, kann diese Strecke mit 2 Meter Tauchtiefen erst bei
einem Pegelstande von -|- 1,40 Orsova befahren werden.
Donautheilung durch die Insel „Ada Kaleh" ; bei Mittelwasserstand beide Rinnen
fahrbar.
Das sogenannte „Eiserne Thor'' bildet den grössten der Donau-Katarakte und
die stärkste Stromschnelle. Das Strombett ist hier durch eine fast 2 Kilometer lange
Felsbank der Breite nach durchzogen. Vom rechten Ufer aus auf '/s der Strombreite
reicht die Felsbank Prigrada. Sie ragt bei kleinstem Wasserstand 3 Meter Ober den
Wasserstand und sperrt das rechtsseitige Strombett gänzlich ab. Diese Felsbank ist
selbst bei hohem Wasserstande nicht überfahrbar; von derselben wird das Wasser in
die durch kleinere Riffe noch mehr beengte Stromrinne am linken Ufer gedrängt und
bildet dort Wirbel und Gegenströmungen, sowie den grössten Wassersturz.
Am rechten Ufer befindet sich der offene Schiffahrts-Kanal, 2200 Meter lang, mit
73 Meter Sohlenbreite und bei Nullwasser 3 Meter tief, mit einer Strömung von Über
5,00 m in der Sekunde.
Unterhalb des „Eisernen Thores" mehrere kleine Inseln und Verbreiterung des
Flussbettes. Die Stromgeschwindigkeit wird immer geringer, so dass sie bei Tum-
Severin im Mittel nur mehr 0,60 Meter beträgt.
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74
I. Natürliche Wasserstrassen.
Länge
Breite
Regu-
lirungs-
Tiefe
Gefälle
s.s *-
P ^ 5
Strecke
Ш
in
Normal-
' '" ■ ^ -
auf je
Kilo-
metern
breite
Geringste Grösste
1000
Meter
0^
Sehr
Turn-Scvcrin
bis Sulina
939
von 700
bis 730Э
—
250
20,00
gering
und
cleich-
mässig
, 0,50
bis 1,05
i
0,0337
Ganze
1
Stromlänge
von
2432
'
Regensburg
1
bis Sulina
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Flüsse und Ströme als Schiffahrtsstrassen. '^5
Schiffahrtshindernisse
und Beschaffenheit des Strombettes
Allmâhlige Erweiterung des Strombettes und des Fahrwassers, geringe Strömung.
Zahlreiche Inseln und Sandbänke, welche aber der Schiffahrt, mit Ausnahme einiger
Untiefen bei Niederwasser, nicht hinderlich sind.
Bei Tum-Scverin Mauerreste der Pfeiler der römischen Trajansbrucke. Die
Pfeiler liegen unter Wasser, 70 Meter von einander entfernt.
Zahlreiche Inseln und Sandbänke theilen den Strom, die meisten Flussarme
sind fahrbar. Bei Lompalanka liegen Felsblöcke, bei Aliman, linkes Ufer, ein Wrack.
Bei Popadia, unterhalb Rahova, bei den Inseln Kalnovcc, linkes Ufer oberhalb Nicopoli,
je ein Wrack.
Flamunda, ein Wrack neben der Fahrbahn. Nach den Inseln Persina, Zwei-
theilung der Donau. Einengung der Fahrrinne, am linken Ufer ein Wrack.
Unterhalb Sistov zwei, Rustschuk Strommitte ein Wrack.
Bei Silistria Theilung der Donau in den Hauptarm rechts und Borcea-Kanal
links. Im Hauptstrom daselbst mehrere Inseln und Sandbänke. Fahrwasser nach
Ostrov hat bei Niederwasser Untiefen.
Bei Ostrov zwei und unterhalb Ostrov ein Wrack neben dem Fahrwasser.
Bei Hirsova rechtes Ufer einige Felsen.
Unter Hirsova Vereinigung des Hauptstromes mit dem Borcea-Kanal.
Unterhalb Giorjgeni Theilung der Donau in den Hauptstrom und Matschiner Ann.
Am Eingang des Hauptstromes ein Wrack.
Unterhalb Braila Zusammenfluss des Hauptstromes mit dem Matschiner Ann.
Gegen die Ausmündung des letzteren ein Wrack am rechten Ufer.
Von Braila bis Sulina ist der Strom mittels mächtiger, tiefer Durchstiche für die
grössten Seeschiffe regulirt.
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-уб I- Natürliche Wasserstrassen.
3. Abschnitt
Schiffbarmachung: von Flüssen und Stromregulirungen.
Linienfährung. Die Mittel, durch welche ein Fluss schiffbar gemacht
oder ein Strom regulirt wird, sind mannigfaltig. Die Aufgabe dieser Ver-
öffentlichung ist es nicht, diese rein bautechnische Seite eingehend zu be-
schreiben; es sollen nur die Linienführung und die Hauptgrundsätze,
nach welchen vorzugehen ist, sowie die zu deren Ausführung nothwendigen
Bauwerke in Kurze erörtert werden.
In Bezug auf die Linienführung der Ufer ist zu bemerken, dass, wenn
man bei einem verwilderten Strome gezwungen ist, die natürlichen Ufer zu
verlassen, man den im Bette liegenden Inseln und den festen Sandbänken
möglichst zu folgen sucht, weil hierdurch kostspielige Tiefbauten vermieden
werden.
FlussquePSChllitte. In Bezug auf die Bestimmung der Querschnitte
ist zu bemerken, dass diese streng nach Massgabe der natürlichen Ausbildung
der Strombreiten auf den verschiedenen Stromstrecken angelegt werden müssen.
Es dürfen keine zu breiten Profile festgelegt werden, da sich ja innerhalb
derselben der Fluss nach kurzer Zeit wieder ein anderes Bett schafft.
Die Flussbreiten nehmen gegen die Mündung hin stetig zu, weil, je
mehr sich ein Fluss dem Meere nähert, seine Wassermenge durch die Zuflüsse
grösser wird, das Gefälle abnimmt und das Geschiebe sich verringert. Es
werden sich demnach die Regulirungsquerschnitte im Oberläufe enger, im
Mittellaufe breiter und im Unterlaufe am breitesten ergeben.
Derselbe Grundsatz gilt selbstverständlich auch in dem Falle, als der
Fluss ausser für Mittelwasser auch noch für Niederwasser geregelt wird. Der
Strom wird dann ein zweifaches und, wenn auch das Hochwasser begrenzt
wird, ein dreifaches Profil erhalten.
Stromverbessernug, Regalirang. Nachdem es sich bei der SchiÔbar-
machung eines Flusses oder bei seiner Verbesserung zum Zwecke der Schiff-
barkeit darum handelt, eine entsprechende und unveränderliche Lage der Fahr-
rinne beim gewöhnlichen niederen Wasser zu erhalten, so besteht die Re-
gulirung aus einer künstlichen Lenkung und Festlegung des natür-
lichen Flussbettes zum Zwecke der Schaffung eines beständigen Thalweges
mit gleichbleibender Richtung des Stromstriches und Erhaltung der Strömung
an den nämlichen Uferstellen.
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SchifFbarmachung von Flüssen und Stromregulimngen. «77
. In der Regel hat eine Stromverbesserung damit zu beginnen, den in
verwilderte Arme gespaltenen Stromstrich in das Hauptbett zusammen-
zufassen, womit die Nebenrinnen, Einrinnen, aufhören. Dann beseitigt
sie die Unregelmässigkeiten des Hauptbettes und giebt dem Thalweg die
Richtung der grössten Tiefen, welche das Bett bei Niederwasser einnimmt, um
die Niederwassermenge des Flusses in eine Fahrrinne zu leiten. Hierbei
trachtet sie, für das in ein Bett zusammengedrängte Niederwasser eine gehörige
Tiefe zu erreichen, indem sie mittels entsprechender Einengung des Strom-
bettes eine kräftige Strömung auf die Sohle wirken lässt. Im Strombette
selbst werden bestimmte Plätze geschaffen, an denen das Geschiebe zur
Ablagerung kommen kann.
MittelwasserregttlirUDg. Die Zusammenfassung des Mittelwassers in eine
Flussrinne hat nun aber die dadurch für die Schiffahrt angehofften Vortheile
nicht gebracht. In dieser Beziehung muss man es als einen Mangel bezeichnen,
dass man mit wenigen Ausnahmen, wie beispielsweise an der Rhône oder an
der Weser geglaubt hat, nur das Mittelwasserbett reguliren zu müssen,
ohne zugleich auf die Schaffung eines [beständigen unveränderlichen Nieder-
wasserbettes Rücksicht zu nehmen.
Die Regulirung der österreichischen Donaustrecke, welche mit Querprofilen
für Mittelwasser erfolgt ist, hat deshalb für die Schiffahrt kein vollkommenes,
jene des oberen Rheines aber ein ganz unzureichendes Ergebnis erzielt. Die
einst schiffbare Donaustrecke Regensburg bis Donauwörth ist durch die zu
breit angelegten Normalprofile vollständig unfahrbar geworden.
Für die richtige, aus der Beobachtung der Natur eines Flusses hervorgegan-
gene Erkenntnis einer Stromregulirung sind die Erfahrungen und Lehren mass-
gebend, welche der französische Ingenieur Gi rar don auf Grund der von ihm
mit voUejn Erfolge durchgeführten Regulirung der Rhône veröffentlicht hat.
Dieser Erfolg fusst nur auf der naturgemässen Behandlung des Flusses
und schliesst jedweden Eingrifi in seine Verfassung mittels eines mit Reis-
schiene, Zirkel und Formeln vorausberechneten Normalprofiles aus. Eben die
Bestimmung dieser kanalquerschnittförmigen Normalprofile bildete bei
den bisherigen Regulirungsb au weisen den umso gefährlicheren Punkt, weil
nach demselben sofort die beiderseitige Festlegung der Uferlinien mittels
Parallelwerken oder Buhnen erfolgte, welche kostspielige Bauten, wenn sie
nicht entsprechen, wieder zu entfernen, fast unmöglich ist. Durch dieselben
mochte zwar für eine bestimmte Flussstrecke ein ganz gutes Ergebnis erzielt
werden, dasselbe war aber zumeist auf Kosten der angrenzenden Strecken
erreicht.
Einschräiibnng einzelner Stromsirecken. Wie schon erwähnt, besteht
das Längenprofil eines Flusses in seinem natürlichen Zustande aus einer Reihe
schwachgeneigter, gekrümmter Haltungen, deren Schwellen durch steilere Ab-
stiege mit einander verbunden sind. Um diese Schwellen zu vertiefen,
wurden bisher zwei Wege eingeschlagen. Es wurden die einzelnen
Schwellenstrecken beiderseitig durch Werke eingeengt, wodurch auf jeder die
nun durch Stau vergrösserte Wassermenge einwirkte, den Schwellenrücken
abschwemmte, und auf demselben die gewünschte Tiefe hervorbrachte. Das
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78 I- Natürliche Wasserstrassen.
von einer Schwelle abgeschwemmte Geschiebe erzeugte jedoch stromabwärts
Auüandungen, stromaufwärts dagegen, weil die wie eine Wehre wirkende
Schwelle beseitigt wurde, eine Senkung des Wasserspiegels und dadurch
eine Verminderung der Tiefe.
Fortlaufende Einsehräikang. Parallelwerke. Um diesen Nachtheil zu
vermeiden, suchte man das Geßllle einer Schwelle nicht allein auf die Nach-
barschwellen, sondern auf die ganzen Krûmmungshaltungen zu übertragen und
ist zu der Bauweise übergegangen, die Einschränkungswerke nicht allein auf
die einzelnen Schwellen, sondern auf den ganzen Strom schlauch auszu-
dehnen, wodurch die fortlaufenden Parallelwerke entstanden sind. Die
angestrebte Ausgleichung des Gefälles wurde hierdurch zwar in den selten-
sten Fällen erreicht^ immerhin aber eine Vermehrung der Fahrwassertiefe
erzielt. Dieser kQnstlich geschaffene Zustand ist aber kein dauernder,
weil durch die Einengung des ganzen Stromlaufes nun auch seine ganze
Sohle dem Angrifie des Wassers ausgesetzt ist, und wenn diese den erforder-
lichen Widerstand nicht besitzt, eine vermehrte Geschiebebewegung
eintritt. Der Gleichgewichtszustand aber kann sich erst dann wieder bilden,
wenn sich das Gefälle soweit verringert hat oder die Widerstandskraft der
Flusssohle so gross wurde, dass die angreifende Kraft des Wassers mit der
Festigkeit derselben ins Gleichgewicht gekommen ist.
Wird die Befestigung der Sohle unterlassen, so muss sich als Folge
jeder Einschränkung eine Verminderung des Gefälles ausbilden, weil die auf
dem oberen Theile der ausgebauten Strecke mitgerissenen Geschiebe sich
immer unterhalb ablagern werden. Bei der Rhône, deren Gefälle ein sehr
starkes ist, musste sich die Abflachung des Gefälles, welche von Girardon als
die nothwendige Folge der Regulirungen durch Einengung bezeichnet wurde,
früher zeigen, als bei Flüssen mit schwachem GeftUe, weil mit der Grösse des
Gefälles diese Erscheinung zunimmt.
Niederwaseerregnlirilllg. Diese Beobachtungen fahrten Girardon dazu,
die seither befolgten Regulirungsbauweisen zu verlassen und einen Weg
einzuschlagen, der auch ohne so kostspielige Mittel, wie sie beim beider-
seitigen Ausbaue der Ufer und bei der durchgehenden Befestigung der Fluss-
sohle nöthig sind, zum Ziele führte,
Erhaltniig der Fahrtschwellen. War man bisher darauf bedacht gewesen,
die Schwellen zu beseitigen um hierdurch das Gefälle auszugleichen, war
man bisher bestrebt, dem Fluss ein künstlich geschaffenes Normalbett anzu-
weisen und seinen Wasser- und Geschiebeabfluss vollkommen neu zu gestalten
so entschloss sich Girardon dazu, die natürlichen Abflussbedingungen des
Flusses mit dem treppenförmigen Längenprofile und den Schwellen zu
erhalten und beschränkte die Regulirungsthätigkeit allein auf die Umgestal-
tung derjenigen Schwellen, welche die Schiffahrt behinderten. Er theilte die
Schwellen in zwei Gruppen:
Schlechte und gute Fahrtschwellen. Die im Bilde 29 oben dargestellte
Schwelle ist die bei verwilderten und nicht regulirten Flüssen vorwiegende.
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Schiffbarmachung von Flüssen und StromreguUrungen.
79
Sie ist der Schiflfahrt hinderlich, weil die Wassertiefe darauf geringe und der
Stromstrich, Thal weg, darüber steil gekrümmt hinweggeht.
Die im Bilde unten gezeichnete Schwellenform kommt im natürlichen
Zustande eines Flusses seltener vor und bietet der Schiffahrt keine Erschwer-
nisse, weil der Thalweg darüber gestreckt und die Wassertiefe genügend ist.
Bild 29.
RhÔnere^nlirnng. Das bei der Rhône eingeschlagene Regulirung s ver-
fahren bestand nun darin, alle ungünstigen Schwellen in die Form der
günstigen Fuhrtschwellen dadurch überzuführen, dass man dem Fluss-
bette in der Umgebung der ungünstigen Schwellen diejenige Gestalt gab,
welche sich bei den von Natur aus guten Schwellen vorfand. Die Arbeiten
beschränkten sich daher nur auf die Zusammenfassung des Wassers in ein
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8o
I. Natürliche Wasser Strassen.
einheitliches Niederwasserbett, die Festlegung der guten und die Aus-
gestaltung der schlechten Schwellen. (Bild 30.)
Die Vereinigung der Niederwassermenge in eine Schiffahrtsrinne erfolgte
durch Abbau der Nebenarme mit Sperrwerken, welche nur so hoch aus-
geführt wurden, dass sich höhere Wasserstände über dieselben ausbreiten
können, wodurch die Angriffe auf die Sohle bei der grösseren Stromkraft der
Hochwasser hintangehalten werden.
Bild 30. Niederwasserregulirung der Rhône.
Die Lage der Schwellen wurde dadurch erhalten, dass man deren Tiefen
festlegte, wodurch sich die bei Hochwasser in Bewegung gebrachten Geschiebe
immer an den nämlichen Schwellenstellen ablagern.
Nachdem sich alle Tiefen in den einbiegenden Krümmungsufem aus-
bilden, wurden diese durch feste Werke erhalten, während die gegenüberliegenden
flachen ausbiegenden Ufer keine Leitwerke erhielten, damit von ihnen die
Strömung nicht angezogen werde. Nur für den Fall, als diese flachen Ufer
dem AngriflFe des Wassers nicht standhielten, wurden auch sie durch Unter-
wasserbuhnen befestigt.
Der Thalweg oberhalb einer guten Schwelle liegt meist zunächst der
Krümmungsmitte und nahe dem einbiegenden Ufer, von welchem er sich all-
mählig entfernt, um in sanftem Bogen auf das andere Ufer überzugehen.
Um nun künstlich auf eine solche Gestaltung des Thalweges einzuwirken, gab
Girardon den im einbiegenden Ufer auszuführenden Leitwerken eine Krümmung,
deren Halbmesser in der Mitte am kleinsten ist und dessen Grösse von der
Mitte nach den Seiten hin zunimmt. Hierdurch wurde der Thalweg in der
Krümmungsmitte stark angezogen, unterhalb derselben aber die anziehende
Wirkung verringert. Bei hinreichend festem Boden und bei nicht zu starkem
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Schiff barmacbung von Flüssen und Stromregulirungen« 8i
Gefälle reichten diese Mittel aus, einen guten Schwellenubergang herzustellen
und dauernd zu erhalten.
War jedoch die Festigkeit der Sohle zu gering und das Gè&Ue beträchtlich,
so war der Thalweg schmal und tief und lag nahe dem einbiegenden Ufer.
Es wurden in diesem Falle tiefliegende Buhnen verwendet, um den Thalweg
am unteren Ende der Krümmung vom Ufer zu entfernen und dadurch einen
günstigen Schwellenûbergang zu erzielen. Diese Buhnen fallen nach der
Flussmitte hin in schalenförmiger Gestalt ab und sind stromaufwärts gerichtet.
Bei sehr weicher Flusssohle wurden sie als Grundschwellen unter den tiefsten
beobachteten Wasserstand gelegt und bis zum gegenOberbefindlichen Ufer ver-
längert.
Wenn man auch den Vorgang Girardon's bei allen Strömen nicht ohne
weiteres genau einhalten können wird, so wird man doch dessen Lehren
beherzigen und bei zukünftigen Flussregulirungen mit der althergebrachten
Bauweise brechen. Bei FlQssen mit der Rhône ähnlichen Verfassungen und
bei grossem Gefälle, wie beispielsweise bei der oberen Donau wird man aber
unbedingt die Grundsätze Girardons zur Anwendung bringen müssen. Im
Bilde 31 ist der Querschnitt eines Flusses vor und nach seiner Regulirung
für Niederwasser schematisch dargestellt. (Siehe auch die Niederwasserbauten
an der Donau bei Körtvelyes, Seite 67.)
a) Niedenvassertiefe vor der Regulirung, b) Niederwassertiefe nach Einbau der Buhnen,
c) aus(;ebildetes Niederwasser-Profi]|(ParabeUomi).
Bild 31. Querschnitt eines Flussbettes vor und nach seiner Regulirung
für Niederwasser.
Allgemeine Regeln für den naturgemässen Flussban. Wie immer bei
der Regulirung vorgegangen werden möge, immer muss als Hauptgrund-
satz gelten, den Fluss oder Strom nur in. seiner natürlichen
gewundenen Gestalt und Form festzulegen. Dieser Satz kann nicht oft
genug wiederholt werden und nach demselben ergeben sich fQr die Schiff-
barmachung eines Wasserlaufes folgende Richtungen:
Wenn die Hauptwassermasse eines Flusses durch entsprechende Ab-
bauten seiner Nebenarme wieder in ein geschlossenes Bett mit festliegendem
Thalweg gesammelt wurde, muss vor allem in diesem die Geschiebebewegung
geregelt und in einen gleichmässigen Gang gebracht werden, um einen Aus-
gleich der Höhenlage der Flusssohle herbeizuführen.
Soll dieser Ausgleich durch die Strömung erfolgen, so muss man
sich darüber Klarheit verschaffen, wie die weiter abwärts gelegene Fluss-
strecke beschaffen ist. Begrenzen hohe Ufer den Lauf derselben und sind
grosse Flusstiefen, beispielsweise tiefe Felsenengen vorhanden, so dass ein An-
steigen des Wasserstandes durch die zu erwartende Erhöhung der Sohle nicht
zu befürchten ist, oder mündet der zu verbessernde Fluss in ein zur Aufnahme
Suppan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 6
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82 I. Natürliche Wasserstrassen.
der Geschiebe gecit^netcs Seebecken, dann kann eine Vcrgrösserung der Wasser-
geschwindigkeit auch durch eine massige Kürzung des Flusslaufes versucht
werden. Ist dies jedoch nicht der Fall, dann wird eine Zunahme der Geschiebe-
bewegung für die unterhalb der Regulirung gelegene Flussstrecke umso nach-
theiliger sein, je niedriger daselbst die Ufer sind und es sind daher Streckungen
der Flusskrümmungen oder gar Durchstiche nicht zulässig.
Nachdem aber bei einer Vereinigung der Wassermenge aller Seitenarme
in eine Rinne eine stärkere Geschiebebewegung unvermeidlich ist, so muss
man die nun in Bewegung gebrachten Geschiebe in den Nebenräumen des
Flusses zur Verlandung bringen. Den Wasserlauf in die Nebenrinnen wird
man mittels Grundschwellen und Leitwerken hemmen. Diese werden allmählig
verlanden, wodurch die Wassermasse sich immer mehr vereinigt und die Aus-
bildung der Hauptrinne herbeiführt. Starke, die Schiffahrt hindernde
Krümmungen des Flusses wird man verflachen, das Ufergelände der Haupt-
rinne aber mittels Traversen und Buhnen gegen den Einriss durch höhere
Wasserstände sichern. Die hohen Ufer werden endlich durch Befestigungeii
vor Abbruch bewahrt und die niedrigen zur Auflandung gebracht.
Mit fortschreitender Regulirung entsteht derart nach und nach eine Reihe
von Quer- und Längsbauten, welche bereits eine gleichmässigere Ausbildung
des Flusslaufes erzeugen. Nun erfolgt der weitere Ausbau und die Befesti-
gung der einbiegenden Ufer sowie der Uebergänge beider Ufer, wozu die
früher beschriebenen Grundschwellen und flach unter Niederwasser hin-
streichcndcn Buhnen dienen.
Bei dieser naturge müssen Bauweise eines Geschiebe führenden
Flusses bettet sich derselbe durch seine Strömungsarbeit von selbst immer
tiefer ein und hilft mit, sich ein ausgeglichenes Gefälle zu schaffen. Mit der
gleichmässigen Ausbildung de» Längenprofils und der > Flussquerschnitte Schritt
haltend, werden die Querbauten und Grün dsch wellen in die entsprechende
Höhe und Länge gebracht und wird jedes nothwendige Bauwerk in Bezug
auf Höhenanlage und gegenseitige Entfernung der Uferbauten in den Ueber-
gängen mit viel grösserer Sicherheit bestimmt werden, als wenn von vorne-
herein ein über Niederwasser aufragender Bau in theoretisch vorgezeichneter
Richtung hergestellt worden wäre.
Bei Strömen mit Ueberbreiten, geringem Gefälle und gross er Wasser-
menge, etwa im Unterlaufe eines Flusses, wird man eine für die Schiffahrt
nöthige Fahrbahn auch dadurch erreichen, dass man auf die Schwellen gleichfalls
durch keinerlei feste Bauten einwirkt, sondern in denselben mit Hilfe kräftiger
I^agger vorerst die nothwendige breite und tiefe Fahrrinne schafft lind wenn
man die richtige Lage der Rinne durch Baggerung gefunden, die Begrenzungen
derselben, wenn nothwendig, durch einfache und billige Bauten versichert und fest-
legt. Eine solche in eine grosse Geschiebeablagerung eingeschnittene tiefe Rinne
übt dann ihren Einfluss auf die oberhalb derselben befindlichen Stromstrecken
aus und hat eine allmählige natürliche Regulirung des Flussbettes zur Folge.
Sobald man die gewünschte Richtung und Form des Bettes erlangt hat, kann
man diese dann durch einige Bauten befestigen. Hierdurch wird dem Strome
auch kein gewaltsamer Zwang auferlegt, und, wenn es die Verfassung des-
selben zulässt, ein guter Erfolg erzielt werden können.
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Schiffbarmachung von Flüssen und Stromregulirungen.
83
Voptheile des natnrgemässen Flnssbanes. Diese Rcgulirungsbauweisen
haben vom Standpunkte der Schiffahrt den grossen Vortheil, dass
nîit ihnen bei jeder beliebigen, für die Schiffahrt ungünstigen Stelle, bei jeder
Fuhrtschwelle begonnen werden kann, weil weder die einzelnen örtlichen
Baggerungen, noch die Anlage der Grundschwellen, sowie der flach unter
dem Niederwasser hinstreichenden Buhnen die Schiffahrt besonders stören.
Der wesentlichste Vortheil derselben liegt aber darin, dass in Folge der
Beharrung des Thalweges in dem seh langen form ig gewundenen Bett die Sohle
sich mit festem und grobem Geschiebe bedeckt und viel früher zur Ruhe
kommt, als in gewaltsam mittels gestreckten parallelen Uferlinien regulirten
Flüssen, deren Sohle durch den fortwährenden Wechsel des Thalweges in
beständiger Umlagerung begrifTen ist. Doch nicht nur der Schiffahrt wird
durch diese natürliche Bauart eine dauernde Strasse geschaffen, sondern
es erfolgt durch dieselbe auch eine anhaltende Regelung der Vorfluth der
Hochwässer, sowie des Eisganges.
Billigkeit des naturgemässen Flussbaaes. Endlich ist diese Bauweise
auch vom Standpunkte des Staatsbauchaltes von .Wichtigkeit, weil der Bau
und die Unterhaltung der .Ufer eines derart regulirten Flusses viel weniger
Kosten verursacht, als die mächtigen aus Unmassen von Steinen an beiden
Seiten des Stromes hergestellten Parallelwerke, nachdem die Grundschwellen
und Buhnen viel weniger Material erfordern, als die grossen Profile der langen
Leitwerke und kräftigen Querbauten und die ausbiegenden Ufer grossen Theiles
überhaupt nicht befestigt zu werden brauchen.
Regnlirungswerke. Die bei den Stromregulirungen hauptsächUch zur
Anwendung kommenden Werke werden je nach ihrer Lage zum Stromstrich
in Längsbauten und in Querbauten eingetheilt. Bild 32.
a) Leitwerke, b) Traversen, c) Absperrung
d) FlQgelbuhnc, e) sichtbare Buhne,
f) versenkte Buhne, g) Bösrhunfj.
Bild 32.
Leitwerke. Unmittelbar entlang und auf den Stromufern laufende Bauten
nennt man Deckwerke und Böschungsbauten, die in der Richtung der
Ufer, jedoch in das Strombett gelegten Werke bezeichnet man als Leitwerke
oder Parallelwerke. Die das Leitwerk mit dem Ufer verbindenden, das-
selbe stützenden und zum Zwecke von Vcrlandungen errichteten Bauten
heissen Querbauten oder Traversen.
6*
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84 ï- Natürliche Wasserstrassen.
Die Leitwerke versichern das hinter ihnen liegende Ufer, geben
dem Stromstriche eine bestimmte Richtung und schränken das Flussprofil
ein, wodturch die Strömung vergrössert und eine Vertiefung der Sohle
bewirkt wird. Sie veranlassen den Abbruch der im Bette liegenden Sand-
bänke und Schwellen, gleichzeitig werden aber durch deren Wirkung die
gegenüberliegenden unbefestigten Ufer angegriffen. Die Leitwerke werden
zumeist bis zur Mittelwasserhohe aufgeführt und erhalten zum Zwecke des Ein-
. rinnens der bei höheren Wasserständen gebrachten Geschiebe offene Stellen,
. Lücken.
Buhnen. In den Fluss hineinragende Bauten heissen Buhnen oder
Sporne, solche, welche einen Seitenarm absperren. Sperrdämme oder Ab-
' Sperrungen. Unter Wasser liegende Buhnen, welche zur Befestigung der
Sohle auf dieselbe gelegt werden, heissen Grundschwellen. Die Buhnen
haben den Zweck, eine Angriffsströmung auf die Flusssohle zu erzeugen, die
Sohle festzulegen, das Strombett einzuengen, hauptsächlich aber eine kräftige
Ableitung der Geschiebe und eine Verlandung herbeizuführen.
Bei jeder Buhne unterscheidet man deren Wurzel, welche an das Ufer
oder Leitwerk anschliesst, und den Kopf, welcher, in das Strombett ragt. Die
obere Fläche heisst Krone, die dem Stromstrich entgegenliegende Seite ist
die Stromseite, die demselben abgekehrte Seite die Rückseite.
Die Krone ist entweder wagerecht, oder gegen den Strom zu abfallend,
oft von schalenförmiger Gestalt mit dem stromseitigen Ende in der Sohlen-
höhe endend; sie kann immer sichtbar, oder hochwasserfrei und bei höherem
oder bei tiefstem Wasserstande überfluthbar gelegt sein.
Wenn der Buhnenkopf unter dem gewöhnlichen niederen Wasser
liegt, so entsteht die Tauch buhne, wenn derselbe ganz flach auf der Sohle
und selbst bei niedrigstem Wasser unsichtbar ist, entsteht die versenkte
Buhne.
Die Buhnen werden nach Erfordernis stromaufwärts oder stromabwärts
und auch senkrecht zum Stromstriche gerichtet. Nachdem jede Buhne nur
eine örtlich begrenzte Wirkung auf den Flusslauf ausübt, dürfen sie in nicht
zu grossen Entfernungen von einander gelegt werden. Diese Entfernungen
hängen von der Strombreite, der Stärke und Richtung der Strömung, der
Buhnenlänge und der Gestalt des Flussbettes ab. Im einbiegenden Ufer,
welches von der Strömung stark angegriffen wird, liegen sie näher aneinander,
in geraden Strecken sind sie weiter, jedoch noch immer enger aneinander-
gerückt, als im ausbiegenden Ufer. Buhnen erhalten oft am Kopfe kleine
Querbauten, Flügel.
Wenn durch Buhnen eine kräftige Verlandung nicht erzielt wurde, sind
sie schlecht angelegt. Solche aufgelassene alte, im Strombette liegende Sporne
bilden oft gefährliche Schiffahrtshindernisse.
Zur Regulirung des Stromes werden sowohl Leitwerke, als auch Buhnen,
je nach den örtlichen Verhältnissen und Baumaterialien, angewendet.
Absperrungeu. Die Sperrdämme sperren die aufzulassenden todten
Arme ab und sind, wenn der abzuschliessende Flussarm breit und unmittel-
bar einer grösseren Strömung ausgesetzt ist, ein sehr schwieriges
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Schiffbarmachung von Flüssen und Stromregalirungen. 85
technisches Werk. Man muss die Lage derselben sorgfältigst bestimmen,
weil an deren Sohlen unter Umständen aussergewöhnliche Vertiefungen,
Auskolkungen, eintreten, welche gefährliche Wirbel und Wechselströmungen
erzeugen und dann nicht nur den Bau selbst, sondern auch die daneben
gehende Schiffahrt gefährden können. Oft reissen solche Absperrungen durch
und der Strom stürzt sich unaufhaltsam in sein altes Bett und es tritt dann
eine gänzliche Verwilderung der Fahrbahn ein.
Durchstiche. Durchstiche sind Einschnitte, welche zwischen zwei oder
mehreren Flusskrummungen meist zum Zwecke der rascheren Ableitung
von Hochwässern oder Vermeidung von Eisstopfungen ausgeführt werden.
Sie erzeugen fast ausnahmslos ungünstige Fahrbahnverhältnisse. Durch
jeden Durchstich tritt in dem oberhalb gelegenen Strolntheile eine Senkung
des Wasserspiegels, in dem unterhalb gelegenen Theile eine Erhöhung der
Flusssohle ein. Wenn sie bei einer Regulirung in grosser Anzahl angewendet
werden, so ergiebt sich eine vollständige Veränderung der Flusssohle. Das
Gefälle wird wesentlich vermehrt, die Geschiebe werden längs der ganzen Sohle
und sehr weit flussabwärts abgelagert und die Sohle erhöht. Die Fluthwelle
des Hochwassers kommt in Folge der Stromabkurzung viel rascher und es
entstehen die grossen und verheerenden Ueberschwemmungen.
Theisshochwässer. Durch Abkürzung des Flusslaufes mittels Durch-
stichen wird demnach die Höhe der Fluthwelle immer grösser und
deren Abfluss schneller. Ein böses Beispiel hierfür bietet die Theiss, deren
Oberlauf in Folge ihrer Geradestreckung die früher bestandenen Fahrtiefen
vollständig verloren hat und gar nicht mehr schiffbar ist, während die Ueber
schwemmungsdämme im Mittel- und Unterlaufe zur Verhütung schwerer Ereig-
nisse immer mehr erhöht werden müssen um mit der forts chreiteden Er-
höhung der Sohle in die entsprechende Höhenlage gebracht zu werden.
Trotzdem ereignen sich durch die aus der oberen Theiss zu rasch
kommenden Hochwässer alljährlich bedeutende Ueberfluthungen des Unterlaufes
und man muss die Hochwässer überall durch Deiche begrenzen, um sie in
ihrer Wirkung zu mildern.
Die Hochwasserstände der Theiss am Pegel bei Szeged betrugen:
Vor der Regulirung des Flusses im Jahre 1830 6,14 m,
nach Vollendung einiger Durchstiche „ „ 1855 6,91 m,
nach durchgeführter Geradestreckung „ „ 1876 7,86 m,
bei Ueberfluthung und Zerstörung der Stadt Szeged „ „ 1879 8,06 m,
und bei der bisher beobachteten grössten Fluthwelle „ „ 1895 8|Ô4 ^•
Seit dem Jahre 1830 hat daher das Hochwasser der Theiss um 2,70 m
zugenommen. Allerdings ist der Verlauf der Hochfluth im gleichen Verhältnisse
ein viel rascherer: Wahrend sie 1855 52 Tage bis zu ihrer grössten Höhe
benöthigte und erst nach 180 Tagen vollständig in das Strombett zurückkehrte,
erreichte die Welle 1895 ihren Höchstetand innerhalb 6 Tagen und die Ueber
schwemmung dauerte nur 59 Tage.
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86
1. Natürliche Wasserstrassen.
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Höht ùbeï" dem Meeres *pi г jj-pI .
Im Bilde 33 ist das Längeiiprofil der
Theiss vor und nach ihrer Geradestreckiin.i;,
wodurch ihr ursprünglicher Stromlauf von
1220 km auf 767 km verkürzt wurde, dar-
gestellt.
Hochwasser bei Wicu. Auch oberhalb
Wien erreichten die Hochwässer vor den
Regulirungsbauten nur 3,71 m und wurden
die höchsten Wasserstände, als man mit
dem Bau derselben begann, nicht höher,
als auf 5,10 m veranschlagt. Das Hoch-
wasser 1897 erreichte bereits eine Höhe
von 5,32 m und jenes von 1899 sogar 5,82 ni.
Letzterer Hochstand wurde allerdings auch
durch die Wassermenge beeinflusst, welche
nunmehr in Folge der Absperrung des
Donaukanales im Hauptstrome abgehen
muss. Diese Wassermenge beträgt an-
nähernd 700 cbm und verursacht eine
Steigerung der Hochfluth im Donaustrome
von beiläufig 30 cm. Die Schutzbauten
an beiden Ufern sind bis 6,32 m auf-
geführt, deren Sicherheitsgrenze beträgt
daher gegenüber dem Hochwasser von 1899
nur noch 0,50 m. Es können demnach
die Dämme, welche Wien schützen, bei
einem nur um geringes höheren Wasser-
stande als 1899, oder wenn ein solcher
noch durch Wind oder Eis rückgestaut
wird, überfluthet werden.
iDuhoch Wässer. Durch die am Inn
aufgeführten Einschränkungswerke und
Durchstiche haben dessen Hochwasser be-
deutend zugenommen.
Hochwasser vom Jahre 1853 6,72 m
» 1876 7,79 m
„ 1899 to,6om.
Leck uud Po. Die Erscheinung der
Aufschwemmung der Flusssohle in Folge
Geradestreckung und Eindämmung des
Flussthaies wird am besten in den Mündungs-
gebieten wahrgenommen. Namentlich die
in den Niederlanden durch Deiche künstlich
eingeschlossenen Flussthäler erhöhen sich
in rascher Weise. So fliesst der Leck
auch bei Niederwasser in einer bedeuten-
den Höhe über das von ihm d<frclv-lläjw«l>>
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Schifi barmachung von Flüssen und Stromregulirungen.
87
abgeschlossene Flachland und es ist zu besorgen, dass trotz aller Erhöhung
und Verstärkung der Dämme durch einen Deichbruch einst das ganze um-
liegende Land überschwemmt werden wird. Die gleiche Gefahr zeigt der Po.
Durchstiche werden in der Regel nie ganz ausgehoben, sondern es wird
nur ein Graben von genügender Breite und Tiefe von unten nach der zukünf-
tigen Einmündung zu ausgebaggert, der oberste Abschluss sodann durch-
gestochen und nun der Wirkung der eingedrungenen Strömung überlassen.
Vorausgesetzt, dass der Durchstich in Bezug auf den Stromstrich richtig
angelegt ist, wird derselbe von der Strömung in kurzer Zeit auf die geplante
Breite und Tiefe ausgebildet. (Bild 34.)
Bild 34.
Stroinsehnelleu. Von allen Regulirungswerken sind die zum Zwecke der
Verbesserung einer Stromschnelle ausgeführten technisch am schwierigsten
durchführbar und erfordern die grössten Kosten.
Jede Stromschnelle hebt die Regelmässigkeit des Flussgcfälles plötzlich
und unvermittelt auf und vereinigt dasselbe wieder in einer unterhalb gelegenen
Stelle; es bildet sich nun dort eine wirbelnde Strömung, ein „Ueberfall",
über welchen das Wasser mit plötzlich wachsender Geschwindigkeit in die
darauffolgende Tiefe abfliesst. Oberhalb des Ueberfalles sind immer erheblifche
Geschiebeablagerungen, Flussseichten, unterhalb desselben wirbelnde Aus-
kolkungen. Sind die, diese Ueberfälle erzeugenden Stromhindernisse Fels-
bänke, welche in mächtiger Ausdehnung den Strom durchqueren, so entsteht
das schwerste Schiffahrtshindernis, die Stromschnelle.
Derartige Stromschnellen erfordern je nach ihrer Mächtigkeit und den
örtlichen Verhältnissen umfassende Regulirungsarbeiten, Durchsprengungen von
Schiffsdurchlässen, Erbauung von Kanälen in den Strom, Aufstauungen des
Was.serspiegels über die Schwelle mittels Stauwerken, oder endlich gänzliche
Umgehung der Stromschnelle durch einen künstlich herzustellenden Seiten-
kanal.
Sprengungen allein sind bei Stromschnellen zumeist von sehr ge-
ringem Erfolge, weil durch die Absprengung der Felsenriffe und Felsenspitzen
das Wasser noch schneller abfliesst, wodurch der Wasserspiegel seinen
natürlichen Stau verliert und sich senkt. Es werden hierdurch zwar die
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88 I. Natürliche Wasserstrassen
seitlichen Strömungen und Wirbelbildungen zum Theile beseitigt, ebenso eine
breitere Fahrbahn geschaffen, die Fahrtiefen erfahren jedoch keine wesentliche
Vergrösserung.
Um mit den Sprengungen gleichzeitig die noth wendigen Fahrtiefen zu
erreichen, ist es daher nothwendig, das Stromprofil der Schnelle durch Leitwerke
bedeutend einzuengen und flussabwärts zu verlängern, wodurch ein Aufstau
des Wasserspiegels über der Stromschnelle erfolgt und ein für die Schiffahrt
günstigeres gleichmâssigeres Gefälle, sowie die nothwendigen Tauchtiefen
geschaffen werden. Die Sprengung einer einzelnen in der Fahrbahn liegenden
„Felsenkugel" ist im Bilde 35 dargestellt.
Bild 35. Sprengung von FelsriiTen.
Donaustromschnelleil. Die Stromschnellen der Donau sind das Felsen-
gcHächel oberhalb Hofkirchen bei Passau, jenes bei Aschach, der Struden
bei Grein und die Katarakte mit dem „Eisernen Thor" unter- und oberhalb
Orsova, welche gleichzeitig die bedeutendsten Stromschnellen Europas dar-
stellen.
Hofkirchener Kachlet. Verschiedene Felsarbeiten haben das Hofkirche-
ner Kachlet schon gebessert. Im jüngsten Bauentwurfe ist geplant in dem-
selben mittels Leitdämmen ein Niederwasserbett zu schaffen.
Aschacher Kachlet Das Aschacher Kachlet, derzeit die seichteste
Donaustrecke, wird demnächst einer ausreichenden Regulirung durch Ein-
schränkungsbauten unterzogen werden.
Das Aschacher Kachlet besteht aus auf der Stromsohle liegenden Fels-
kugeln, welche den Flussspiegel aufstauen und dadurch zwei Stromschnellen
erzeugen, an welchen bei Nieder wasser die Tiefe an einigen Felsspitzen bis
1,10 m sinkt. Die Stromsohle selbst liegt 0,50 m unter den Kugeln.
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Schiffbarmachung von Flüssen und Stromreguli rangen. 89
Eine Vergrösserung der Fahrtiefe kann durch die alleinige Räumung
der Felskugeln nicht erzielt werden, weil hierdurch der Wasserspiegel an den
geftUsreichen Stromstellen nachsinken würde. Es müssen daher gleichzeitig
das Wasser in ein entsprechend eingeengtes Gerinne zusammengefasst und
die starken Gefällsunterschiede ausgeglichen werden. Nachdem die sekundliche
Abflussmenge des Stromes beim niedersten Schiifahrtswasserstande, + 0,34 m
Aschacher Pegel, 510 cbm beträgt und das anzustrebende Ausgleichsgefälle
der zu verbessernden Stromstrecke, zwischen km 225 und 229,890 mit 0,793®/^^
feststeht, berechnet Herbst die Breite eines 2,2 m tiefen, für die Abfuhr des
niedersten Wassers bestimmten Gerinnes mit 135 m.
Donaustraden. Das Flussbett bei Struden an der Donau ist von mächtigeren
FelsrifTen durchsetzt. Dieselben wurden wiederholt und zuletzt im Jahre 1890
gesprengt. Die letzte Regulirung bezweckte die Schaffung einer 80 m breiten
und 3 ra tiefen Fahrstrasse bei dem am Strudener-Pegel fixirten Nullwasser.
Die derzeitige absolute Tiefe beträgt bei Nullwasser Strudenpegel 1,30 m.
Die erfolgte Regulirung des Strudens hat demnach zwar eine bessere und
breitere Fahrstrasse, jedoch keine grösseren Tiefen als früher geschafTen und
ist es, um letztere zu erreichen, auch dort nothwendig, das Profil ent-
sprechend einzuschränken.
Für die Schiffahrt vortheilhaft wäre es, die Befahrung dieser Strom-
schnelle dadurch zu erleichtern, dass man den neben ihr laufenden Seitenarm,
Hössgang, durch einen Gegenzugkanal mit Kamraerschleusen benutzbar
macht, wodurch eine zweigeleisige Fahrstrasse geschaffen und die lästige zeit-
weilige Strudensperre wegfallen würde. Bild 12 auf Seite 40 zeigt den Donau-
strudel im Jahre 1781, nach einer Aufnahme der damaligen „K, K. Navigations-
Direction an der Donau".
Katarakte und Eisernes Thor, Die grossen Stromschnellen des Donau-
durchbruches zwischen den Karpathen und dem Balkan beginnen oberhalb
Drencova mit dem in der Strommitte einsam stehenden Felsen Babakaï. Die
ganze Kataraktenstrecke vom Babakaï bis unterhalb des Eisernen Thores hat
eine Länge von 104 km.
Während die Donau oberhalb und unterhalb des Durchbruches in Tief-
ebenen mit sehr geringen Gefällen, unter 5 cm auf i km, fliesst, tritt in der
Kataraktenstrecke ein Gefälle von nahezu 24 cm auf i km auf, welches sich
hauptsächlich auf die einzelnen Stromschnellen vertheilt.
Klunzinger bemerkt in seinem Werke „Die Regulirung des Eisernen
Thores 1899": „Die Erosion hat daher hier nicht in dem Masse die Aus-
gleichung des Gefälles bewirkt, wie dies bei den Durchbruchstrecken an der
oberen österreichischen Donau geschah, wo mindestens dasselbe durch-
schnittliche Gefälle auftritt, wie in den anliegenden Flachlandstrecken.
Die verschiedenen Erscheinungen in dieser Kataraktenstrecke sind un-
schwer aus der langsamen Erosion zu erklären. Die Gresteinsarten wider-
standen je nach ihrer Härte, Schichtungsrichtung und Gleichartigkeit der Erosion
in verschiedener Weise, und so musste sich die Oberfläche der Flusssohle
diesen Widerständen entsprechend verschieden gestalten. Bei der grossen
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90
I. Natürliche Wasserstrassen.
Mannigfaltigkeit der geologischen Beschaffenheit des durchbrochenen Gebirges
zeigt sich daher auch eine sehr unregelmässige Form der Flusssohle und das
über derselben flicssendc Wasser ist gezwungen, allen diesen Unregelmässig-
keiten zu folgen. In diesem Gewirre von Strömungen musste sich die Schilï-
fahrt eine fahrbare Rinne suchen, deren Richtung sich bei jedem Wechsul
des Wasserstandes änderte und welche zeitweise bei kleinem Wasserstande
überhaupt nicht zu finden war."
Die erste Stromschnelle wird von der Granitbank Stenka gebildet, in
welcher ein 1900 m langer Kanal ausgesprclrigt ist.
Dieser folgen unterhalb Drencova die aus kristallinischem Schiefx^r be-
stehende Felsbank Kozla und die beinahe den ganzen Strom durchsetzenden
Felsklippen bei Dojkc. In beiden ist ein 3500 m langer Kanal hergestellt.
Bild 36. Eisernes Thor bei Niederwasser.
Es verengen nun steile Felsufer das Bett bis auf 380 m, während dieses
unterhalb der vom linken Ufer ausgehenden schmalen Felsriffe „Pietra lunga"
und „Bivole" eine Erweiterung von iioo m bildet, in welcher sich die aus
quarzigen Kalksteinschichten bestehenden Bänke Izlas und Tachtalia befinden
und eine schmale, in scharfen Windungen und wirbelnden Strömungen liegende
Schiffahrtsrinne nahe dem rechten Ufer freilassen. Dieser Katarakt-Kanal ist
4000 m lang und sowie alle übrigen Kanäle auf eine geringste Tiefe von
2,00 m und eine Breite von 60 m ausgesprengt.
Der Stromschnelle Izlas folgt der Felscnvorsprung Greben, welcher im
Vereine mit der vom linken Ufer her streichenden Fclsbank Vrany den Strom
verengt und bis 40 m tiefe Kolke bildet. Unterhalb der Grebenspitze er-
weitert sich der Strom plötzlich bis 2000 m und fliesst dann über eine seichte^
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Schiff barmachung von Flüssen und Stromregulirungen. gi
flachausgedehnte lange Felsplatte Svinicza, auf welcher die nothvvendige Fahr-
liefe durch Aufstau des Wassers mittels einer 5 km langen mächtigen Damm-
anlage geschaffen wurde. Unterhalb dieser lagert quer Ober den Strom die
aus hartem Serpentin bestehende 1200 m breite Felsbank Jucz, in der ein
1340 m langer Kanal hergestellt ist. Nun folgt der bis 800 m hohe Durchbruch
im Kazan, welcher eine stellenweise 54 m tiefe Stromrinne bis 180 m einengt.
Im Kazan stellt sich regelmässig der Eisstoss.
Bis Orsova zeigt der Strom ausser einer nochmaügen Erweiterung auf
1300 m keine Unregelmässigkeiten. 8 km unterhalb dieser Stadt Hegt nun
das Eiserne Thor. Der 900 m breite Strom wird in schiefer Richtung in
einer Lange von 1700 m von der aus quarzigem Kalkstein bestehenden Fels-
bank Prigrada durchsetzt, welche eine Breite von 500 m hat und bei ihrer
Einfahrt nur eine schmale, scharf gewundene Rinne, nahe dem linken Ufer
freilässt, die dann längs des schroff abfallenden unteren Randes der Prigrada
in der Richtung gegen das rechte Ufer zu ausmündet. Die massigen Fels-
klippen der Prigrada, Ploscia und Récze reichen bis 2,5 m über Niederwasser
empor und zeigen Sohlentiefen bis 50 m. (Bild 36.)
Das Niederwassergefälle am Eisernen Thor beträgt auf i km ungefähr
3 m und in diesem ganzen Katarakte auf г'/д km nahe an 5 m, die Stroni-
geschwindigkeit bis 4V» ni in der Sekunde. Bei Hochwasser gleicht sich das
GesammtgefäUe aus und wird kleiner.
Die Felsklippen der Prigrada wurden mittels eines, am rechten Ufer
liegenden offenen Kanales von 2200 m Länge, einer Sohlenbreite von 73 m
und einer Tiefe von 3,00 m bei Nullwasser in Orsova, umgangen. (Bild 37.)
Den massgebendsten Einfluss auf den Wasserstand der Katarakte hat der
Savefluss. Mit seiner Zunahme treten meist vom Monate April bis Juni
höhere Fahrtiefen ein, während, wenn die Herbstniederschläge des Savegebietcs
ausbleiben, das Niederwasser beginnt.
Die hohen Wasserstände verursachen selbstverständlich in der Katarakten-
strecke andere Strömungs Verhältnisse als das Niederwasser. Die Stenka
verschwindet bei Hochwasser ganz. An der Kozlaer Felsbank wächst die
Geschwindigkeit und es bricht sich das Wasser an der linksseitig vor-
springenden Felsennase, wodurch Wirbel verursacht werden. Die Verengung
bei der Felsenspitze Greben bewirkt nach oben einen Stau, welcher die
Katarakte Izla^ und Tachtalia ausgleicht. Dagegen steigert sich bei der
Grebenspitze das Gefälle beinahe auf das doppelte, wodurch gefährliche Wirbel
entstehen. Durch den Stau in der Stromenge des Kazan verschwindet
schliesslich auch das Gefälle bei Jucz, während sich in der Enge selbst grosse
Geschwindigkeiten und Gegenströmungen bilden.
Den Zustand der Schiffahrtsstrasse auf den Katarakten und am Eisernen
Thore vor der Regulirung veranschaulicht folgende Zusammenstellung Ober
die Strom- und Wasserverhältnisse der unteren Donau von Bazias bis Sibb.
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92
I. Natürliche Wasserstrassen.
5
а.
Ca?
г
I
Ci в
{Л
О
s
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Schi£fbarmacbnng von FlQssen und Stromregulirungen.
93
Tiefe in dei
Strombreite
Schififahrts-
Höhe des kleinsten
Ent-
m
Strasse untei
Höchster
Wasserstandes
Benennaog des
fernung
von
Null, dem
kleinsten
Wasserst.
IVasserst.
über Null
im Jahre 1834
Stromabschnittes
Anmerkung
Bâziâs
Min.
Max.
imjahrei834
m
Höhe über
der Adria
GefaUe
cm
km
Min.
Max.
m
m
pro Kilom.
1 Insel n
Sandbänke
Bazias-Moldova
34.380
400
IIOO
7.00
30,00
8,10
\^^\
3.70
imFlttssbett
Moldova-Babakal
32.370
aoo
2000
2,10
15.30
8.40
60,670
9.00
Babakal-Stenka
44.000
320
IIOO
2,40
24.50
7,70
59.49a
10,00
Stenka
45.000
—
900
—
8.70
8,10
59-344
11,00
Stenka-Kozia
59.950
410
1520
3.70
24,20
7,10
57.647
11.47
Kozla-Dojke
63,330
350
770
1,80
25.50
7.00
55873
j 74.70
(182,00
Durchschnitt
Maximum
Dojke-Izlas
69.850
400
900
4.70
22,60
7.00
. Izlasi888 j
4.30 /
Svinicza j
54328
20,00
265.00
BeiTachtalia
Izlas-Tachtalia-
18.30 l
7.30 '
Greben-Svinicza
77»a90
420
2020
0,20
33.30
48,701
75.60
175.40
Bei Greben
Svinicza- Jucz
84.570
700
1550
3.80
940
7.30
48.032
9.10
Jucz
87.380
-—
840
0,70
4.30
—
44.903
111,50
Jacz-Katarakt
185.355
'86.355
—
—
2,10
—
—
—
235-36
"^
""""
"^
"—
—
—
297.75
Maximum
Jucz-Kazan
ICO,00O
450
laoo
3,00
12,10
9.30
43657
10.00
Kazan-Eoge
109.000
170
580
8.10
52.00
9.60
43.386
3.50
Kazao-Orsova
lao.000
380
710
5,60
17.00
7,60
42.922
3.60
Orsova-Verciorova
125.330
400
1020
2.30
12,20
6,50
42,130
15.20
Verdorova-Eisenies
Thor
138.530
680
ИЗО
2,CX)
7.00
—
41.256
28,30
Eisernes Thor-Sibb
131,120
670
II50
0,30
5Ï.OO
'
36.100
/417,00
1 200,00
(320,00
Maximum
410 m lang
1600 m lang
Die Zusammenstellung zeigt, welche ausserordentlich ungünstigen Strom-
verhältnisse die Schiffahrt erschwerten und dass diese bei Nieder wasser
gänzlich eingestellt werden musste. Selbst bei dem. normal andauernden
mittleren Wasserstande von + 1,25 m in Orsova waren vor der Regulirung im
Eisernen Thor nicht mehr als 0,65 m, im Jucz bis Kozla-Dojke 1,10 m und
im Stenka nur 1,40 m Tiefen vorhanden. Die aus Rumänien angekommenen
grösseren Schleppe konnten mit einer Tauchtiefe von i ,80 m das Eiserne Thor
erst bei einem Wasserstande von + 3i5o m, die übrigen Katarakte bei + 2,80 m
über Null Orsova Pegel durchfahren. Bei -f- 0,87 m in Orsova musste am
Eisernen Thor die Schiffahrt eingestellt werden, während bis zu diesem
Wasserstande auf den oberen Katarakten nur eigens gebaute flache Ruder-
schleppe den Dienst vermittteln konnten.
Während der durchschnittlichen Schiffahrtsdauer von 275 Tagen in den
Jahren 1840 bis 1880 konnten 1,50 ra tief tauchende Schleppe jährlich
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I. Natürliche Wasserstrassen.
nur an 158 Tagen, während der Jahre 1881 bis 1895, 1,80 m tief tauchende
Schleppe nur an 45 Taj^en vollbeladen verkehren.
Die durchgeführten Regulirungsarbeiten haben die Schiffahrtsverhältnisse
auf den Katarakten wesentlich gebessert und die früher zeitweilig eingetretene
Schiflfahrtssperre aufgehoben. In der Kataraktenstrecke wurden durch die
Felsenriffe und Bänke, zum Theil durch Vertiefung derselben mittels gewaltiger
Sprengarbeiten, zum Theil durch Einschränkungsbauten und Staudämme Schiff-
lahrtskanäle geschaffen, während das Eiserne Thor mittels eines am rechten
Ufer ausgehobenen offenen Kanales umgangen wurde.
Geplant war auf der ganzen Kataraktenstrecke eine Tiefe von 2 m bei
niederstem Wasserstande, Nullwasser Orsova. Die Aussprengungen in den
Kanälen erfolgten auch durchwegs auf diese Tiefe, der Eiserne Thorkanal
wurde sogar auf 3 m unter Null ausgehoben. An einigen zwischen den
Katarakten liegenden Flussstellen sind jedoch geringere Fahrtiefen vorhanden,
weshalb beim Nullwasserstande Dampfer und Schleppe derzeit oberhalb Orsova
nur mit Tauchtiefen von 0,60 ra, unterhalb Orsova mit solchen von 1,00 m
verkehren können. Dieser Wasserstand tritt jedoch während der Schiffahrts-
zeit nur ausnahmsweise ein und sinkt der Pegel in Orsova in der Regel nicht
unter + 0,50 m.
Die Schiffahrt selbst ist derzeit ebenso schwierig, als vor der Regulirung
und nur mit Beihilfe von Lootsen und unter Anwendung eines strengen
Signaldienstes möglich. Besondere Umsicht erfordert die Durchfahrt des
quer zur Strömung liegenden Juczkanales.
Die durch Aussprengung und Einschränkungswerke geschaffenen Kanäle
in den einzelnen Felsbänken, sowie die Gefällsverhältnisse der neuen Schiff-
fahrtswege sind in folgender Tafel zusammengestellt:
Entfernung
der
einzelnen
Profile in
m
Höhe der
Sohle über
dem Meere
m
Gefälle
m
Relatives
Gefälle in m
auf
I km
I. Stenka-Kanal', lang 1900 m, breit 60 m, Tiefe 2 m unter NW.
—
57,309
—
—
790
57,ов9
0,220
o,28o
1400
5б,74<5
0,343
0,245
800
5б,6б2
0,084
0,105
II. Kozia-Dojke-Kanal,
lang 3500 m.
breit 60 m,
Tiefe
2 m unter NW
—
55,500
—
—
1500
55» 1 20
0,380
0,253
400
55,045
0,075
0,188
530
54,406
0,639
0,206
270
53,039
0,567
2,100
350
53,600
0,239
0,683
1250
52,600
1,000
0,800
Digitized by СлООС
Schiffbarmachung von Flüssen und Stromregulirungen. 95
Entfernung ^^j^^^^^
der ^ , , . Relatives
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einzelnen , ,, ocidnc Gefalle in m
^ «, . dem Meere ^
Profile in auf
m m m I km
III. Izlas-Tachtalia-Kanal, lang 4000 m, breit 60 ш, Tiefe 2 m unter NW.
— 51,950 — —
1465 50*930 1,020 0,696
200 50.300 0,630 3,150
500 49 Л 70 о,5зо I, обо
2IOO 49,5^0 o,i9ô 0,090
IV. Jucz-Kanal, lang 1340 m, breit 60 m. Tiefe 2 m unter NW.
— 45,511 — —
224 45,493 0,018 0,080
102 45,476 0,017 0,167
Ô4 45,429 0,047 0,559
361 45,419 0,010 0,028
139 45,310 0,109 0,784
200 44,960 0,350 1,750
200 44,^39 o,i2i 0,605
180 44,665 0,174 0,967
V. Eiserne Thor-Kanal, lang 2200 m. Sohle breit 73 m.
Tiefe 3 m unter NW.
~ 37,970 — —
25,5 37,917 0,053 2,010
231,5 37,447 0,470 0,203
124,5 37,197 0,250 0,498
130,0 36,983 0,214 0,608
1688,0 32,770 4,213 2,496
89,0 32,547 0,223 2,517
373,0 32,467 0,080 0,214
Die fettgedruckten Zifl'ern zeigen die Längen und Grössen der Sturz-
gefälle. Die Sohle der oberen Katarakte hat demnach wohl bedeutende
Gefälle bis zu 3,15 m auf i km, jedoch nur auf kurze Entfernungen. Der-
artige Sturzgefälle sind aber auf der Donau nichts Ungewöhnliches und können
in der Bergfahrt bei Anwendung langer Schleppseile und ausreichenden
Dampfreserven unschwer Oberwunden werden.
Ungleich schwieriger gestaltet sich jedoch der Bergzug im Eisernen
Thor-Kanale, wo auf eine Kanallänge von 1777 m ein Gefälle von i : 400
entfällt, welches ausserordentliche Strömungsverhältnisse, besonders in der
Einmündung erzeugt.
Nur die grössten Zugdampfer können bei Anspannung ihrer Maschinen-
stärke auf 1000 HP einen 650 Tonnenschlepp mit т,6о m Tiefgang und 450 t
Ladung in annähernd i Stunde bergwärts durch den Kanal schleppen. Zur
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дв I. Natürliche Wasserstrassen.
Aufschleppung eines auf i,8o m getauchten 820 Tonnenschleppes mit 666 t Nutz-
last waren zwei Zugdampfer mit zusammen 1600 HP und 67 Minuten Fahrzeit
nothwendig. Zum Zuge einer Tonne Nutzlast müssen somit rund 2,3 i. HP
aufgewendet werden.
Zur Bewältigung der aussergewöhnlich starken Strömung im
Eisernen Thor-Kanale musste deshalb alsNothbehelf ein künstlicher Schiffszug
(siehe Abschnitt lo) eingerichtet werden, welcher den der Schiffahrt ursprünglich
in Aussicht gestellten Vortheil eines offenen Kanales, die unbehinderte Schiffahrt,
aufhebt. Es ist sehr zu bedauern, dass allen diesen vielseitig vorausgesehenen
Schwierigkeiten nicht durch Schaffung einer Schleusenanlage begegnet
wurde. Bei der Untersuchung der durch den Kanal geschaffenen Wasser-
abflussverhältnisse hat sich übrigens ergeben, dass daselbst durch Einbau von
Schleusen, die gleichzeitig als Stauwerke für eine Turbinenanlage zu dienen
hätten, etwa 20 000 Pferdekräfte gewonnen und in elektrische Energie um-
gesetzt werden könnten.
Rheinstromschnelleii. Ein wenn auch nicht so gross angelegtes und
schwieriges Bauwerk, wie jenes der Donaukatarakte war die Regulirung der
Stromschnelle Bingerloch am Rhein, die als gelungen zu betrachten ist und
durch welche der dortigen Schiffahrt ein grosser Aufschwung gegeben wurde.
Schiffbarmachang mittels Wasseranfspeichernng. Thalspi^rreu. Bei
wasserarmen Flüssen, welche bei Regulirung durch Tauchbuhnen für Nieder-
wasser bei niederem Wasserstande eine zu schmale Fahrrinne erhalten würden
und bei welchen durch die örtliche Beschaffenheit eine Kanalisirung oder Um-
gehung dés Laufes mittels eines Seitenkanals nicht entsprechend erscheint,
kann eine Verbesserung der Schiffbarkeit auch durch Anlage von Thal-
sperren, Staubecken, erzielt werden, in welchen das Wasser bei höheren
Wasserständen aufgespeichert und dem Flusse, wenn er seine Tiefstände
erreicht, allmählig zugelassen wird.
Es ist aber klar, dass eine derartige Schiffbarmachung eines Flusses nur
unter besonders hierfür günstigen Geländeverhältnissen und nur im Zusam-
menhange mit der Frage der Beseitigung oder Milderung der Hochwässer
durchgeführt werden wird, weil die Anlage der für die Sammelbecken noth-
wendigen Bauten ausserordentlich hohe Kosten erfordert.
Geplante Oderstanbecken. Für die Oder werden zu diesem Behufe der-
zeit technische Erhebungen gepflogen, um durch Wasserzulassung aus Sammel-
becken die unterhalb des kanalisirten Stromtheiles gelegene Strecke Neisse-
mündung bis Breslau, während des im Mittel jährlich 50 Tage andauernden
Niederwasserstandes, um 40 cm aufzuhöhen, wodurch ein geringster Oder-
wasserstand von 1,40 m gewährleistet würde. Gothein berechnet, dass die
hierzu erforderliche Wassermenge 180 Millionen Kubikmeter betragen würde.
Unter Annahme eines Gesammtverlustes des aufgespeicherten Wassers durch
Verdunstung und Versickerung von 22 bis 25 Prozent des Beckeninhaltes wären
demnach Sammelbecken von 230 bis 240 Millionen Kubikmeter nothwendig-
Die Kosten dieser Anlagen berechnet er mit 90 Millionen Mark.
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Schiffbarmachung von Flüssen und Stromregulirungen. ^y
Hierdurch will man ausser der Verbesserung der SchifFbarkeit der Oder
auch die schädliche Wirkung ihrer zahlreichen Hochwässer mildern, weil die
starken Niederschläge dann in den Staubecken zurückgehalten werden.
Ferner setzt man voraus, dass, nachdem in den Thalsperren ein grosser
-Theil der Geschiebe sich ablagert, die Versandung der Fahrstrasse im Flusse,
wie sie sonst nach jedem grösseren Hochwasser eintritt, wesentlich ver-
ringert wQrde.
Schiffbarmachungen von Flüssen und Strömen mittels Anlage von künst-
lichen Sammelbecken wurden bisher noch nicht ausgeführt. Thalsperren, ferner
Staubecken zur Aufspeicherung der Niederschläge, zlim Schutze gegen Hoch-
wasser, sowie zur Regelung der Zuflüsse eines Stromes wurden jedoch schon
in vielen Fällen hergestellt. Beispielsweise bestehen im obersten Mississippi-
becken mächtige Anlagen zur Verringerung der Hochfluthen und zur Auf-
nahme der dortigen grossen Geschieberaassen. Bekannt sind ferner die in
jüngster Zeit zum Schutze von Wien gegen die Hochwässer des Wienflusses
ausgeführten Sammelbecken im oberen Thale desselben.
Stromre^lirnn^ im Flnthgèbiete. Wenn in das Mündungsgebiet eines
Stromes die Meeresfluth eindringt, so schiebt diese das Stromwasser vor sich
her und staut es auf, während das Wasser zur Zeit der Ebbe wieder zurück-
fluthet. Diese sich bald landwärts, bald seewärts bewegende Wassermasse
verändert, jeden Augenblick ihre Höhe und ihre Geschwindigkeit.
Je mehr das Eindringen der Fluthwelle in den Stromlauf durch Beseiti-
gung der Hindemisse im Mündungsgebiete und durch Geradestreckungen des
Flusslaufes in demselben begünstigt wird, umso grösser wird die einströmende
Wassermasse und deren Geschwindigkeit sein und umso weiter landeinwärts
wird sie vordringen, bei Ebbe aber wieder rascher abfliessen und damit die
Sinkstoflfe kräftiger abführen können.
Auf diese Erscheinung ist die Stromregulirung im Mündungsgebiete be-
gründet. Dieselbe besteht darin, die von der See anfliessende Welle möglichst
ungehindert in den Flusslauf eintreten und in demselben sich stromaufwärts be-
wegen zu lassen.
Zur Bestimmung der Grösse, der Geschwindigkeit und der Gesetzmässig-
keit der Fluthwelle dienen die Seite 15 beschriebenen Fluthmesser. Die mit
deren Hilfe ermittelten Fluthkurven sowie die Kenntnis der höchsten und
niedrigsten Wasserstände geben sodann die Grundlage zum Regulirungsplane.
Die Mittel, um die einströmende Fluthmenge und deren Geschwindigkeit
zu vergrössern, bestehen im Allgemeinen in Schaffung eines von der Mündung
stromaufwärts bis zur Fluthgrenze sich verengenden Flussbettes, Wegschaffung
der zu scharfen Krümmungen und Stromspaltungen sowie Vergrösserung des
Gefälles mittels Durchstichen und Geradestreckungen. Die durch Sperrdämme
abzubauenden Seitenarme dienen als Wasserbecken, welche sich mit
jeder Fluthperiode füllen und entleeren und dadurch eine viele Millionen
Kubikmeter betragende Wassermenge über die unterhalb dieser Spülbecken
gelegenen Strecken des Mündungsgebietes hin und her bewegen und derart
gleichzeitig an der Vertiefung des Bettes mitarbeiten und die Fluthentwicke-
lung oberhalb fördern.
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt. »y
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gß 1. Natürliche \Vasserstra<sén.
Wenn die Stosskraft des Wassers nicht mehr ausreicht, die Sohle des
Flussbettes zu vertiefen, so muss zu umfangreicheren Baggerungen geschritten
werden, durch welche insbesondere die das Strombett in seiner ganzen Breite
überquerenden Sandbänke beseitigt werden.
Alle diese Arbeiten werden von der Mündung aus flussaufwärts be-
gonnen.
Die ältesten Regulirungs werke in einer Flussmündung, welche den See-
schiffen den Zugang in das Binnenland eröfiheten, wurden 1785 am Clyde
ausgeführt, wodurch die kräftige Fluthwelle, die Englands Küste bespült, bis
nach Glasgow hinauf nutzbar gemacht wurde. Während man den Clydefluss
früher bei Niederwasser an manchen Stellen durchwaten konnte, verkehren
heute auf ihm 4000 Tonnenschiffe mit 7,0 m Tiefgang.
In ähnlicher Weise wurde auch der in die Nordsee mündende Ту ne bis
Newcastle, dem jetzigen Hauptkohlenhafen Englands, regulirt. Bei Nieder-
wasser hatte dieser Seichten von 0,60 m und nur bei Hochfluth Fahrtiefen
bis 4,00 m; heute verkehren am Tyne bei niederstem Wasserstande 6,00 m
tieftauchende Seeschifie.
Die froher bestandenen Untiefen der Seine, von oft nur 0,50 ni
zwischen Havre und Rouen wurden auf 6,30 m vertieft. Während vor der
Regulirung 200 Tonnenschiffe bis Rouen 4 Fahrtage benöthigten, verkehren
in dem nun gleichmässig gestreckten Flusslaufe 2000 Tonnenschiffe in
10 Stunden. Ausserdem hatte die Schiffahrt früher auf dem viel gewundenen
Laufe noch mit einem gefährlichen Feinde, der Mascaret oder Bore, zu
kämpfen. Es war dies eine nahezu senkrechte Welle von über i m Höhe,
welche bei gewissen Seefluthen sich mit grosser Geschwindigkeit strom-
aufwärts bewegte und dort, wo sie Ober Flussseichten hinwegrollte, eine ver-
derbliche Wirkung ausübte und zahlreiche Schiffe beschädigte.
Durch die von Franzius begonnenen Regulirungsarbeiten an der
Unterweser können heute bis 5 m tauchende Schiffe bis Bremen vor-
dringen. Auf der Weser schlicssen sorgfältige Bauten in sanft geführten
Krümmungen das Niederwasserbett ein, die Stromspaltungen sind geschlossen
und frühere werthlose Wasserflächen sind durch Ablagerung des ausge-
baggerten Materiales in fruchtbare Landflächen umgewandelt.
Stromreinigang. Wenn sich eine Schiffahrt erst in Folge richtig aus-
geführter Stromregulirungen entwickeln und einen Aufschwung nehmen kann,
so sind für deren ununterbrochenen Betrieb nicht minder wichtig die im
Schiffahrtswege selbst auszuführenden kleineren Arbeiten, welche unter der
Bezeichnung Stromreinigung zusammengefasst werden.
Der Schiffahrtsweg in einem geschiebeführenden Fluss muss fortwährend
auf die vorhandenen Fahrtiefen geprüft werden. Derselbe ist insbesondere?
nach Abgang des Eises und vor Eröffnung der Schiffahrt hinsichtlich der
Gestaltung der Fahrstrasse genau zu untersuchen.
Yermalong des Donanfabrweges. Auf der Donau lässt man zu diesem
Zwecke die Rechenbaggerdampfer und schwächeren Zugdampfer mit zwei zu-
gekoppelten leeren Schleppen streckenweise zu Thal fahren und durch sie
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Schiffbarmachung von Flüssen und Stromregulirungen.
99
die Tiefen mittels Son dir- oder Peilstangen bestimmen sowie die kritischen
Stellen bezeichnen.
Nach jedem Hochwasser ist der Fahrweg neuerlich versandet, und müssen
die Fahrtiefen sowohl an den guten als auch an den schlechten Fuhrtschwellen
abermals aufgenommen werden.
Zur Erhebung der Fahrtiefen und Bezeichnung des SchiffahrtSr
weges besteht auf der Donau ein eigens geregelter Dienst, die „Wasser-
schau".
Grössere, mit acht Schiflfsleuten bemannte Kähne, Wasserschauzillen,
werden thalab gerudert, verankern sich an den Flussseichten und bezeichnen
sorgfältig deren Fahrtiefen. Der Zustand und die Gestalt der seichten Stellen,
sowie deren jeweilige Fahrtiefen werden drahtlich oder durch die Führer
der vorQberfahrcnden Dampfer auf an den Hauptstationen befindlichen Tafeln
für die Allgemeinheit veröffentlicht.
Die Bezeichnung der Seichten, die Vermalung, geschieht mittels in
den Schotter eingeschlagener Pfähle, Schwemmer oder eiserner kleiner Bojen.
Die Pfähle (siehe Bild 38). erhalten Laub oder Astwerk aufgebunden
und heissen „Hasen" oder Staudenhasen. Thalwärts links wûrd die An-
Начеп
Bild 38
Wabcrl
fahrt mit einem Staudenhasen mit rothem Schwemmer, dem in gewissen
Zwischenräumen einfache Stauden ohne Schwemmer folgen, bezeichnet, wäh.
rend die thalwärts rechts bleibende Fahrseite in ähnlicher Weise, jedoch mit
auf den Köpfen der Pfähle aufgebundenen Strohwischen oder Strauchwerk,
mit „Waberl" bezeichnet wird.
Der „Schwemmer" ist ein ruderförmiges Holz, welches an den Pfahl
lose angebunden wird, immer in der Richtung der grössten Strömung schwimmt
und dadurch die Stromrichtung kenntlich macht.
Die von den Flössen, den thaltreibenden Schiffen, von Baumstöcken oder
von dem Anhange der Zugdampfer immer wieder weggeführten losen Zeichen
müssen ersetzt, ebenso deren Stellung in Rücksicht auf die Veränderung des
Thalweges neuerlich richtig gestellt, „ausgesteckt" werden.
Bei Schwemmerhasen bricht nur der Pfahl ab, während der am einge-
kerbten Pfahlende angebundene Schwemmer an der Wasseroberfläche bleibt,
wodurch seine Lage gesichert ist.
RojeD. Felsige und unveränderliche Stromseichten bezeichnet man mit
Bojen, die thalwärts linke Fahrtbegrenzung mit rothen, die rechte mit
schwarzen. Die Bojen sind entweder verankert oder durch mit Sand ge-
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TOO 1. Natürliche Wasserstrassen.
füllten Säcken auf die Sohle versenkt und werden vor Eintritt der Eisbildun*^
gehoben.
An kritischer Stelle oder in enger Fahrbahn, welche ein Begegner»
zweier Fahrzeuge oder Schleppzuge nicht zulässt, wird am Ufer eine Wahr-
schau eingerichtet, wodurch dem aufwärts fahrenden ein Signal zum Anhalter»
gegeben wird , bis das thalfahrende Schiff die Fahrenge passirt hat.
Diesem Zwecke dienen zumeist Stangen, auf welchen ein weithin sichtbarer
Korb, Ballon, Fahne oder eine Tafel aufgezogen wird.
Vermalimg des Rheiiifahrweges. Am Rhein wird die Fahrrichtung
durch Landmarken am Ufer, die Lage der überfluthbaren Regulirungswerke
4lurch Stangen und Bojen bezeichnet. Schwierige Durchfahrten werden ins-
besondere für die nachts verkehrenden Personendampfer mittels beleuchteter
Nachen bezeichnet.
Auf der Strecke von Bingen zu Thal ist bei Niederwasser die schmale
Fahrbahn durch eiserne Baken angezeigt, welche am linken Ufer schwarz,
am rechten weiss angestrichen sind.
Zwischen Bingen und Mainz ist ausserdem das Fahrwasser auf der linken
Seite durch weisse, auf der rechten durch rothe Bojen bezeichnet. An den
Stellen, wo die Fahrstrasse sich gabelt, ist sie durch rothweisse Bojen ab-
i^ebakt, dort wo das Fahrwasser sehr enge ist, liegen zwei schwimmende
Tonnen nebeneinander, und dort, wo das Fahrwasser nicht durchfahren
werden kann, wird dieses durch eine schwarze Tonne angezeigt.
\>rmalung der Elbe- und Oderfahrwege. An der Elbe und Oder
geschieht die Bezeichnung des Fahrwassers durch Landbaken (Bild 39). Die
schwarzweissen werden am linken, die roth weissen am
rechten Ufer auf, in Buhnenköpfen oder Ufervorsprungen
eingetriebenen Pfählen befestigt. Ist der Theilungs-
strich der viereckigen Bake A. senkrecht, so wendet
I I sich der Stromstrich und mit diesem die Fahrbahn
' П vom Ufer weg gegen die Strommitte oder das andere
У А I D Ufer hinüber, ist der Theilstrich B. wagerecht, so folgt
' 1 das Fahrwasser dem Ufer, auf welcher die Bake steht.
In Bei Winteranfang werden die Landbaken durch auf
I Stangen befestigte StrohbOschel ersetzt,
r Auf einigen Oderstrecken wird das Niederwasser
(Il ähnlich wie auf der Donau durch Stangen mit und
' ohne Weidenbüschel bezeichnet. Die Stangen der
Bild 39. rechten Begrenzung der Fahrbahn haben auf den Köpfen
Weidenbüschel und heissen Mummen, die kahlen
Stangen der linken Begrenzung heissen Blossen. Im Strombett liegende
Hindernisse werden in gleicher Weise mittels Mummen und Blossen be-
zeichnet, je nachdem die stromabwärts gerichtete Fahrt links oder rechts
am Hindernis vorüberführt. Kritische Stellen werden am Ufer durch roth-
î^estrichene Holz ta fein, aufweichen mit weisser Farbe „Warnung fürSchifFer**^
geschrieben steht, auffällig gemacht.
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Schill barmachung von Flüssen und Stromregulirungen. loi
Beceichonn^ fester Strombauteu. Eine sinnreiche Vermalung der Buhnen
oder Parallelwerke kann durch die im Bilde 40 dargestellte bewegliche Bake
hergestellt werden.
Sie besteht aus einer Stange a b, welche, mit einem stärkeren Kopf
versehen, unten durch einen Schlitz des hölzernen Balkens с d gesteckt und
durch einen Bolzen, um den sie sich drehen
kann, befestigt ist. Durch das Gegengewicht а
wird die Stange in senkrechter Stellung erhalten.
Das untere Balkenende bewegt sich in einem
Bolzen des eisernen Schuhes d, welcher im
Parallelwerk eingelassen ist.
Der Balken nimmt je nach dem Wasser-
etande eine steilere oder flachere Höhenlage an
und die an seinem oberen Ende angebrachte
Stange steht immer senkrecht und legt sich йиг
zeitweilig um, wenn ein grösserer Körper da- Bild 40.
gegen treibt.
SigliaMieuste. Insbesondere wichtig ist die Vermalung und der Signal-
dienst in Stromengen, Felsenstrecken und Katarakten. Zum sorgfaltigen
Absuchen des Fahrwassers mit felsigem Grunde benützt man eigene Sondir-
zillen. An einer Seite einer starken breiten Zille wird ein eiserner Rahmen
angebracht, dessen senkrechte Streben auf die voraussichtliche Tiefe eingestellt
werden. Je nachdem der Rahmen beim Ueberscheeren den Felsboden oder
^мпе Kiesbank stärker oder schwächer berührt, giebt sich dieses durch einen
mehr oder weniger heftigen Stoss des Rahmens zu erkennen. Sondirrahmen
werden in entsprechender Weise auch zwischen die Bordseiten zweier Zillen
<:^ingehängt, wodurch sie breiter gehalten und grössere Flussbreiten absuchen
können. Bei grossen Stromschnellen ist zumeist vom Staate ein Signaldienst
eingerichtet, welcher das Begegnen von Schleppzugen in den schwierigen und
^ngen Durchfahrten regelt. Derartige Signaldienste bestehen auf der Donau
in der Stromenge des Struden, auf den Katarakten und dem Eisernen Thore,
am Rheine im Bingerloch und bei St. Goar.
Tiefenmessuugeu währeud der Ff4hrt. Ausser diesen geregelten Strom-
schaudiensten müssen bei abfallendem Wasser, insbesondere in der Thalfahrt
alle Stromseichten während der Fahrt genau untersucht werden, zu welchem
Zwecke mit Sondir Stangen ausgerüstete Matrosen am Buge des Dampfers
die Tiefen messen und dieselben dem Schiffsfuhrer, damit derselbe die Fahr-
richtung regle, zurufen.
Banmstocke. Eine wichtige Aufgabe des Wasserschaudienstes ist es, sich
mit der Reinigung des Strombettes von in der Sohle festsitzenden Baum-
stämmen zu befassen, welche, wenn sie gross, mittels Gangspillen an das
Ufer oder an eine höhere, ausserhalb der Fahrbahn liegende Sandbank auf-
gewunden, verschnitten und dann weggeführt, oder wenn sie handlicher sind,
in Zillen fortgeschafft werden.
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I02
I. Natürliche Wasserstrassen.
Ein solcher in der Fuhrt steckengebliebener Baunistock kann, wie dieses
Bild 41 veranschaulicht, schwere Havarien und oft gänzliches Sinken des
Dampfers oder der Schleppe herbeifahren, wenn er so tief liegt, dass er sich
an der Wasseroberfläche durch Wirbelbildungen „Breger" nicht kenntlich macht.
Bild 41. Getreideschlepp, durch einen Baumstock havarirt und gesunken.
Die Baumstämme fallen hauptsäch'lich durch den Abbruch der Ufer in
den Strom. Anfangs schwimmen sie, später saugt sich deren Holz an, das
spezifische Gewicht wird grösser und sie bleiben mit ihrer Wurzel an der
Sohle hängen, oder sie treiben bei Niederwasser an eine Sandbank, von
welcher sie bei höherem Wasserstande wieder in den Strom abgeschwemmt
werden. Man muss deshalb jeden auf einer Sandbank bei Niederwasser
wahrgenommenen Stamm sofort entfernen.
Bei Hochwasser treiben in der Donau und insbesondere in der Save
viele derartige Stöcke. Die im Flussgrunde nur lose hangenden Stöcke b
(Bild 42), deren Wipfel von der Strömung stromabwärts gerichtet sind, sind
Bild 42.
den bergfahrenden Danipfcranhängcn gefährlich, während die zu Thal fahren-
den über dieselben meist ohne Schaden zu nehmen hinQbergleiten. Die in
der Sohle tiefsteckenden a sind insbesondere den Thalfahrenden schädlich.
Die vom Bruchufer abgeschwemmten Bäume setzen sich oft in grösserer
Anzahl an und bilden dann ein vollständiges Wehr. In den Seitenarmen des
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Schi ff barmach ung von Flüssen und Stromregulirungcn.
103
Mündungsgebietes des Mississippi entstehen solcherart grosse, auf alten Baum-
stöcken ruhende Inseln und Ufer. Einige todte Arme des Mississippi sind
kilometerweit mit angeronnenen Baumstöcken bedeckt.
Uferreinigang. Zum Zwecke einer unbehinderten Schiffahrt müssen
ferner die im Thalwege liegenden groben Geröllstücke entfernt werden, zu
deren Hebung kleine Dampfkrahne in. Verwendung kommen. Eine gleiche
Aufmerksamkeit erfordert endlich die Untersuchung der mit Bruchsteinen
:Tp4v:çr3»-4fS3W^T53C?^
Bild 43.
regulirten Uferböschungen, von welchen bei höherem Wasserstande einzelne
Steine in die daneben gehende Fahrbahn rollen, wodurch die an der Böschung
landenden Schleppe beschädigt werden können.; Bei Verankerung oder
Heftung neben einer Uferböschung muss daher stets die grösste Vorsicht
walten und immer sorgfältig sondirt werden. (Bild 43.)
Baggerrechen. Eine auf der Donau eigenartige Einrichtung zur Erhal-
tung und Schaffung von bestimmten Fahrtiefen bei eintretendem Niederwasser
sind die Bagger ungen mittels der Rechendampfer.
Der Baggerrechen (Bild 44) ist ein der Egge gleichender dreieckiger, mit
schmiedeeisernen Zähnen versehener Eisenrahmen, welcher statt des Ankers am
Buge des Dampfers angebracht ist und mittels eines Dampfkrahnes auf die Fuhrt-
sohle niedergelassen und vom Dampfer durch dieselbe durchgezogen wird, um
deren Sohle aufzulockern. Das gelockerte Geschiebe wird zum Theile vom
Aufsatze des Baggerrechens, grösstentheils aber durch die Strömung in die
thalabwärts der Fuhrtschwelle liegende Bettvertiefung getragen. Nachdem der
Dampfer, langsam rückwärts fahrend, die Fuhrtschwelle durchgebaggert hat,
hebt er am Fuhrtende den Rechen, fährt in der ausgesteckten Baggerlinie
wieder stromaufwärts und beginnt das Spiel von Neuem.
In dieser Weise ist ein Dampfer von 400 ind. HP im Stande, wenn er
in der Stromrichtung arbeiten kann und die Strömung genügend stark ist,
innerhalb einiger Stunden die Fuhrtschwelle in doppelter Dampferbreite um
0,30 bis 0,40 m zu vertiefen. Eine schärfere Strömung bildet sodann in
kurzer Zeit diese vom Dampfer geschaffene Rinne zu einer genügend breiten
und tiefen Fahrbahn aus und es wird durch eine derartige Baggerung oft
das ganze Geschiebe in Bewegung gebracht und thalwärts, für die Schiffahrt
nicht mehr hinderlich, abgesetzt.
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I04
I. Natürliche Wasserstrassen.
Die Erhaltung und Schaffung von Fahrtiefen innerhalb bestimmter Grenzen
Hesse sich auch durch kräftige Dampf Strahlpumpen, welche den Dampf
auf die Ränder der Sandbank wirken lassen, erreichen. Die am Buge des
щлпппм
Bild 44. Bug eines Rechendampfers.
Dampfers auf die Sohle hinabreichenden Dampfrohre mussten beweglich sein
und in verschiedene Lagen gebracht werden können.
Alte Banwerke, Wracks. Ausser diesen beweglichen und örtlichen Hin-
dernissen leichterer Gattung sind auch noch die Ueberreste aufgelassener
Wehre, alter Bauwerke, gesunkener Schiffsmahlen und Wracks, der
Schifffahrt mehr oder weniger hinderlich, weil dieselben ähnlich wie Strom-
schnellen wirken und zu einer argen Verwilderung des Thalweges führen können.
Oberhalb eines solchen Hindernisses sind immer unregelmässige Fluss-
seichten, unterhalb derselben aber Wechselströmungen. Oft verursachen
sie Gabelungen des Stromstriches, in welchem Falle man auf keiner Seite ge-
nügende Fahrtiefen findet.
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IL Theü.
Künstliche Wasserstrassen.
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Stauanlagen und Kanalisirung. von Flüssen. 107
4. Abschnitt.
Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
Stauanlagen. Wahrend jene Flüsse und Ströme, die schon durch ihre
natürliche Verfassung eine Schiffbarkeit ermöglichen, als natürliche Wasser-
strassen bezeichnet werden, versteht man unter künstlichen Wasser-
strassen diejenigen Wasserläufe, welche nur mittels Bauwerken, Wehr
und Schleuse, schiffbar gemacht werden können, sowie die zum Zwecke
der Schiffahrt im Festlande künstlich geschaffenen Wasserbette. Erstere sind
die kanajisirten Flüsse, letztere die Schiffahrtskanäle.
Die zu kanalisirenden Flüsse erhalten die für die Schiffahrt erforderliche
Fahrtiefe und Fahrbreite durch Stauanlagen. Unter Stauanlage versteht
man ein in das Flussbett aus Holz, Stein oder Eisen quer zur Strömung ein-
gebautes, das Flussprofil einengendes Werk, durch welches oberhalb desselben
eine Erhöhung, Stauung des Wasserspiegels, eintritt.
Die Erhöhung über den ursprünglichen Wasserstand nennt man Stau-
höhe. Flussaufwärts eines Wehres, im Staue, tritt eine Verminderung der
Strömung ein, wodurch das Gefälle geringer als das ursprüngliche wird. Die
Entfernung vom Wehr flussaufwärts bis zu jener Stelle, wo diese Stauwirkung
nicht mehr wahrnehmbar ist, nennt man Stauweite. Der Uebergang vom
stärkeren, dem ursprünglichen Flussgefälle nahezu gleichen Gefälle, zum
schwächeren bis an das Wehr erfolgt stetig abnehmend, und zeigt der auf-
gestaute Wasserspiegel das Bild einer flussaufwärts ausbiegenden gekrümmten
Linie, die Staukrümmung. Durch den neben dem Wehr offen gelassenen
Flussquerschnitt strömt das Wasser mit grösserer Geschwindigkeit vom Ober-
wasser in das Unterwasser.
Feste Wehre. Ursprünglich benutzte man zur Hebung des Wasser-
spiegels einfache feste Wehre, welche schräg zum Stromstriche in das Fluss-
bett gelegt wurden und an einem Ufer oder in der Flussmitte eine schmale
Oeffnung zur Durchfahrt der Flösse und Schiffe erhielten.
Solange der Unterwasserspiegel einer derartigen Anlage die Krone des
Wehres überfliesst, nennt man letzteres Grundwehr. Liegt die Wehrkrone
höher als das Unterwasser, so wird es Ueberfallwehr genannt. Die nicht
überströmten Stauwerke liegen in der Regel senkrecht zum gestauten Wasser-
laufe und erheben sich oft zu einer ansehnlichen Höhe.
Die Grundwehre oder S tausch wellen sind zumeist einfache Bauten,
Pfahlreihen, welche eine nur massige Erhöhung des W^asserspiegels herbei-
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io8 И Künstliche Wasserstrassen.
fahren, ferner SteinwQrfe und Senkfaschinen, welche auch zur Sicherung der
Flusssöhle gegen Unterwaschung eingelegt werden.
Die Ueberfallwehre erfordern dagegen wegen des von ihnen aufzu-
nehmenden grösseren Wasserdruckes eine sorgfältige Ausführung. Sie werden
deshalb aus Spundwänden, starken Bohlen, aus Steinquadern, Beton und
Mauerwerk hergestellt, erhalten eine starke Fundirung und Widerlager. Sie
haben entweder einen senkrechten Wasserabfall, oder eine gegen das Unter-
wasser geneigte Abschusskrone oder aber einen gekrümmten Wehrrûcken.
Ein festes Wehr ist im Bilde 45 dargestellt. Das den Fluss seiner ganzen
Breite nach durchziehende, wohlgefügte Mauerwerk, der Wehrkörper, i^t
gegen Unterspülung fest fundirt. Seine höchste Stelle, die Krone, ist besonders
sorgfältig hergestellt. Die Krone theilt den Wehrkörper in zwei Theile, fluss-
aufwärts liegt der Vorboden, flussabwärts der Abfall boden. An letzteren
schliesst sich das Sturzbett an, welches die Sohle gegen die Stosskraft der
durch das Wehr erzeugten starken Strömung des Wassersturzes zu schützen hat.
Die festen Wehre sind der Abführung der Hochwasser nachtheilig.
Ferner wird durch sie die Flusssohle erhöht, weil durch die Vergrösserung
des Flussprofils und Verminderung
der Geschwindigkeit oberhalb des
Wehres vermehrte Geschiebeab-
lagerungen entstehen, welche im
Vereine mit dem Wehr den Abfluss
beschränken. Der Fluss muss nun,
um die ganze Wassermenge ab-
führen zu können, ein stärkeres Gefälle annehmen, wodurch der Stau weiter
aufwärts vergrössert wird. Im ruhig fliessenden Stauwasser lagern sich aber
alle SinkstofTe ab und stromabwärts der Ueberfallwehre wird bei starkem Wasser-
abflüsse die Sohle angegriffen, wodurch das Wehr, wenn das Sturzbett nicht
genügend widerstandsfähig gebaut ist, unterwaschen wird.
Bewegliche Wehre. Weil die festen Wehre die Verfassung des Flusses
benachtheiligen, den Abfluss der höheren Wasserstände behindern und dann
Ueberfluthungen herbeiführen, werden sie derart ausgeführt, dass sie bei Ein-
tritt höherer Wasserstände unwirksam gemacht werden können. Solche Bauten
heissen bewegliche Wehre und bilden in Verbindung mit den Schleusen
die Grundlage zur Kanalisirung der Flüsse.
Die beweglichen Stauwerke werden als Schleusenwehre oder als Nadel-
wehre angelegt. Bei den Schleusenwehren geschieht der Verschluss
mittels Schütze, welche sich entweder an Wehrwiderlager, oder an Zwischen-
pfeiler, oft auch an eingerammte hölzerne oder eiserne Ständer anlehnen. Sie
können ganz oder th eil weise geöffnet oder auch gänzlich entfernt werden.
In der Regel werden die Schütze aufgezogen, seltener wie Drehthore oder
Klappthore verwendet, oder eingelegt. Bei den Nadelwehren wird die
Stau wand durch im Flussgerinne senkrecht stehende, dicht aneinander gereihte
Stangen, Nadeln, hergestellt.
Jedes bewegliche Wehr muss bei Hochwasser und Eisgang die noth-
wendige Durchflussöffnung schnell und verlässlich frei geben. Die festen
Bild 45. Festes Wehr.
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
109
Theile müssen so angeordnet sein, dass sie eine Verengung des Querprofiles
in keinem nennenswerthen Ausmasse herbeiführen. Wenn zur Wehranlage
eine Ueberbrückung gehört, so muss diese über dem höchsten Hochwasser-
stande liegen und darf die Schiffahrt nicht hindern. Dieselben Anforderungen
sind in Bezug auf alle Theile des Wehres zu stellen, die an dieser Brücke
befestigt sind und hochgezogen werden. Hinter den beweglichen Theilen sollen
im aufgerichteten Zustande keine grossen Geschiebeablagerungen stattfinden,
damit gefährliche Verzögerungen bei deren Oeffnung vermieden werden. Die
auf die Sohle umgelegten Wehrtheile dürfen die feste Wehrkrone nicht über-
ragen, damit sie die Schiffsdurchfahrt nicht behindern. Dieselben müssen
ferner im niedergelegten Zustande so lagern, dass sich wahrend des Hoch-
wassers auf oder zwischen ihnen nicht zu viel Schlamm absetze, weil sonst
die zu deren Aufhube nöthige Kraft so gross wird, dass sie durch einfache
Winden nicht mehr geleistet werden kann. Das Stauwerk soll endlich einen
festen und möglichst dichten Verschluss gewähren, denn in den Sommer-
monaten ist die Wassermenge mancher Flüsse oft so gering, dass jeder zweck-
lose Abfluss einen Wasserverlust bedeutet und einen ungünstigen Einfluss auf
die Schiffahrt hervorrufen kann. Je dichter also ein Wehr schliesst, und je
einfacher seine Anlage und Bedienung ist, um so besser eignet es sich zur
Flusskanalisirung.
Flossdurehla^s, Flössereianla^en. Die ursprünglichste Art zwischen zwei
aufgestauten Wasserläufen den Verkehr eines Schiffes zu vermitteln, besteht
darin, dasselbe auf einen zwischen den Wassergängen geneigt gestellten höl-
zernen Boden trocken aufzuziehen. Diese alte Befördeningsweise im Floss-
durchlasse ist umständlich und nur für ganz kleine Kähne geeignet.
d?ß^,
ЗМЛг
Bild 46. Durchlass mit Abschussboden.
Jeder Flossdurchlass (Bild 46) besteht aus einem in das Wehr der Breite des
Flosses entsprechend gemachten Einschnitte, dessen Boden b je nach der zur
Verfügung stehenden Wassermenge eine bestimmte Neigung bekommt. Am
höchsten Punkte des Durchlasses ist gewöhnlich ein Schütz, Balken- oder
Nadelwehr zur Erzielung der Wasseranschwellung im Oberwasser. Einen
Schützabschluss zeigt Bild 47.
Nach Oeffnung der Schütze oder Entfernung der Balken oder Nadeln
entsteht eine lebhafte Strömung aus dem Oberwasser in das Unterwasser,
welche der Flösser zur Durchführung seines Flosses um so geschickter aus-
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no
II. Künstliche Wasserstrassen.
nützen muss, wenn er dem in das Unterwasser eintauchenden Flosse, wie
solches oft der Fall ist, unterhalb des Durchlasses eine andere Fahr-
richtung zu geben gezwungen ist.
Flossgassen werden nur an jenen Stellen eines Wasserlaufes angelegt,
an welchen stärkere Aufstauungen, etwa zur Gewinnung von Wasserkräften
für Holzsägen und andere industrielle Zwecke, nothwendig sind. Bei ge-
ringem Höhenunterschiede zwischen Oberwasser und Unterwasser können die
Flösse auch über die Wehre unmittelbar hin wegfahren. Die Einfahrt in die
Flossgasse legt man womöglich in die Richtung
des Stromstriches.
Je nach ihrer Bauart werden die Anlagen
Wasserstuben oder Klausen genannt.
Erstere bestehen aus abnehmbaren Holz-
wänden von geringer Höhe, in deren Mitte
die mit der Schütze \'erschliessbare Floss-
gasse ausgenommen ist. Letztere bilden ein
festes Bauwerk, welches mit Dämmen und
Mauern abgeschlossen ist und in dem ver-
schiedene Öffnungen angebracht sind, die
durch Schütze oder durch sich um senkrechte
Achsen drehbare Schlagthore abgeschlossen
werden.
Mit den Flossdurchlässen im Zusammen-
hange sind in der Regel noch die Trift-
anlagen zum Triften und Landen des Holzes
angebracht. Damit das mit der Strömung
treibende Triftholz immer im Triftwege bleibe
und nicht in Werkkanäle oder Seitenarme eintreibe, werden letztere durch Trift-
rechen abgesperrt, welche aus Rundhölzern, Spindeln, bestehen, die in Ab-
ständen von etwa 0,30 m in die Sohle gerammt werden und so eine Rechen-
wand bilden. Durch die Zwischenräume der senkrecht stehenden Rechen-
nölzer fliesst das Wasser ab, während das Triftholz und das Geäste am
Rechen hängen bleibt. Zur Führung, zum Anlanden und Auffangen der
schwimmenden Bäume dienen die Leit- und Fangrechen, welche eine den
Triftrechen ähnliche Bauanlage darstellen. Vor dem Fangrechen lässt man
gewöhnlich die Baumstämme sich ansammeln und leitet sie dann auf einmal
durch den hinter dem Rechen angelegten Triftkanal zum Holzhofe.
Bild 47. Schützabschluss.
Schiffbare Stauschlense, SchiffsdurcUass. So wie die Flösse, lässt man
auch Schiffe aus oberhalb der Stauwerke aufgespeichertem Wasser mittels
einer plötzlich freigegebenen Strömung durch Schiffs durchlasse von einem
Stau zum anderen fahren. Man nennt dieses die Schiffahrt mit Schwel-
lungen. Dieselbe erfolgt, weil zur Aufstauung des Wasserspiegels immer
eine gewisse Zeit nothwendig ist, nur zu bestimmten, im Voraus bekannt ge-
gebenen Tagesstunden.
Der Flossdurchgang und die Schiffahrt mit Schwellungen spielt sich fast
nur zu Thal ab, weil der Bergschiffzug, wenn es sich dabei auch nur um
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
III
Bild 48. Stauschleuse.
ganz leicht gebaute und meist leere Schiffe handelt, grossen Schwierigkeiten
begegnet.
Die Anlage eines Schiffsdurchlasses ist, je nachdem er in Wasserläufen
mit schwachem oder mit stärkerem Gefälle stattfindet, verschieden. Der ur-
sprüngliche Bestandtheil einer Stauschleuse (Bild 48) ist ein in Angeln sich
bewegender Thorrahmen, der aus drei Ständern, zwei Querriegcln und einem
Querverbande besteht. Dieser Rahmen legt sich gegen eine Sohlenschwelle
oder einen Drehbalken, welcher dann gleichzeitig als Steg dient. Die durch
die Querbalken und Ständer gebildeten Oeffnungen werden mittels einzu-
setzender Schützbretter abgeschlossen. Die Schleusung findet derart statt,
dass der Schleusenwärter so viele Bretter aus ihren Oeffnungen herauszieht,
bis er den leeren Thorrahmen im Wasser zur Seite zu drehen im Stande ist.
Das Schiff fährt nun mit oder gegen den Strom durch, worauf das Thor
wieder zugedreht und die Schutzbretter eingelegt werden.
Die schiffbare Stauschleuse in ebener Gegend erzeugt einen Stau
von nur geringer Höhe über der
Sohle des Unterwassers und es
schliessen sich an die Schwelle
wagerechte Böden an. In
hügeliger Gegend liegt der Stau
höher über der Sohle des Unter-
wassers und es ist ein Abschuss-
boden nothwendig. Die Durch-
lässe werden, weil es unvermeidlich ist, dass Schiffe wahrend ihrer Durchfahrt
an dieselben anprallen, mit Holz verkleidet oder aus Bohlenwänden hergestellt.
Die Schiffahrt über eine Stauschleuse erfordert eine gewisse Ge-
schicklichkeit. Das Wasser nimmt nämlich bei seinem Uebersturze über die-
selbe eine stark abwärts gerichtete Bewegung an, welche sich soweit fortsetzt,
bis das Oberwasser die Höhe des Unterwasserspiegels erreicht hat. Hierdurch
bilden sich Senkungen im Wasserspiegel, in welchen das Unterwasser in ent-
gegengesetzter Richtung zur Stau Vorrichtung zurückströmt. Dieser Gegen-
strom geht bis nahe zur Stauschleuse und hört dort auf, wo sein Gefälle
nahezu Null und durch die Reibung der Wasserth eilchen seine Geschwindig-
keit aufgehoben wird. Hinter ihm folgen in gleicher Weise immer neue
Wassermassen. Der Hauptstrom zeigt eine spiegelglatte Oberfläche, der
Gegenstrom dagegen ist durch zahllose Wellen gekräuselt, welche die Rich-
tung seiner Bewegung erkennen lassen. Die Grenze beider Strömungen
kennzeichnet sich durch ein starkes Aufschäumen. Die herabfahrenden Schiffe
werden von dieser Gegenströmung, wenn sie nicht stark beladen sind, also
eine genügend grosse Masse haben, in ihrer Bewegung plötzlich aufgehalten
und können dadurch, wenn sie nicht entsprechend ,, vorgesteuert'* werden, vom
Gegenstrom in eine nicht beabsichtigte schädliche Fahrrichtung getrieben
werden.
Bei den um vieles längeren Schiffsdurchlässen erhält das Gefälle durch
das langgestreckte künstliche Gerinne eine grössere Ausdehnung, daher der
Staustrom flacher ist. Er übt deshalb auf das von ihm getroffene Unter-
wasser nur einen Druck aus, wodurch sich einige hohe, aufstehende Wellen
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J 12
Л. Künstliche Wasserstrassen.
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bilden, welche das durchfahrende Schiff
zwar in der Bewegung einen Augen-
blick auch merklich, jedoch in seiner
Fahrrichtung weniger hemmen, als der
Gegenstrom unterhalb einer Stauschleuse.
Tranuschiffahrt. Eine mittels Schwel-
lungen ausgeübte Schiffahrt besteht heute
noch auf der Traun, welche zu diesem
Zwecke bei Gmunden vom Traunsee,
gegen den sie mit Stauwerken abge-
schlossen ist, das nöthige Schwell-
wasser bekommt.
Die Traunschiffahrt vermittelt die
Salzbeförderung aus dem Salzkammer-
gute zur Donau. Die den Fluss be-
fahrenden Traun er haben meist 28 m
Länge, 5,30 m Breite und tauchen be-
laden 0,60 m.
Den Thaltrieb im Traunflusse er-
höhen die Schiffer dadurch, dass sie
das Schiff mittels langer starker Rund-
hölzer, Schorrbäume, in der Strom-
richtung weiterstossen und dadurch
gleichzeitig die gewünschte Steuer-
richtung zum Einfahren in die SchifTs-
durchlässe erzielen. Die Wirkung des
Schorrens ist eine sehr kräftige und
erfordert eine besondere Geschicklich-
keit des Schiffers. Das untere Schorr-
baumende wird in der Fahrrichtüng
nach vorne zu und nach derjenigen Bord-
seite in den Flussgrund gestossen, von
wo man das Schiff ablenken will. Der
obere Theil des Schorrbaumes ist mit
einem losen Tau, der Schorrbaumbremse,
an den Büffeln des Schiffes, Inn-
hölzern, in der Weise verbunden, dass
drei Tauwindungen um den Baum ge-
schlagen sind, während die letzte
Windung vom Schiffer zum Nachhängen
und Einholen der Bremse festgehalten
wird. Wird der Schorrbaum in der
Fahrrichtung in den Grund gestossen^
so stellt er sich senkrecht, das Schiff
fährt ihn an und wird von ihm abge-
stossen. Nun wird der Baum rasch aus
den losen Tauwindungen gezogen und
das Spiel beginnt von Neuem.
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen. 113
Der längste Schiffsdurchlass der Traun liegt neben dem Traunfalle. Bei
einem Gefälle von 15 m hat er eine Länge von 425 m. Im Bilde 49 ist diese
Stauanlage mit dem Schiffsdurchlasse dargestellt. Der von dem das Flussbett
überquerenden Felsengehächel gebildete Stau wird durch die zwischen und
an den Felsblöcken sich anstützenden Wehrwände vergrössert. Bei D be-
findet sich eine durch ein Schütz abschliessbare Stauschleuse, welche zur Ab-
führung höherer Fluthwellen dient. A bildet die Einfahrt des Schiffsdurch-
lasses, daneben laufen Mühlengerinne, deren Wasser zwei Mühlen antreiben.
Die obere Breite des Schiffs durchlasses beträgt 9,00 m, von da bis zum
Schütz C, mit welchem der Durchlass abgeschlossen wird, 6,00 m und bis
zur Ausfahrt in das Unterwasser 7,00 m. Das Schliessen und Oeffnen des
Durchlasses geschieht durch Aufwinden des Schützes.
Zu Thal durchfahren die Schiffe diesen Durchlass mit einer Geschwindig-
keit von 7,00 m in der Sekunde. Während der Durchfahrt entzieht das
Schiff der Rinne das Wasser vollständig, weshalb diese hinter dem Schiff
trocken erscheint und sich erst durch die nachkommende hohe Fluthwelle
wieder füllt. Die vom Druck des Schiffes erzeugte Stauwelle vor dem Schiffe
erreicht eine Höhe von 1,00 ra. Wahrend des Herabfahrens gleitet das Schiff
in der schmalen Holzrinne ganz sicher, bei der Ausfahrt in das Unterwasser
muss es aber mit grosser Geschicklichkeit in dem hier schäumenden und wir-
belnden Fahrwasser von dem rechts liegenden Felsen weggesteuert werden.
Steeknitzfahrt. Auch auf der Stecknitz und auf der durch den Stecknitz-
kanal mit ihr in Verbindung stehenden Delvenau wurde in dieser Weise die
Schiffahrt ausgeübt. Im Ganzen wurden 13 schiffbare Stauschleusen, darunter
einige bis zu a,oo m Gefälle, überfahren. Die Stecknitzfahrt, welche durch
die Erbauung des Elbe-Trave-Kanals im Jahre 1896 ihr Ende erreichte, ging
aus der Trave die Stecknitz hinauf in den Möllnsee und durch die kleine
Delvenau bis zur Elbe. Mit dem Bau dieses ältesten künstlichen Wasser-
laufes Europas wurde 1390 auf Anregung der Hansastadt Lübeck, welche eine
vom Sund und Belt unabhängige Binnenverbindung zwischen der Ost- und
Nordsee wollte, begonnen.
KammerscMeuse. Alle Schiffsdurchlässe bilden nur ein sehr unvollkommenes
Mittel zur Ueberwindung stärkerer Gefälle, verursachen einen grossen Wasser-
verbrauch und bereiten, wie schon erwähnt, der Schiffahrt, besonders während
des Gegenzuges, Erschwernisse.
Selbst die Schiffbarkeit der mit der See in Verbindung gebrachten
Deichschleuseu ist nur auf den Zeitraum beschränkt, während dessen
das Binnenwasser und das der Ebbe und Fluth unterworfene Aussenwasser
nahezu gleiche Höhe haben.
Erst durch die Erfindung der Kammerschleuse, welche es ermöglicht,
Schiffe in einfacher Weise von einer höheren Wasserhaltung in eine tiefere
zu senken oder zu heben, wurden alle diese Mängel beseitigt. Dieselbe soll
in Europa zuerst in Italien von Leonardo da Vinci und als Deichschleuse
zu gleicher Zeit in den Niederlanden ausgeführt worden sein.
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 8
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"4
П. Künstliche Wassersirassen.
Die Kammerschleuse bildet ein Bauwerk, welches zwei Wasser-
flächen von verschiedener Höh« durch eine verschliessbare Oeffnung Ver-
bindet. Sie vereinigt daher das Gefälle der Kanäle oder Flösse an bestimmten
Stellen. Bei ersteren für sich allein, bei letzteren im Verein mit den Wehren.
Bei den Kanälen wird durch die Schleusen das vorhandene Wasser so
über das natürliche Kanalsohlengefälle vertheilt, dass es in einzelnen nahezu
wagerechten Haltungen eingeschlossen ist. Bei den Flusskanalisirungen
machen die Schleusen dagegen die durch die Wehranlagen geschaflenen
Staustellen für die Schifte durchfahrbar und unterstützen dabei den Wasser-
aufstau. In beiden Fällen ist die Anordnung der Schleuse die gleiche.
Die Kammerschleuse kann man sich dadurch entstanden denken, dass
man einen Schiffsdurchlass kurz oberhalb einer gewöhnlichen schiffbaren
Stauschleuse' anbringt, die Schützen letzterer entsprechend erhöht und den
zwischen den beiden Verschlüssen liegenden Raum durch senkrechte Wände
zii einer Kammer abschliesst.
'^^.eA^UUA.ffJ^
Hfn^ei^KoiAtvb
Bild 50. Kammerschleuse.
Die ursprünglichen Verschluss Vorrichtungen waren auch einfache Schütz-
tafeln, welche so hoch gehoben wurden, dass unter ihnen die Schiffe in die
Kammer aus- und einfahren konnten. Das Füllen und Entleeren der Kammer
zum Heben und Senken der Schiffe vollzog sich durch ein geringes Heben
der Tafeln. An Stelle der Schütze wurden späterhin einflügelige Drehthore,
welche zum Füllen und Entleeren der Kammer verschliessbare Oeffnungen
hatten, verwendet. Die einflügeligen Thore wurden schliesslich durch Doppel-
thore, deren Flügel im Grundrisse einen stumpfen Winkel bilden, ersetzt.
An jeder Schleuse (Bild 50) unterscheidet man:
Die Thore а a, welche, wenn geschlossen, sich mit ihren Unterkanten
gegen die Drempel b b anlehnen,, wenn offen, in den Thornischen с с
liegen, die zu beiden Seiten die Thorkammer d begrenzen. Zwischem dem
Drempel des oberen Thores und der Thorkammer des unteren Thores liegt
die Kammer. Den oberhalb derselben liegenden Theil nennt man Ober-
haupt, den unterhalb liegenden Unterhaupt.
Jenen Schleusen, welche in einen Strom mit stark veränderlichen War%ser-
höhen oder in die See münden, giebt man zum Schutze gegen das Hochwasser
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Stauanlagen und Kaitalisirung von Flüssen. 115
oder die Fluth in der Fortsetzung des Schleusenunterhauptes ein drittes Tbor,
das Fluththor, dessen Flügel gegen die MOndungsseite liegen.
Die Anordnung der Schleusenkammern, die Bauart der Thore ist je
nach der örtlichen Lage und der Grösse des anzulegenden Schiffahrtskanales
oder der Art der Flusskanalisirung verschieden. Im Bau derselben ist in
neuester Zeit ein grosser technischer Fortschritt bemerkbar. Insbesondere
«ind die mechanischen Einrichtungen zum Oeffnen der Thore, die Umläufe
zum Folien und Entleeren der Schleusenkammern sinnreiche Anordnungen.
ScldffecUeilsimg. Die Durchschleusung eines Schiffes geschieht in
folgender Weise:
Soll ein Schiff die aufgestaute Wasserhöhe überwinden, geschleust
werden, so wird das Thor am Oberhaupte geschlossen und jenes am Unter-
haupte geöffnet, wodurch sich in der Kammer der Wasserspiegel in kurzer
Zeit auf gleiche Höhe mit dem Unterwasser der Fluss- oder Kanalhaltung
stellt. Das Schiff wird in die Kammer gezogen und dann das Thor am
Unterhaupte geschlossen. Nun lässt man aus der oberen Staustrecke der
Haltung in die geschlossene Kammer mittels der in den Schleusenmauern ge-
bauten Umläufe so lange Wasser einfliessen, bis der Wasserspiegel in der
Kammer die Höhe der oberen Fluss- oder Kanalhaltung erreicht una man
durch das obere nun zu öffnende Thor in diese einfahren kann.
Bei der Durchschleusung aus der oberen in die untere Haltung wird
der umgekehrte Vorgang eingeschlagen ; das untere Thor zuerst abgeschlossen,
dann das obere geöffnet. Das Oberwasser strömt in die Kammer bis auf die
gleiche Spiegelhöhe mit der oberen Haltung, das Schiff fährt in dieselbe ein,
dann wird das obere Thor geschlossen und nun aus der Kammer durch die
Umläufe das Wasser solange in die untere Haltung ausgelassen, bis der
Kammerwasserstand auf die Spiegelhöhe der unteren Haltung gesunken ist.
Nach Oeffnung des unteren Thores fährt sodann das Schiff in die letztere ein.
Kanalisiruilg von Flüssen. Wenn die Wassermenge eines Flusses bei
niederem Wasserstande zu gering ist, um ihn mittels der im I. Theile beschriebenen
Regulirungsarbeiten der Schiffahrt dienstbar machen zu können, so schreitet
man zu seiner Kanalisirung. Derselben hat immer die Beseitigung der
Unregelmässigkeiten des Flusslaufes voranzugehen. Der Fluss muss einheitlich
gestaltet, seine Krümmungen müssen entsprechend regulirt und die Ufer be-
festigt werden.
Die Kanalisirung selbst erfolgt dann in der Weise, dass durch Einbau
von zumeist beweglichen Wehren möglichst lange Flussstrecken aufgestaut,
Haltungen geschaffen, und diese mittels Kammerschleusen mit ein-
ander verbunden werden (siehe Längenprofil Seite 128). Die einzelnen
Haltungen haben ein nur geringes Gefälle und eine massige Strömung.
Oberhalb der Wehre, wo die Aufstauung am grössten ist, ist das Gefälle am
kleinsten und vergrössert sich allmählig mit der Abnahme der Stautiefe nach
oben. Wenn die Wehre zum Abflüsse höherer Wasserstände zum Theile geöffnet
werden, so vermindert sich . die Höhe des Stauwassers und es tritt in der
Haltung eine stärkere Strömung ein, werden sie aber bei Hochwasser
8*
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ÏI6
п. Künstliche Wasserstrassen.
völlig geöffnet oder entfernt, so kommt das ursprüngliche Gefälle des frei-
fliessenden Flusses wieder zur Geltung.
Bei grösserem Flussquerschnitte schafft man in den Wehren bestimmte
OeflFnungen, welche als freie Schiffsdurchfahrt bei höheren Wasserstände»
benutzt werden, wodurch den Schiflfen zeitweilig die mit der Durchschleusung^
verbundenen Aufenthalte erspart werden. In der Regel vermitteln jedoch nur
die Schleusen den Verkehr der Schiffe über die einzelnen Staustufen.
Feste und bewegliche Kanalisiruugsanlagen. Das Stammland der Fluss-
kanalisirungen ist Frankreich, dessen Flüsse wegen ihres Geländes, ihres-
grösseren Gefälles und Geschiebes, wegen ihrer starken Hochwässer und-
lange andauernden niederen Wasserstände durch Kanalisirung in besonders
vortheilhafter Weise schiffbar gemacht werden konnten. Ermöglicht wurden
dieselben durch das dort von Poirée erfundene Nadelwehr, mit welchem maiï
die grösseren Flussgefälle in einfacher Art überwinden konnte.
Das Nadelwehr wird auch heute noch wegen seiner Einfachheit und
Billigkeit den übrigen beweglichen Stauanlagen vorgezogen. Allerdings haben
die Nadelwehre den Nachtheil, dass sie bei Eintritt von Frostwetter rascb
entfernt werden müssen, weil sonst die Nadeln leicht zusammenfrieren. Ferner
beansprucht das Herausnehmen und das Einlegen der Nadeln mehr Zeit, als-
das Oeffnen und Schliessen von Schützen oder das Umlegen und Aufrichten
von Verschlussklappen; endlich ist deren Abdichtung nicht vollkommen.
Feste Wehre wendet man dagegen bei Kanalisirungen nur in verein-
zelten Fällen, in tief eingeschnittenen Flussbetten an, wie beispielsweise an
der Lahn und an der ersten Staustufe der Fulda. Fast immer wird das Wehr
seiner ganzen Länge nach beweglich eingerichtet, damit es leicht entfernt
werden könne und dann bei Hoch-
wasser das Durchflussprofil nur in
ganz geringem Masse einschränke und
die Durchfahrt der Schiffe gestatte.
Der tiefer eingeschnittene Theil
des Wehres bildet den Schiffsdurcli-
lass, welcher neben der Schleuse in
der Richtung des Stromstriches gelegt
und bei höheren Wasserständen oder
bei Ausbesserung der Schleuse für
den Schiffsverkehr geöffnet wird. Die
übrigen Theile des Wehrs, das Flu th-
gerinne, haben einen etwas höheren
Rücken.
Die Länge des Wehrs ergiebt sich
aus der durchfliessenden Hochwasser-
menge. Bei grösserer Flussbreite
werden die beweglichen Wehranlagen
zwischen starken Zwischenpfeilern in
Bild 51.
Feste Wehranlage im Templeflusse.
(M. = 1 : 5000)
Längen von je 50 bis 100 m Weite ausgeführt.
Eine feste Kanalisirungsanlage zeigt
Bild 63, Seite 126.
Bild 51, eine bewegliche
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
117
Nadelwehre. Das erste Nadelwehr wurde im Jahre 1837 bei Epineau in
der Yonne, anschliessend an ein steinernes Wehr, errichtet.
Bei jedem Nadelwehr werden die eisernen o.der hölzernen Nadeln in be-
liebiger Zahl eingesetzt oder weggenommen. Die zum Stützen derselben be-
stimmten Rahmen sind derart gebaut, dass sie in Theilen beseitigt oder auf
die Flusssohle niedergelegt werden können. Letztere Anordnung ist die
gebräuchlichste.
Zuweilen werden die Nadelwehre an eine Flussbrücke angelehnt. Der
die Nadeln aufnehmende Balken ruht dann mit seinen Enden an den Brücken-
pfeilern und wird in einem Zahngestänge mittels einer am Brückengeländer
angebrachten Aufziehvorrichtung in die Höhe gehoben, wodurch die Nadeln
ihre Unterstützung verlieren, herausfallen und das Wehr öffnen. Damit die
Nadeln nicht fortschwimmen, sind sie entsprechend vertaut.
Bild 52 veranschaulicht die gewöhnliche Form eines Nadelwehres in der
^uer- und Vorderansicht. Das Umlegen der Rahmen ist schematisch darge-
stellt. Die Nadeln A lehnen an eisernen Rahmen B, welche, um eine
Bild 52. Nadelwehr.
wagcrechte Achse С drehbar, auf die Flusssohle niedergelegt werden. Die
einzelnen Rahmen sind durch eiserne Stangen in senkrechter Stellung von-
einander gehalten. Je zwei Rahmen bilden einen Nadel wehrbock. Sind
die Rahmen niedergelegt, so lagern sie derart in einer Vertiefung der Sohle,
dass sie über letztere nicht herausragen. Die Nadeln stützen sich mit ihrem
unteren Ende gegen den Vorsprung D im Wehrboden, mit dem oberen gegen
die Nadellehne E, auch Holm genannt. Die Länge der eisernen Holme ist
gleich der Entfernung der einzelnen Böcke von einander. Als untere An-
lehnung für die Nadeln werden auch in der Sohle angebrachte Langschwellen
verwendet, welche durch Querschwellen in der für die Rahmen passenden
Entfernung gehalten werden.
Nachdem die Nadeln nur an ihren Endpunkten oben und unten unter-
stützt sind, müssen sie so stark sein, dass sie freitragend dem Wasserdrucke
widerstehen können. Anderseits dürfen sie, damit sie im Bedarfsfalle rasch
entfernt werden können, nicht zu lang und zu schwer gemacht werden.
Die Nadeln werden auch in Bohlen gesteckt. Vor den angelehnten Nadeln
stecken dann Bolzen. Will man das Wehr öffnen, so wird der Bolzen aus
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II. Künstliche Wasserstrassen.
seiner Bohle herausgezogen und letztere mit einer Hebelbarre soweit ver-
schoben, bis die darin befindliche Nadel ihre obere Stütze verliert und hei-
ausfällt.
Bild 53. Aufstellen des Moldauwehres bei Klecan.
Eine einfache Anordnung zum raschen Entfernen der Nadeln bildet die am
Seinewehr bei Port à l'Anglais und bei den Oderwehren bestehende
Bild 54. Wehranlage an der Moldau bei Klecan.
Vorrichtung. Jede Nadel ist dort mit einem Hacken versehen, an dem sie, wenn
emporgehoben, um eine oben am Rahmen angebrachte runde Stange frei
schwingt. Das Aufziehen der Nadeln erfolgt dann in der Weise, dass ein
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Stauanlagen und Kanallsirung von Flüssen.
119
oder zwei geübte Arbeiter über den Nadelwehrsteg schreiten und jede Nadel
so hoch heben bis sie ihre untere Stütze gegen die Wehrkrone verliert und
nun am Hacken frei hängt. Wenn die ganze Stauwand ausgehoben ist, findet
die Bergung der Nadeln auf einmal statt. Bei Port à TAnglais läuft zu diesem
Zwecke auf einem Geleise der Wehrbrücke ein Wagen, welcher die Nadeln
rasch aufnimmt und in einen Schuppen befördert. Das Herausnehmen und
Wegführen von 100 Nadeln von 3,50 m Länge erfordert dort eine Stunde.
Man hat auch Vorrichtungen, mittels welcher man ganze Bündel von Nadeln
auf einmal entfernen kann; in diesem Falle sind sie, damit sie nicht verloren
gehen, untereinander mit einer Kette verbunden.
Das Niederlegen und Aufstellen des Wehres findet fachweise statt. Die
einzelnen Wehrrahmen sind, mit Ketten so verbunden, dass von jedem stehen-
den der Nachbarrahmen niedergesenkt oder aufgezogen werden kann. Diese
Handhabungen können auch vom Ufer aus mittels eines Windewerkes
geschehen. Die Rahmen tragen dann Ringe, in welchen Rollen angebracht
sind, über welche eine fortlaufende Kette geht. Wird die Kette am Ufer
Bild 55. Umgelegtes Nadel- und Klappenvvehr.
aufgewunden, so stellt sich ein Rahmen nach dem andern auf und in umge-
kehrter Ordnung werden sie durch Nachhängen der Kette wieder niedergelegt.
Das Beseitigen der Nadeln und das Umlegen der Böcke und des Be-
dienungssteges auf die Flusssohle ist im Allgemeinen eine einfache Hand-
habung. Die Wiederaufrichtung erfordert jedoch schon mehr Zeit und erfolgt
in umgekehrter Reihenfolge durch Aufziehen und Feststellen der Böcke und der
Bedienungsbrücke sowie durch Aufstellen der Nadeln. Letzteres geschieht nicht auf
einmal, sondern man lässt, um keine grössere Stauhöhe als unbedingt erfor-
derlich ist zu erzeugen, Oeffnungen in der Wand frei, die dann späterhin bei
fallendem Wasser allmählig geschlossen werden. Das Aufbringen der Nadeln
ist mit Schwierigkeiten verbunden und wegen der heftigen Gewalt des
strömenden Wassers nicht gefahrlos. Die Nadeln werden einzeln nach vor-
wärts in das Oberwasser gestossen, wobei deren untere Enden von der
Strömung abwärts getragen von selbst in den Vorsprung der Wehrkrone einfallen.
Damit die Nadeln dicht aneinander schliessen, erhalten sie einen entsprechen-
den Querschnitt und werden zuweilen noch mit Gununiwülsten oder Leder ab-
gedichtet.
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I20
II Künstliche Wasserstrassen.
Bild 53 veranschaulicht das Aufstellen und das Zusammenfügen einer
Wehranlage und Bild 54 das in Wirksamkeit befindliche Wehr. Im Bilde 55
ist eine niedergelegte Wehranlage dargestellt. Bei dieser Anordnung
ist flussabwarts vom Nadelwehr noch ein Klappenwehr angebracht.
Klappenwehre. Ausser den Nadelwehren sind bei Flusskanalisirungen
noch in Verwendung die Klappenwehre, bei welchen die Stauwand mit,
um eine wagerechte Achse drehbaren eisernen oder hölzernen Klappen, welche
auf den Wehrrücken aufgestellt und niedergelassen werden, hergestellt wird;
ferner die Schutzwehre, bei welchen der Stau durch aufziehbare Roll-
tafeln oder Schutze erzeugt wird.
Bei jedem Klappenwehr werden auf dem im Flussbett in massiger Höhe
liegenden festen Wehrrücken die auf ihm angebrachten Klappen, zumeist
hölzerne Tafeln, lothrecht oder
geneigt aufgestellt und stauen
dadurch das Wasser auf. Zur
Zeit hoher Anschwellungen
werden sie am Wehr nieder-
gelegt. Im aufgerichteten Zu-
stande sind die Klappen mittels
an ihren oberen Kanten be-
festigten Streben gegen den
Wasserdruck gehalten. Die
eisernen Streben stützen
sich in im Wehrrücken
angebrachten Eisen -
schuhen. Sobald man die
Strebe seitwärts aus dem
Schuh zieht, legt der
Wasserdruck die Klappe
nieder. Die Abstützung
der Streben wird auch
dadurch aufgehoben, dass
alle Schuhe mittels einer
vom Ufer aus bewegten
Zahnstange verschoben werden, wobei eine Klappe nach der anderen niederfällt.
Um das Aufrichten der Klappen gegen den Wasserdruck leichter zu
bewerkstelligen, sind vor denselben zuweilen Gegenklappen angebracht, die
stromaufwärts niedergelegt werden. Eine derartige Anlage ist das im Bilde 56
gezeichnete, von Thénard und M es nag er auf dem Isleflusse gebaute
Dopp elk lap pen wehr.
Die flussabwarts stehenden Klappen a werden von den Streben b, die
vor diesen flussaufwärts stehenden Gegenklappen von Ketten gehalten.
Bei mittlerem Wasser sind letztere gewöhnlich niedergelegt und an
ihrem Kopfe befestigt. Bei zunehmendem Wasserstande wird diese Befestigung
ausgelöst und jede Gegenklappe wird vom Strome soweit aufgerichtet,
als es die Kettenlänge gestattet. Die Gegenklappen stauen nun das Wasser
Bild 56. Doppelklappenwehr.
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
121
auf und diese Zeit benutzt man, um auf den hinter ihnen noch trocken Hegen-
den Wehrrücken die Klappen a aufzustellen. Hat nun der Stau die Ränder
dieser Hauptklappen erreicht, so hört der Wasserdruck auf die Gegenklappen
auf, dieselben werden wieder niedergestossen und in ihren Fe^rhacken fest-
geklappt. Юарреп und Gegenklappen werden auch in geneigter Richtung
zu einander stehend angeordnet.
ScliwimiDerklappeu. Die Klappen auf Ueberfallwehren werden auch so
eingerichtet, dass sie sich durch den Wasserdruck von selbst aufrichten und
niederlegen. Diese Anlagen nennt man selbstwirkende Wehre. Sie
werden besonders bei Speisebecken <<t#.*t^4«)o^*«,
von Kanälen und für Bewässerungs-
anlagen verwendet. Für die Schiffahrt
entsprechen sie weniger, weil sie die
Oeffnung nicht vollständig freigeben.
Im Bilde 57 ist ein selbstwirkendes
Wehr dargestellt. Die Klappe ist
mit dem Drehpunkte P an einem
Schwimmer befestigt, welcher sich
wieder selbstständig um den Punkt D .-•; ;.>r.^ ; у Уi^■v.ч^r!^i^vl^'^^J^v?^^ч^i^^:м >.
bewegt. Eine grössere Anlage dieses
von Krantz konstruirten Wehres ^^^^ 57- SchwimmerklappeÄ.
wurde in einem Seitenarme der Seine, bei Marly ausgeführt.
X? ^ллю<уз^кя^
Trommelklappen. Eine andere Art selbstwirkendes Klappen wehr (Bild 58)
besteht an acht Stauanlagen der^ kanalisirten Marne. In jedem Ueber-
fallwehre . sind 33 bis 35 derartige eiserne Klappen eingebaut. Jede
Klappe dreht sich um ihre Achse, schliesst
sich an eine gemauerte cylindrische Fläche
und mit ihren Seiten an Hochwände,
welche die einzelnen Klappen zellenartig
von einander scheiden, an. Die im Bilde
gezeichneten Zuflussöffnungen liegen über
und zur Seite des cylindrischen Raumes
und stehen mit den Zellen, in denen sich
die Klappen bewegen, in Verbindung.
Man kann sie durch Schiebventile beliebig
mit dem Ober- oder Unterwasser in Ver-
bindung setzen und hierdurch auf der
reinen oder der anderen Seite der Klappen-
iflügel einen Ueberdruck veranlassen, der
die Klappe hebt oder senkt.
Eine verbesserte Anlage einer solchen
Einrichtung wurde beim Schi ffsdurchlass bei Charlottenburg als Trommel-
wehr angewendet. Dieses Trommelwehr besteht gleichfalls aus einer zwei-
theiligen Klappe, welche um eine wagerechte, auf einer Wehrkrone liegenden
Achse drehbar ist. Der kürzere Theil dient als Stauklappe. Der längere und
Bild 58. Trommclklappen.
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122
II. Künstliche Wasserstrassen.
tiefer liegende FlQgel liegt in der im Wehrkörper ausgesparten cylindrischen
Zellenkammer, welche er, wenn aufgestellt, in zwei Hälften scheidet, die durch
Umläufe abwechselnd mit dem Ober- und dem Unterwasser in Verbindung
gesetzt werdA können. Je nachdem man Ober- oder Unterwasser auf der
einen oder der anderen Seite des grossen Flügels wirken lässt, richtet sich
die ganze Trommelklappe auf oder sie legt sich nieder. Diese Bewegungen
geschehen rasch und verlässlich.
Ausser diesen Anlagen bestehen noch verschiedene Anordnungen, mittels
welcher die Klappen entsprechend gehandhabt werden können, wie beispiels-
weise das hydraulische Wehr von Girard an der Yonne und die Wehr-
anlage an der Ouse oberhalb York, deren Klappen durch angehängte Gegen-
gewichte in aufrechter Stellung erhalten werden.
Schütz- nnd Rollwehre. Die Schatz- und Rollwehre sind im Bilde 59
dargestellt. Das rechtsstehende zeigt ein Feld des von Caméré 1886
vollendeten Rollwehres von Poses an der Seine, welches bei Niederwasser
ein Gefälle von 4,20, bei Hochwasser ein solches von 4,60 m hat. An einer
Brücke hängen an Aufhängungspunkten drehbare Blechbalken, die sich unten
an eine Schwelle stützen. Je vier solcher Blechbalken sind zu einem Rahmen
vereinigt, welcher mittels
zweier Ketten von einem
Krahne aufgehoben wird
und sich dann wagerecht
unter die Brücke legt. Der
Rahmen kann auch in
seinem Drehpunkte so weit
gehoben werden, dass er
über die Anschlagschwelle
kommt und dann nach der
Strömungsrichtung bevv^eg-
lich wird, wodurch seine
Hebung leichter erfolgt.
Die einzelnen Balkenfelder
werden mit hölzernen oder
eisernen, den Fensterroll-
laden ähnlichen Ver-
schlüssen ausgefüllt. Solche
Rolladen werden zuweilen
auch zur Abdichtung über Nadelwehrböcke gelegt, wie beispielsweise an der
Seine im Schiffsdurchlasse von Villez.
Statt der Rolladen л^ег wendete Boulé in den Balkenfeldern Schütztafeln.
(Im Bilde 59 links, vorne stehend.) Der Rollladenverschluss von Caméré
bewirkt eine rasche Entlastung, da die Oeffnung unter starkem Drucke
von unten geschieht. Sein Aufziehen erfordert dagegen bei grösserem Fluth-
gefâlle einen erheblichen Kraftaufwand, weil auf den unteren, jalousieartig
aufzurollenden Tafeln dann ein grosser Wasserdruck lastet. Der Schützver-
schluss von Boulé wirkt dagegen von Anfang an selbstthätig durch Ueber-
Bild 59. Schützwehr und Rollwehr.
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen
123
fall über die Schützen, besonders bei rasch eintretenden Fluthen. Aus diesen
Gründen hat man beim Wehr von Suresnes (Bild 60) abwechselnd Rollladen
und SchOtztafeln angewendet. Mit letzteren erfolgt die gewöhnliche Regelung
des Stauspiegels, erstere werden nur bei höheren Wasseranschwellungen
gezogen, nachdem durch die geöffneten Schutzöffnungen bereits ge-
nügend Wasser dem Unterwasser zugeführt
wurde und dieses gestiegen ist, wodurch
der Wasserdruck auf den 4,00 m hohen
und 1,10 m breiten Rolladen verringert
wurde und diese trotz ihres Gewichtes von
700 kg leicht gehoben werden können.
Diesen Seinewehren ähnlich sind die
Bauanlagen am St. Marysfall-Kanalc und
jene bei Pretzien nächst Magdeburg, welche
gemeinsam als Vorbilder für die Absperrung
des Wiener Donau-Kanals bei Nussdorf ge-
dient haben. BeimWehr von Pretzien, welches
einen Umflutungskanal für das Hochwasser
der Elbe abschliesst, hat jeder aus zwei
Blechbalken bestehende Rahmen einen Guss-
kopf mit einem Charnierstück, welches in
einen an der Fussplatte angebrachten Quer-
schlitz als Falle eingreift und den Rahmen
feststellt. Ein Arm des Charnierstückes
wird mittels einer Kette von der Brücke aus
angezogen, wodurch der Rahmen wieder frei
wird und nun auch mit einer Kette gehoben Büdöo. Wehrabschluss von Suresnes.
werden kann. Die Füllung der Rahmen
geschieht mit Buckelplatten, welche übereinander stehen und einzeln
Drahttauen von der Brücke aus aufgezogen werden.
mit
Cyllnderwehr. Zum Schlüsse sei noch auf eine in Südfrankreich angewandte
besondere Bauart eines Wehres hingewiesen. Dort kreuzt ein Kanal, welcher
Cette mit der Rhône verbindet, einen kleinen Küstenfluss des Mittelmceres, dessen
plötzlich eintretende Hochwässer und Sinkstoffe vom Kanal abgehalten werden
mussten. Als Stauwand wählte man deshalb einen genügend hohen Streifen
eines Kreiscylindermantels, welcher in seiner Achsenrichtung quer über den
Kanal gelegt wurde und vom Ufer mittels eines Rades von gleichem Durch-
messer gedreht, die seiner Höhe entsprechende Oeffnung in wenigen Minuten
abschliessen kann. Diese Einrichtung hat den Vortheil, dass kein Theil des
beweglichen Wehres auf der Krone befestigt ist und die ganze Stauvorrich-
tung rasch entfernt werden kann. Die Breite des Wehres beträgt 20 m, die
abzuschliessende Stauhöhe 1,75 m. Auch in Charlottenburg befindet sich am
Werderschen Mühlgraben ein auf ähnlicher Grundlage gebautes Cylinder-
wehr.
Welche von den hier beschriebenen Bauarten im einzelnen Falle am
zweckmässigsten ist, müssen die örtlichen Umstände ergeben. Im Allgemeinen
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124
II. Künstliche Wasserstrassen.
werden für Kanalisirungen noch immer die Nadelwehre, insbesondere auf
Flüssen, die keine übermässigen Stauhöhen erfordern, bevorzugt. Wo plötzlich
eintretende und starke Anschwellungen zu befürchten sind, besteht allerdings
die Gefahr, dass der Bedienungssteg des Nadelwehres vor gänzlicher Nieder-
legung desselben schon überflutbet wird, und dann alle Nadeln rechtzeitig
nicht mehr entfernt werden können, in welchem Falle die Wehranlage von
der Hochfluth zerstört werden kann. Noch schlimmer ist aber dann der
Schaden, den das nunmehr aufgestaute Hochwasser oberhalb des Wehres an-
richtet. Man wendet deshalb gerne hinter dem Nadelwehr noch eine andere
Wehrart an, die es gestattet, vom hochwasserfreien Ufer aus einen beträcht-
Bild 6i. Wehranlage an der Seine bei Poses.
liehen Theil der Stauanlage schnell niederzulegen und eine wesentliche Er-
niedrigung des Aufstaues herbeizuführen. Dadurch erleichtert man dann nicht
nur das Niederlegen des Nadelwehres, sondern man verlängert auch die dazu
verfügbare Zeit. Die Schiffsdurchlässe sind hierzu besonders passend, denn
sie sind meistens nicht so breit, als dass sie nicht ein Trommelwehr oder
einen ähnlich rasch zu handhabenden Verschluss aufnehmen könnten.
Kanalisirungen in Frankreich. Von den in Frankreich ausgeführten
Kanalisirungen ist vor allem jene des Unterlaufes der Seine von 7 km
oberhalb Paris bis Rouen anzuführen. In einer Stromlänge von 232 km, wurden
im Ganzen 9 Wehranlagen errichtet, wodurch der Verkehr von 3 m tauchenden
Seeschiffen, nachdem auch das Mündungsgebiet der Seine von Rouen bis
Havre für solche regulirt wurde, bis zur Hauptstadt Frankreichs ermög-
licht wird.
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
125
Die vielfach gekrümmte Seine hat unterhalb Paris ein Gefälle von
25 m, bis zur Einmündung der Oise eine Breite bis 200 m, unterhalb dieser
eine solche bis 300 m. Die Niederwassermenge fällt bis 60 cbm, das Hoch-
wasser steigt bis 2200 cbm. Der Einfluss der Gezeiten reicht bis Poses, 40 km.
oberhalb Rouen. Nachdem die Flussufer 5 m über dem Niederwasser liegen und
nur einige tiefer gelegene Strecken Deichanlagen erforderten, war die Kanali-
sirung ohne erhebliche Schwierigkeit durchführbar und hatte den grossen
Erfolg, dass die früher geringste Wassertiefe von 0,70 m auf 3,20 m auf-
gestaut werden konnte.
Jede Wehranlage besitzt eine grosse und eine kleine Schleuse. Erstere
sind für den Verkehr ganzer SchleppzOge bestimmt und können gleichzeitig
ßild 62. SchiflTsdurchlass bei Port à l'Anglais.
vier bis sechs grössere Schiffe oder aber neun Pinassen von je 38,5 m Länge
und 5 m Breite aufnehmen. In den kleinen Schleusen finden einzelne Schiffe
bis 50 m Länge und 8 m Breite Platz. Die Schleusenkanäle sind fan der
Sohle bis 25 m breit. Die kleinen Schleusen haben 8,20 m Thorweite und
60 m Länge zwischen den Drempeln, die neuen Schleppzugschleusen bei 12 m
Thorweite 17 m Kammerweite und 160 bis 179,5 m Länge. Die Unterdrempel
letzterer liegen 3,20 m tief, deren Oberdrempel 4,20 m unter dem Stauspiegel.
Die grösseren Gefalle von Poses, Suresnes, Bézons und Andrésy, ferner
die Wehranlage von Villez werden mit Rolladen und Schütztafeln ab-
geschlossen, die übrigen Stauwerke mit geringeren Gefällen durch Nadelwehre.
Bei über 2,80 m Druckhöhe konnte man Nadeln deshalb nicht anwenden, weil
sie zu lang, unhandlich und zu schwer geworden wären.
Die obere Seine von der Marnemündung bei Port à l'Anglais bis zur
Yonne bei Montereau wurde mittels 11 Staustufen mit Nadelwehren kanalisirt
und hierdurch eine Fahrtiefe von 2,00 m erzielt, während früher nur 0,50 m
vorhanden waren.
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12б
II. Künstliche VVasserstrassen.
Von den Wehranlagen der Seine sind im Bilde 6i das von Poses und
im Bilde 62 der Schiffsdurchlass bei Port à l'Anglais dargestellt Das
Wehr von Poses ist das vorletzte an der unteren Seine. Die Pfeiler stehen
34 m voneinander entfernt und sind von der Sohle 15,25 m hoch. Die
Wasserkraft am Wehrgefälle wird in elektrische Energie umgesetzt, welche
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S^^J^J^ß^^^'-
Oder Strom
Maasstab i : 4500.
/^л^/илЛк аЪ С à. >iivuJ^ /dU^ И9/е^/ъа/гЛхА^,
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^^^1 ^*/sf2(f ^fso-ла 1 1 II QIIL , JJ Ц,1 , Ш, iLLi IIMIIlilMIIIJI II imi f llillj 1 1 |7^co_
Massstab i : laoo.
Bild 63. Lageplan und Querschnitt der Oderwehranlage.
unter allen Umständen ausreicht, um die jeweilig vorhandenen Wehrelemente
zu bedienen.
Ausser an der Seine wurden in Frankreich grössere Kanalisirungswerke
noch an der Yonne, Saône, Marne, Oise, Saar, dem Cherflusse, sowie
M^Ëriju^m ùk£er-IMkmegf^
'«*e -
Bild 64. Schiffsdurchlass beim Oderwehr von Konty.
an der Mosel und der Maas geschaffen. Von diesen Wehranlagen ist die
Vorrichtung zum rascheren Schliessen des Schiffsdurchlasses beim Saône-
Rhôneabschluss nächst Mulatière oberhalb Lyon anzuführen^ bei welchem der
103,6 m weite Schiffsdurchlass durch 4,35 m hohe und 1,40 m breite eiserne
Klappen, ähnlich wie bei Port à TAnglais, in der Weise geschlossen wird,
dass diese von den im Flussgrunde stehenden Fussplatten von der Bockbrücke
aus mittels Kette abgezogen werden, von diesen herunterfallen und sich am
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen. 127
Wehrrücken aufstellen, wobei deren untere Kanten von einem Sohleneinschnitt
gehalten werden.
Kanalisimngett in Deutschland. Von den in Deutschland durchgeführten
Kanalisirungen ist in den Abbildungen 63 und 64 eine von den auf der
oberen Oder ausgeiührten Nadel wehr- und Schleusenbauten dargestellt.
Bild 63 zeigt den Lageplan und den Querschnitt dieser Wehranlage. Die
Theile f und f ^ bilden das Fluthgerinne, in welchem die Nadelwehre stehen.
S ist die freie Schiffsdurchfahrt und g der Fischpass. Bild 64 stellt den
Schnitt durch einen Nadelwehrbock und einen Wehrpfeiler dar.
Durch die Kanalisirung der Oder von Kosel bis zur Neissemündung
war es möglich, diese Strecke für Schleppe von 450 Tonnen Tragfähigkeit
schiffbar zu machen, während sie früher nur von 200 Tonnenschleppen be-
fahren werden konnte. Der kanalisirte Flussabschnitt ist 84 km lang, das Gefälle
beträgt I : 3150. Die Stauhöhe der 12 durch Kammerschleusen verbundenen
Staustufen schwankt zwischen 1,75 und 2,60 m, die Entfernung der einzelnen
Stufen beträgt 4,3 bis 8,5 km. Die Wehre haben 77,8 bis 125,0 m Weite und
bestehen aus je zwei Fluthöffnungen und einem Schiffsdurchlass von 25 m
Oeffnung. Die Nadeln sind an den Enden zugespitzt, in der Mitte 10 cm
dick, in den Fluthwehren 3,80 und in den Durchlässen 4,50 m lang. Die
Kammerschleusen haben 55 m nutzbare Länge, 9,6 m Weite, deren Drempel
liegt 2,00 m tief. Die Staustufen der Oder dienen gleichzeitig dazu, das
Wasser oberhalb der Wehre abzuleiten und zur Bewässerung von Grund-
stücken zu verwenden.
Ausser dieser Oderstrecke wurden in Deutschland durch Kanalisirungen
noch die Saar, Mosel, Brahe, Netze, Lahn, der Main zwischen Frankfurt und
dem Rheine, die Spree, Fulda und die Ems dem allgemeinen Schiffahrtsverkehre
zugeführt. Die Staustufen wurden mit Ausnahme jener an der Spree und
der Netze, wo auch Schützenwehre verwendet wurden, durch Nadelwehre
gebildet.
Auf der Saar und Mosel wurde im Anschlüsse an die französischen
Kanalisirungswerke eine Wassertiefe von 2,00 m für 300 Tonnenschiffe ge-
schaffen, auf der Netze eine solche von 1,20 m.
In der Lahn wurde ein festes Ueberf all wehr mit geschweiftem Profil
1,90 m über dem Niederwasser errichtet, wodurch eine Staulän^e von 4,5 km
erzielt wurde.
Im Main zwischen Frankfurt und dem Rheine wurde eine Wassertiefe
von 2,50 m erreicht, welche den Verkehr von 1000 Tonnenschiffen ermöglicht.
Die Strecke ist 36 km lang und hatte früher bei 10,4 m Gefälle eine Fahr-
tiefe von kaum 1,00 m. Die Mainschleusen haben 2,50 m Drempeltiefe, 10,5 m
Weite und 80 m nutzbare Länge. An dieselben in 245 m Länge anschliessend,
hat man vor einigen Jahren ein zweites 12 m weites Unterhaupt angefügt,
wodurch eine Schleppzugschleuse zur Aufnahme люп i Dampfer mit 4 bis 6
Rheinschleppen geschaffen wurde. Die Wehranlagen sind je nach der Fluss-
breite 108 bis 164 m weit und haben 2 bis 4 Oeffnungen. Am rechten Ufer
läuft ein 12,00 m breites Flossgerinne, welches durch ein Trommelwehr ab-
geschlossen wird. Durch diese bedeutenden Werke im Vereine mit den
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128
IL Künstliche Wasserstrassen.
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Stauanlagen und Kanalisirang von Flüssen.
129
grossen Hafenanlagen, Lagerhäusern und Umschlagseinrichtungen in Frankfurt
ist der dortige Verkehr von 312000 tkm im Jahre 1881 auf 54000000 tkm
im Jahre 1896 gestiegen.
Die kanalisirte Oberspree bildet die Fortsetzung des Oder- Spree -
KanaJes. Unter den Werken an der Unterspree ist ausser dem bereits
erwähnten Wehre bei Charlottenburg insbesondere noch der MQhlendamm
zu erwähnen, dessen Wehr gleichzeitig zum Wasserschutze von Berlin er-
richtet wurde. Das Mûhlendammwehr hat 3 OefFnungen mit zusammen 40 m
Weite, welche durch wagerecht umlegbare Schütztafehi geschlossen werden.
Die Schleuse am Möhlenwehr hat iio m nutzbare Länge, 9,60 m Weite und
Bild 66. Kanalisirte Moldau bei Libscbitz.
ist, wie die Charlottenburger Schleuse, für Schiffe von 1,70 m Tiefgang bestimmt.
Die Fulda ist mit 17 m Gefälle auf 28 km Länge kanalisirt, hat eine
Mindesttiefe von i m; deren Schleusen haben 8,60 m Weite und 63,85 m Länge.
Die Schleusen der kanalisirten Ems sind für Schleppzuge mit 10 m Weite
und 165 m Kammerlänge gebaut.
Ausser diesen Flusskanalisirungen sind in Deutschland noch im Zuge
die Kanalisirungen der Weser, der Emscher, der Lippe und der Ruhr.
Kanalisirang der Moldan-Elbe. In Oesterreich wird derzeit die К anal i-
sirung der Moldau von Prag bis Melnik und im Anschlüsse an diese die
Elbekanalisirung bis Aussig durchgeführt, um den Elbeverkehr Hamburg-
Aussig*) an Prag und mittels einer weiteren Kanalisirung der Moldau, sowie der
*) Der Binnenhafen Aussig hat einen bei weitem grösseren Verkehr als der
Seehafen Triest. Durchschnittlich verladen in demselben jährlich 6000 Schiffe з- Mil-
lionen Tonnen.
Suppän, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 9
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I30
П. Künstliche Wasserstrasse п.
geplanten Kanalanlagcn bis
Linz oder bis Wien dem
Donauverkehre anzugliedern.
Das Längenprofil der
bereits zum grossen Theile
von Mr а sick durchgeführten
Kanalisirung der Moldau
von Prag bis Melnik ist
im Bilde 65 dargestellt. In
der Moldau werden fünf Stau-
stufen, bei Troja, Klecan,
Libschitz, Mir owitz und Wra-
nan ausgeführt. Von diesen
sind jene bei Troja, Klecan
und Libschitz fertiggestellt,
während der Bau der Stau-
stufen bei Mifowitz und Wra-
nan der Vollendung naht.
Jede dieser Staustufen besteht
aus einem beweglichen Wehr
mit niederlegbaren eisernen
Wehrböcken, aus einer Floss-
schleuse zur Durchfahrt ge-
kuppelter Flösse bis zu 1 1 m
Breite, aus dem Fischpasse
und dem zur Schiffszugs-
schleuse führenden Schleu-
senkanal. Die Fiossschleuse
und der Schleusenkanal sind
getrennt an den entgegen-
gesetzten Ufern angelegt, da-
mit sich Schiff- und Flossfahrt
gegenseitig nicht behindern.
Das Beseitigen der Stauvor-
richtung bei Hochwässern
geschieht dadurch, dass die
Schützen, Stander und Nadeln
von der Brücke aus hoch-
gezogen werden.
Unterhalb Wranan ist ein
Seitenkanal geplant, welcher
gegenüber Melnik in die Elbe
einmünden wird. Zu diesem
Mittel musste gegriffen wer-
den, weil die Moldau ober-
halb ihrer Mündung in die
Elbe nach jedem Hochwasser
stark verschottert wird. Die
Haltungen zwischen den Stau-
stufen an der Moldau haben
eine Länge zwischen 8 — 9 km,
Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
13X
der Seitenkanal von Wranan nach Hof in ist 10 km lang. Die als Schleppzug-
schleusen gebauten Kammern haben eine Sohlenbreite von 20 m und eine
Länge von 147 m . Die anderen Schleusen haben in den Häuptern eine lichte
Durchfahrtsweite von 11 m und sind 78 m lang. Die Zugsschleusen ermög-
lichen eine bedeutende Leistungsfähigkeit, indem selbst bei bloss 50*^/^ Aus-
nutzung der Tragfähigkeit der Schleppe auf einmal 1600 Tonnen durchge-
schleust werden können, was bei isstOndiger Tagesleistung eine Gütermenge
von 16000 t für den Tag und bei der Voraussetzung von 250 ausnützbaren
SchifTahrts tagen eine Jahresleistung von rund 4 Millionen Tonnen geben
würde.
Im Bilde 66 ist die Stauanlage bei Libschitz, im Bilde 67 der Grundriss
der Kammer- und Zugschleuse dieser Anlage und im Bilde 68 die Einfahrt
Bild 68. Kammerschleuse an der kanalisirten Moldau.
in eine Kammerschleuse, dargestellt. Die Kanalisirung der Moldau ist ein
schwieriges Werk.
Nachdem die Elbe von Melnik abwärts nicht wie die Moldau bis
Kralup ein Gebirgsfluss und ihr Gefälle kleiner als jenes der Moldau ist,
wird deren Kanalisirung technisch leichter durchführbar sein. Für die
Kanalisirung der österreichischen Elbe bis Praskowitz sind im Ganzen
sechs Staustufen geplant. Von da abwärts bis Wanow ist die gewünschte
Wassertiefe von 2,10 m durch Regulirung zu erreichen und oberhalb
Aussig ist nur noch eine Umgehung der Stromschnellen von Schrecken-
stein mittels eines 1500 m langen Seitenkanals zwischen Wanow und dem
Umschlagsplatze am linken Ufer bei Aussig nothwendig. Die Haltungen an
der Elbe werden eine durchschnittliche Länge von 9 km erhalten, die Schleusen-
kanäle durchwegs zweischiffig angelegt werden. Die Schleppzug- und Kam-
merschleusen werden die gleichen Abmessungen wie jene auf der Moldau haben.
Die Moldau-Elbe-Kanalisirung strebt eine Mindestfahrtiefe von 2,10 m,
daher eine Beschiffung mit Elbekähnen bis 750 Tonnen Tragfähigkeit an.
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132
п. Künstliche Wasserstraçsen.
KanaUsirang des Donauarmes bei Wien. Ausser dieser Arbeit ist noch
die in Ausführung begriffene Kanalisirung des als Donaukanal bezeichneten^
durch Wien gehenden Donauarmes anzuführen.
Die Einmündung des Donaukanales ist bereits mittels einer Wehranlage
abgeschlossen. Die Verbindung des Kanals mit dem Donau-
strome wird durch eine Schleusenkammer hergestellt. Im
Donaukanale selbst sind noch 5 und 8 km unterhalb der
ersten Wehr^nla^^e zwei weitere Wehre nebst Schleusen in Aus-
sicht genommen, welche im Vereine mit einer dritten Anlage^
i km oberhalb der Ausmûndung^ Im Kanäle eine Mindest-
tiefe von 2 m sichern werden.
Die von Taussig entworfene Wehranlagc an der Kanal-
einmündung bei Nussdorl ist deshalb besonders erwähnens-
werth, weil sie für einen Wasserdruck von 9,34 m Höhe
berechnet wurde und einem solchen von 7,14 m Höhe bereits
ausgesetzt wan Im Gegensatze zu sonstigen WehreOp welche
bei Hochwasser niedergelegt werden, hat dieses Wehr die
Aufgabe, gerade bei Hochwasser und Eisgang zum Schutze
Massub i: aoa
Bild 69. Vorderansicht der linksseitigen Hälfte der Wehranlage bei Nussdorf.
von Wien in Wirksamkeit zu treten.
Die Bauanlage besteht aus einer Fachwerkbrücke, welche eine 12 cm
starke Stahlachse trägt, die im Vereine mit Falzvorrichtungen in der Kanal-
sohle die Stützpunkte für von dieser bis zur Brücke hinaufreichende, nahe-
zu senkrecht stehende Eisenrahmen bildet. Um diese Stahlachse werden
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
133
die einzelnen Rahmenständer von der Brücke aus aufgewunden. Je drei
Ständer sind durch Querverbindungen zu einem Absperrfelde vereinigt. Die
zwischen zwei Ständern verbleibende Breite von 1,03 m wird durch eiserne
Schützen abgeschlossen, • von denen der unterste, 3.00 m
' tiohe Jalousieschüti^ in eisend" Führuni^^ geht, daher für
sich allein gehoben werden kann.
Die Schützen werden von der Brücke aus empor-
gezogen und auf dieselbe gelegt. Es können aber auch
die einzelnen Absperrungsfelder bis unter die Brücke auf-
gedreht und in beUebiger Höhe festgehalten werden.
Die Schutzenanordnung gestaltet an jeder Stelle der Ab-
schluaswand Oeffnungen freizumachen, durch welche Wasser
in den Kaual fliessen kann, ohne dass Eisfelder mileinrinnen.
Nachdem die Widerlager der Brücke С
und die Sohlenstützpunkte der ЛУеЬг-
ständer^ sowie überhaupt die ganze
Sohle
^lâ:ii:-;tti
Mmsstab i : aoo.
Bild 70. Schnitt durch die Wehranlage bei Nussdorf.
der Gefahr der Unter Waschung ausgesetzt sind, mussten sie und der Wehr-
körper pneumatisch in Caissons fundirt werden. Die rechtsseitigen Wehr-
widerlager sind bis zu einer Tiefe von 25,5 m, die linksseitigen bis 20 m
fundirt.
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^34
П. Künstliche Wasser Strassen.
Die Bilder 69 und 70 stellen die Vorderansicht und den Querschnitt
der Absperrv'orrichtung dar.
Den Lageplan der ■ Wehranlage sammt dem schon früher bestandenen
Sperrschiife zeigt Bild 71. Die Verbindungsschleuse mit dem Donaustrome
(Bild 72), hat 85 m Länge und 15 m Breite. Ober- und Unterhaupt der Schleuse
Sperrschiff.
Wehranlagc.
Masstab i : 5000.
Schleuse.
Bild 71. Lageplan der Einmündung des Donau-Kanales bei Wien.
wurden auch in eisernen Caissons auf pneumatischem Wege in der Tiefe von um
unter Nullwasser fundirt.. Zur Herstellung der Schleusenkammer wurde die Bau-
grübe bis 8 m unter Null ausgebaggert und eine Betonsohle von 4 m Dicke unter
Wasser eingebracht. In den beiden Schleusenseitenmauern erfolgt die Füllung
und Entleerung durch Umlauf-
kanâle, deren Oeffnung und
Schliessung Cylinderschützen be-
wirken. Die Thorflügel des Ober-
hauptes, welche einem Wasser-
druck von 9,34 m Höhe Wider-
stand leisten müssen, reichen bis
6,30 m über den Nullwasserstand,
ihre gesammte Höhe ist 10,10 m,
jeder Flügel wiegt 56 t; die Unter-
hauptthorflügel reichen bis 4,50 m
über Null.
Bild 73 zeigt den Querschnitt
durch das in Wirksamkeit be-
findliche Sperrschiff sammt
Bild 72. Verbindungsschleuse des Donaustromes Wehrnadel. Dieses von Engerth
mit dem Donaukanale. gebaute SperrschifT besteht aus
einem stark versteiften, 48,5 m
langen, in der Mitte 9,5 m breiten und 5,7 m hohen eisernen SchiiBFsrumpfe,
welcher im unteren Räume durch 4 Schottwände in 5 wasserdichte Kammern
getheilt ist, die, wenn mit Wasser gefüllt, das Schiff quer über den Kanal ver-
senken. Damit zwischen der Unterkante des Schiffes und der Kanalsohle kein
Eis einrinne, sind vor dem Schiffe Nadeln angelehnt. Die Hebung des
Schiffes erfolgt durch Entleerung des Wassers mittels Dampf pumpen.
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen. 135
Die weiteren, in Oesterreich noch in Aussicht genommenen Flusskanali-
sirungen siehe im VL Theile.
Kanalisirunf^en in Nordamerika and Schweden. Vom Sundpunkte ihrer.
Bauweise sind noch hervorzuheben die in Schweden durchgeführten Kanali-
sirungen der Seeabflösse und die im grossartigen Massstabe
angelegten Flusskanalisirungen in Nordamerika und Kanada.
Unter letzteren sind die 7 Seitenkanäle mit zusammen
27 Schleusen, welche zur Umgehung der Stromschnellen im
St. Lorenzstrome nothwendig waren, die bedeutendsten Werke.
Der Seitenkanal von Sault-Sainte-Marie hat 6,то m Tiefe, 90 m
Spiegelbreite und eine 270 m lange, 20 m breite und 6,20 m tiefe
Schleuse, deren Oberhaupt mittels 2 und deren Unterhaupt
mittels 3 Thorpaaren, je nach der Länge des durchzuschleusen-
den Anhanges, abgeschlossen wird. Die Schleuse wird mit 6 Um-
läufen in 10 Minuten gefüllt. Endlich ist der Wellandkanal mit
25 Schleusen von je 4,27 m Tiefe zur Umgehung des Niagarafalles
zu erwähnen. Auf demselben verkehren 1500 Tonnenschiffe.
Bild 73.
Vor- und Nachtheile einer Flnsskanalisirnng. Die Kanali-
sirung eines Flusses hat vor allem den Vortheil, dass die durch sie geplante Fahr-
tiefe auch bei niederstem Wasserstande gesichert ist, weil man diese nahezu un-
abhängig von der jeweiligen Wassermenge des Flusses durch die Stauwirkung
der Wehre schafTen kann, während bei der Regulirung des Flusses die
Wassermenge bei ungünstigen Niederschlagsverhältnissen zumeist nicht aus-
reicht, um die im Bauentwurfe in Aussicht gestellten Fahrtiefen zu sichern.
Ferner wird die Fahrstrasse in den Haltungen durch Geschiebeablage-
rungen nicht so gestört, wie dieses in den. meisten Fällen bei den regulirten
Flüssen geschieht, wodurch eine Stetigkeit und Sicherheit im Schiffahrtsbetrieb
eines kanalisirten Flusses eintritt. Die in der obersten Strecke der Haltung,
insbesondere an der Ausmündung eines Seitenkanales zeitweilig auftretenden
Verschlemmungen lassen sich durch rechtzeitige Baggerung immer leicht
entfernen.
Von weiterem Vortheile ist bei Flussstrecken mit grösserem Gefälle, dass
durch die Kanalisirung die den Schiffahrtsbetrieb unwirthschaftlich gestalten-
den grossen Stromgeschwindigkeiten sehr gemildert werden, wodurch der
Schleppzug zu Berg lohnend wird.
Die Thalfahrt mit Schleppzügen im freien Flusse mit grosser Strömung
bildet bei Niederwasser eine der schwierigsten Aufgaben der FJussschif fahrt
und muss stets mit grosser Sorgfalt und Geschicklichkeit ausgeführt werden.
In der sehr geringen Strömung einer kanalisirten Strecke ist die Thal fahrt
gegenüber der Thalgeschwindigkeit im freifliessenden Strome wohl wesentlich
langsame/, dagegen aber sicher und leicht durchführbar.
Der Schiffahrtsbetrieb im kanalisirten Flusse ist demnach stetiger,
sicherer und leichter als in regulirten Flussstrecken mit grosser Strömung.
Dagegen haben alle Kanalisirungen, abgesehen von ihren grossen Kosten,
welche sich noch dadurch erhöhen, dass die im Stau liegenden Ufergrund-
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136 и. Künstliche Wasserstrassen.
stücke entsprechend geschützt werden und Entwässerungsanlagen erhalten müssen,
vom Standpunkte der Schiffahrt den Nachtheil,, dass durch die Schleusung
bei jeder Staustufe ein Zeitverlust entsteht. Diesem Uebelstande kann durch
Schaffung von langen Schleppzugschleusen, welche einen ganzen Dampfer-
anhang auf einmal aufnehmen können, theilweise abgeholfen werden. Die
Füllung einer solchen Schleuse dauert aber wieder viel länger als die einer
gewöhnlichen, ferner muss sie im gegebenen Falle auch nur für ein Fahrzeug
in Anspruch genommen werden, was in Bezug auf den Wasserverbrauch nicht
wirthschaftHch ist.
Ferner unterwirft sich die Schiffahrt sehr ungeme den Abgaben, die
vom Staate zur Deckung der Unterhaltungskosten der Bauwerke und der
Auslagen für Schleusungen eingehoben werden und kommen endlich die Vortheile
einer Kanalisirung der Schiffahrt erst nach Vollendung sämmtlicher Kunstanlagen
zugute, während eine Flussregulirung] eine Verbesserung der Fahrstrasse
nach Massgabe der aufgewendeten Mittel, allmählig und ohne die Schiffahrt
wesentlich zu stören herbeiführt.
Zop Kanalisirung geeiji:uete Flnssstrecken. Es wäre daher für einen wirth-
schaftlichen Schiffahrtsbetrieb wünschenswerth, in grossem Gefalle gelegene
Flussstrecken, also den oberen Flusslauf zu kanalisiren und nur jene
Strecken zu reguliren, auf welchen eine massigere Stromgeschwindigkeit vor-
handen ist. EinenFluss mit geringeren Abmessungen wird man demnach in seinem
ganzen Laufe dadurch schiffbar machen können, dass man etwa neben seinem
Oberlaufe einen Seitenkanal anlegt, seinen Mittellauf, wenn es dessen Boden-
gestaltung zulâsst, kanalisirt und seinen Unterlauf regulirt.
Natürlich werden Kanalisirungen nur bei Flüssen mit mittleren Breiten
und geringen Wassermengen angewendet, während eine solche beispiels-
weise für die obere Donau, schon in Rücksicht der ausserordentlichen Kosten,
nicht in Betracht gezogen werden könnte, obwohl die Regulirung dieser Donau-
strecke bisher auch schon über 130 Millionen Kronen gekostet hat, die Be-
triebskosten auf derselben sehr hohe, mit jenen der Gebirgsbahnen vergleich-
bar sind, der Schiffahrtsbetrieb schwierig und die Fahrtiefen vom Stand-
punkte der Grossschiffahrt bei Niederwasser unzureichend sind. Von den
Donaustrecken wurden nur die Stromschnelle|n am Eisernen Thor mittels
eines Seitenkanales umgangen. Leider wurde dieser als offenes Gerinne
und nicht als Schleusenanlage hergestellt, wodurch an der Einmündung
des Kanales ein Gefälle mit einer Stromgeschwindigkeit von über 5 m in der
Sekunde geschaffen wurde.
Durch Kanalisirung zu gewinnende Wasserkräfte. Nachdem die Wehr-
anlagen den Wasserspiegel eines Flusses an bestimmten Theilen auf-
stauen und hierdurch das Gefälle an den einzelnen Stellen der Wehre zu-
sammenfassen, so können an diesen Wasserkräfte entnommen oder das
Wassergefälle zur Bewässerung und Entwässerung verwendet werden. Die
Verwendung dieser grossen Staugefälle zu Einrichtungen von Bewässerungs-
anlagen für die Landeskultur und zur Krafterzeugung für die Industrie*
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen.
137
sowie für den landwirthschaftlichen Maschinenbetrieb ist in die Augen fallend.^)
Die Industrie würde dadurch zu höchster BRuhe gelangen, weil sie die zwei
wichtigsten Vorbedingungen zu ihrem Gedeihen, die billige Wasserfracht und
die billige Betriebskraft auf einmal zur Verfügung hätte. Allerdings sind
derartige Bauanlagen sehr schwierige technische Ausführungen, insbesondere
mit Rücksicht auf den Einfluss der Hochwasser auf solche Werke, welcher
übrigens durch Anlage von grossen Werkkanälen th eilweise gemindert
werden kann.
In Bezug auf Gewinnung dieser Wasserkräfte ist der Vorschlag von
PrOssmann beach tens werth, die Turbinen in einen Pfeiler einzubauen,
welcher mitten im Strome liegt. Durch eine solche Anlage werden vor allem
die schwierig herzustellenden und kostspieligen Zuleitungskanäle erspart. An
den Ufern fehlt es auch zumeist an Raum für die Anlage von Leitungs^
kanälen, femer sind die Ufer selten hochwasserfrei. Auch ist es bei einem
breiten Strome schwer möglich, die Wasserkraft in einem schmalen seitlichen
Kanal vollständig auszunutzen. Prüssmann bricht deshalb das Wehr (Büd 74)
und legt die Turbinen in einen langgestreckten Mittelpfeiler, welcher
gleichzeitig zur Wasserentlastung der Nadelwehre
dient. Diese Anordnung ist auch deshalb günstig,
weil die Zahl der Turbinen je nach der vor-
handenen Wassermenge beliebig gross gewählt und
der Turbinenpfeiler günstig in die Richtung der
grössten Strömung gelegt werden kann. Diese Bau-
anlage ist jedoch nur dort möglich, wo man sich
schon bei Herstellung der Kanalisirung für die Aus-
nutzung der Wasserkraft entscheidet und die Mehr-
kosten des Turbinenpfeilers von vornherein auf-
wendet.
Durch entsprechende Ausnutzung der Wasser-
kräfte in kanalisirten Gerinnen wird es dereinst auch
möglich werden, den Schiifahrtsbetrieb mit von den
Staustufen gewonnener elektrischer Kraft zu be-
treiben. Die Verwendung der Wasserkraft zum
Schiffahrtsbetriebe ist deshalb durchführbar, weil
die Schitfahrt während des Hochwassers und im Winter,
wenn die Wehre wegen Eisgang niedergelegt sind, ohnedies ruht und dann
keiner Kraft bedarf.
Mit fortschreitender Erkenntnis und in Folge der stetigen Zunahme des
Wettbewerbes im Schiffahrtsverkehre, sowie der immer schwieriger werdenden
Kohlenbeschaffung wird daher mit der Zeit auch die Auffassung platzgreifen,
dass starke Stromgefälle keinen Nachtheil, sondern eine Wohlthat für den
Flussschiffahrtsbetrieb bedeuten.
Bauliche Anordnung der Kaii<alisirungen. Seitenkanäle. Die technischen
Einzelheiten einer Flusskanalisirung fallen ausserhalb des Rahmens dieser Ver-
*) Am Seinewehr zu Bougival werden beispielsweise 750 Pferdekräfte für die
Wasservcrsorgnng von Versailles gewonnen.
Bild 74.
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138 и. KOnstliche Wasserstrassen.
öffentlichung. Es soll nur im Allgemeinen bemerkt werden, dass, nachdem bei der
Kanalisirung die geforderte Fahrtiefe durch Hebung des Wasserspiegels mittels
Stauwerken geschaffen wird, sich hierzu am besten Flüsse mit hohen Ufern
eignen. Die örtliche Lage der Stauwerke und die Höhe des Aufstaues der ein-
zelnen Haltungen soll so gewählt werden, dass an den Wasserstands Verhält-
nissen nur das unumgänglich Nöthige geändert und die Anrainer durch
Grundwasser nicht geschädigt werden. Aus diesen Rücksichten im Vereine
mit dem gegebenen Flussgefälle und aus der geforderten Fahrtiefe ergiebt
sich dann die jeweilige Entfernung zweier Bauwerke oder die Länge der ein-
zelnen Haltungen. Nachdem das zum grossen Theile in Aufschwemmungs-
schichten liegende Flussthal durchlässigen Boden hat, so erzeugt die Anlage
von Staustrecken in der ganzen Thalausdehnung ein Ansteigen des Grund-
wassers. Zuweilen ist dieses für die Landwirthschaft von Vortheil. So ist
in der Nähe von St. Omer in Frankreich auf mehreren Tausend Hektaren eine
grossartige Garten- und GemOsekultur dadurch entstanden, dass das auf-
gestaute Wasser bis auf wenige Dezimeter unterhalb des Ackerbodens steht.
Häufiger ist aber das Ansteigen des Grundwassers schädlich und erzeugt
Versumpfungen, auf welchen Umstand der mit dem Bauentwurfe einer Kanali-
sirung betraute Ingenieur umsomehr achten muss, da hierdurch die verwickeltsten
Entschädigungsansprüche von Seite der Grundbesitzer entstehen. Hohe Stau-
stufen soll man daher nur in zweifellos hierfür geeignetem Gelände, sonst
aber im allgemeinen den Wasserspiegel nicht zu hoch legen. Letzteres hat
übrigens den Vortheil, dass man bei kleineren Anschwellungen, welche ja nur eine
vorübergehende niedere Ueberschwemmung herbeiführen, die Wehre nicht immer
niederzulegen braucht, wodurch auch der Schiffahrtsbetrieb weniger gestört wird.
Die Anforderungen der Schiffahrt müssen daher mit den in Frage kommen
den Interessen in Einklang gebracht und begründeten Beschwerden der Anrainei
gegebenen Falles durch Schaffung von Pumpwerken oder Seitenkanälen,
welche zu tief gelegene Ufertheile entwässern, Rechnung getragen werden.
In Folge aller dieser Einflüsse hat jede Flusskanalisirung ihr eigenartiges
Gepräge. Während beispielsweise die Stauhöhen der Flüsse in Hollands
Tiefebenen nur wenige Dezimeter betragen, bestehen auf der Seine solche
von über 5 m Höhe. Je weiter aufwärts ein Fluss kanalisirt wird, um so
mehr Stauwerke sind durch das zunehmende Gefälle erforderlich und
um so kürzer werden die Haltungen. Hierdurch erreichen dann die Baukosten
schliesslich eine solche Grösse, dass unter Umständen die Ausgestaltung eines Ober-
laufes zu einer Schiffahrtsstrasse wirthschaftlich nicht mehr gerechtfertigt erscheint.
Bezüglich der Anordnung einer Kanalisirung unterscheidet man, ob
der ganze Flusslauf als solcher kanalisirt wird, oder ob dieser zwar
in seiner Gänze mit Wehren ausgestattet, aber nur auf gewissen Strecken
als Fahrstrasse benutzt wird, während besonders ungünstige Krümmungen
oder Stromschnellen, deren Beseitigung zu schwierig wäre, durch künstlich
geschaffene Seitenkanäle, in welche dann der Fahrweg geleitet wird, um-
gangen werden. Es werden demnach kanalisirte Flussstrecken mit Seiten-
kanälen und regulirten Abschnitten zweckdienlich vereinigt. In dieser Weise
wurden beispielsweise in der 58 km langen Moselstrecke zwischen Frouard
und Metz 48 km als Seitenkanäle hergestellt. . Im neuen Grossschiffahrtsweg
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Stauanlagen und Kanalisirung von Flüssen. 139
bei Breslau geht die grosse Schiffahrt durch einen kanalisirten Oder-
arm, wahrend im alten Strombette sich der frühere örtliche Verkehr weiter
abwickelt.
Was die Anlage der Schleusen und Wehre betrifft, ist zu be-
merken, dass erstere immer, beide zusammen aber vortheilhaft neben dem
Flusse im Trockenen ausgeführt und mittels Durchstiches dann mit dem
Flusse verbunden werden. Die Lage des Wehres in einem Durchstich ist in
diesem Falle auch in Bezug auf die Abführung des Hochwassers, Eises und
der Geschiebe günstig. Liegen Schleuse und Wehr im Flussbette, so sind
sie nur durch die eine Seiteneinfassung der Kammer und deren Ver-
längerungen stromauf- und stromabwärts getrennt. Die Schleuse ist allseitig
ummauert, während die sich anschliessenden Verlängerungen der flussseitigen
Kammerumfassung die Bauart von Parallelwerken zeigen. Die Länge der
Durchstiche oder der die Schleuse vom Wehre abtrennenden Parallelwerke
ist so zu wählen, dass die Ein- und Ausfahrt in die Kammer möglichst
Fisrhtreppe.
entfernt vom Wehre liegt, damit die Schiffe von der durch das Wehr
erzeugten Wasserbewegung nicht beeinträchtigt werden.
Schon bei Anlage aller dieser Bauten soll womöglich darauf Rücksicht
genommen werden, späterhin, bei sich steigerndem Verkehr noch ein weiteres
Schleusenhaupt anschliessen und die Kammern, wie beim Maine, zur Aufnahme
von ganzen Schleppzügen zweckentsprechend umbauen zu können.
Fisebpass. Zur vollständigen Ausstattung einer Stauanlage gehören
endlich noch die Einrichtungen, die den Wanderfischen den Weg vom Unter-
in das Oberwasser und umgekehrt ermöglichen. Eine Anzahl von Fischarten,
wie Lachse und Forellen, wandern nämlich in den Sommer- und Herbstmonaten
vom Meere aus in die Gebirgsbäche, um dort ihren Laich abzusetzen. Andere,
wie die Aale, ziehen in umgekehrter Richtung. Da nun jedes einigermassen
hohe Stauwerk die Wanderung unterbricht, so muss man einen Weg
für die Fische darin offen halten. Dieses geschieht durch Anlage von neben
den Wehren gehenden Fischpässen oder Fischtreppen. Die einfacheren
Pässe, vom Unter- zum Oberwasser aufsteigende schmale Rinnen, werden
von den Fischen lieber benutzt, als die oft .verwickelt gebauten Treppen,
verbrauchen aber mehr Wasser. Bei Nadelwehren kann den Fischen
vortheilhaft ein Weg durch Herausnahme einiger Nadeln geöffnet werden.
Im Bilde 75 ist ein Fischdurchgang, die Cail'sche Treppe, im Längenschnitt
dargestellt.
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5. Abschnitt.
Schiffahrtskanâle.
Allgemeine Anordnung der Kanäle. Die eigentlichen Kunststrassen der
Schiffahrt sind die Kanäle. Während man durch die Regulirung des frei-
fliessenden Stromes oder durch die Kanalisirung eines Flusses doch nur
eine der Verfassung des Wasserlaufes entsprechende Fahrstrasse herzu-
stellen im Stande ist, kann man durch den Bau von Kanälen eine Kunst-
strasse schaffen, deren Abmessungen, die heutigen technischen Fortschritte im
Kanalbau vor Augen haltend, eigentlich nur durch die hierfür zur Verfügung
stehenden Geldmittel bedingt sind.
Die Schiffahrt auf Kanälen stellt somit den richtigen Gross-
schiffahrtsbetrieb dar. Dieser Betrieb ist ein gleichmässiger, kann, die Eis-
sperre ausgenommen, ununterbrochen und bei Tag und bei Nacht abgewickelt
werden und hat mit keinen Fährlichkeiten zu rechnen. Der Schleppzug in dem
stromlosen, nahezu unveränderlich tiefen Kanal wasser kann mit immer gleichen
Tauchtiefen, ohne Unterscheidung einer Thal* oder Bergfahrzeit in beiden
Richtungen mit voller Ausnutzung des vorhandenen Laderaumes, sowie mit
wirthschaftlichen Zugskosten ausgeübt werden.
Die ältesten Schiffahrtskanäle zweigten entweder von einem Flusse ab,
oder sie verbanden zwei Wasserläufe von gleicher Höhenlage mit einander.
Die älteste historische Nachricht Ober eine künstliche Wasserstrasse giebt
Herodot, welcher den schon von Sesostris {1396 — 1328 v. Chr.) geplanten
und von Darius Hystaspes vollendeten Kanal zwischen dem Nile und dem
Rothen Meere aus eigener Anschauung beschrieb. Unter Nebukadnezar
wurden zur Belebung des Handels in Mesopotamien, zwischen dem Euphrat
und Tigris Querkanäle geschaffen, unter welchen der bedeutendste, der
Königsfluss, von grossen Schiffen befahren wurde. In China wurden
unter den Mongolenherrschern grosse schiffbare Kunststrassen geschaffen,
unter welchen der vom Golfe von Petschili bis zum Gebirgssee Sihu reichende
Grosse Kaiserkanal eine Ausdehnung hatte, welche einer Durchquerung
Europas von der* Ostsee bis zum Adriatischen Meere entspricht. Die grossen
Bewässerungsanlagen Indiens, der berühmte, 1350 gebaute Feroze Kanals
die Kanalanlagen der alten von den Spaniern zerstörten Königsstädte Mexiko
und С use о , und endlich die von den Römern in der Campagna angelegten
Bewässerungskanäle, auf welchen zahlreiche kleine Boote den Verkehr ver-
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Schiffahrtskanftle.
141
mittelten, geben Zeugnis, dass die Kultur der Menschheit schon seit den
ältesten Zeiten im innigen Zusammenhange mit den Kunststrassen der Schul-
fahrt steht.
Die beim Kanalbau in Frage kommenden hauptsächlichsten technischen
Grundlagen wurden im Abschnitte 4 beschrieben. Im Bilde 76 ist die all-
gemeine Anordnung eines Schiffahrtskanales ersichtlich. Die auf
der Wasserscheide höchstgelegene Haltung, die Scheitelhaltung, wird
durch a dargestellt, b sind die von einem Flussthale aufsteigenden und
zum anderen absteigenden Kanalhaltungen und s^ bis s^^ die die einzelnen
Haltungen verbindenden Kammerschleusen. Die strichpunktirte Linie
I bis IV soll schematisch die Trace für geneigte Hebewerke, die Linie A und
В eine Schiffseisenbahn (Trockenförderung) und H ein senkrechtes Hebewerk
darstelleo.
Die Anordnung der Kanalschleusen und Haltungen ist fast die gleiche
wie bei der Flusskanalisirung. Der Unterschied besteht nur darin, dass die
Flusshaltungen durch Wehranlagen und Schleusen erzeugt werden und eine
geringe Strömung haben, während der Aufstau des Wassers in den Kanal-
haltungen nur durch Schleusen geschaffen wird und in den einzelnen Haltungen
nahezu stromloses Wasser ist.
In welcher Weise mittels Schleusen eine hochgelegene Kanalhaltung
erstiegen wird, ist durch die im Bilde 77 gezeichnete Schleusentreppe ver-
anschaulicht.
Schleppzugschleuse. Die Hauptabmessungen einer Kammerschieuse
sind dem Bilde 50 zu entnehmen. Wird eine solche Kammerschleuse ent-
sprechend lang gebaut, so dass in ihr ein ganzer Schleppzug auf einmal Platz
findet, so entsteht die Schleppzugschleuse. Diese grossen Schleusen
werden nur auf solchen Kanalstrecken gebaut, auf denen ein besonders
starker Verkehr vorhanden ist, wie beispielsweise am Main, zwischen Frank-
furt und Mainz, dessen Schleusen 10,50 m lichte Weite und mit dem dritten
Schleusenhaupte 350 m Länge haben. Die Schleuse der Maas, zwischen Namur
und der französischen Grenze, hat 12 m lichte Weite und 120 m nutzbare
Länge. In der Strecke von Dortmund nach den Emshäfen liegen Zug-
schleusen von IG m lichter Weite und 165 m Länge; jene der kanalisirten
Moldau (siehe Bild 67) haben 147 m Länge.
Ausser dieser Schleusenanlage kommen im Kanalbau hauptsächlich noch
folgende zur Ausführung:
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142
II. Künstliche Wasserstrassen.
Zwfflingsschleuse, Parallelschleuse, KuppelscMeuse. Die in Bild 78 ge-
zeichnete Zwillingsschleuse A, welche bei kräftig wirkenden Vorrichtungen
zum Folien und Entleeren der Kammern eine raschere Schleusung von zwei
Fahrzeugen ermöglicht. Bei dieser Anordnung fährt das von zwei Schiflfen
zuerst eingelaufene auch wieder zuerst aus.
Ist eine Zwillingsschleuse durch eine Mittelmauer a b getrennt, so ent-
steht die noch zweckmässigere Parallel schleuse. Solche getrennte Schleusen
können nach Bedarf auch mit verschiedenen Abmessungen, eine als Einzel-
sclileuse, die nebenliegende als Schleppzugschleuse hergestellt werden.
Geringere Baukosten benöthigt die Kuppel schleuse B, bei welcher
zwei, oft auch drei Schleusen, derart unmittelbar nacheinander gekuppelt
Bild 77. Schleusentreppe des Bandak-Kanales in Norwegen.
werden, dass das Unterhaupt der höherliegenden gleichzeitig das Oberhaupt
der tieferliegenden bildet.
Sparschleuse. Nachdem bei Anlage eines Schleusenkanals die Wasser-
versorgung an der Wasserscheide eine Hauptfrage, die genügende Nieder-
schlagsmenge im Kanalgebiete oft überhaupt nicht vorhanden ist, so trachtet
man Schleusen mit möglichst geringem Wasserverbrauch zu schaffen.
Eine diese Aufgabe zum Theil lösende Schleusenanlage bildet die Spar-
schleuse С oder die Schleuse mit Sparbecken. Durch die den Schleusen-
seiten angebauten Sparbecken wird der Wasserverbrauch für eine Schleusen-
füllung auf über 40 pCt. vermindert. Bei der Sparschleuse wird nach Durch-
schleusung des Schiffes aus einer Schleuse beiläufig die Hälfte des Wassers
der dieser angebauten Schleuse zugeleitet. Die zwei Seitenbecken der Spar-
schleuse des Dortmund-Ems-Kanals ersparen nahezu 50 pCt. Wasser.
Yerbundschlensen. Eine besondere Art bilden die Verbundschleusen D,
bei welchen zwischen je zwei gewöhnlichen Schleusen eine kurze Zwischen-
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Schififahrtskanftle.
143
Haltung eingeschaltet ist, deren Wasserspiegel dadurch unverändert gehalten
wird, dass das der oberen Schleuse bei der Entleerung entnommene Wasser
durch einen Umlaufkanal wieder der unteren Schleuse zugeführt wird. Man
kann in dieser Weise durch einige Zwischenhaltungen auf verhältnis-
mässig kurzer Kanalstrecke ein grosses GesammtgefäUe überwinden, ohne
den einzelnen Schleusen ein sehr hohes Einzelgefälle geben zu müssen.
Die Zwischenhaltungen erleichtern es, das Aufsteigen eines Schiffes mit dem
Absteigen eines anderen zu verbinden, was jedoch nur bei lebhaftem Verkehr
ausführbar ist. Die Versuche, bei dieser Anordnung die nicht unerhebliche
Kraft, welche sich durch das Gefälle des Schleusungswassers ergiebt,
B. Kuppelscbleuse.
С Sparschleuse.
D. Verbundschlcuse.
^lUtwa»»««r л S<A£eM««
Bild 78.
auszunutzen, sind bisher nicht gelungen. Insbesondere beschäftigt man
sich damit, mittels Turbinenantriebes die Hebung des Speisewassers von Haltung
zu Haltung zu bewerkstelligen.
Wasserverbranch. Die WasserbeschafFung bildet beim Kanalbau die
schwierigste Frage, weshalb dieser auf das unumgänglich Nothwendige
beschränkt werden muss. Der Wasserverbrauch setzt sich zusammen
aus der beim Schleusen der Schiffe verbrauchten Wassermenge, dem Be-
triebswasser, und aus den Verlusten in Folge der Undichte der Kanal-
haltungen und der Verdunstung des Wassers. Ersterer hängt von der
Bauanlage der Schleusen und von dem abzuwickelnden Schiflsverkehre ab,
die übrigen Wasserverluste sind von der Länge des Kanales, den ver-
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;i44 ïï- Künstliche Wasserstrassen.
schiedenen örtlichen Bodengestaltungen, von den Dichtungen der Haltungen
und der Einwirkung der Witterungsverhâltnisse abhängig.
Bei einem über eine Wasserscheide führenden Kanal ist der Verbrauch
an Betriebswasser für ein dieselbe in einer Richtung überfahrendes
Schiff doppelt so gross, denn jedes Schiff braucht beim Auf- und Abstieg je
eine Schleusenfüllung. Bei der WasserbeschafTung für die Scheitelstrecke,
aus welcher das Betriebswasser entnommen werden muss, ist daher für jedes
diese Strecke in einer Richtung durchfahrende Schiff die doppelte Schleusen-
fOllung zu rechnen.
Der Verbrauch an Betriebswasser wächst im Verhältnis zum Schleusen-
gefälle. Man würde demgemäss durch Anlegung von Schleusen mit geringem
Gefälle den Wasserverbrauch für das Durchschleusen der Schiffe auf jedes
beliebige Mass einschränken können. Die dadurch entstehenden Schiffs-
aufenthalte sind jedoch so gross, dass man selbst bei wasserarmen Kanälen
das Schleusengefälle immer mehr erhöht. Bei Kanälen im Gebirgsgelände ist
man aber schon durch die Bodenverhältnisse zur Annahme grosser Staustufen
gezwungen, und muss deshalb trachten, auch bei hohen Staustufen mit
wenig Schleusungswasser auszukommen. Dieses wird durch die Sparbecken,
ferner durch besondere Einrichtungen zum Füllen der Kammern und zum Ab-
dichten ihrer Thore zu erreichen versucht. Die Wasserverluste durch Thor-
undichte werden durch sorgfältigste Bauausführung und sinnreiche Bewegungs-
vorrichtungen vermieden.
Die Wasserverluste durch Versickerung und Verdunstung werden
mit 0,40 bis 0,80 cbm täglich auf einen Meter Kanallänge berechnet. Bei sehr
guten künstlichen Dichtungen durch Beton und bei undurchlässigem Boden
können sie jedoch bis auf 0,20 cbm vermindert werden.
Auf den französischen Kanälen mit den neueren Normalabmessungen
berechnet man den mittleren Wasserveriust durch Verdunstung auf je 100 km
Kanalhaltung mit 4 cbm in der Sekunde. Genaue Beobachtungen bezüglich
Verdunstung der Wasseroberfläche wurden am Bourgogne-Kanal von 1839
bis 1852 gemacht und hierbei nachgewiesen, dass von den mittleren Regen-
mengen in Dijon, Pouilly und St. Jean 76,57 pCt. verdunsten. In Deutschland
berechnet man die Verdunstung im Mittel mit 4 mm Höhe während 24 Stunden.
In den trockenen Sommermonaten ist natürlich der Verlust in Folge
Verdunstung wesentlich höher als während der kälteren Niederschlagszeiten.
Mittel ZOP Veppingepung des Wassepvepbpaachee. Der Wasserverbrauch
durch Verdunstung ist unvermeidlich. Mehr oder minder eingeschränkt kann
dagegen der Wasserverbrauch bei den Schleusungen und die Verluste
durch Versickerung, Undichte der Schleusenverschlüsse, der Auslässe u. dergl.,
werden. Bei der Anlage von Kanälen und den zugehörigen Bauwerken ist
deshalb dahia zu wirken, durch technische Mittel diese Wasserverluste nach
Möglichkeit zu verringern. Aus diesem Grunde wurden die eingangs an-
geführten Schleusenanlagen gebaut. Es wurden zwei Kammerschleusen neben-
einander gelegt, die eine für grössere, die parallelliegende für kleinere Schiffe,
oder es wurden beide Kammern hintereinander angeordnet und durch ein
Mittelthor getrennt, so dass bei der Durchfahrt nur eines Schiffes auch nur
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Schiifahrtskanäle.
145
die eine, der Grösse des Fahrzeuges entsprechende Kammer, gefüllt zu werden
braucht. Um die gleichzeitige Durchschleusung mehrerer Schiffe zu ermög-
lichen, entstanden die Schleppzugschleusen zwischen Frankfurt und Mainz,
aus gleicher Ursache die Doppelschleuse am Erie-Kanale, welche die
gleichzeitige Aufnahme zweier Schiffe nebeneinander zulässt, ferner die
Kesselschleuse, welche an der Stecknitz ausgeführt ist, und endlich die
Bassinschleuse, welche zugleich die Drehung des Schiffes zur Ueber-
fOhrung in einen abzweigenden Kanal gestattet. Die grösste Er-
sparnis an Betriebswasser ergeben jedoch die im Bilde 78 angeführten
Sparschleusen, allerdings auf Kosten des Schiffahrtsbetriebes, dessen Aufent-
7tU4X
fftiviAp[éeitt.\
VCélUi.
Bild 79. Schleuse mit Hebersystem,
halte durch die längere Dauer der Füllung und der Handhabung der Schleuse
vergrössert werden.
Kammerschleuse mit Hebersystem. Aus letzterem Grunde hat auch die
Caligny 'Schleuse, welche an der Schleuse zu Aubois in einem Seitenarm
Kla/ipthor
k^^^nti-/-
Bild 80. Schleusenthor am Elbe-Trave-Kanal.
der Loire angewendet wurde, und welche, indem sie die lebendige Kraft des
Wassers zur Rückleitung des Kammerwassers in das Oberwasser benutzt, eine
Wasserersparnis von 80 pCt. erzielt, keine weitere Verwendung gefunden.
Der Betrieb dieser Schleuse ist folgender: Soll sie entleert werden, so lässt
man das Kammerwasser mittels eines Kanales in ein Seitenbassin strömen.
Nach einigen Sekunden, wenn die Geschwindigkeit des abfliessenden Wassers
gross genug ist, schliesst man den Seitenkanal rasch ab und das Kammer-
wasser tritt, in Folge der lebendigen Kraft, durch Rückschlagventile in das
Oberwasser. Dieses Spiel wird mehrere Male wiederholt und derart
fast die ganze Druckhöhe des Kammerwassers nutzbar gemacht. Beim Füllen
der Kammer wird in ähnlicher Weise durch die Druckhöhe des Oberwassers
sowie des Wassers im Seitenbassin eine Saugwirkung erzielt, zu Folge deren
das Unterwasser in die Kammer tritt.
Sappdn, Wasserstrassen und BinnenschiflFahrt lO
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1^6 п. Künstliche Wasserstrassen.
Um die Wasservcrluste, welche bisher bei den verschieden gebauten
Einlass- und Auslassschützen auftraten, zu vermeiden, hat Hotopp beim Elbe-
Trave-Kanal ein Hebersystem ausgeführt, bei- welchem, ohne Verwendung
von Schützen, das Wasser durch einen Saugkessel, der nach Bedarf mit
dem Ober- oder Unterwasser in Verbindung gebracht wird, gezwungen ist,
über die Heber zu fliessen und die Kammer zu füllen oder zu entleeren.
Mit diesem bei der Krummesser-Schleuse eingeführten System (Bild 79) kann die
Kammer innerhalb 8 Minuten mit 3850 cbm Wasser gefüllt oder entleert
werden. Bei derselben geschieht auch das Oeffnen und Schliessen der
Thore in raschester Weise mittels Druckluft und Wasserdruck, indem diese
in der im Bilde 80 dargestellten Weise umgeklappt und aufgehoben werden.
Wasserersparnis durch Regelung des Betriebes. Doch auch der
Kanalbetrieb und Verkehr kann; wenn er entsprechend geregelt und strenge
gehandhabt wird, zu einem wirthschaftlicheren Wasserverbrauch führen. Die
Wasserverluste durch Undichte der Haltungen und Bauwerke sind un-
abhängig vom Verkehr, es kommt hier nur der mit dem Verkehr wachsende
Verbrauch an Betriebswasser für die Schleusungen in Betracht.
Durch die bei Schleusentreppen mit geringerem Gefälle vorkommenden
kurzen Haltungen entsteht oft dadurch ein unnützer Wasserverbrauch, dass
man das durch einige Kammerfüllungen verbrauchte, der Haltung entnommene
Wasser in dieser erneuern muss, ohne zu gleicher Zeit, weil ein in entgegen-
gesetzter Richtung fahrendes Schiff nicht in der Haltung liegt, das Wasser
für eine Schiffschleusung nutzbar machen zu können. Man sollte deshalb auf
jedem Kanal, soweit dies nur thunlich ist, den Betrieb derart regeln,
dass an den einzelnen Schleusen immer Schiffskreuzungen stattfinden,
wodurch nicht nutzbringende SchleusenfüUungen entfallen würden. Allerdings
ist eine genaue Regelung des Betriebes auf Kanälen schon deshalb schwer
durchführbar, weil sich der Kanalverkehr zumeist sehr ungleichmässig ab-
wickelt und sich deshalb auf gewisse im vorhinein bestimmte Zeiträume nicht
recht vertheilen lässt.
Ersatz des Wasserverbrauches. Die Verluste an Kanalwasser durch
Versickerung und Verdunstung sind viel leichter zu ersetzen, als der Verbrauch
an Schleusenbetriebswasser, weil erstere an allen Punkten der Haltungen
ersetzt werden können, dagegen das Betriebswasser in seiner Gänze an einem
bestimmten Punkte der Scheitelhaltung zugeführt werden muss. Während
man daher das verdunstete und versickerte Wasser durch entsprechende
Vertheilung und Zuleitung der Wassermengen der einzelnen Fluss- und Bach-
gebiete unschwer beschaffen kann, muss das Betriebswasser in einem ein-
heitlichen Zuflüsse, aus am Scheitel angelegten grossen und kostspieligen
Sammelbecken zugeleitet werden, was um so schwieriger ist, weil in der
Wasserscheide die nothwendige Wassermenge meist nicht annähernd vor-
handen ist
Seekanäle. Ihrer Bauanlage nach werden die Kanäle in zwei Hauptgruppen,
in Seeschiffahrtskanäle und in Binnenkanäle unterschieden.
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Schiffahrtskanale.
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Die Seeschiffahrtskanäle dienen dem Verkehre grösser Seeschiffe
zwischen zwei Meeresgebieten oder zur Verbindung eines Seehafens mit einem
Binnenstrome. Solche Kanäle sind der Suezkanal, der Nord-Ostsee- oder
Kaiser Wilhelm-Kanal, der Manchester SeeschifFahrtskanal, der Kanal von
Korinth, der Seekanal von St. Petersburg nach Kronstadt, der Nordseekanal
Amsterdam-Ymuiden, der Amsterdam-Merwede-Kanal und der grosse Kanal
bei Chicago, welcher der Hauptsache с nr f
nach der Entwässerung dieser Stadt
zu dienen bestimmt ist, jedoch auch
als Schiffahrtsstrasse benutzt werden
wird.
Als Projekte sind anzuführen:
Der in seiner Ausführung unter-
brochene Panama-Kanal, der Nicaragua-
Kanal und die Kanal Verbindung des
Firth of Forth mit dem Firth of Clyde
in Schottland. Ferner der geplante
Canal des deux mers, welcher den
Meerbusen von Biskaya bei Bordeaux
mit dem von Toulon bei Narbonne
verbinden und Frankreich einen eigenen
Seeweg zum Mittelmeere schaffen soll,
nachdem der Kanal du midi den An-
forderungen der Jetztzeit nicht mehr
genügt. Als Gegenprojekt zu dieser
Linie wurde der französische Nord-
Süd-Kanal aufgestellt, welcher zwi-
schen Calais oder Dünkirchen über
Paris, mit Benützung der Seine, der
oberen Loire Ober Lyon zum Rhône-
thal nach Marseille gedacht ist. In
Dänemark soll von der Jammer Bucht
an der Nordsee zum Limfjord am
Kattegat, etwa drei Grade nördlicher
als der Kaiser Wilhelm -Kanal, eine
Verbindung geschaffen werden. In Russ-
land ist der Weissemeer- Onega-
see-Kanal zu erwähnen, ferner stellt
der 86 km lange Wolga-Don-Kanal
einen neuen Wasserweg zwischen dem
Kaspischen und dem Asowschen Meere
dar und endlich liegt ein das
letztere mit dem Schwarzen Meere ver-
bindender Bauentwurf für den Kanal von Perekop durch die gleichnamige Land-
enge vor. In Italien ist ausser einem Seekanale in Cal ab rien zwischen dem
Tyrrhenischen und Jonischen Meere noch ein Querkanal, welcher den
Trasimenischen See durchziehend, die Verbindung des Tyrrhenischen Meeres
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Bild 81.
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148
IL Künstliche Wasserstrassen.
nördlich von Civitavecchia mit dem Adriatischen Meere bei Fano bezweckt,
geplant, welcher eine Länge von 280 km, eine Breite von 80 m und eine für
die grössten Panzerschiffe ausreichende Tiefe von 12 m erhalten soll. Endlich
befasst man sich mit dem Gedanken, die Städte Paris, Berlin, Brüssel, Gent und
Rom dem unmittelbaren Seeverkehre anzugliedern. Die Kosten des Kanals, durch
welchen Paris zum „port- de mer" gemacht werden soll, würden 2000 Millionen
Francs betragen, dagegen wurde der nur 27 km lange Kanal nach Brüssel
auf 14 Millionen und die Seeverbindung nach Rom, mit 20 km Länge, auf
<Аф^ 0\Xjuuu
Bild 82. Der Suez-Kanal.
20 Millionen veranschlagt. Vergleichende Querschnitte der wichtigsten See-
kanäle sind im Bilde 81 dargestellt.
Der Suez-Kanal (Bild 82) erstreckt sich von Port Said bis Suez und hat
eine mittlere Tiefe von 8 m. Seine Wasserbreite schwankt zwischen 58 bis
100 m. Die grosse Bedeutung dieses Kanales liegt in der durch ihn geschaffenen
Abkürzung des Seeweges zwischen Europa, Ostasien und Australien, welche
für Schnelldampfer 20, für gewöhnliche Frachtdampfer 40 Tage beträgt. Der
Unterschied des Seeweges um das Kap der guten Hoffnung nach Bombay
gegenüber dem Kanalwege beträgt für Konstantinopel 10400, für Marseille
7900, für London und Amsterdam 6900 und für New- York 5900 Seemeilen.
Der 1895 vollendete Kaiser Wilhelm-Kanal ist ein 98,60 km langer
Durchstich zwischen der Ostsee und der Elbe mit einer Sohlenbreite von
22. m, einer Wasserspiegelbreite von 50 bis 90 m und einer Wassertiefe
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Schififahrtskanäle.
149
von 8,50 bis 9,00 m. Bei mittlerem Wasserstande beträgt seine
Querschnittsfläche 413 m^ oder das sechsfache der mit rund 70 m ^ ein-
tauchenden Handelsseedampfer. Der Manchester-Kanal hat dagegen 352 m ^,
der Amsterdamer Seekanal 366 m ^ Fläche. Der Kaiser Wilhelm-Kanal ist
nur an beiden Endpunkten bei Brunsbüttel und Holtenau mit Schleusen ab-
Bild 83. Der Nord-Ostsee- oder Kaiser Wilhelm-Kanal.
geschlossen, welche 150 m Kammerlänge, 25 m Breite und 9,90 m Tiefe
unter dem Normalwasserstand haben. Von der Mündung bei Holtenau bis
Rendsburg, auf 60 km Länge, liegt die Sohle wagerecht, die übrige Kanallänge
-i^'
î^^-
.-T'^ *y-. f.jr_ ^■
Bild 84. Kanalquerschnitt bei Grünenthal.
hat ein geringes Gefälle. Die Bewegung der Schleusenthore erfolgt
hydraulisch. Die Brunsbütteler Schleuse bleibt während der Elbefluth ge-
schlossen und wird erst geöffnet, wenn der äussere Wasserstand n>it dem im
Kanäle nahezu gleich ist. Die Holtenauer Schleuse wird nur bei Sturm ab-
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I go П. Künstliche Wasserstrassen.
gesperrt. Zum Schutze ersterer sind im Elbestrom zwei grosse Molen
gebaut, die an der Krone 5 ш stark sind und deren Köpfe zwei Leuchtthurme
tragen. An den Innenseiten der Schleusen befindet sich je ein Binnenhafen
von 500 ra Länge und 200 m Breite. In der Kanalstrecke sind sieben
Ausweichestellen für die Begegnung besonders grosser Kriegsschiffe an-
gebracht. Den Kanal kreuzen vier Eisenbahnlinien, von welchen eine bei
Grünenthal (Bild 84) über eine 42 m hohe Brücke mit einer Spannweite von
156 m, eine andere in gleicher Höhe mit 165 m Spannweite bei Levensau
führt, während der Uebergang der beiden anderen Eisenbahnlinien bei Tater-
pfahl und bei Rendsburg durch Drehbrücken erfolgt. Nachts wird der Kanal
durch elektrische Lampen erhellt. Bei Rendsburg liegt ein grosser Reparatur
hafen. Abgesehen von seiner grossen militärischen Bedeutung, die darin
gipfelt, dass die deutsche Kriegsflotte ohne die Gefahren des Seeweges um
Skagen in kurzer Zeit entweder in der Ostsee oder in der Nordsee versammelt
werden kann, liegt die wirthschaftliche Bedeutung des Kaiser Wilhelm-Kanales
in erster Linie in den Abkürzungen insbesondere für die Häfen
Hamburg, Bremerhafen, die Rheinhäfen und London von und nach der Ostsee.
Berechnete mittlere Fahrtabkürzung bei Benutzung des Kaiser Wilhelm-Kanales
gegenüber dem Seewege um Skagen.
Gewinn an
Weglänge [ Zeit
bei Benutzung des
Kaiser Wilhelm-Kanales
See-
meilen
km j Stunden
786,7
44,91
597,8
32,54
523,7
37,69
438,6
22,12
438,6
22,12
438,6
22,12
442,3
22,35
442,3
22,36
Hamburg 424,8
Bremerhaven 322,8
Emden , 282,8
Amsterdam [ 236,8
Rotterdam \ 236,8
Antwerpen . 236,8
Dflnkirchen |i 238,8
London ! 238,8
Bild 83 stellt die Kanallinie und Bild 84 den Querschnitt des Kanalcs
bei Grünenthal dar.
Der Manchester-Kanal, welchen 5 Eisenbahnen Wettbewerben, mündet
unter Umgehung von Liverpool unmittelbar bei Eastham in den Mersey. Die
Sohlenbreite beträgt 36,6 m, die gewöhnliche Wassertiefe 7,93 m. Der Höhen-
unterschied zwischen Manchester und Eastham wird durch 5 Schleusenanlagen
überwunden. Den Kanal überkreuzen 3 Eisenbahnen und der Bridgewater-
Kanal, welcher über eine drehbare eiserne Brücke geführt wird. Die Wehr-
anlage und Schleusen bei Barton, sowie die schematische Zeichnung von
Stoney's Thorabschluss sind im Bilde 85 dargestellt.*)
*) Stoney*s dichthaltender Wehrabschluss wurde indessen auch bei Genf mit
Erfolg angewendet.
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Schiöahrtskanäle.
151
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.oogle
IC2 II. Künstliche Wasserstrassen.
Der Kanal von Korinth, welcher den gleichnamigen Isthmus durch-
sticht, ist 6,3 km lang, hat 21,04 ^ Sohlenbreite und 7,93 m Tiefe.
Die eigenartigste Bauanlage ist der von St. Petersburg nach Kron-
stadt führende, mittendurch die See gehende Kanals welcher in einer Länge
von 12 km beiderseits von gewaltigen Molen begrenzt wird, die eine im Meeres-
grunde ausgebaggerte Sohlenbreite von 84 m mit 6,80 m Tiefe einschliessen.
Die Tracen des Panama- und Nicaragua-Kanales siehe VI. Theil.
Zu erwähnen ist noch der Seekanal Belgiens von Hey st nach Brügge,
welcher, 11 km lang, in der Sohle 22 m nnd im Wasserspiegel, bei 6,15 m
Tiefe, 70 m breit ist, sowie der Seekanal nach Brüssel welcher in seinem Laufe
fast ganz den bestehenden alten Kanal von Willebroeck benutzen wird, der auf
eine Tiefe von 5,5 m gebracht und dessen Sohle auf т8 m verbreitert werden soll.
Binnenkanäle.*) Die Binnenkanäle vermitteln den Verkehr von Schiffen
zwischen zwei Binnenwasserläufen. Eine Unterscheidung derselben ergiebt
sich dadurch, dass man die Hauptlinie als Haupt- oder Stammkanal
und die an diese sich anschliessenden, dem örtlichen Verkehr und als Fracht-
zubringer dienenden Anlagen als Zweig- oder Stichkanäle bezeichnet. Die
Binnenkanäle gehen entweder in ganz ebener Gegend, wie jene in Holland
und der Lombardei, wo sie in Form eines Netzes nach allen Richtungen
hin auszweigen und mit Ausnahme jener Kanalstrecken, welche das Fluth-
gebiet der See abschliessen, zumeist Kammerschleusen mit sehr geringem
Gefälle haben, oder sie ziehen als Seitenkanäle entlang der Thalsohle
eines Flusses, welchen sie an einer Stelle verlassen, um oft weit unterhalb
dieser in denselben wieder einzumünden, oder aber sie überschreiten mehr
oder weniger hochgelegene Wasserscheiden. Diese Kanäle folgen auch
immer soweit als mögUch der Thalsohle der in den schiffbaren Hauptstrom
mündenden Nebenflüsse und ersteigen dann mittels der Schleusentreppen die
Wasserscheide, auf dieser den Scheitelkanal bildend.
Während die Stufen der Schleusentreppen der Kanäle in der Ebene
wenige und lange sind, sind die Haltungen der Kanäle über Wasser-
scheiden, je nach dem zu überwindenden Gebirgslande, ziemlich kurz und
von vielen Schleusen unterbrochen. Durch die grosse Zahl der zur Ueber-
schreitung hochgelegener Wasserscheiden nothwendigen Schleusen werden
nicht nur die Baukosten solcher Kanalanlagen bedeutend, sondern es steigen
auch, weil der Betrieb durch die vielen Schleusungen sehr verzögert wird,
die Betriebskosten.
Ein Theil des alten Donau-Main-Kanales hat zum Beispiel auf kaum
10 km Kanallänge 24 Schleusen, einzelne derselben sind nur 150 m von ein-
ander entfernt. Zum Aufstieg von der Donauseite mit 80 m Höhe und
zum Abstieg auf der Mainseite mit 180 m benöthigt er nicht weniger als
100 Schleusen.
Schleusen mit grossem Gefälle, Da die Beförderungskosten bei Schleusen-
kanälen durch die von ihnen verursachten Schiffsaufenthalte wesentlich zunehmen,
so sucht man die Kanallinie unter Ausnutzung der örtlichen Bodengestaltung so
*) Die wichtigsten Binnenkanäle siehe VI. Theil.
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Schiffahrtskanäle.
153
zu führen, dass möglichst lange Haltungen und wenig Staustufen entstehen.
Diesem Zwecke dienen die Schleusen mit grossen Gefällen. Eine derartige
hohe Gefällsschleuse liegt beispielsweise im Kanäle St. Denis bei Paris mit 9,92 m
Höhe. (Bild 86.) Je grösser aber das Schleusengefälle ist, um so grösser wird wieder
der hierzu nothwendige Betriebswasserverbrauch und wenn auch die Anzahl der
Schleusenstufen durch Verwendung von Schleusen mit grösserem Gefälle
verringert werden kann, so ist man in der Gefällshöhe einerseits enge be-
grenzt, anderseits wird bei einer grösseren Kanalanlage die Wasserbeschaf-
fung für die grossen Schleusengefälle sehr schwierig und kostspielig. Diese
Gründe haben den gegenwärtigen Kanalbau dazu geführt, höhere Wasser-
scheiden statt mit Schleusen, mittels anderer technischer Mittel, welche ein
Heben oder ein Aufziehen der in einem Troge schwimmenden Schiffe auf
die einzelnen Wasserstufen oder die Trockenförderung derselben über den
ganzen Höhenunterschied ermöglichen, zu überwinden (siehe Abschnitt 6).
Normalabmessnugen der Kanäle. Nachdem es Aufgabe eines Kanales
ist, den Verkehr zwischen bereits bestehenden Wasserstrassen zu vermitteln,
+ Э э:*
Bild 86. Schleuse am Kanäle St. Denis.
die Schiffbarkeit dieser aber sehr verschieden, oft in engen Grenzen
gezogen ist, und man,^ um die Beförderungskosten des Kanales billig
und dessen Leistungsfähigkeit gross zu gestalten, in den Abmessungen des-
selben soweit als nur thunlich gehen will, so ist bei der Verfassung eines Kanal-
bauentwurfes die Bestimmung der J^ormalabmessungen eine sehr wich-
tige Frage. Dieselbe ist um so schwieriger, weil von ihr die Höhe der Bau-
kosten und von dieser wieder die Berechnung der zu erwartenden Verzinsung
des Anlagekapitales abhängt. Letzteres wird aber wieder um so höher, je
grösser die Abmessungen des Kanales genommen werden. Endlich ist die
Frage der Bestimmung der Normalabmessungen für ein Kanalnetz darum von
massgebendster Bedeutung, weil dieselbe im innigen Zusammenhange mit dem
Bau der Fluss- und Kanalschiffe s.teht, welche doch wechselseitig sowohl die
einzelnen Kanalwege, als auch die . durch diese zu verbindenden Ströme in
ununterbrochenem Betriebe durchfahren sollen. Verschiedenheiten in den
Wassertiefen der Kanäle, in den Längen und lichten Weiten ihrer Schleusen,
sowie Unterschiede in den Fahrtiefen der von ihnen verbundenen Flüsse
lassen aber jeinen ununterbrochenen Betrieb nicht zu und beeinflussen dann
den Ertrag der Schiffahrt ungünstig.
Französische Normalabmessungen. Dieses hat man besonders in Frank-
reich eriahren, wo. man пасЦ vielseitigen Erwägungen endlich zur Bestimmung
von Normalabmessungen geschritten ist, welche beim Bau neuer Kanäle ein-
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jr^ II. Künstliche Wasserstrassen.
gehalten werden und auf welche zum grossen Theile auch die alten Kanal-
anlagen vergrössert wurden.
Als Normaltiefe für grosse Kanäle wurden in Frankreich 2,00 m, als
Schleusentiefe über dem Drempel 2,50 m, als lichte Weite der Schleusen
5,20 m und als geringste nutzbare Länge derselben 38,50 m festgesetzt. Als
geringste Höhe der Unterkante fester Brücken über den Kanalhaltungen
wurden 3,70 m bestimmt.
Die Schleusentiefe wird deshalb immer grösser als die laufende Kanal-
tiefe angenommen, weil man alle festen Kanalbauwerke aus Rücksicht eines
voraussichtlich durch spätere Verkehrsanforderung nothwendig werdenden
Kanalumbaues schon entsprechend grösser anlegen muss, um sich späterhin
wenigstens den theueren Umbau der festen Bauwerke zu ersparen.
Jene Länder, welche nicht mit den Erfordernissen bestehender alter
4Kanalanlagen, wie dieses in Frankreich der Fall war, zu rechnen haben,
werden bei ihren Kanalbauten den zeitgemässen Bedürfnissen einer Gross-
schifTahrt Rechnung tragen und die Normalabmessungen, von vorneherein so
gross als möglich annehmen. Natürlich dürfen die Anforderungen in dieser
Richtung nicht zu hoch gespannt werden und müssen sich annähernd in jenen
Grenzen halten, welche einerseits der zu erwartende Verkehr fordert, und ander-
seits die zum Kanalbau zur Verfügung stehenden Geldmittel zulassen.
Deutsche NormalalHuessnngen. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend,
hat man in Deutschland zwei Kanalabmessungen festgesetzt:
Für Kanäle mit dem Verkehr von Schleppen mit 400 bis 500 Tonnen
Nutzlast und 1,70 m grösster Tauchtiefe:
Kanal-Tiefe . . .
„ -Spiegelbreite
„ -Sohlenbreite
Schleusen-Tiefe
„ -Weite .
-Länge .
Für Kanäle mit dem Verkehr von Schleppen mit 600 bis 700 Tonnen
Nutzlast und 2,20 m grösster Tauchtiefe:
Kanal-Tiefe . . .
„ -Spiegelbreite .
„ -Sohlenbreite .
Schleusen-Tiefe . .
„ -Weite . .
„ -Länge . .
Die lichte Höhe der Brûckenunterkanten über dem gewöhnlichen Wasser-
spiegel hat man bei allen Kanälen mit 4,50 m angenommen.
Durch diese grossen Abmessungen ist I>eutschland in der Lage, steh
ein zusammenhängendes, den Anforderungen eines wirthschaftlichen und
billigen Grossverkehres entsprechendes Wasserstrassennetz zu schaffen.
YeraassichtliclM! Ssterreiehiscbe Kanalabmeesmi^ii. Von den Ab-
messungen der deutschen Kanäle ausgehend, hat man in Oesterreich eine Schiffs-
2,00 m
• • 25,00 „
• . 15.00 n
■ ■ 2,50 „
• • 7.00 „
• • 57.50 „
chleppen mit
. . 2,50 m
• • 30,00 „
■ ■ 18,00 „
• • 3,00 „
. . 8,60 ,
• • 67,00 „
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Schiffahrtskanäle.
155
form aufzustellen versucht, welche bei geringsten Abmessungen das möglichst
grösste Tragvermögen und solche Baulinien hat, <^^ss es bei der im Kanal- und
Flussschiffahrtsbetrieb üblichen Zugsgeschwindigkeit von 4 bis 4V2 ^^ Ь der
Stunde, den verhältnismässig geringsten Zugswiderstand bietet.
Ein derartiger, vom Verfasser dieses dem Schiffahrtstage in Nürnberg
1898 vorgeschlagener Normalschlepp*) wurde indessen im Donaubetriebe
eingeführt und hat folgende Abmessungen:
Länge 63,00 m
Breite 8,20 „
Höhe 2,40 „
Tiefgang unbeladen 0,35 m
„ bei grösster zulässiger Beladung mit 675 Tonnen . . 1,90 „
„ „ einer Beladung mit 630 Tonnen 1,80 „
n n n n n 496 n ï»5^ n
Diesem Normalschlepp entsprechend wurden dem Verbandstage, um eine
einheitliche Gestaltung der Kanäle zu erzielen, folgende Kanalab-
messungen beantragt:
Normale Wassertiefe:
in zweischiffigen freien Strecken 2,10m
in einschiffigen Strecken und festen Bauwerken . . 2,50 „
Normale Sohlenbreite:
in zweischiffigen geraden Strecken 18,00 m
in einschiffigen geraden Strecken und festen Bauwerken 10,00 „
Normale Schleusenabmessungen:
Tiefe über dem Drempel .... 2,50 m
lichte Weite zwischen den Thoren . 8,60 „
nutzbare Länge 67,00 „
Normale Brückenhöhe:
lichte Höhe der BrQckenunterkante . 4,00 m
Bei dem in Oesterreich mit der Gesetzesvorlage voiri Jahre 1901 zum
Bau bestimmten Wasserstrassennetze wurden die ursprünglich vom Donau-
Moldau-Elbe-Kanal-Comite festgesetzten Abmessungen zur Ausführung
vorgeschlagen:
Kanaltiefe 2,10 m
Sohlenbreite in gerader Strecke . 18,00 „
in Krümmungen entsprechende Verbreiterung um die dreifache Bogenhöhe
der grössten Schiffslängensehne,
Brückenhöhen mindestens . . . 4,00 m
Schleusentiefe über dem Drempel. 2,50 „
lichte Thorweite 8,60 „
nutzbai'e Länge 67,00 ,,
In den zukünftigen österreichischen Kanälen kann demnach die oben
beschriebene jüngste Donauschleppform mit 63,00 m Länge, 8,20 m Breite,
mit einer Tauchung zwischen 1,70 bis 1,80 m, also mit rund 600 Tonnen
Ladung eben noch verkehren^ obwohl zur Einschleusung eines 8,20 m breiten
*) C. V. Suppân, Normal-Binnenschiftstyp für die Verbandsländer, Berlin 1898,
A. Troschel.
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15б
П. Kûnstliqhe Wasserstrassen.
Fahrzeuges in eine nur 8,60 m breite Kammer alle Vorsicht nothwendig ist
und letztere wenigstens auf 8,8c\m Weite vergrössert werden sollte.
Diese grossen Abmessungen der zukünftigen österreichischen Kanäle
ergeben sodann im Vereine mit der noch durchzuführenden Regulirung der
Donau für Niederwasser, sowie der Kanalisirungen der Elbe ab Aussig und
der Oder ab Oderberg einen ununterbrochenen GrossschifTahrtsbetrieb mit
Schleppen von 600 Tonnen Nutzlast zwischen Oesterreich und dem deutschen
Wasserstrassennetze. Hierdurch wird die Nord- und Ostsee mit dem Schwar-
zen Meere verbunden werden, und mitten durch Deutschland, Oesterreich-
Ungarn und die unteren Donaulander, in einem vereinigten Stromgebiete von
I Million km^, eine zusammenhängende Wasserstrasse von über 5000 km
Länge entstehen.
Kanalquerschuitte und Sohlenbreite. Die Sohlenbreite eines Kanales
soll zumindest so gross sein, dass bei entsprechender Böschungsanlage und
I I OtiAttrheM KritesftKlO ^»i»rf ■
I. Französische grosse Kanftle.
II. Oder-Spree-Kanal.
HI. Zukunft! g^er österreichischer Kanalquerschnitt.
IV. Havel-Oder-Kanal.
Bild 87.
Tiefe der Kanalquerschnitt viermal so viel betrage, als der eingetauchte
Querschnitt der grössten dort üblichen Kanalschleppe bei ihren häufigst vor-
kommenden Tauchungen. Unbedingt soll aber die Breite so bemessen sein,
däss zwei Schleppzüge, ohne sich zu hindern und ohne ihre Zugsgeschwindig-
keiten zu stark verringern zu müssen, aneinander vorbeifahren können.
Diese Forderung des Verhältnisses zwischen dem Kanalquerschnitte und
dem eingetauchten Schiffsquerschnitte ist mit Rücksicht auf die im Kanäle
sehr stark auftretenden Zugswiderstände, insbesondere wenn durch Dampf-
kraft grössere Zugsgeschwindigkeiten, über 4 km in der Fahrstunde, angewendet
werden sollen, gerechtfertigt.
Um über die Grösse einzelner Kanalanlagen Vergleiche machen zu können,
sind im Bilde 87 einige Querschnitte von Binnenkanälen mit dem Quer-
schnitte des früher beschriebenen 670 Tonnenschleppes im Verhältnisse zu
den Schnitten durch einen Seekanal und ein grosses Kriegsschiff auf-
gezeichnet.
Kanalbaltnngen. Krümmungshalbmesser. Ueber die Kanaltrace ist all-
gemein zu bemerken, dass sich diese aus geraden Strecken und aus Kreis-
bögen zusammensetzt. In den geraden Haltungen wird das Wasser durch
den Wind oft ziemlich aufgestaut und es entsteht dadurch, wenn die Haltung
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Schiftahrtskanäle.
157
lang ist, oft eine wesentliche Wasserstauung; ferner setzen sich in solchen
geraden Strecken der von den Dampfern erzeugte Wellenschlag, insbesondere
aber die durch den Schleppzug erzeugten Bugwellen, auf grössere Längen
fort, weil die Wellen keinen Widerstand finden und daher nicht gebrochen
werden. Bei grösserem Verkehre wird hierdurch das stromlose Kanalwasser
unruhig, was die Steuerung der Schleppzuge zwar unwesentlich, die Kanal-
ufer und die Böschungen jedoch wesendich schädlich beeinflusst. In den
Krümmungen tritt diese Erscheinung weniger auf, weil sich in deren aus-
biegenden Stellen die Wellen brechen und das Kanalwasser viel früher zur
Ruhe gelangt. Gerade, lange Strecken sind übrigens seltener, zumeist wird
die Kanallinie durch sanft aufeinanderfolgende Krümmungen unterbrochen.
Der Halbmesser der Kanalkrümmungen hängt von dem Quer-
schnitte und der Länge der den Kanal befahrenden grössten Schleppe ab.
Bild 88. Brückenkanal über die Loire bei Briare.
Bei dem für die grossen Rheinschiffe bemessenen Emscher-Kanal wurde ein
Mindesthalbmesser von 500 m bestimmt. Beim Donau-Main-Kanal hat man
als geringsten Krümmungshalbmesser 100 m für Schiffslängen von 33 m und
auf den kleineren französischen Kanälen sogar solche von nur 70 m angenommen.
Im Allgemeinen bereiten die Kanalkrümmungen der Schiffahrt keine
Schwierigkeiten, die Schleppzüge müssen nur entsprechend geführt werden
und gute empfindliche Steuervorrichtungen haben. In scharfen Krümmungen
müssen aus Rücksicht auf die Schiffahrt entsprechende Erweiterungen des
Kanalquerschnitts angeordnet werden.
Linienf&hrang des Kanales. Die technischen Fragen über die zweck-
mässigste Führung der Kanallinie und über -den Kanalbau selbst fallen
nicht in den Rahmen dieses Buches. Es soll nur bemerkt werden, dass,
während eine Eisenbahn trace unter gleichmässiger Ausnutzung des Boden-
gefälles geführt wird, der Kanal in möglichst langen wagerechten Haltungen geht,
und das Bodengefälle zwischen diesen an gewissen Punkten sammelt, welche
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15в
II. Künstliche Wasserstrassen.
Gefällspunkte dann durch Schleusen oder Hebewerke überwunden werden.
Nur die Trockenförderung von Schiffen lässt auch eine Linienführung mit
Ausnutzung des Bodengefälles, . ähnlich wie beim Eisenbahnbaue, zu. {Siehe
Abschnitt 6.)
Oft muss der Kanal, sowie eine Eisenbahn über Wasserlaufe auf Brücken
geführt werden. Ein derartiger BrOckenkanal ist im Bilde 88 dargestellt.
Derselbe überschreitet die Loire, ist 662,69 m lang und besitzt 15 Oeffnungen,
welche von einer Blech trogbrücke mit je 40 m Spannweite übersetzt werden.
Den Querschnitt eines Brückenfeldes zeigt Bild 89. Oft geht die Trace
in tiefen Einschnitten, nicht selten auch in Tunnels. Einen Kanaltunnel
zeigt Bild 90. Dieser 4820,45 m
lange, in der Scheitelhaltung des
152 km langen Kanales von der
Marne zur Saône liegende Tunnel
durchsetzt Schichten aus Mergel
und Kalk und unterfährt zwei-
mal die Marne, die 4,23 m
und 14,85 m über dem Scheitel
des Tunnels liegt.
Bild 89. Schnitt durch den BrOckenkanal.
Kaaalafer und B6schnn2:eii.
Die festen Mauer werke sind immer kostspielig, weshalb dieselben nur in tie-
feren Einschnitten, in rutschigem Baugrunde, bei Ortschaften, um die Kosten des
Grunderwerbes oder Erdarbeiten zu ersparen, bei Erweiterungen, Lande- und
Liegeplatzen, ferner bei allen festen
^^'^^-^ '^ ' Schleusenbauten,Brücken undUeber-
gängen, und endlich bei den Hafen-
anlagen angewendet werden.
Die Erdböschungen sind
zumeist i'/j bis 2 fach angelegt und
müssen insbesondere dann gut aus-
geführt und befestigt sein, wenn
sie dem Wellenschlag eines Dampf -
Schleppzuges ausgesetzt sind, weil
der Wellenanprall die Böschungen
nahezu immer in derselben Wasser-
spiegelhöhe trifft und diese daher
leicht unterwaschen kann.
Bei Kanälen mit grösserem
Verkehr und Dampfbetrieb ist der
Strich des Wellenanpralles ganz
genau in der Form eines Streifens
von beiläufig Y2 ^ Breite, dessen
Mitte in der gewöhnlichen Kanalspiegelhöhe liegt, sichtbar.
Diese Beschädigungen der Kanalböschungen sind, ganz abgesehen
von dem im Kanalquerschnitte auftretenden Zugswiderstand und den Steue-
rungsschwierigkeiten, eine Mitursache, dass man im Kanalbetriebe über eine
Bild 90. Kanaltunnel bei Balesmes.
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Scbiifabrtskanäle.
159
Geradlinige Böschung.
Gekrümmte Böschung.
Zugsgeschwindigkeit von 5 km in der Fahrstunde nicht gehen kann, weil
bei höherer Zugsgeschwindigkeit die Grösse und Gewalt der Fahr- und Bug-
wellen ausserordentlich zunehmen würden.
Die ursprüngliche Form der Kanalböschungen unterliegt demnach im
Laufe der Zeit einer wahrnehmbaren Veränderung. Dieselben werden ausser-
dem noch durch das Anlegen und Ausfesten der Schiffe, welche bei nicht
genügender Vorsicht und bei Mangel an strammer Beaufsichtigung an die
Ufer stark anstossen, ferner durch das Einsetzen der Schiffsstangen und
Schorrbäume in die Kanalufer, endlich durch das Betreten der über Wasser
liegenden Böschungstheile
bei Schifismanövern be-
schädigt und verändert.
Die Böschungen eines
Kanales erfordern daher
eine ununterbrochene
sorgfältige Untersuchung
und Erhaltung. Die dem
Wellenangriff ausgesetz-
ten Böschungsstreifen
sucht man durch Be-
pflanzung der Berme oder
durch Steinbekleidung,
Errichtung von Trocken-
mauerwerk, seltener durch
Einrammung von Pfählen
und Faschinenauflage in
der Kanalspiegelhöhe zu
schützen. Oberhalb des
Schutzstreifens belegt man
die Böschung mit Rasen.
Um bei einem gegebenen
Kanalquerschnitt einen
wirthschaftlichen Zugs-
widerstand zu erhalten
und dem Angriffe des
Wasseranpralles auf die
Böschungen möglichst zu begegnen, ist man bestrebt, statt der geradlinigen
Kanalquerschnitte andere, geeignetere Formprofile, die obigen Erfordernissen
entsprechen, einzuführen. Dieselben haben sich hauptsächlich aus den prak-
tischen Beobachtungen des Betriebes und der Entwicklung der Kanalwellen er-
geben. Im Bilde 91 sind einige auf diesen Grundsätzen fussende Kanalquer-
schnitte dargestellt. Die Breiten ahm essungen sind im halben Massstabe der
Höhen gezeichnet.
Treidelweg, Die obere Kante einer Kanalböschung liegt gewöhnlich
1,00 m oberhalb des Wasserspiegels und bildet in der Regel die äussere Be-
grenzung des Treidelweges oder Leinpfades, welcher bei jedem Kanal,
Gurcq-Kanal. St Quentiii-Kanal.
Eric-Kanal.
Bild 91.
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i6o
IL Künstliche Wasserstrassen.
wenn auf demselben auch Dampfbetrieb oder ein anderer mechanischer
Schleppzug eingerichtet ist, bestehen muss, damit schon aus Rücksicht für
den örtlichen Verkehr die Allgemeinheit am Kanalbetriebe theilnehmen kann.
Das Treideln giebt dem Kanäle erst sein bezeichnendes Gepräge,
weil er hierdurch, sowie jede Landstrasse, Jedermann zugänglich ist, der
über ein entsprechendes SchifFsgef^ss verfügt und sich der Kanalgebühr und
den allgemeinen Anordnungen unterwirft, im Gegensatze zu den Eisenbahnen
und auch der Schiffahrt auf jenen schwer zu befahrenden Stromstrecken,
welche nur mit eigens anzuwendenden Betriebsmitteln benutzt werden können.
Bei den meisten Kanalanlagen ist der Leinpfad nur längs eines Kanal-
ufers angelegt. Seine Breite hängt von der Grösse der zu treidelnden Schiffe
ab. Damit ein Pferdezug, bestehend aus zwei bis vier Pferden, ihn sicher
beschreiten kann, nimmt man 3,50 bis 4,00 m an, unter Brücken und bei
Schnitt Aß
Bild 92. Staumauer des Resenroires „du Ban".
Uebergängen wird diese Breite auf 3,00 m verringert. Der Leinpfad erhält
zur Unterstützung des Eigengewichtes der Pferde beim Zuge eine vom Kanal
abgekehrte Querneigung von etwa 0,10 m (siehe Bilder 91).
Anlagen zur Wasserbescbaffung. Zu den Bauanlagen, welche die
Wasserversorgung eines Kanales regeln, gehören die Speisegräben mit
ihren Einmündungsschleusen und die Entlastungsgräben.
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Schifïahrtskanale. lOl
Die zur Speisung der Kanäle dienenden Pumpwerke und Aquädukte
sind im Wesen die gleichen, wie die für Zwecke der Wasserversorgung einer
Stadt angelegten, oft ganz gewaltige Bauten, welche das Wasser aus Seen
oder Flüssen, aus Thalsperren in bedeutender Höhe in die Sammelbecken
leiten oder aufpumpen, aus welchen es dann der Scheitelstrecke zugeführt wird.
Die Anlagen dieser Wasserbecken, Reservoire, sind technisch
schwierige Werke und erfordern bei grösseren ' Kanälen oft ausserordentlich
hohe Baukosten, weil sie zur Aufspeicherung vieler Millionen Kubikmeter
Wasser bedeutende Abmessungen erhalten und sehr sorgfältig und stark ge-
baut werden mQssen. Bei den österreichischen Kanalanlagen wurde beispiels-
weise berechnet, dass die Aufspeicherung einer jeden Million Kubikmeter
Wasser auf eine Million Kronen zu stehen kommen würde.
Im Bilde 92 ist das 13000000 cbm fassende Reservoir von Ban darge-
stelltf welches die Speisung des Scheitelkanales von Montbéliard zur oberen
Saöne zu besorgen hat. Die 800 m lange Sperrmauer besitzt gegen die
Wasserseite zu die den französischen Wasserbecken eigenartige Schutz wand ^
„mur de garde", welche bis in die wasserundurchlässigen Schichten des
Untergrundes reicht. Das Mauerwerk ist für eine grösste Druckbeanspruchung
von 6 cbm pro cm * berechnet. Am Fusse ihrer grössten Erhebung über der
Thalsohle hat die Staumauer einen Grundablass, welcher zur Reinigung des
Reservoirs benutzt wird. Die Wasserzuführung zu den Zubringern des Kanals
erfolgt mittels tunnellirter Umläufe neben der Mauer. Die Herstellungskosten
sammt den 3,5 km langen Zubringern haben 14000000 Francs betragen, die
Aufspeicherung eines Kubikmeters Wasser stellt sich somit auf über i Franc.
Diehtnng der KailUe. Weil die Beschaffung des Wassers eine so kost-
spielige und schwierige ist, ist auch die Frage der Dichtung der Kanäle von
Wichtigkeit Nachdem die ganzen Kanalstrecken der aussergewöhnlichen Kosten
wegen doch nicht so wie die Wasseraufspeicherungswerke durchwegs fest ge-
baut oder ganz in Beton gehüllt werden können, müssen die Versickerungs-
verluste durch andere Mittel eingeschränkt werden, während man durch Be-
tonirung der Sohle und Uferseiten ausser den festen und Kanalkunstbauten
nur die stark durchlässigen Baugründe, die zerklüfteten Felsböden und die
groben Kiesflächen dicht macht.
Den Grad der Dichte der übrigen Kanalstrecken kann man erst nach
deren erster Wasserfüllung richtig beurtheilen und die entsprechende Wahl
der Art der Dichtung bestimmen. Die Dichtung der Kanäle geschieht mittels
aus Cement hergestellter Erdkörper, fester schlammiger Erde und am besten
mit Thonschlag. Die bautechnischen Einzelheiten der bezüglichen Aus-
führungen sind jedoch nicht mehr Zweck dieser Veröffentlichung.
SeUrasungseeÜ Die Zeit für die Durchfahrt eines Bootes durch einen
Schleusenkanal ist in erster Linie abhängig. von der Schleusungszeit. Die
gesammte Schleusungszeit ist wieder abhängig von der Verkehrsrichtung der
nach einander durchlaufenden Schleppe. Können diese in einer Richtung
einer Schleusentreppe befördert werden, ohne dass ein in entgegengesetzter
Richtung fahrender Schlepp dieselben stört, so kann ein Schlepp nach dem
SuppAn, Wasserstrassen und Binnenschifiahrt ц
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l62 П. Künstliche Wasserstrassen.
anderen ununterbrochen, gleichsam wie auf einer Stiege hinaufschreitend, ge-
schleust werden у und die Leistungsfähigkeit des Kanales ist dann eine
ausserordentliche. Ein in entgegengesetzter Richtung zur Schleusung kommen-
des Fahrzeug unterbricht jedoch diese Fortschreitung vollständig, weshalb die
Verkehrsleistung auf einem Schleusenkanal stets eine beschränkte ist.
Die Schleusungszeit selbst wird in erster Reihe von der Höhe des
Schleusengefälles bedingt. Für eine zeitgemässe Schleuse von 8 bis lo m
Höhe nimmt man 25 bis 30 Minuten Schleusungszeit an. • Ein Schlepp be-
nöthigt demgemäss durch einen Kanal mit 50 Schleusen 50 X 30 Minuten
= 25 Stunden, um welchen Betrag seine Fortgangsgeschwindigkeit ver-
zögert wird. Bei einem Dampferanhange von zwei Schleppen erfährt der
zweite Schlepp, nachdem er bei allen Schleusen die Schleusungszeit des ersten
abwarten muss, 2 X 25 Stunden = 50 Stunden Aufenthalt.
Die durch das Schleusen verursachten Schiffsaufenthalte sind dem-
nach oft erhebliche, weil der Verkehr nicht immer derart eingerichtet wer-
den kann, dass die Schiffe in regelmässigen Zeiträumen an den Schleusen ein-
treffen und sich dort kreuzen. Es entstehen vor den Schleusen Ansammlungen
von Schiffen und mit diesen nicht vorauszuberechnende Aufenthalte, so dass
ein im Kanäle zurückgelegter Weg von 40 km während eines Tages schon
als eine gute Betriebsleistung angesehen wird.
Die Zahl der auf einem Kanäle zu befördernden Schiffe ist daher durch
die Schleusungszeiten begrenzt, und es werden im Kanalbetriebe im allgemeinen
täglich nicht mehr als 60 Schiffe geschleust. Durch Anwendung von Doppel-
schleusen und Schleppzugschleusen, durch sorgfältige bauliche Ausbildung der
zum Füllen und Entleeren der Kammern dienenden Vorrichtungen, durch eine
stramme Handhabung des Schleusendienstes und durch Einführung eines
geregelten und ununterbrochenen Tag- und Nachtbetriebes kann man jedoch
die Zahl der täglichen Schleusungen bedeutend steigern und hat sie auch
schon auf 100 während eines Betriebstages gebracht.
Eine derart zeitgemäss ausgeführte Kammerschleuse ist mit
verschiedenen maschinellen Vorrichtungen ausgerüstet. Ihre Füllung und
Entleerung erfolgt durch zwei entlang der Kammer geführte Seitenkanäle,
deren Ausflussöffnungen knapp an der Kammersohle liegen. Hierdurch wird
ein rasches und ruhiges, für das Schiffsgefäss ganz ungefährliches Füllen der
Kammer erzielt. Das Einschleppen der Schiffe in die Kammer geschieht mittels
Kabestans, das Oeffnen und Schliessen der Thore und Schützen durch
Druckwasser- oder Druckluftleitung. Die hierzu nothwendige Kraft kann in
einem Kraftsammler mittels kleiner, durch Wasser aus der oberen Kanalhaltung
getriebener Turbinen aufgespeichert werden. Durch diese Einrichtungen
wird an den Schleusenaufenthalten Bedeutendes erspart. Doch wenn eine solche
Schleuse selbst noch mit Sparbecken versehen ist, so beträgt, bei einer Kammer-
länge von 67 m, einer Breite von 8,60 m und einer Gefällshöhe von 10 m,
eine vollständige Schleusung durch dieselbe immerhin noch:
I. Bei Durchschleusung eines Schiffes:
Einfahrt des Schiffes in die Kammer ... 4 Minuten
Schliessen der Thore i „
Füllen der Kammer mit 5800 cbm Wasser 8 „
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Schiffahrtskanäle. 1 63
OeflFnen der Thore i Minuten
Ausfahrt des Schiffes aus der Kammer . 4 „
Für Unvorhergesehenes in Folge langsamer
Handhabung u. s. w 2 „
Zusammen . 20 Minuten
Während dieser Zeit wurde das Schiff 10 m hoch gehoben und hat
dabei einen Weg von 200 m zurückgelegt u. zw. eine Schiffslänge vor der
Kammer, die Länge der Kammerschleuse und eine Schiflslänge nach der
Kammer.
2. Bei Durchschleusung zweier in einer Richtung hintereinander fahren-
der Schiffe:
Durchschleusung des vorgehenden Schifies 20 Minuten
Abermaliges Schliessen der Thore . . . i „
Füllen oder Entleeren der Kammer ... 8 „
Oeffnen der Thore für das zweite Schifi" . i „
Zusammen . 30 Minuten
3. Bei Kreuzung zweier Schiffe an der Kammerschleuse:
Einfahrt und Ausfahrt des ersten Schifies . 20 Minuten
Einfahrt und Ausfahrt des zweiten Schiffes . 20 „
Zusammen . 40 Minuten
Es erfordert somit die Durchschleusung eines Schiffes 20 Minuten, zweier
hintereinander fahrender Schiffe um 10 Minuten mehr und zweier sich kreuzen-
der Schiffe 40 Minuten Schleusungszeit.
Selbstverständlich sind die Schleusungszeiten je nach den~Abmessungen
und Vorrichtungen der Kammern sehr verschieden. Beispielsweise hat man
bei den kleinen Schleusen des Donau-Main-Kanales mit nur 4,50 m Weite,
34 m Länge und 2,60 m Gefälle beobachtet, dass die Schleusung eines Schiffes
3 für die Einfahrt, 6 für das Füllen oder Entleeren, 3 für die Ausfahrt und
je I Minute für das Schliessen und Oeffnen der Thore, daher insgesammt
gewöhnlich 14 Minuten beansprucht.
Nachdem dort mittels Pferdezug getreidelt wird, und dieser im besten
Falle 3 km in der Stunde zurücklegt, so ist dieser Schleusenaufenthalt einem
Wegverluste von je 700 m gleichzusetzen, und verliert jedes Schiff daher
bei seiner Durchfahrt durch alle 100 Schleusen des 180 km langen Kanales
einen Gesammtweg\^erlust von mindestens 70 km.
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6. Abschnitt.
Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen.
üeberwindmig hoher Wasserecheideu. Wie bereits erwähnt, ist die Be-
schaffung und Aufspeicherung des Betriebswassers für höhere Wasserscheiden
übersetzende Schleusenkanäle bei grossen Kanalabmessungen und einem vor-
aussichtlich bedeutenden Verkehre schwierig, oft unmöglich, immer aber durch
die Noth wendigkeit der Anlage grosser künstlicher Wasserbecken äusserst
kostspielig.
Hierzu kommen die bei solchen Kanälen entfallenden bedeutenden Zeit-
verluste durch Schleusungen. Diese Schleusenaufenthalte sind besonders
dann fühlbar, wenn sich der Verkehr nicht in gleichmässigem Ausmasse auf
das ganze Betriebsjahr vertheilt, sondern in gewissen Zeiträumen zusammen-
drängt. Ein derartiges Zusammendrängen des Verkehres wird beispiels-
weise bei den österreichischen kunstiichen Wasserstrassen eintreten, welche
im Frühjahre und im Herbste zur Zeit der Getreideausfuhr nach Deutschland
und der Kohlenversorgung von Oesterreich, oft unmittelbar vor der Zeit der
Eissperre, einen aussergewöhnlichen Verkehr und demzufolge einen übergrossen
Wasserverbrauch und nur während der drei Sommermonate einen geringeren
und gleichmässigeren Schleusenbetrieb haben werden.
Zur Ueberwindung grösserer Gefällshöhen erscheint es deshalb zweck-
mässig, die Schiffe nicht durch zahlreiche Schleusenstufen die Wasserscheide
ersteigen zu lassen, sondern dieselben in grösserer Höhe, über einzelne, zu-
sammengefasste Gefällspunkte zu heben, wodurch das GesammtgefâUe der
zu übersteigenden Wasserscheide an wenigen Stellen vereinigt und eine
geringe Stufenzahl mit langen Kanalhaltungen geschaffen werden kann. Dieses
wird durch die Schiffshebewerke und Schiffseisenbahnen erreicht,
Erstere befördern das Schiff schwimmend in einem Wassertroge, letztere
trocken in einem Wagen liegend.
Die Schiffshebewerke heben das in einem mit Wasser gefüllten Eisen-
troge schwimmende Schiff entweder senkrecht oder auf einer geneigten
Ebene ansteigend aus der unteren in die obere Kanalhaltung.
Senkrecbte Sehiffshebewerke. Das Heben und Senken der Wassertroge
mit senkrechten Hebewerken geschieht durch Presskolben, Schwim-
mer oder Gegengewichte.
Das erste senkrechte Hebewerk wurde 1830 auf dem, die Themse mit
dem Severn verbindenden Grand-Western-Kanal angewendet. Es dient
zur Senkung kleiner, 10 Tonnen ladender Kähne, bis zu einer Tiefe von
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen.
165
14 m. Der Niedergang der hölzernen Kammer erfolgt durch Zuführung eines
Wasserübergewichtes von etwa 1000 kg in dieselbe. Die Bewegung wird
durch eine einfache Bremsvorrichtung geregelt. Die Dauer einer Fahrt beträgt
3 Minuten.
Presskolbenhebewerke. Bei <Jen Kolbenhebewerken lagern die zu
hebenden Wassertröge mit ihrer Mitte auf Presskolben, welche mittels
Druckwasser gehoben und gesenkt
werden. Das erste derartige Hebe-
werk wurde in England bei Ander-
ton (Bild 93), zur Verbindung des
Trent- Mersey -Kanales mit dem
15,35 "^ tiefer liegenden Weaver-
flusse ausgeführt. Dasselbe ist ein
Doppelhebew^erk, bestehend aus
zwei auf Presskolben ruhenden
Wassertrögen, welche im Gleich-
gewichte sind und sich abwechselnd
gegenseitig heben und senken. Das
zum Senken nothwendige Wasser-
übergewicht wird der oberen Kanal-
haltung entnommen. Dieses Hebe-
werk arbeitet seit 1875 tadellos und
befördert jährlich über 12000 SchilTe
von 80 — 100 Tonnen Tragfähigkeit.
Nach dem gleichen Systeme
wurden Hebewerke 1888 in Nord-
frankreich, am Kanäle von Neufossé
bei Les Fontinettes, mit 13,13 m
Hubhöhe für 300 Tonnenschiffe und
einer Gesammtlast von 890 t und
in Belgien, am Kanal du Centre,
bei La Louvière, mit 15,14 m
Hubhöhe für 360 Tonnenschiffe und
einer Gesammtlast von 1050 t er-
baut. Letzteres ist im Bilde 94
dargestellt. Der linksseitige Trog
des Doppelhebewerkes ist eben ge-
hoben. Jeder der beiden Tröge ist
43,20 m lang, 5,80 m breit und hat
bei 3,15 m Seitenhöhe eine Wassertiefe von 2,40 m. Die gusseisemen Press-
kolben sind hohl, 19,45 "^ ^^n& ^^^ haben einen äusseren Durchmesser von
2 m. Dieselben werden von in Brunnenschächten befindlichem Druckwasser
gehoben. Bild 95 zeigt den gehobenen Presskolben und ein gleichzeitig im
rechtsseitigen Trog einfahrendes Schiff.
Die Anlagekosten der senkrechten Presskolbenwerke sind den technischen
Ausführungsschwierigkeiten entsprechend sehr hohe. Insbesondere ist die
Bild 93. Hebewerk von Anderton.
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I66
II. Künstliche Wasserstrassen.
Fundirung auch auf gutem Baugrunde schwierig. Die Herstellung der Brunnen-
schachte sowie eine zm^erlässige Parallelführung erfordern grosse Sorgfalt
und die Materialbeanspruchungen der Presscylinder und Kolben sind bedeutend.
sind
Bild 94. Hebewerk bei La Louvière,
Schwimmerhebe werke. Zur Hebung grösserer Lasten als 1000 Tonnen
deshalb die Presskolben nicht mehr geeignet und werden hierzu die
Bild 95. Innere Ansicht des Hebewerkes bei La Louvière.
Schwimmerhebewerke verwendet, bei welchen die Wassertröge auf
mehreren hohlen Schwimmern ruhen, die in senkrechten Brunnenschächten
auf- und abbewegt werden.
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Schiffshebewerke und Trockenfördening von Schiffen.
167
Das Schwimmerhebewerk beruht auf der Grundlage des Auftriebes
eines im Wasser eingetauchten Körpers. Die Wirkungsweise der Schwim-
mer erläutert Bild 96. In I. hält der Auftrieb des im Wasser getauchten
Schwimmers A den Trog В im Gleichgewichte, weil das Gewicht des mit
Wasser gefüllten Troges gleich gross ist, ob ein Schiff darinnen ist oder
nicht, nachdem das Gewicht des vom Schiffskörper verdrängten Wassers
immer gleich dem Gewichte der Schiffslast ist. Vergrössert man demnach
die Troglast В duçch Einlassen von Wasser, so senkt sich die Vorrichtung,
vermindert man dieselbe durch Ablassen von Wasser^ so geht die Vorrichtung
durch den Auftrieb der Schwimmer aufwärts.
Um diese Bewegung regeln zu können, ist der mit dem Schwimmer A
verbundene, ringsum geschlossene м
Cylinder С innen hohl und nur durch ^ В
ein Ventil D mit dem im Schachte
befindlichen Wasser W in Verbin-
dung. Je nachdem dieses Ventil ge-
öffnet wird, kann man die Bewegung
beschleunigen oder verzögern, bei
vollständigem Schliessen aber die
Vorrichtung gänzlich zum Stillstande
bringen. Damit die Auf- und Ab-
wärtsbewegung gleichmässig sei, ist
neben dem Cylinder eine Spindel-
steuerung E angebracht, auf welcher
sich ein Muttergewinde mit Schnecken-
rad F bewegt. Mit dem Gewinde
ist durch ein Gelenk der Hebel G
mit einem festen Drehpunkte H am
Cylinder verbunden. Am Hebel hängt
das Ventil D. Bewegt sich das
Schneckenrad auf der Spindel, wie
dies die punktirte Linie zeigt, abwärts, so öffnet sich das Ventil für den
Zufluss. In den hohlen Cylinder tritt Wasser ein, wodurch sich der
Auftrieb der Schwimmer vermindert und die Vorrichtung senkt. Wird durch
den Hebel das Ventil in der Tieflage II für den Ausfluss des Wassers in
den Schacht geöffnet, so wird der Cylinder wieder leer, der Schwimmer A
bekommt Auftriebskraft und die Vorrichtung hebt sich.
Ein derartiges Seh wimmerhebe werk wurde 1899 in Deutschland, am
Dortmund-Ems-Kanal bei Henri che nburg in 16 m Hubhöhe für 600 Tonnen-
schleppe fertiggestellt. Bild 97 zeigt den Längen- und den Querschnitt desselben.
Bild 98 giebt die Ansicht von der unteren Kanalhaltung aus, im Augenblicke
der Niederfahrt eines Schiffes.
Die mit dem Traggerüste 3100 Tonnen schweren Wassertröge, bestehen
aus einem, auf einem Eisengerüst ruhenden Schiffstrog von 70 m Länge,
8,6 m Breite und 2,5 m Wassertiefe und ruhen auf fünf, in mit Wasser ge-
füllten Brunnenschächten von 34,5 m Tiefe und 9,2 ш Durchmesser eintauchenden
hohlen Schwimmern A, B, C, D, E.
BUd 96.
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168
II. Künstliche Wasserstrassen.
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen.
169
Jeder 13 m hohe Schwimmer hat bei einem Durchmesser von 8,3 m eine
Auftriebskraft von 620 Tonnen, daher der Auftrieb aller fünf Schwimmer zu-
sammen genau gleich dem Gesammtgewichte der zu hebenden Vorrichtung
mit dem im Wassertroge schwimmenden Schleppe ist Damit herrscht während
des Hubes in jeder Stellung der Vorrichtung Gleichgewicht und wird durch
eine geringe Wasserzugabe in der höchsten Stellung eines Troges, ein Nieder-
gehen, und durch ein geringes Ablassen von Wasser ein Hinaufgehen des
Troges veranlasst.
Bild 98. Schiffshebewerk bei Henrichenburg.
Um die Hebung des Troges vollkommen senkrecht bewerkstelligen zu
können, sind an demselben vier Schraubenmuttern angebracht, welche von
vier starken Spindeln S, von je 24,6 m Länge geführt werden. Diese Schrauben-
spindeln haben gleichzeitig gegebenen Falles eintretende Gleichgewichtsstörungen
während des Hubes zu regeln, weshalb sie oben und unten derart stark ge-
lagert und verankert sind, dass sie selbst im Falle eines Bruches am Hebc-
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170
IL Künstliche Wasserstrassen.
werk oder den Schwimmern die ganze Last des Troges aufnehmen und halten
können, wodurch der Betrieb unter allen Umständen gesichert erscheint.
Die zum Antrieb der Spindeln, zum Oeffnen und Schliessen der Trog-
abflûsse, der Thore der oberen und unteren Kammerschleuse, sowie zum Be-
triebe der Pumpen und endlich zum Verholen der Schüfe in und aus dem Trog
nothwendige Kraft liefern Dynamos von 220 HP.
Trotz der vollendeten technischen Einrichtungen sind beim Hebewerke
von Henrichenburg doch schon Betriebsstörungen eingetreten, weshalb man,
sowie aus Rücksicht auf gesteigerte Verkehrsanforderung, neben demselben
noch eine Schleusentreppe herstellt.
Bild 99. Das bei Cohoes am Eriekanal geplante pneumatische Hebewerk mit
43 • 89 m Hubhöhe.
Gewichtshebewerke. Diese Hebewerke sind so gedacht, dass die Trog-
schleuse an vielen Seilen aufgehängt ist, welche über Rollen zu das Trog-
gewicht ausgleichenden Gegengewichten geführt werden. In dieser Weise
kann jedoch nur ein Troggewicht ausgeglichen, daher ein Doppelhebewerk
nicht ausgeführt werden.
In einem von Haniel und Lueg vorgelegten Entwurf zur Hebung von
600 Tonnenschiffen auf 25 m Höhe erhält jedes Seil ein Gegengewicht von
21 t und sind im Ganzen 80 Gegengewichte angebracht. Nachdem das Seil-
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Schififshebewerke und Trockenförderung von Schiffen. i'jj
eigengewicht je nach der Höhenlage der Gegengewichte verschieden ist, zu
Beginn des Hubes als Widerstand, gegen Ende mit den Gegengewichten
treibend wirkt, so wurde eine entsprechende Seilausgleichung, ähnlich wie
bei den Fördermaschinen, in Aussicht genommen. Als Sicherheitsvorrichtungen
sollen Seh rauben führungen dienen. Bis nun wurde ein derartiges Hebewerk
nicht ausgeführt.
Ein grosses Hebewerk, bei welchem der Auftrieb mittels Luftdruck ge-
schehen soll, wurde in neuester Zeit in Amerika als Gegenprojekt zu einer
Kuppelschleusentreppe bei dem in Aussicht genommenen Umbau des Erie-
K anales geplant. Dasselbe soll zur Hebung von Schiffen mit 500 Tonnen
Nutzlast dienen und 43,89 m Hubhöhe erhalten. (Bild 99.)
Mit der zu überwindenden Geiällshöhe wachsen die Schwierigkeiten
der technischen Ausführung der senkrechten Hebewerke, weil die Her-
stellung der tiefen Brunnenschächte und der langen Fohrungsspindeln, schon
in Rücksicht auf die ausserordentlichen Baukosten, nur bis zu einer gewissen
Grenze möglich ist, so dass die Ueberschreitung der bei Henrichenburg an-
gewandten Hubhöhe von 16 m wohl nur noch in einem geringen Ausmasse
möglich sein wird. Man nimmt die Ausf Uhrungsmöglichkeit der Schwimmer-
hebewerke im Allgemeinen bis zu einer Hubhöhe von höchstens 30 m an,
vorausgesetzt, dass die Bodengestaltung und der Untergrund den Bau einer
solchen schweren lothrechten Anlage überhaupt zulassen.
eenei^e Schiffshebewerke. Läugsbahiien. Ein grösseres Gesammt-
gefälle mittels eines senkrechten Schiffshebewerkes zu übersteigen, erscheint
demnach unthunlich, und es müssten beispielsweise zur Ueberwindung einer
Höhe von etwa 80 m, um der Anforderung auf die Herstellung weniger
Staustufen und langer Haltungen zu entsprechen, bei Anwendung von Kammer-
schleusen eine Schleusentreppe von 8 übereinander liegenden Schleusen von
je 10 m Gefälle geschaffen, oder aber zumindest 3 übereinander liegende
senkrechte Hebewerke errichtet werden. Abgesehen vom Wasserverbrauche
und dem Zeitverluste, würde der Betrieb auf der Schleusentreppe mit ihren
vielen ineinandergreifenden maschinellen Anlagen, Thorflügeln, Wasser-
wechseln kaum ein übereinstimmender sein, während die Anlage von 3 senk-
rechten Hebewerken in keinem Verhältnisse stehende Baukosten verursachen
würde.*)
In Fällen grösserer Hubhöhen wird man deshalb von den senkrecht
wirkenden Hebewerken absehen und auf die geneigten übergehen, welche
entweder als Längsbahnen oder als Querbahnen angelegt werden.
Die erste Anlage zur Beförderung eines schwimmenden Schifies über
eine geneigte Ebene erfolgte 1850 auf dem Monkland-Kanal in Schottland
bei Glasgow. Die Schiffe werden dort in 21,3 m langen, 4,36 m breiten
Trögen mit [0,65 m Wassertiefe über eine zweigeleisige Ebene mit
*) Grève hat zur Uebcn^'indung grösserer Gefällsstufen statt Schleusentreppen
eine sehr lange Schleuse mit ansteigender, geneigter Sohle vorgeschlagen, bei welcher
das untere Thor als Stauwagen ausgebildet ist, der mit Ketten hinaufgezogen wird
und dabei das Wasser mit dem darin schwimmenden Schiffe aufstauend vor sich
schiebt. Das Oberhaupt der Schleusenkammer ist beweglich eingerichtet.
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172
II. Künstliche Wasserstrassen.
einer Neigung von i : 10 auf eine Gefallshöhe von 29,3 m gebracht
Die Schleusentröge ruhen auf einem Wagen, welcher auf 10 Achsen mit
20 Rädern läuft. Parallel mit dieser Anlage liegt eine Treppe mit Doppel-
schleusen, in denen xlie Schiffe im beladenen Zustande geschleust werden,
während sie auf der Seilbahn zumeist ohne Ladung zurückfahren. Beide
Anlagen befördern im Jahre mehr als 12C00 Schiffe von je 75 Tonnen
Tragfähigkeit.
Dieser Anlage folgte die in ihrer Bauart etwas abweichende Dodge-
schleuse in Nordamerika (Bild 100), welche die Schiffahrt zwischen dem
Chesapeake-Ohio-Kanal und dem Flusse Potomac, mît einer Neigung von
I : 12 und einem Höhenunterschied von 11,6 m, für Schiffe bis 130 Tonnen
Tragfähigkeit vermittelt. Die Schiffe haben 1,50 m Tauchtiefe, 4,40 m Breite
und 27,5 m Länge und werden von wagerecht ruhenden, 2,40 m hohen,
5,10 m breiten und 34 m langen fahrbaren Kammern aufgenommen, welche
/2uxs
Bild 100.
auf je drei mit je 12 Rädern versehenen Untergestellen ruhen. Die Kammer-
wagen sind mit Gegehgewichtswagen verbunden und werden durch eine kleine
Antriebsmaschine aufgezogen oder hinuntergelassen.
In jüngster Zeit wurde endlich in Japan eine geneigte Ebene beim Kanal
von Kioto-Fu geschaffen. Dieser Kanal führt zu dem 1280 qkm ^-ossen und
84 m über dem Meeresspiegel liegenden Biwasee. Die Länge des Kanals ist nur
1 1 km. Sein Hauptzweck ist die Gewinnung grösserer Wasserkräfte, doch dient
derselbe auch dem Verkehr mit kleinen Booten. Er führt durch einen Tunnel
und hat eine geneigte Ebene von 550 m Länge mit einem Gesammtge fälle
von 35 m eingeschaltet.
Geplante Längsbahnen. Für Schiffe von grösserer Tragfähigkeit wurde
1884 von dem französischen Ingenieur Peslin ein Projekt für eine geneigte
Ebene zur Verbindung der Maas mit der Scheide ausgearbeitet, nach
welchem ein Schiff von 300 Tonnen mittels einer Seilebene von i : 20 Neigung
über eine Gefällsstufe von 51,2 m gezogen werden sollte. Das hierbei zu be-
wegende Gewicht des gefüllten Wassertroges hätte 700 Tonnen betragen,
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Schiftshcbewerkc und Trocken fördcrung von Schiften.
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II. Künstliche Wasserstrassen.
welche Last derart vertheüt war, dass der Trog, in fünf Theile zerlegt, fünf
Eisenbahnwagen entsprochen hätte. Die fünf Trogtheile wären durch Kautschuk-
streifen entsprechend verbunden gewesen und hätten sich während ihres Aufzuges
mittels eines am untersten Trogwagen befestigten Drahtseiles durch ihre
Sdrwerkraft auf der geneigten Ebene aneinander pressen und abdichten sollen.
Eine Längsbahn für 300 Tounenschiffe wurde ferner in Frankreich für
den Marne -Saône -Kanal in Aussiebt genommen. Die bezüglichen Pläne
lieferte Creusot und Barret. Ihnen liegt ein Hub von 20,5 m auf je zwei
Ebenen von i : 12 Neigung zu Grunde. Die Troggewicbte ruhen auf jeder
Seite auf 28 Achsen mit je 2 Laufrädern von 0,90 m Durchmesser. Der
Aufzug geschieht durch Gewichtsausgleichung beider Tröge. Die Fahrbahn
besteht aus 4 Stahlschienen von 48 kg Gewicht für den laufenden Meter mit
Geleisbreiten von 1,10 m, welche mittels hölzerner Längs- und Querschwellen
auf gemauerter Grundlage gebettet sind.
Einen grösseren, in allen Einzelheiten ausgearbeiteten Bauentwurf lieferte
Peslin für den Donau*Oderkanal als Längsbahn mit einer Neigung von
1:25 für 700 Tonnenschiffe und einem Gesammttroggewichte von 1680 t. Dieses
Hebewerk hätte in der Weise wirken sollen, dass, während ein Trog nieder-
gegangen, der andere aufgestiegen wäre, daher eine gegenseitige Gewichtsaus-
gleichung stattgefunden hätte. Der Antrieb wäre durch eine am höchsten Punkte
gelegene Dampfmaschine mittels um Seiltrommeln gehender Drahtseile geschehen.
Der Trogwagen (Bild loi) ist auf jeder Seite auf 21 zweiachsige Wagen-
gestelle mit je 4 Laufrädern, also im Ganzen auf 168 Räder und ebensoviele
Zapfen gelagert. Die Druckvertheilung erfolgt mittels auf jedem Wagengestell
aufgestellter Seilrollen, über welche Drahtseile S gespannt sind, welche durch
die den Trog tragenden Druckrollen belastet werden. Nachdem diese Druckver-
theilung zufolge der Seilsteifigkeit und Rollenreibung unmöglich gleichmässig
auf die ganze Troglänge wirken kann,
wurde von Ried 1er eine Druckaus-
gleichung mittels hydraulischer Press-
kolben in der Weise vorgeschlagen,
dass über je zwei Wagengestelle ein
hydraulischer Presscylinder angebracht
wird, welche unter sich die Gesammtlast
gleichmässig vertheilen. (Bild 102.)
Zum Ausgleich der verschieden
wirkenden Seilgewichte war ein kleiner Gegengewichtswagen geplant, welcher
auf der Ebene während der halben Förderung niedergleiten und das Seil-
gewicht und die Massenträgheit hätte überwinden sollen, und welcher in der
zweiten Hälfte der Förderung wieder aufgezogen wor,den wäre. An die
oberen und unteren Kanalhaltungen hätte der Trog mittels hydraulischer
Presskolben angepresst werden sollen. Die Verschlussthore des Wassertroges
waren am Boden umklappbar gedacht.
Bild 102.
Nachtheil der Längsbahiieil. Der Nachtheil der Beförderung eines grossen
Schiffes der Länge nach in schwimmender Lage liegt darin, dass durch die
im Troge während des Zuges eintretenden Wasser sc h wank un gen, starke
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen.
175
Wellen entstehen, welche die Trogwànde übersteigen, das Schiff gefährden
und hierdurch den Betrieb stören und unsicher machen würden.
Dies dürfte auch Peslin dazu bewogen haben, bei seinem Entwürfe eine
nur geringe Neigung anzunehmen. Bei jeder Neigung jedoch, und selbst bei
einer ganz wagerechten Bahn würden aber bei der Langsbefördening eines
70 m langen Wassertroges schon beim Ingangsetzen desselben sowie bei jedem
Anhalten und jeder Geschwindigkeitsveränderung nicht zu besänftigende
schädliche Wasserschwankungen auftreten.
Läogsgleitbahn von Haniel - Lueg und deren Betrieb. Dieser Nachtheil
haftet selbst dem von der Maschinenfabrik Haniel und Lueg in Düsseldorf
für den Donau-Moldau-Kanal ausgearbeiteten Plane einer Längsbeförderung
an, trotzdem bei diesem eine Gleitbahn 'vorgeschlagen war, welche einen
ruhigen und gleichmässigen Zug ermöglicht hätte.
Die von Haniel - Lueg geplante Bahn für 600 Tonnenschiffe hatte eine
Neigung von i : 8. Sie war als doppelte Gleitbahn mit zwei Trogschleusen
Bild 103. Doppelte Längsgleitbahn.
auf Doppelgeleisen in 13,5 m Entfernung, mit gegenseitiger Gewichtsaus-
gleichung der beiden Trogschleusen für 100 m Hubhöhe und als einfache
Gleitbahn mit einer Trogschleuse und Gegengewichten für 50 m Hubhöhe
ausgearbeitet. Die gesammte zu bewegende Last hätte 2250 Tonnen be-
tragen.
Um die allgemeine Anordnung und die Wirkungsweise einer solchen
Längsbahn zu verstehen, ist im Bilde 103 der von derselben Maschinenfabrik
ausgearbeitete Bauentwurf zur Beförderung von 400 Tonnenschiflen auf der
geplanten Kanalverbindung von Wismar an der Ostsee mit der Elbe
durch den Schweriner See, dargestellt.
Der Schweriner See liegt 38 m höher als die Ostsee, von diesem Ge-
fälle sind 27,6 m bei Wismar vereinigt, welche von einer Gleitbahn von 273 m
Länge überwunden werden sollen. Dieselbe gründet sich auf die früher be-
sprochenen Vorschläge. Die zwei Trogwägen sind mit einander durch Seile
verbunden, welche am oberen Ende der geneigten Ebene über Rollen geführt
werden. Dadurch wird bewirkt, dass, wenn ein Trog die Ebene herauffährt,
der andere Trog hinuntergeht, die Lasten sich daher gegenseitig ausgleichen
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^7б
IL* Künstliche Wasserstrassen.
und nur die Bewegungswiderstände der TrogWagen zu Oberwinden sind. Jeder
Schleusentrog ist ein viereckiger, eiserner Kasten von 57 m Länge, 6,6 m Breite,
2,2 m Wassertiefe und an beiden Enden durch umklappbare Thore absperrbar.
Bild 104 zeigt den Querschnitt durch den Trog und die Gleitbahn nebst einen>
Gleitschuh.
Der Trog ist auf einem eisernen dreieckigen Gestell, dessen untere Form sich
der Neigung der Ebene anschliesst, derart auf Rollen gelagert, dass er auf
diesem mittels zweier hydraulischer Cylinder um eine Länge von je 2 m nach
vor- und rückwärts verschoben werden kann, wodurch beim Anschluss des
Troges an die Haltungen der Trogwasserspiegel mit den stets etwas wech-
n ^ selnden Wasserstandshöhen
l il der Haltungen jederzeit in
gleiche Höhe gebracht werden
kann. Diese Verschiebung des
Troges ermöglicht es gleich-
zeitig den an seinen äusseren
Rändern mit Gummiwulsten
versehenen Trog an die Ab-
schlusshaltungen des Kanales
wasserdicht anzupressen, wo-
durch nach Umklappung der
Trog- und der Haltungsthore
die Verbindung des Wassers
im Trog mit jenem der Kanal -
haltung hergestellt wird.
Wenn ein Schleusentrog-
vor der unteren Haltung
liegt, befindet sich der zweite
îyi^ vor der oberen, wodurch an
jeder Haltung gleichzeitig
ein Schiffswechsel stattfinden
kann. Während desselben
stehen die Troggestelle auf
zwei Reihen von je 8 ring-
förmigen, eisernen Stempeln auf den Schienen der Gleitbahn, in welchem»
Falle die Reibung dieser Eisenstempel auf der Bahn so gross ist, dass ein
Rutschen des Troggestelles auf derselben nicht eintreten kann. In gleicher
Weise kann das Troggestell an jeder anderen Stelle der Gleitbahn der ge-
neigten Ebene auf den eisernen Stützpunkten in sichere Ruhelage gebracht
werden.
Will man den Trog wieder in Bewegung bringen, so wird Wasser
zwischen die Gleitstempel und die Gleitbahn gepresst, wodurch die Reibungs-
widerstände der eisernen Stützpunkte aufgehoben werden. Dieses wird
dadurch bewirkt, dass in die, die ringförmigen, oben und unten offenen
Stempel umhüllenden Cylinder Presswasser getrieben wird, wobei sich
gleichzeitig ein schmaler Dichtungsring abdichtend gegen die Gleitbahn presst.
Sobald also Pressflüssigkeit in die Cylinder eingelassen wird und diese
Bild 104.
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Schiffshebewerke und Trocken förderung von Schiffen. xin
von der Bahn abgehoben werden, schwimmt die ganze Last auf Wassersäulen,
wodurch die Widerstände, welche sich der gleitenden Bewegung des Troges
entgegenstellen, äusserst gering werden und die gesamrate Troglast von
1250 Tonnen gleichmässig auf die Bahn vertheilt wird. Um das Presswasser
bei Frost unge frierbar zu machen, erhält dasselbe einen Zusatz von Glycerin.
Die Höhenlage des Troges auf den hydraulischen Stempeln wird durch
selbstwirkende Regulirventile erhalten. Diese Ventile schliessen sich, sobald
der Trog bis 10 mm von der Bahn abgehoben ist und öffnen sich wieder
selbstthätig, falls durch Entweichen von Druckflüssigkeit ein Heruntersinken
stattfinden sollte. Ebenso fliesst bei starkem Dehnen oder Reissen eines
Verbindungsdrahtseiles Presswasser selbstthätig aus den Gleitstempeln, wodurch
der Trog sofort zum Stehen gebracht werden kann. Die Pressflüssigkeit für
die hydraulischen Stempel, für die Abdichtungsvorrichtung des Troges gegen
die Haltung und für die Aufklappung der Trogthore liefern die auf dem
Troggerüste angebrachten Druckpumpen.
Die Befestigung der aus Stahldrähten viereckig geschlagenen Verbindungs-
seile geschieht am Untergestell des Troges mittels hydraulischer Kolben, wo-
durch dieselben gleiche Spannung erhalten.
Der Betrieb auf einer solchen Bahn geschieht wie folgt:
Aus den hydraulischen Stempeln des an die Haltung herangebrachten
Troggestelles wird die Pressflüssigkeit abgelassen, wodurch sich dasselbe auf den
Stempeln festsetzt. Nunmehr wird der Trog auf dem Gestelle über die kleinen
Walzrollen gegen die Haltung geschoben, an die Abschlussmauer derselben
wasserdicht angepresst und die Klappthore von Trog und Haltung geöffnet.
Das Trogthor kuppelt sich dabei selbstthätig an das Haltungsthor, wodurch
sich beide zu gleicher Zeit öffnen oder schliessen. Nun wird das Schiff aus
dem Troge ausgefahren und ein anderes eingefahren. Nach Vertauung desselben
werden die Thore geschlossen und der Trog in seine ursprüngliche Lage
auf demGestell zurückgezogen. Hierauf wird Druckwasser in die hydraulischen
Stempel eingelassen, wodurch sich das Troggestell von der Bahn abhebt und
nun auf der Pressflüssigkeit zur Abgleitung bereit liegt. Um die bewegende
Kraft zur Abgleitung zu erhalten, wird der Wasserstand im Troge durch
Wasserzulass aus der oberen Haltung um 0,30 m erhöht, welche Menge
genügt, um sowohl die Reibungswiderstände des abgleitenden, als auch jene
des von diesem aufzuziehenden Trogwagens zu überwinden. An der unteren
Haltung wird der Trog wieder so angefahren, dass der. Ueberschuss an
Wasser in die untere Haltung abfliesst, wodurch das ursprüngliche Trog-j
gewicht wieder hergestellt ist.
Alle Handhabungen an den Haltungen, sowie das Aus« und Einfahren der
Schiffe sollen nur 20 Minuten in Anspruch nehmen, so dass bei einer Fahr-
geschwindigkeit von 0,20 m in der Sekunde innerhalb zwei Stunden drei
Schiffe über die geneigte Ebene gebracht werden können. Die Anlagekostcn
dieses Hebewerkes wurden auf rund 1Y2 Millionen Kronen beziffert.
Geneigte Qaerbahnen. Die bisher beschriebenen Zugsanlagen auf ge-
neigten Ebenen beziehen sich auf schwimmende Schiffe, welche in ihrer
Längenrichtung gezogen werden. Ein zur Bahnrichtung senkrecht auf
Snppan, Wasserstrassen und BinncnschifTabrt 12
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178
и. Künstliche Wasser Strassen.
den Geleisen liegender Wassertrogzug wurde zuerst von Flammant für
eine Hubhöhe von 30 m mit der grossen Steigung von i : 5 zur Förderung
von Schiffen mit 300 Tonnen auf einer 45 m breiten Doppelquerbahn mit
1,00 m Spurweite entworfen. Fast gleichzeitig verfasste Hoch eine geneigte
Ebene jedoch mit nur i : 8 Steigung für die Verbindung des geplanten Mittel-
Bild 105. Querbahn am Junction-Kanal in Foxton.
landkanals mit der Weser. Beide Ausarbeitungen unterscheiden sich wesent-
lich dadurch, dass Flammant gleichzeitig zwei Tröge, den einen zu Berg, den
andern zu Thal befördert, während Hoch den zweiten Trog durch Ballast-
wagen, welche zwischen dem auffahrenden Trogwagen durchfahren, ersetzt.
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen. 1-79
Qaerbahn am Jonction-Kanal. Am Junction-Kanale in Foxton wurde
^900 eine Schleusentreppe von 10 Schleusen mit einem Gesammtgefälle von
^2:2,87 m durch eine Wassertrogförderung auf geneigter Querbahn ersetzt
tmd haben die damit bisher erzielten Betriebserfolge den gehegten Erwartungen
entsprochen. (Bild 105.)
Diese Hebevorrichtung besteht aus zwei mit einander verbundenen und
jsich gegenseitig ausgleichenden Wassertrögen von 24,40 m Länge, 4,57 m
Breite und 1,52 m Wandhöhe, welche 2 Kanalboote von 33 Tonnen oder
eines von 70 Tonnen Tragfähigkeit in einer Wassertiefe von 1,20 m auf-
nehmen. Die Tröge sind an ihren Stirnseiten mit aufziehbaren Thoren ver-
gehen und ruhen auf einem, auf acht Paar Rädern gelagerten Traggerüst.
Die Räder laufen auf vier Doppelgeleisen. Der Aufzug erfolgt durch Stahl-
<irahtseile von 178 mm Umfang, welche über, neben der Kanaloberhaltung
gelagerte grosse Trommeln, die von einer senkrechtstehenden Zwei-
eylinder-Maschine angetrieben werden, laufen.
Bei der Benutzung der Schleusentreppe waren früher für ein 70 Tonnen-
boot im Aufstieg und im Abstieg je 255 cbm, bei dem täglichen Verkehr von
neun Booten in jeder Richtung daher 4590 cbm Betriebswasser erforderlich.
Die Wassermenge, welche bei Anwendung der Hebevorrichtung nothwendig
wrd, besteht dagegen nur in dem Wasserverluste an den Trogthoren, welcher
mit dem zu jedem Abstiege dem oberen Troge zufliessendem WasserOber-
gewichte 8,92 cbm, für 48 Hebungen somit 428 cbm Wasser, also den
^zehnten Theil des für die Kammerschleusen benöthigten Betriebswassers
beträgt. Für das Durchfahren der Schleusentreppen war eine Zeit von i Stunde
30 Minuten nothwendig und konnten erfahrungsgemäss während eines Betriebs-
tages von 12 Stunden nicht mehr als 12 Boote in jeder Richtung, zusammen
^iaher 24 Boote, geschleust werden. Mit der Hebevorrichtung genügen
12 Minuten zur Beförderung von je zwei Booten, welcher Zeitraum für das
Einfahren der Schiffe in die Tröge, das Oeffnen und Schliessen der Abschluss-
thore und das Ausfahren der Schiffe aus den Trögen erforderlich ist. Es
können somit während eines zwölf stündigen Tagesbetriebes 80 bis 90 Boote
^der nahezu 6000 Tonnen Nutzlast befördert werden. !Die täglichen Betriebs-
kosten dieser Hebevorrichtung sollen sich auf 30 Kronen stellen, so dass bei
^iner Tagesleistung von 6000 Tonnen auf jede Tonne eineBelastung von^
Ч2 Heller entfallen würde.
Vor- und Nachtheü der Qnerbahuen. Der Vortheil der Querbeförderung
gegenüber der Längsbahn liegt darin, dass bei ersterer die Wasser-
schwankungen im Troge nur wenig fühlbar sind. Wenn jedoch die Beförderung
^ines Wassertroges auf einer Querbahn in kleineren Abmessungen auch unschwer
ausführbar ist, so ergiebt sich bei der Querbeförderung von grossen Schiffen der
Nachtheil, dass die Parallelführung der hierzu nothwendigen langen Wasser-
tröge äusserst schwierig ist. Ein 600 Tonnenschlepp erfordert schon eine
Troglänge von 70 m und muss demnach auch die Querbahn zumindest die
gleiche Breite mit einer Reihe parallel laufender Geleise erhalten. Eine derart
breite Anlage vollkommen eben auszuführen, ist aber ausserordentlich schwierig.
Trotz sorgfältigster Anlage der Geleise kann es eintreten, dass auf den
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i8o
П. Künstliche Wasserstrassen.
äussersten Geleisen grössere Widerstände als auf den inneren auftreten, wo-
durch der Quertrog auf einer äusseren Seite zurückbleiben und bei demselben
Form Veränderungen eintreten können.
eeplaute Qnerbahn tur den Donaa- Moldan -Kanal. Die bei der Querbe-
förderung auftretenden baulichen Schwierigkeiten haben die böhmischen
Maschinenfabriken in einem Projekte zu lösen gesucht, welches sie auf Grund
einer Preisausschreibung des Donau-Moldau-Elbe-Kanal-Comites ausge-
arbeitet haben.
Die von ihnen entworfene Querbahn mit einer Steigung von i : 5 und
für eine Hubhöhe von 100 m ist im Bilde 106 gezeichnet.
Die Paralielführung des auf 4 Schienen gehenden Trogwagens erfolgt
durch wagerechte Leitrollen an den Seitenflächen der Zahnstange, welche in
der Bahnmitte liegt. Alle Antriebs- und Bremskräfte wirken daher in der Mitte
Bild 106. Einfache Querbahn mit Gegengewichtswagen.
des Troggerustes, und einseitig auftretende Kräfte, welche dasselbe verziehen
würden, werden durch diese Parallel fühiung unwirksam gemacht.
Die Druckvertheilung des Gesammtgewichtes von 2160 Tonnen erfolgt
durch den Trog tragende senkrechte Stützjoche auf Wälzungsrollen (Bild 107),
welche sich auf der Laufschiene abwälzen und untereinander mit einer end-
losen starken Gelenkskette, die über Führungsscheiben läuft, verbunden sind.
Die zur Gleichgewichtsausgleichung dienenden Gegengewichte bestehen
aus 6 unabhängig von einander an Drahtseilen hangenden und auf eigenen
Schienen abrollenden Gruppen von Wagen, deren jede 360 Tonnen wiegt.
Zur Antriebskraft ist Dampf- oder Turbinenbetrieb vorgesehen. In ähnlicher
Weise wurde von den vereinigten Fabriken auch ein Doppelhebewerk
vorgeschlagen, bei welchem die zwei Troggewichte sich gegenseitig ausgleichen.
Schlensnngszeit bei fi^eneigten* Hebewerken. Die Betriebsleistung auf ge-
neigten Hebewerken mit einer Hubhöhe von 80 m wird im Allgemeinen
wie folgt angegeben:
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen.
Enfahrt des Schiffes in den Trog 5'
Schliessen der Kanal-Thore, sowie der Trogthore und Auslassen
des Trogwassers i'
Fahrt .an der i : 25 geneigten Ebene mit einer mittleren Ge-
schwindigkeit von I m in der Sekunde ...... 34'
Einstellen der Wagen zum Wasserspiegel in den Kanalhaltungen 2'
Abdichtung, Wassereinlassen in die Zwischenräume zwischen
den beiden Thoren am Kanal und Trog, Oeffnen aller
Thore 2'
Ausfahrt des Schiffes aus dem Trog 4'
Für Unvorhergesehenes 2'
181
Zusammen 50 Min.
Bild 107. Querschnitt durch den Motorenantrieb und Wagenmitte.
Dabei wurden, weil je ein Trog aui- und einer abgegangen ist, in zwe
Trögen zwei Schiffe um 80 m gehoben und gesenkt und haben bei jedem
Meter Hub einen Weg von 25 m, insgesammt daher rund 2000 m, zurückgelegt^ ^
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1 82 П- Künstliche Wasserstrassen.
Schiffseisenbahii. Trockenlageriing der 8сЫФе. Während bei der Längs-
bahn die Wasserschwankungen im Troge den wunden Punkt bilden, sind bei
der Querbahn die Herstellung und Fundirung der breiten ebenen Bahn und
die Schaffung eines auf die ganze Breitseite gleichmässig wirkenden Zuges
bedenkliche Umstände. Beide Schwierigkeiten fallen bei der trockenen
Förderung eines Schiffes über ein geneigtes Bodengefälle weg, welche
durch die Schiffseisenbahn ermöglicht wird.
Bei der Trockenlagerung von Schiffen ist es vor allem wichtig, die
gegenwärtigen Bauarten der Kanal- und Flussschiffe zu untersuchen:
Wenn auch besonders stark gebaute, durch Längs- und Querverbin-
dungen versteifte, eiserne Schiffskörper im beladenen Zustande auf eine
starre Unterlage gestellt werden können, ohne dass sie dadurch schädliche
Formveränderungen erleiden, ist es dennoch mit Rücksicht auf die verschiedenen
in der Binnenschiffahrt vorkommenden Schiffsformen jedes Baualters nothwendig,.
deren Trockenlagerung so auszuführen, dass dieselben keinen stärkeren An-
griffsmomenten als in schwimmendem Zustande ausgesetzt sind.
Eigens konstruirte Fahrzeuge jedoch zu dem Zwecke zu schaffen, damit
sie trocken auch auf starrer Unterlage befördert werden können, ist schon
deshalb undurchführbar, weil dadurch das Eigengewicht derselben zu gross
ausfallen würde und in der Flussschiffahrt gerade das gegentheilige Bestreben,
die Schleppe so leicht als nur möglich zu bauen, um ein geringes Eigenge-
wicht bei grosser Ladefähigkeit zu erhalten, vorhanden sein muss. Denn die
Binnenschiffahrt ist nur dann lohnend, wenn sie Fahrzeuge mit dem geringsten
Leertiefgang hat, weil sie in diesem Falle auch die bei Niederwasser sich
ergebenden geringen Fahrtiefen noch nutzbringend verwerthen kann.
Es ist daher auch die von Fachmännern gestellte Forderung, für die
Trockenförderung auf starrer Unterlage eigene Schlepptypen zu bauen, eine
ganz unrichtige und schon aus betriebswirthschaftlichen Gründen undurchführ-
bar, ganz abgesehen davon, dass man doch unmöglich einer besonderen tech-
nischen Lösung zu Liebe werthvolles vorhandenes Schiffsmaterial ausser
Betrieb setzen wird. Es muss vielmehr umgekehrt die Trockenförderung den
bestehenden Schleppformen angepasst werden und die Trockenbettung der-
art erfolgen, dass in derselben alle bestehenden Eisen- und Holzschiffe,
ob stärker oder schwächer gebaut, ob durchgeschlagen, ob mit rundenv
oder mit ebenem Boden, in allen ihren Querschnitten so unterstützt werden,
dass einzelne Bautheile derselben keine zu grosse Beanspruchung erleiden.
Beanspruchung der Schiffe. Auf festen Querträgern ruhende Bauwerke
mit hohen Borden, Deckversteifungen und Längs verbin düngen, sind die in
der Binnenschiffahrt seltener vorkommenden Schiffsformen, während die über-
wiegend grosse Anzahl der Binnenfahrzeuge, um bei Niederwasser eine grosse
Ladeausnützung zuzulassen, sehr leicht gebaut sind. Die im Abschnitte 9 be-
schriebenen Längsdurchbiegungen, welche bei älteren Kähnen oft bis 40 cm
betragen, sind eben die Folge dieser leichten Bauweise.
Bellingrath giebt über die Kräfte, welche einen gewöhnltchen Elbekahn
im leeren oder beladenen Zustande durchbiegen, folgende bildliche Darstellung^
(Bild 108.)
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen.
183:
Die Ordinaten oberhalb der Linie bezeichnen die den zugehörigen Schiffs-
theil treffende Belastung, die Ordinaten unter der Linie den Auftrieb
des Wassers. Obwohl Gesam m tauf trieb und Gesammtlast, also die Flächen
über und unter der Linie, einander gleich sein müssen, sind sie doch in Bezug
auf einen bestimmten Punkt in der Längsachse des Schiffes verschieden. Der
Unterschied der oberen und unteren Drucke ergiebt die Momente, welchem
die Festigkeit des Schiffes Widerstand leisten muss. Wenn das leichtgebaute
Binnenfahrzeug im schwimmenden Zustande, bei jeder Beladung und Ent-
ladung, seiner Längsachse nach auch verschiedene Beanspruchungen er-
leidet, so können
seine Bautheile die-
selben deshalb ver-
tragen, weil alle An-
griffsraomente stoss-
los und ganz all-
mählig erfolgen und
nicht, auf einzelne
Stellen des Körpers
plötzlich einwirken.
Aus diesem Grunde
^.I^rf auch ein Schiffs-
körper aus seiner
schwimmenden Lage
nie unvermittelt an
einer gewissen
Rumpfstelle, bei- -
spielsweise mit
seinem Buge, auf ^
' eine starre Unter-
lage gesetzt, sondern
er muss aus seiner
Schwimmlage lang-;
sähi'"" nach" und"^ ^ nach auf eine nachgiebige elastische
bettung, in möglichst wagerechter Längslage, gehoben werden,
weist hierauf in klaren Worten hin und stellt die Forderung, „dass
die Fahrzeuge stets in horizontaler Lage aus und in das Wasser
gebracht werden müssen. Denn wenn die Längsdurchbiegungen nicht wie
bei Beladung im Wasser allmählig, sondern rasch und stoss weise ein-
treten, wie dies beim Niedersetzen auf eine starre Unterlage erfolgen müsste,
so wurden sich die Körperverbände bald lockern und das Schiff untauglicli
werden."
Die Hebung eines Schiffskörpers aus dem Wasser muss deshalb derart
geschehen, dass die Trockenlagerung in dem Verhältnisse erfolge, wie sich
der Auftrieb des Schiffes vermindert. Geschieht dieses nicht, so wird der
Auftrieb auf der einen Seite geringer und erzeugt dadurch einen bedeutenden
Gegendruck in dem Punkte, w^ö das Fahrzeug die starre Unterlage berührt,
und es wächst der Auftrieb auf der anderen, tiefer eintauchenden Seite, so
Bild 108.
T r- о c"k-e'rf -
Bellingrath
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i84
И. Künstliche Wasserstrasse п.
dass eine Verschiebung der Kräfte entsteht, unter welcher sich das Schift
schliesslich schädlich biegen muss, wie dieses die unterste Darstellung am
Bilde io8 veranschaulicht.
Nichtbeladene Schiffskörper können dagegen, wenn wagerecht auf starre
Stützpunkte aufgelagert, ganz bedeutenden Beanspruchungen ausgesetzt
werden. So erleidet beispielsweise ein Ei s en schlepp nie eine Formänderung,
wenn er mittels eines Schwimmdockes aus dem Wasser gehoben und, auf den
wenigen hölzernen Stützpunkten desselben liegend, ausgebessert wird. In
dieser Weise konnten Eisenschleppe bei entsprechender Vorsicht auch schon
halbbeladen gedockt werden. (Bild 109.) Ein Eisenschlepp hat übrigens
grosse Erschütterungen und ungleichmässige Beanspruchungen dann zu er-
Bild 109. Schwimmdock mit gedocktem Eisenschlepp.
tragen, wenn er im beladenen Zustande gesunken und nun mit an 6 oder 8
Seiten untergezogenen Ketten durch Hebeschrauben emporgehoben wird.
Wenn er in diesem Falle keine schädlichen Durchbiegungen erfährt, so findet
dieses darin seinen Grund, dass er in ganz wagerechter Lage nach und nach
von den Ketten gehoben und nach Massgabe seiner Hebung gleichzeitig ent-
laden wird.
Die ungünstigsten Körperbeanspruchungen treten bei Dockung eines
grösseren Dampfers mit flachem Boden ein, weil auf letzterem die Last sehr
ungleichmässig vertheilt ist, da die Schiffslängenmitte die ganze Kessel- und
Maschinenanlage zu tragen hat, während der Bug- und Achtertheil nicht be-
lastet sind. (Bild HO.)
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Schiffshebewerke und Trockenfördening von Schiffen.
185
Schwieriger ist die Dockung eines Holzfahrzeuges, welche nur unbeladen
geschehen kann und wobei die Seiten- und Bodentheile des Rumpfes sehr
sorgfältig mit Streben und Holzkeilen unterstützt werden müssen, da sonst
Formverändenmgen leicht auftreten können. (Bild iii.)
Diese Beispiele starker Beanspruchungsmöglichkeiten sind aber keines-
falls dafür massgebend, dass alle die verschiedenartigen hölzernen und eisernen
Bauformen auf starren Wagentafeln gelagert werden können, insbesondere aber
nicht für den Fall, wenn es sich gleichzeitig um die Beförderung grosser
Schleppe bis 600 t Nutzlast handelt.
Bild HO. Dampfer im Schwimmdock.
Bestehende und geplante Schiffseisenbahnen. Die bisher ausgeführten
Schiffseisenbahnen dürfen auch keineswegs als Beispiel dienen, weil sich die-
selben nur auf den Trockenzug besonders gebauter Schiffskörper oder
ganz kleiner Fahrzeuge beziehen.
Die ursprünglichste Art der Trockenförderung von Schiffen
zeigen die noch heute in Holland bestehenden Rollbrücken, auf welchen
kleine Kähne über eine schlüpfrige Bohlenbahn hinaufgezogen werden. (Bild 112.)
Die erste Schiffseisenbahn entstand am Morriskanal Лп Nord-
amerika, wo 23 auf Seilebenen gehende zweigeleisige Bahnen mit je 10 bis
30 m Hubhöhe angelegt wurden, deren Wagen in das Unterwasser eintauchen
und Schiffe von 60 t Tragfähigkeit aufnehmen und trocken emporziehen.
Berg- und Thalfahrt gehen gleichzeitig vor sich und die Gewichte der zu
befördernden Schiffe werden gegenseitig nahezu ausgeglichen. In die oberste,
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II. Künstliche Wasserstrassen.
mit einer Kammerschleuse abgeschlossene Haltung wird trocken eingefahren,
hierauf das Schleusenthor geschlossen und das Schiff flott gemacht. Bild 113
Bild III. Dockung eines Holzschiffes.
Wigt die Längenansicht dieses Trockenwagens mit einem darmliegenden Schiffe.-
In Deutschland wurde i860 am Elbing-Oberländischen Kanal,
Bild 112. Rollbrücke.
welcher den Pinausee mit dem Draussensee verbindet, eine Se il ebene über
einen Scheitel geführt. Die zu überwindenden Höhenunterschiede reichen
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Schiffshebewerke und Trockenfördening von Schiffen.
187
bis 25 m. Die Steigung ist in den oberen Bahntheilen i : 12, in den unteren
I : 24. Die zu befördernde Gesammtlast beträgt sammt dem Schiff mit 50 t
Tragfähigkeit 84 t. Das Schiff wird mit seiner Längsachse in der Richtung
eines Geleises liegend gezogen. Die Queransicht des Wagens zeigt Bild 114.
In Neuschottland wird eine Schleppbahn von 27 km Länge mit
geringer Steigung für eine Trockenförderung von Seeschiffen bis 2000 t mit
nachgiebiger Auflagerung desselben auf zahlreichen hydraulischen Kolben ge-
plant. Ferner soll bei Cigneto in Kanada eine Schiffseisenbahn ausgeführt
Bild 113. Trockenwagen am Morris- Kanal.
werden und endlich liegen verschiedene Pläne von grossen Schiffseisenbahnen
vor, wie beispielsweise jene längs der unvollendeten Linie des Panama -
к anal s , oder für die zweite Linie über diese Landenge, den geplanten
Tehuantepec-Kanal, wozu Eads den im Bilde 115 dargestellten Trocken-
wagen vorschlägt. In letzter Zeit soll für den
Berlin-Stettiner Kanal Roeder einen Ent-
wurf zur Ueberfahrung der Scheitelhöhe aus-
gearbeitet haben.
TrockeDfördernng der Schiffe mittels Hänge-
vorrichtaDg. Eine für alle Bauforraen ent-
sprechende Trockenförderung muss dem-
nach nach den bisherigen Ausführungen vor
Allem der Bedingung entsprechen, dass jeder
Schlepp aus seiner schwimmenden Lage von
der darunter gestellten Lagerung derart auf-
genommen wird, dass die Bautheile des Rumpfes
sowohl der Länge, als auch den Querschnitten
nach möglichst so unterstützt werden, wie dies
im Wasser geschieht. Ist derselbe in dieser Lage trocken gebettet, so
muss er in seiner Bettung unbeweglich und • wagerecht solange verbleiben,
bis er sich wieder in gleicher Lage von der Bettung schwimmend abheben
kann.
Diesen Bedingungen entspricht nun folgende Schiffseisenbahn, welche
in allen ihren Theilen eine einfache und sichere Vorrichtung darstellt:
Die Bettung des Schiffes geschieht auf aus Hanftauen gebildeten Gurten-
b ändern, welche sich, indem sich der Schiffskörper in dieselben aus seiner
schwimmenden Lage nach und nach einbettet, dem Schiffsrumpfe stetig an-
schmiegen und diesen solange aufgehängt erfialten, bis er wieder in gleicher
Lage schwimmend gemacht wird. Der zur Aufnahme der Gurtenbänder be-
Bild 114. Trockenwagen am
Oberländischen Kanal.
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i88
П. Künstliche Wasserstrassen.
stimmte Wagen (Bild ii6) ist an beiden Enden offen und hat eine geringere
Länge als der zu befördernde längste Schlepp, nachdem der Bug und Achter
der Schleppe, weil sie nicht zur Aufnahme von Ladung bestimmt sind, sondern
nur die Wohnräume enthalten, sich freitragen können. Die zwei Enden der
fortlaufenden Gurtenbänder 1 und \ sind am Wagen fest angebracht, wahrend
die einzelnen Gurten durch über die Rollen r und s gehende Ausgleichs-
ketten к in der in А oben schematisch dargestellten Weise miteinander verbunden
Bild 115. Schiffseisenbahn von Eads.
sind. Die Seitenansicht eines Wagentheils mit den darin hängenden Gurten,
Ausgleichsketten und Rollen zeigt B, während С den Querschnitt des Wagens
darstellt. Der an beiden Enden offene Wagenkörper besteht aus den zwei
senkrechten Seitentheilen b und wird mittels der Räderpaare с auf den Ge-
leisen d geführt. Das Gewicht des Wagenkörpers vertheilt sich entweder
mittels starker Federn oder mittels Presskolben auf die Radachsen. Am
oberen Ende der Seitentheile sind auf parallel zur Längsachse des Wagens
laufende Achsen e die Wellen f drehbar angebracht, während die Dreh-
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen.
189
achsen der an dem unteren Ende der Wagentheile angeordneten Rollen g.
quer zur Wagenachse gerichtet sind.
Ueber die oberen Wellen sind die Gurtenbänder i schnür bandartig
gezogen und deren zwei Enden an den äussersten Kanten der Wagentafel
befestigt, während ihre in den Wagen hängenden Theile die Bettung für
den Schlepp j bilden. Die Gurtenbänder können sich dadurch, dass sie
sich durch die über die Rollen g gehenden Ausgleichsketten К gegenseitig
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А. Schematische Darstellung der Gurtcnlap:e, von üben gesehen.
С. Qoendmitt durch die WagenhAlfte. B. Seitenansicht eines Wagentheiles.
Bild 116. Einfacher Wagen mit Hänge Vorrichtung.
anziehen, in selbstthätiger Art den Formen des Schiffsrumpfes anschmiegen,,
so dass der Auflagedruck in genügend gleichmässiger Weise über alle
Spantentheile vertheilt wird. X stellt einen hölzernen Kiel vor, welcher
zur festen Unterstützung der mittleren Querschnittstheile des Schiffsrumpfes
auf die Gurtenbänder gelegt wird.
Rundseil. Das für die Gurtenbänder erforderliche Hanfseil ist ein
jüngst im Schiffahrtsbetriebe eingeführtes Tau mit kreisförmigem Querschnitte^
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iço
U. Künstliche Wasserstrassen.
welches die doppelte Bruchfestigkeit als die sonst nach dem Trossen- oder
Kabelschlag geschlagenen Litzenseile von gleichem Durchmesser besitzt, dabei
wesentiich elastischer, ausserordentlich biegsam, sowie gegen jede achsiale
Verdrehung unempfindlich ist. Dieses Rundseil (Patent Kirsch) ist im
Bilde 117 dargestellt. Dasselbe besteht nicht wie alle übrigen Hanftaue aus
einzelnen Litzen, sondern ist aus kreisförmigen Schichten von spiral-
förmig liegenden Garnen gebildet, wobei die Garne jeder Schichte mit
Bezug auf die Nachbarschichte nach entgegengesetzter Richtung an-
steigen. Um dem Seile eine feste, widerstandsfähige Hülle zu geben, sind
die beiden äussersten Schichten nach einem eigenartigen Verfahren miteinander
verflochten. Damit nun die Garne der verschiedenen Schichten gleich stark
beansprucht werden, muss die Garnlänge in allen Schichten
die gleiche sein. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn
der Steigungswinkel der Garne in allen Schichten derselbe
ist. In den beiden äussersten, als Schutzhülle dienenden
Schichten liegen nun die Garne unter dem gleichen
Steigungswinkel wie in den inneren Schichten, weshalb
auch diese bezüglich der Tragfähigkeit voll in Rechnung zu
ziehen sind.
Ausser der bedeutend grösseren Zugsfestigkeit der
Rundseile gegenüber Litzenseilen von gleichem tragenden
Querschnitt und ihrer grossen Biegsamkeit und Elastizität,
besitzen sie noch den Vortheil, dass, wenn die äussersten
Schichten abgenutzt werden, das feste Gefüge der inneren
Schichten nicht im geringsten beeinträchtigt wird, während
bei Litzenseilen jede äussere Abnützung sofort einen ver-
hältnissmässig grossen Theil des Seilquerschnittes unwirksam
macht. Die Verwendungsdauer der Rundseile ist demnach
bedeutend grösser, als jene der gewöhnlichen Hanftaue.
Die Herstellung der Gurtenbänder für die Trocken-
förderung erfordert lange Seile von gleichem Querschnitte.
^^^' ' Nachdem die Rundseile auf forüaufend arbeitenden Seil-
maschinen gemacht werden, können sie beliebige Längen erhalten.
Wirkungsweise der Häiigevorrichtang. Um mit dem Trockenwagen ein
Schiff zu fördern, wird derselbe auf einer geneigten Ebene unter Wasser
gefahren, das schwimmende Schiff sodann in den Wagen eingeführt und an auf
den oberen Wagenseitentheilen angebrachten Büffeln (Boller) verheftet, worauf
der Wagen längs der geneigten Geleise aus der strandartigen Kanalhaltung
aufgezogen wird. Wenn die erste Gruppe der Gurtenbänder (Bild 118) gj
und gg vom Gewichte des Schiffes belastet wird, ziehen sich alle folgenden
Gurtenbänder bis zu den letzten Gurtengruppen g 9 und gio, weil zwischen
denselben und der Aussenhaut des Schiffskörpers noch keine Reibung besteht,
bis an den Schiffsboden hinauf, und schmiegen sich gleichzeitig an alle Quer-
schnitte desselben, sowie an die Kimmungen und Seitenwände des Rumpfes
fest an. In dem Masse als der Wagen ausser Wasser gezogen wird, wird die
Belastung auf die nun in einer wagerechten Flucht liegenden Gurtenbänder
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SchifTsbebe werke und Trockenförderung von Schiffen.
191
allmählig stärker, wobei die Reibung zwischen der Aussenhaut des Rumpfes
und der Gurten zunimmt und endlich so stark wird, dass eine weitere gegen-
seitige Verschiebung der einzelnen Gurtenbänder nicht mehr möglich ist und
das Schiff schliesslich fest gebettet liegt.
Es ist klar, dass die Beförderung mit diesem einfachen Wagen nur
innerhalb geringer bis etwa 2 pCt. gehender Bahnsteigungen möglich ist,
weil bei grösseren Steigungen die Gurten sich zu stark verschieben würden
und diese Verschiebung nur innerhalb der Längen der Ausgleichsketten
zulässig ist. Um grössere Bahnsteigungen von über 2 pCt. zu überwinden,
mOsste das Wagengestell die im Bilde unten dargesteUte Form erhalten. In
diesem Falle ist aber an der oberen Haltung entweder eine leere Kammer-
schleuse nothwendig, in welche der Wagen mit Schiff eingefahren, hinter ihm
das Schleusenthor geschlossen, die Kamriier gefüllt und das Schiff wieder
schwimmend gemacht wird, oder aber es muss der Wagen länger und trogartig
gestaltet werden, in welchem Falle dieser an die obere Haltung angepresst.
3*o 9»
92 57.
Bild 118.
dessen rückwärtige Wand geschlossen und nun in den Trog solange Wasser
eingelassen wird, bis das Schiff flott ist.
In letzterer Art haben die böhmischen Maschinenfabriken eine
Trockenförderung oder, wie Ludwik sie nennt, eine Nass-Trocken-
förderung vorgeschlagen. Bild 119 zeigt die Anordnung dieses von Schön-
bach ausgearbeiteten neuen Entwurfes für die Hebewerke des Donau-Moldau-
Kanales. Während der Auffahrt ist die Trogkammer ohne Wasser und das
Schiff liegt trocken. Wird die Kammer an die obere Haltung angeschlossen,
so wird das am unteren Ende befindliche Thor geschlossen, das vordere Ab-
schluss- und das Haltungsthor geöffnet und so lange Wasser in die Kammer
gelassen, bis sich das Schiff abgehoben hat und ausfahren kann, worauf ein
zu Thal gehendes einfährt. Der Trog besitzt einen Doppelboden, der in
seiner Decke Oeffnungen hat, durch welche das Wasser gleichmässig zu- oder
abfliesst, wodurch sich das Schiff, so wie in einer Schleusenkammer, ganz
allmählig vom Boden abheben oder auf demselben aufliegen kann.
Das beim Anschluss an die obere Haltung eingelassene Wasser wird
vor Beginn der Thalfahrt aus der Trogkammer in ein, unter der Haltung
befindliches Reservoir ausgelassen, aus welchem es, während der Wagen zu
Thal geht, wieder in die Haltung zurückgepumpt wird. Die Abdichtung der
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II. Künstliche Wasserstrassen.
MsJn^Ö
Trogkammer gegen die obere Haitun .ir
geschieht automatisch mittelst federnder
Lederstulpen.
In die untere Haltung wird unter
Wasser eingefahren. Nachdem schon
während der Thalfahrt das Trogthor
geöffnet wurde, strömt das Wasser
durch die offenen Stirnseiten in den
Trog und macht das Schiff flott.
Erfordernisse' einer Schiffseisenbahn^
Die Abschlusskammer der oberen Hal-
tung, der Anschluss an dieselbe und
der trogartige Bau des Wagens ge-
stalten jedoch diese Art der Trocken-
förderung nicht genügend einfach.
Die Trockenförderung ist nur in
dem Falle gegenüber allen bestehenden
Beförderungsarten zur Ueberwindung
von Höhenunterschieden im Vortheil,.
wenn sie als vollkommene Schiffs-
eisenbahn in der Weise ausgestaltet
wird, dass der Wagen aus einer strand -
artigen unteren Kanalhaltung die Höhe
auf zwei Geleisen mittels Uebergangs-
bogen von grossem Halbmesser, von
mindestens 2000 m, ersteigt und von
da auf einem Gefälle abwärts wieder
in eine strandartig gestaltete obere
Kanalhaltung einfährt. Hierdurch kanm
die Bahn dem Bodengefälle innerhalb
gewisser Steigungsgrenzen folgen und
in senkrechten und wagerechten KrOm-
mungsbögen, ähnlich wie eine Eisenbahn-
linie geführt werden und die Wasser-
scheide überwinden, wodurch ein SchifT
unmittelbar aus einem Flussthale in
ein anderes mit diesem zu verbindendes-
Flussthal befördert werden kann. Es
ist selbstverständlich, dass bei dieser
Linienführung (Bild 120) gewisse
Strecken, beispielsweise a bis b, auch
vortheilhaft als lange Kanalhaltungen/
anzulegen sind.
Zweitbeiliger Wagen für grössere-
Bahnsteignngen. Um aber das vor-
handene Bodengefälle vortheilhaft
ausnützen zu können, wird die Anlage
einer Schiffseisenbahn unter Ujnständ cd
„ .gitized by VJ С _ ^ ^
Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiflen.
193
grössere Bahnsteigungen als 2 pCt. erfordern und nachdem das im Wagen
gebettete Schiff immer in wagerechter Lage mit dem Horizonte erhalten werden
muss, das Schiff aber in der Gurtenbettung nicht bewegt werden darf, so
muss für grössere Steigungen, etwa bis 5pCt., der Wagen so gebaut werden
XanAlhaltuncf ^
Bild lao. Schematische Trace einer Schiffseisenbahn.
dass seine oberen, die Aufhängungsvorrichtung tragenden Ränder entsprechend
den verschiedenen Steigungen stets in wagerechte Lage gebracht werden
können. Dieser Anforderung entspricht der im Bilde 121 dargestellte zwei-
theilige Wagen. Derselbe gestattet dadurch, dass der, die Aufhängegurten
Bild 121. Zweitheiliger Wagen mit Hfingevorrichtung.
tragende obere Wagentheil auf den unteren, kreisförmig gestalteten Wagen-
theil in beiden Längsrichtungen verschwenkt werden kann, dem Schiffe so-
wohl bei der Einbettung, als auch bei allen senkrechten Krümmungsbögen und
bei der Ausfahrt aus der Bettung immer eine wagerechte Lage geben zu
können.
Der untere zapfenartige Wagentheil trägt die ganze Last und lagertauf
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 13
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194 ^^* Künstliche Wasserstraseen.
Presskolben oder Federn. Im Bilde ist Federlagerung vorgesehen; wenn
Presskolbenlagerung angewendet wird, so ruhen diese auf vierrädrigen Achs-
gestellen und stehen mit einander in Verbindung, so dass bei Ueberwindung
senkrechter KrOmmungsbögen von 2000 m Radius ein gegenseitiger Ausgleich
der Belastung aller Achsen und Räder stattfindet.
Der die Gurtenaufhängung und das darin hängende Schiff tragende obere
Wagentheil ruht, ähnlich wie eine Rollbahn, auf den Wellen oder Kugellagern
des unteren Wagentheiles und kann mittels der Verschwenkungsvorrichtung a
nach vorige oder rückwärts soweit geschoben werden, als es die grösste
Steigungsgrenze der Bahn erfordert. Diese Vorrichtung besteht aus einer am
unteren Wagen angebrachten Zahnstange, in welche das am oberen Wagen
gelagerte Vorgelege eingreift. Das Vorgelege wird von einem kleinen Elektro-
motor angetrieben.
Autrieb und Betriebssicherheit des Wagens mit Hängevorricbtang. Der
Antrieb dieses, sowie des im Bilde 116 dargestellten einfachen Wagens ge-
schieht mittels Zahnräder, welche in wagerechter Lage in eine zwischen den
beiden Geleisen festgelagerte Zahnstange eingreifen. Die Zahnstange bildet
gleichzeitig die Führung des Wagens durch die verschiedenen sich ergebenden
wagerechten Krümmungen der Bahntrace. Die Zahnräder werden von Elektro-
motoren angetrieben.
Die Wasserpresscylinder ausgenommen, stellen alle Theile des Wagens
einfache Maschinen vor. Die Gurtenseile unterliegen, weil sie immer gleich-
massig beansprucht werden, einem nur geringen Verschleisse, können übrigens
gegebenen Falles, sowie die Ausgleichrollen, einzeln ausgewechselt werden.
Die Dynamos zum Wagenantrieb werden entweder ausser Wasser an den
Wagenenden oder wie beim Bilde 121 in wasserdicht abgeschlossenen Thürmen
angebracht. Der kleine Elektromotor zum Antrieb der endlosen Schraube beim
zweitheiligen Wagen steht in der Mitte der oberen Wagenränder. Die Achs-
lager müssen, weil sie unter Wasser kommen, entsprechend abgedichtet werden
und erhalten Ringschmierung.
Es ist selbstverständlich, dass der Wagen aus Rücksichten der Betriebs-
sicherheit auch die nothwendigen Bremsvorrichtungen erhalten muss, welche es
ermöglichen, denselben auf jedem Punkte der Schiffseisenbahn sofort zum
Stillstande bringen zu können. Uebrigens bilden schon die während der
Thalfahrt als Dynamomaschinen arbeitenden Motore sehr kräftig wirkende
Bremsen, so dass noch andere vorhandene Bremseinrichtungen nur in ausser-
gewöhnlichen Fällen zur Anwendung kommen werden.
Senkrechte Bahnkriunmnngen. Die schwierigste Frage der Schiffseisen-
bahn bildet die Führung des Wagens über die senkrechten Bahn-
krOmmungen, weil sich bei der Durchfahrung derselben die senkrechten
Abstände des unteren starren Wagenrahmens von der Geleiseoberfläche ändern.
Diese Abhebung muss daher derart erfolgen, dass die Gesammtvertheilung
der Last auf allen Achsen und Rädern gleichmässig geschehe. Die in der
Mitte der vierräd erigen Achsgestelle auflagernden Presskolben, welche sich
in den, sie umhüllenden, mit Wasser und Glycerin gefüllten Presscylindern
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen. 195
bewegen, stehen zwar miteinander durch eine Rohrleitung in Verbindung, so
dass . die verschiedenen Belastungen durch die Pressflussigkeit gleichmässig
auf alle Achsen übertragen werden, jedoch kann es bei ungleichem Gewichte
der beiden Wagenhälften vorkommen, dass die äussersten Presscylinder über-
stark belastet werden, wodurch einzelne Presskolben einen Tiefstand einnehmen
und nicht mehr auf die PressflOssigkeit, sondern auf die Lager aufzuliegen
kommen. Wenn diese stark genug gebaut werden, so ist dieses von keinem
Belang und kann die Abhebung der überlasteten Kolben mittels Einpumpen
sofort wieder bewerkstelligt werden. In diesem Falle werden aber wieder alle
Presskolben überlastet. Um übrigens eine Auflagerung der Presskolben auf das
Metall hintanzuhalten, könnte die Pressflüssigkeit auch in der Wagenlflngenmitte
abgeschlossen werden, wodurch dann die ganze hydraulische Pressvorrichtung
in zwei Theile getheilt sein würde.
Nachdem die Handhabung der Pressvorrichtung und deren Bedienung
doch eine ziemliche Aufmerksamkeit erfordert und einen heiklen Bestandtheil
darstellt, erscheint es deshalb vortheilhafter, die Wagenachsen in entsprechend
gebaute Federlagerungen zu betten, was, weil die grösste Abhebung bei
Ueberfahrung senkrechter Krümmungen bei aooo m Radius nicht mehr als
0,13 m beträgt, und der Radius bei geringeren Steigungen auch entsprechend
grösser gewählt werden kann, wohl durchführbar sein dürfte.
Anwendung der neuartigen Trockenf Srdernng. Bei entsprechender Aus-
gestaltung der Trockenlagerung auf Hanfgurten können alle Bauformen sowohl
der Binnen-, als auch der Seeschiffahrt befördert werden.*)
Die oben beschriebene Vorrichtung ist jedoch in erster Linie für die bei
der. Binnenschiffahrt in Frage kommenden Schleppformen von etwa
^00 — 600 t Tragfähigkeit bestimmt, welche mit derselben ohne Weiteres des-
halb befördert werden können, weil deren Schleppkörper bei dieser Trocken-
förderungsart keinesfalls mehr beansprucht werden, als dieses in schwimmender
Lage bei den wechselnden Beladungen und Löschungen geschieht.
Die Weichheit der Bettung des Schleppkörpers wird dadurch erreicht,
dass sich unter demselben eine Reihe nebeneinanderliegender, beiderseits auf-
gehängter Seilgurten ganz allmählig den einzelnen Schlepptheilen anschmiegen
und den beladenen Körper schliesslich ganz tragen. Hierdurch wird der
Körper der Länge nach möglichst gleichmässig unterstützt und treten Längs-
biegungen bei weitem nicht in dem Masse auf, als wenn etwa der Schlepp
im Wasser ungleichmässig belastet wird. Selbst alte, der Länge nach durch-
gebogene Holzschleppe erhalten hierdurch eine ausreichende Unterstützung,
weil die Gurten den bestehenden Ausbiegungen nachgeben und eine Ueber-
lastung auf die Nebengurten übertragen.
Seinen Querschnitten nach erscheint der Schleppkörper ebenso
gleichmässig unterstützt, weil die einzelnen Gurten sich auch diesen nach und
nach fest anpressen.
Eisenschleppe mit stark gebauten Querträgern, welche die Innenlast
*) Die Trockenlagerung der auf Kiel und wesentlich stärker gebauten Seeschiffe
gestattet übrigens eine weniger elastische, daher noch leichtere Ausführung.
13*
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196
II. Künstliche Wasserstrassen.
auch ausser Wasser frei tragen könnten, ferner stark ausgebauchte, abge*
rundete oder kielförmige Schiffsböden könnten auch unmittelbar in die Gurten-
bander gehängt werden. Um jedoch einerseits die Aussentheile der Schleppe
vor Abreibung zu schützen, andererseits die Gurtenbänder durch die bei der
Verschiebung auftretenden Reibungswiderstände nicht abzunutzen und endlich
um die in der Bodenmitte zu schwach gebauten Fahrzeuge fest unterstützen zu
können, ist es nothwendig, zwischen den Gurtenbändem und dem Schlepp-
Holzkiele als Träger einzulegen.
Jeder Kiel hat eine dreieckige Form, dessen obere Fläche, weil Schleppe
von 5 bis 8,20 m Breite zur Aufhängung gelangen, 4 m lang ist und eine
Pfeilhöhe von etwa 0,50 m hat. Damit die mittleren Querbodentheile der Schiffe
weich gebettet werden, erhält die obere Kielfläche eine aus Hanfseilen her'
gestellte Matratze, während die Kielseiten in einem Stahlschuh liegend
gedacht sind, in dessen flachen Rillen die Tragseile der Gurtenbänder laufen.
Nachdem die Reibung zwischen der Kielmatratze und der rauhen Schlepp^
aussenhaut stärker als jene zwischen*
den glatten Stahlrillen und den Trag-
seilen der Gurtenbänder ist, so wird
der Kiel, wenn er vom Schleppbodei»
belastet wird, immer in seine tiefste
Lage, also genau in die Mitte jeder
Gurtung verschoben werden, wenn er
durch irgend einen Umstand eine seit-
liehe Lage eingenommen hätte.
Die Lage dieser Kielträger sowie
die Aufhängungslagen der in Betracht
kommenden breitesten und schmäl-
sten Binnenschleppe ist im Bilde 12a
schematisch dargestellt. Die Gurtenlänge a b с d bleibt naturgemäss immer
dieselbe und ist daher gleich der Länge а b^ Cj d. Der schmälere Schlepp
wird demnach eine um etwas tiefere Aufhängungslage als der breitere ein-
nehmen. Die am hothwendigsten zu unterstützenden Punkte jeder Bau-
form sind die Kimmungen b с und bi und c^, sowie der Mitteltheil des-
Schiffsbodens. Man sieht aus dem Bilde, dass diese Theile vollkommen
ausreichend unterstützt sind.
Vortheile der TrockenfSrderniig. Durch die Möglichkeit, beladene Schiffs-
körper trocken befördern zu können, erscheint die Frage der Ueberwindung
grösserer Gefällshöhen vom technischen und wirthschaftlichen Standpunkte
aus gelöst.
Es entfallen mit dieser Beförderungsweise sowohl die bei der Quer-
beförderung eines Wassertroges sich ergebenden Schwierigkeiten, als auch die
Erschwernisse der Wasserschwankungen bei der Längsbahn. Ferner beträgt
die beim Trockenzuge zu ziehende Last kaum zwei Drittheile jener der
Wassertrogbeförderung und kann die elektrische Kraft zum Zuge derselben
um so vortheilhafter angewendet werden, weil man während der Thal-
fahrten Energie erzeugen und diese wieder dem elektrischen gemeinsamen
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Bild 122.
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Schiffshebewerke und Trockenförderimg von Schiffen. igj
Kraftwerke zuführen kann. Endlich entfallen durch die Trockenförderung alle
die zusammengesetzten Vorrichtungen für Gewichtsausgleich, Anschluss an die
Kanalhaltungen, Abdichtungen und die sich bei der nassen Hebung ergebenden
Wasserverluste. Man wird in bekannter Weise auf Eisenbahngeleisen, etwa
mit Zahnstangenbetrieb, auf Goliathschienen sich der Bodengestaltung bis zu
Neigungen von 5 ®/q (= 50 %q) anschmiegend, in entsprechenden wagerechten
und senkrechten Krümmungen mit einer Zugsgeschwindigkeit von 3 bis 7 km
in der Stunde fahren und alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden
Höhen mit wirthschaftlichen Betriebskosten überwinden können.
Die Vortheile der Trockenförderung gegenüber der Hebung in
Wassertrögen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Wegfall der schweren und theueren Wassertroganlage, geringere Last,
geringere Zugkraft, einfachere daher billigere Bauart und grosse Unempfind-
Jichkeit gegen Geschwindigkeitsverânderungen.
2. Wegfall der kostspieligen Herstellungsarbeiten für geneigte Ebenen.
3. Zulässigkeit der Ausnützung des vorhandenen Bodengefälles unter
Aufeinanderfolge von Steigungen und Neigungen der Bahn bis 5 pCt.
4. Leichtere, einfachere Betriebshandhabung, und grössere Leistungs-
fähigkeit.
5. Kein Wasserverbrauch.
Leistongsfäliigkeit der Scldffseiseiibalm. Die Leistungsfähigkeit einer
solchen Schiffseisenbahn ist gegenüber den Schleusentreppen oder den bisher
bekannten senkrechten oder geneigten Hebewerken eine bedeutend grössere.
Durch entsprechende Einschaltung von Schiebebühnen in die Bahntrace
kann der Betrieb nach Massgabe des Verkehrs vergrössert, immer aber
so eingerichtet werden, dass die anschwimmenden Schiffe, wenn nothwendig,,
eines nach dem andern befördert werden können, während bei den bis-
her ausgeführten oder geplanten Hebewerken der Zeitraum, in welchem
die Schiffe von den Hebevorrichtungen dem Kanal zugeführt werden, stets
von der Dauer abhängt, welche zur Hebung der zwischen zwei Kanalhaltungen
eingefügten geneigten Ebene nothwendig ist. Diese Fahrzeiten sind aber
sehr verschieden, weil die einzelnen Hebewerke verschiedene Längen haben,
daher die Schiffe von ihnen in sehr ungleichen Zeitabschnitten den Haltungen
zugeführt werden, wodurch im gesammten Kanalverkehr unliebsame Stauungen
eintreten können und die Leistungsfähigkeit des Kanales beeinträchtigt
werden kann.
Bei dieser Schiffseisenbahn verursacht die Ein- und Ausfahrt der Schiffe
in und aus den Wagen sehr geringe Aufenthalte. Für die Einfahrt des Schiffes
aus dem unteren Kanalstrande in den offenen Wagen, sowie für seine Ver-
tauung in demselben, werden 4 Minuten ausreichen, während die Ausfahrt
desselben in den Strand der oberen Haltung, nachdem die Hafttaue schon
während der Niederfahrt gelöst werden, nahezu ohne Aufenthalt erfolgt, weil
das Schiff schon in Folge der ihm von der Fahrgeschwindigkeit ertheilten
Trägheit selbstthätig aus seiner Gurtenbettung abschwimmen wird. Diese
raschen Handhabungen, sowie der Umstand, dass die Geschwindigkeit während
der Auf- und Niederfahrt entsprechend den Bahnsteigungen auch über i m
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198 п. Künstliche Wasserstrassen.
in der Sekunde gesteigert werden kann, haben zur Folge, dass mit dieser
Schiffseisenbahn gegenüber allen anderen technischen Lösungen eine be-
deutende Ersparnis an Transportzeit erzielt werden wird.
Sehiffgeisenbalin fBr die geplanten ftgterreiehischen Kankle. Die vor-
liegende Vorrichtung für eine Schiffseisenbahn wurde mit Rücksicht auf die ge-
planten österreichischen Kanäle für die Trockenförderung von 600 Tonnen-
schleppen entworfen. Derselben wurde die jüngste Donauschleppform von
63 m Länge und 8,20 m Breite, sowie die übrigen Schlepptypen des Donau-
Rhein-Elbe- und Odergebietes von 200 bis 600 t Nutztragfâhigkeit zu Grunde
gelegt.
Die Gesammtlast des in Frage kommenden grössten Schleppes beträgt
mit seinem Eigengewichte und einer Nutzlast von 600 t zusammen 735 t. Es
wurde jedoch eine von den Gurten zu tragende grösste Last von 750 t an-
genommen. Das Gewicht des 45 m langen, mit den Rädern 7 m hohen und
12 m breiten Wagens sammt dem Gewichte der Gurten, Ausgleichketten,
Rollen, Dynamos und allen sonstigen Einrichtungen berechnet sich höchstens
auf 400 t, so dass ein Gewicht von 750 4" 400 = 1150 t von 2 X 40 = 80 Wagen-
achsen = 160 Laufrädem aufgenommen werden muss. Die Laufräder, Lager^
Achsen, Federn oder Presskolben berechnen sich mit 200 t, so dass ein Ge-
sammtgewicht von höchstens 1150 + 200 = 1360 t auf zwei Bahngeleisen
zu bewegen ist.
Die Ausgleichsketten wurden in einer Stärke vom 33 mm, die Rund-
seile der Gurten mit 45 mm Durchmesser angenommen. Jede 1,20 m breite
Gurte besteht aus 14 parallel zu einander hängenden Rundseilen, so dass von
dem zu tragenden Schleppgewichte von 750 t auf eine Gurte 18,15 * ^^^ ^^^
jedes Seil 1,30 t Belastung entfallen. Nachdem die 45 mm Rundseile 20 t
Zerreissfestigkeit haben, so ist eine sechzehnfache Bruchsicherheit
vorhanden.
Die zum Bergzuge des Gesammtgewichtes von 1350 t nothwendige Kraft
aberschreitet selbst bei grösserer Bahnsteigung nicht ein noch wirthschaftlich
zulässiges Mass, nachdem sich die hierzu nothwendige Pferdekraft bei einer
Neigung von i : 20 und bei einer Fahrgeschwindigkeit von i km in der Stunde
wie folgt berechnet:
Gewichtskomponente in der Bahnrichtung — = 67 500 kg + Reibungs-
20
widerstände 5500= 73000 kg, die sekundliche Arbeitskraft somit 73000 Kgm : 75
= rund 1000 HP, welche sich mit Rücksicht auf die Räderübersetzungen, mit
welchen die Motoren auf фе Zahnstange arbeiten, auf 1300 bis 1400 HP erhöhen
werden. Es werden demnach 4 Gleichstrommotoren von je 350 HP unter allen
Umständen genügen.
Nachdem jedoch bei der Thalfahrt des Wagens die Zahnräder an der
Zahnstange abrollen, kommen die durch Zwischenvorgelege mit den Zahn-
rädern zwangläufig verbundenen Dynamos in rasche Umdrehung und erzeugen
nun einen kräftigen elektrischen Bremsstrom, welcher mittels Gleitkontakte
durch die längs der Bahn gelegten Leitungen zum Kraftwerke zurückgeführt
und dort in einer Sammelbatterie aufgespeichert werden wird. Zur Bergfahrt
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Schiffshebewerke und Trockenförderung von Schiffen. 199
wird nun diese Elektrizität den Wagendynamos zugeführt, welche nunmehr
wieder als Elektromotoren arbeiten, den Wagen emporheben und die Sammel-
batterie entladen. Diese elektrische Arbeitsgewinnung ist allerdings keine voll-
ständige, weil in den Elektromotoren, in den Leitungen und besonders in der
Sammelbatterie bedeutende Verluste auftreten. Letztere allein berechnet Ho or
^^^ 35 pGt-> so däss das Verhältnis zwischen der in der Bergfahrt von den
Elektromotoren geleisteten mechanischen Arbeit und der bei der Thalfahrt
durch die Dynamowirkung empfangenen Arbeit rund die Hälfte beträgt.
Man wird demnach die zum Bergzuge noch fehlende Kraft mit der ent-
sprechenden Reserve durch eine selbständige Anlage beschaffen, etwa im
Kraftwerke ausser der Sammelbatterie noch Dampfmaschinen mit Gleichstrom-
Dynamos aufstellen, welche dann gemeinsam mit der Sammelbatterie den zum
Bergzuge nothwendigen elektrischen Strom den Motoren des Wagens zu-
führen.
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7. Abschnitt.
Anlage und Ausrüstung von Binnenhäfen.
Flugs- und Kanalhifen. Im innigen Zusammenhange mit den Wasser-
strassen stehen die Fluss- und Kanal häfen, welche den Schiffen eine
geschätzte Lage sichern und ihnen die Ein- und Ausladung ihrer Frachten
erleichtern.
Die Flusshafenanlagen dienen entweder als Winterhafen nur zur
Bergung der Schiffe gegen Hochwasser, Eisrinnen und Eisstand, oder aber
sie sind gleichzeitig als Handels- und Verkehrshâfen oder als Umschlag-
plätze mit Einrichtungen zum Löschen der Ladung und Aufnahme von
Frachten vom Eisenbahnverkehre ausgestaltet. Ausser diesen Anlagen bestehen
an Flüssen noch die der Flösserei dienenden Flosshäfen. Damit die Schiffe
für die Fahrt durch einen Schiflahrtskanal geordnet und damit sie aus
strömendem Flusswasser in ruhiges, stromloses Wasser zum Stillstande gebracht
werden können, sind vor den Kanaleinfahrten Vorhäfen angelegt, welche oft
gleichzeitig als Winterhafen und als Umschlagplätze verwendet werden. Der-
artige kleine Häfen werden an allen Kreuzungen zweier künstlicher oder einer
natürlichen mit einer künstlichen Wasserstrasse errichtet.
Hafenentfernnngen. Die fortschreitende Entwicklung des Schiffsverkehres
auf einem Strome und die an denselben gestellten Anforderungen machen es
nothwendig die Winterhäfen entlang desselben in möglichst kurzen Ent-
fernungen anzulegen. Auf verkehrsreichen Flüssen sollen diese Entfernungen
nicht mehr als 60 km betragen, weil diese Länge die Wegleistung eines
Dampfers mit mittlerem Anhang während eines Wintertages ist, und derselbe
daher, wenn vom Eise überrascht, innerhalb einer Tagesreise noch immer eine
sichere Zufluchtsstätte finden kann.^ Hierdurch wird es möglich, am Strome
den Verkehr bis zum letzten Augenblick, selbst noch bei Eistreiben aufrecht
zu erhalten und während des Winters, vorausgesetzt, dass sich kein Eisstoss
gebildet hat, zwischen den Häfen einzelne Fahrten, zur Löschung der Ladungen,
auszuführen. Auf der unteren Elbe wurden deshalb die Winterhäfen 40 bis
90 km von einander entfernt angelegt. Am Rheine liegen sie in Entfernungen
von 80 — 100 km.
Die Winterhafen bestehen meist nur aus einem Wasserbecken und
werden in der Regel in alten Flussarmen angelegt. Die grösseren Handels-
häfen bestehen aus mehreren regelmässig gestalteten, künstlich ausgehobenen
Becken und sind den örtlichen Verkehrsbedürfnissen entsprechend mit Vor-
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Anlage und Ausrüstung von Binnenhafen. 201
richtungen zum Ein- und Ausladen von Waaren, Lagerhäusern, letztere nicht
selten mit maschinellen Einrichtungen, femer mit Geleiseanlagen zum Zwecke
eines geregelten Waarenumschlages ausgerüstet.
Erfordernisse einer Hafenanlage. Im Allgemeinen müssen Häfen voll-
kommenen Schutz gegen Eisgang und Hochwasser bieten, von jeder
stärkeren Durchströmung bewahrt bleiben und auch bei 'niederem Wasser-
stande noch die erforderliche Wassertiefe sowohl im Hafen, als auch in der
Einfahrt besitzen. Es müssen deshalb alle eintretenden Versandungen sofort
durch Baggerungen entfernt werden. Diese zeitlichen Baggerungen in den
Häfen sind auch schon darum nothwendig, weil sich in dem stromlosen
Hafenbecken oft gesundheitsschädliche Sinkstoffe ablagern. Die unter dem
gewöhnlichen Hochwasserstande liegenden Hafentheile sind durch hochwasser-
freie Dämme vom Strome zu trennen und die Dammböschungen dauerhaft und
durch Steinbekleidung derart zu sichern, dass die an denselben verhefteten
Schiffe durch abrollende Ufersteine nicht gefährdet werden.
Die Hafeneinfahrt soll immer am stromunteren Theile des Hafens, in
spitzem Winkel zum Stromstriche gelegt werden, damit die zu Thal kommenden
Dampfer und SchleppzOge, oder die mit der Strömung treibenden SchiÖe mit
Benutzung derselben wenden und in das stromlose Wasser das Hafens un-
mittelbar durch ihre eigene Fortgangsgeschwindigkeit einfahren können. Die
stromaufwärts gerichtete Einfahrt in den Vorhafen der Verbindungsschleuse
des Donau-Kanales nächst Wien ist daher von diesem Gesichtspunkte
aus nicht entsprechend angelegt, weshalb auch alle mit der Strömung zu
Thal treibenden Schiffe in dieselbe unmittelbar nicht einfahren können,
sondern wahrend ihrer Fahrt von einem Dampfer aufgegriffen und zur Schleuse
gestellt werden müssen. Senkrecht zu grösserer Strömung oder gar strom-
aufwärts gegen diese gerichtete Hafeneinmündungen gefährden sogar die
Einfahrt grösserer Schiffe und es dürfen demnach derartige Mündungs-
richtungen nur bei Flosshäfen bestehen. In Krümmungen legt man den Hafen
vortheilhaft in das einbiegende Ufer, damit die Einfahrt in der Stromtiefe
bleibe und nicht verlande.
Die Grundrissform eines Hafens ergiebt sich aus der Gestaltung des
Geländes, in welchem derselbe ausgehoben oder angelegt wird. Die Grösse
des Hafens ist je nach seinem Zwecke verschieden. An Knotenpunkten des
Verkehres wird man denselben zur Aufnahme und Ueberwinterung eines
grossen Theiles der Flotte anlegen, während die zwischen diesen Haupt-
häfen liegenden Schutzhäfen nur für wenige Schiffe, einige Dampfer
sammt deren Anhängen bestimmt sind.
Die Tiefe der Häfen soll so bemessen sein, dass die beladenen Schleppe
unter allen Umständen beim örtlichen Tiefstwasserstande im Hafenbecken
nicht auf Grund zu liegen kommen. Nachdem erfahrungsgemäss bei jeder
stärkeren Wasseranschwellung des Stromes sich Sinkstoffe im ruhigen Wasser
des Hafens ablagern, wodurch die Sohle desselben verschlammt und erhöht
wird, muss die Hafensohle immer tiefer, als es die Baubemessung ergiebt,
angelegt werden. Während die Tiefe in den kleineren Winterhäfen, in welchen
die Fahrzeuge vertaut stille liegen und wenn auch in Schlamm aufsitzend keinen
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202
II. Künstliche Wasserstrassen.
Schaden leiden, etwas geringer bemessen werden kann, ist in den grösseren
Verkehrshäfen eine ausreichende Fahrtiefe unter allen Umständen zu gewähr-
Bild 123. Auseisen von Schleppen im Winterhafen.
leisten, weil die Schiffe auch während des Winters im Hafen Bewegungen
zum Zwecke von Ladehandhabungen ausführen müssen.
Bild 124. Winterhafen^ in der Fischa unterhalb Wien.
Hafendienst. In den grossen Winterhäfen ist es aus Sicherheits-
gründen erforderlich, einen strengen und geregelten Dienstgang einzu-
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Anlage und Ausrüstung von Binnenhäfen.
203
fahren, gesicherte Verbindungen der Fahrzeuge untereinander zu schaffen, die
Bemannungen, um sie besser beaufsichtigen zu können, zu kaserniren, einen
Wach-, Feuer- und Spitaldienst und endlich entsprechende Winterschulen
einzurichten; Die Fahrzeuge müssen vor Eispressungen dadurch bewahrt
werden, dass man Eiskanäle, in welchen die Eisschollen abgeführt werden,
aushebt. (Bild 123) Bei jedem Eintritt von Wasseranschwellungen muss die
Vertauung der Fahrzeuge entsprechend verstärkt, bei Abgang des Eises aber
alle Bemannungen versammelt und die Dampfer unter Dampf gestellt werden.
In jedem Hafen ist ferner für gutes Trinkwasser vorzusorgen und dürfen
Unrathskanäle keines Falls in den Hafen münden, weshalb es bei
grösseren Hafenanlagen zweckmässig erscheint, das obere Ende derart aua-
Bild 125. Winterstand im offenen Donaustrome bei Turn-Severin
zurüsten, dass dem Hafenbecken von Zeit zu Zeit fliessendes Wasser zugeführt
werde, wodurch auch die Verschlammungen zum Theile behoben und das Eis
leichter abgeführt wird.
Bild 124 zeigt einen grossen natürlichen Winterhafen in einem Seiten-
flusse der Donau bei Fischamend unterhalb Wien, Bild 125 einen Nothwinter-
stand in der unteren Donau bei Turn-Severin.
Hafeneiurichtuugen. Die grösseren Handels- und Verkehrshäfen werden
durch einzelne Landzungen in verschiedene Becken getheilt. Von diesen
dient eines zur Aufnahme der mit Erdöl und feuergefährlichen Gegenständen
befrachteten Schleppe, welche, um die übrige Flotte nicht zu gefährden, abseits
von dieser liegen müssen. Die Getreide- und Güterschleppe werden unmittelbar
an die Geleise, Lagerhäuser, Speicher und Schuppen vertaut und die
unbeladenen Fahrzeuge zumeist in der Hafenmitte aufgestellt. Bei grossem
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204
II. Künstliche Wasserstrassen.
Kohlenverkehre sind besondere Verladevorrichtungen vorhanden. Endlich
werden je nach den Verhältnissen auch für Holz und Erze besondere Hafen-
becken geschaffen.
Die Geleise, Krahne, Schuppen und Ladevorrichtungen befinden sich
an dem Hafenkai und an den die einzelnen Becken von einander trennenden
Landzungen. Alle diese Anlagen sollen hochwasserfrei liegen. Bei
Stromhäfen ist diese Forderung schwieriger zu lösen, weil man mit den ver-
änderlichen Wasserständen zu rechnen hat. Bei sehr hoher Lage der Lager-
Bild J26.
Rheinhafen bei Ruhrort.
platze werden die Verladegcschäfte erschwert und vertheuert, bei zu tiefer
Lage derselben wieder die Geleise und Ladeanlagen, sowie die untersten
Räume der Speicher durch die grossen Fluthwellen überschwemmt, was zu
argen Betriebsstörungen fuhrt. Nachdem die Kanalhäfen mit veränderlichen
Wasserständen nicht zu rechnen haben, werden die Lagerplätze, Geleise und
Ausladevorrichtungen an diesen derart angelegt, dass die Borde der beladenen
Kähne fast in gleicher Höhe mit der Kaikante oder Uferböschung zu liegen
kommen, wodurch die Verladung schneller und billiger bewerkstelligt
werden kann.
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Anlage und Ausrüstung von Binnenhäfen.
205
Die Anlage eines grossen Binnenhafens zeigt die Abbildung 126 des Rhein-
hafens bei Ruhrort, welcher hauptsächlich dem westfälischen Steinkohlen-
verkehr dient. Die Gesammtlänge seiner Becken beträgt 10 000 m. Die
Kohlenlagerplätze werden von Pfeilerbahnen durchquert, von denen die
Kohle von den Eisenbahnwagen abgeschüttet oder unmittelbar von den zum
Vorwärtskippen eingerichteten Wagen über Sturzbohnen und Trichter in die
Schleppe verladen wird. Die Ruhrorter Anlagen werden derzeit abermals
bedeutend vergrössert.
Hafenanlagen der Donaa, des Rheines, der Elbe and der Oder. Die
Verkehrs- und Winterhäfen der Donau sind in folgender Tabelle nach ihren
Entfernungen geordnet:
von
nach
Entfernung
in Kilometer.
Regensburg
künstlicher Hafen, Lagerhäuser.
Deggendorf
künstlicher Hafen.
94
Deggendorf
Passau
künstlicher Hafen, Lagerhäuser.
59
Passau
Linz, künstlicher Hafen.
93
Linz
Komeuburg, natürlicher Werfthafen,
194
Komeuburg
Freudenau b. Wien, künstlicher Hafen
аз
Freudenau
Fischamend, natürl. grosser Winterhaf.
15
Fischamend
Pozsony, künstlicher Hafen.
39
Pozsony (Pressburg)
Komärom, künstlicher Winterhafen.
lOÇ
Komärom (Komom)
/Ujpest, künstlicher Hafen.
Budapest Ô-Buda, Werfthafen.
I^gymânyos, Hafen.
"5
Budapest
Tass, kleiner natürlicher Nothhafen.
65
Tass
Szegszärd, natürlicher Hafenarm.
88
Szegszärd
Baraccka, natürlicher Hafen.
89
Baracska
Zimony, grosser Winterhafen.
267
Zimony {Semlin)
Pancsova, kleiner Hafen.
ao
Pancsova
Orsova, künstlicher Hafen.
202
Orsova
Turn-Severin. Nothh. i. offenen Strome.
22
Tum-Severin
Flamunda, natürlicher Hafenarm.
334
Flamunda
Giurgeoo, künstlicher Hafen.
99
Giurgevo
Braila, künstl. Hafen und Dockanlage.
319
Braila
Galaz, künstl. Hafen und Dockanlage.
Matschin, natürl. grosser Winterhafen.
20
Galaz
Sulina, Seehafen.
167
Gesammte Stromlänge
2432
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20б
IL Künstliche Wasserstrassen.
Die verhältnismässig grOsste Zahl von Handels- und Winterhäfen besitzt
jedoch der Rheinstrom. Im Ganzen bestehen entlang desselben 45 Handels-
und 19 Nothwinterhäfen sowie 10 Flosshäfen. Die Becken der grossen
Handelshäfen, wie Mannheim, Ludwigshafen, Gustavsburg und Ruhrort sind
fast durchwegs in das Ufergelände eingeschnitten. In gleicher Weise sind auch
die meisten Schutzhäfen angelegt. Die Flosshäfen zu Mannheim, Mainz und
Schierstein sind alte Flussläufe und Arme, welche abgeschnitten und durch
Baggerung vertieft wurden. Die Form der Hafenbecken ist meist lang
gestreckt und von geringer Breite. So ist der Mühlauhafen zu Mannheim
2 km lang bei 120 m Sohlbreite und der Kaiserhafen zu Ruhrort bei 60 m
Bild 127. Lagerhaus in Passau.
Sohlbreite 3 km lang. Die übrigen Hafenbecken haben Sohlbreiten von 30
bis 75 m.
Die Einfahrten befinden sich meist am stromabwärts gelegenen Ende des
Hafenbeckens. Mündungen in der Mitte der Längsseite desselben, wie in
Ludwigshafen, Mainz, Schierstein und Oberlahnstein, sind weniger beliebt, da
bei diesen das Einfahren der Schiffe schwieriger ist. Einige Häfenj wie jene
bei Mannheim und Frankfurt haben eine zweite Einfahrt von oben, welche
durch Schleusen abgeschlossen ist.
Alle Rheinhäfen sind entsprechend ausgerüstet und ist der Dienst in
denselben vorzüglich geregelt. Die Hafentiefe ist Oberall genügend; bei den
Schutz- und Handelshäfen liegt die Sohle so tief, dass vollbeladene Schiffe
beim niedersten Wasserstand ohne Gefahr darin bleiben können.
Der Hafenverkehr an den Binnenschiffahrtsplätzen des Elbe- und
Odergebietes vollzieht sich zum grössten Theil nicht in geschlossenen
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Anlage und Ausrflstung von Binnenhäfen.
2o7
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208
II. Künstliche Wasserstrassen.
künstlichen Häfen, sondern an den entsprechend ausgestatteten Stromufem.
Bedeutende Hafenanlagen und Umschlagplätze bestehen an der Elbe bei
Schönpriesen und Tetschen-Laube, in Aussig, dem Kohlenumschlagplatze, und
bei Dresden und Magdeburg. An der Oder sind die grössten Hafenanlagen
jene bei Breslau, Kosel und Stettin.
Grössere Winterhäfen an der Elbe bestehen ferner bei Rosawitz, Mûhlberg,
Wittenberg, Tangermûnde und Wittenberge und an der Oder bei Oppeln,
Glogau, Neusalz und Kienitz.
Der mit vorztiglichen Einrichtungen versehene Hafen von Breslau nimmt
gegenwärtig die siebente Stelle als Hafenort des deutschen Binnenwasser-
verkehrs ein. An
erster Stelle stehen
die vereinigten
Rhein - Ruhrhäfen:
Ruhrort, Duisburg
und Hochfeld mit
einem jährlichenVer-
kehr von über
7500Ö00 t, welchen
Berlin mit 5 200 000 1,
Hamburg an dritter
Stelle mit einem
Binnenverkehr von
jm 3600000 t, Mann-
^3^ heim mit 3300000 t,
n Magdeburg mit
1 600 000 t, Stettin
mit 1500000 t und
Breslau mit-
1400000 t folgen.
Bild 129. Pneumatischer Getreideheber.
Hafenansrfistnng. Wenn auch, abgesehen von den vorzüglichen Rhein-
anlagen, schon einige Donauumschlagplätze, Elbe- und Oderhäfen mit zeit-
gemässen Einrichtungen zum Laden, Löschen und Umschlag der Güter auf die
Eisenbahn ausgerüstet sind, so wird im Allgemeinen den Hafenplätzen der
Binnenschiffahrt noch bei weitem nicht die nothwendige Aufmerksamkeit zuge-
wendet, weshalb auch die Aufenthalte der Schleppe durch Ein- und Auslade-
zeiten und Stillliegen im Verhältnisse zu ihrem gewinnbringenden Umlaufe
ausserordentlich gross sind, und dadurch das Erträgnis der Schiffahrt schmälern.
Zweckentsprechende Hafeneinrichtungen steigern aber den Umlauf der
Fahrmittel; so hat beispielsweise der Schleppumlauf auf der oberen Donau-
strecke durch die von der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft in Regens-
burg, Passau und Linz errichteten Lagerhäuser bedeutend zugenommen. Das
Lagerhaus in Passau ist im Bilde 127, 128 dargestellt. Dasselbe hat einen
Fassungsraum für 7000 t Getreide, welches aus den Schleppen in die ein-
zelnen Speicher auf pneumatischem Wege befördert wird. Innerhalb des
Lagerhauses sind zwei Luftpumpen, die mittelst zweier je 100 HP Maschinen
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Anlage und Ausrüstung von Binnenhafen.
209
das Getreide durch Blechröhren ansaugen, wobei dasselbe gleichzeitig durch
4 automatische Wagen in Säcke gefüllt wird« Vom Sackirraume werden dann
die Säcke entweder von 4 hydraulisch betriebenen Aufzügen im Lagerhause
vertheilt, oder auf Rutschen in die Eisenbahnwagen verladen. Bild 128 zeigt
den Grundriss und den Querschnitt des Lagerhauses.
Eine besonders rasche Umladung erfordert der Umschlag zwischen
Binnen- und SeeschiflFen, weil für letztere der Grundsatz „Zeit ist Geld**
ausschlaggebend ist. Man hat deshalb in jüngster Zeit ausser schwimmenden
Verladern mit Becherwerken pneumatische Elevatoren (Bild 129) einge-
führt, bei welchen an Stelle der Hebebecher ein beweglicher Schlauch, durch
den mittels starker Luftverdûnnung . das Getreide aus dem Schiffe gesaugt
wird, die Umladung besorgt
Bild 130. Kohlenverladung auf den Kanälen von Pas de Calais.
Eine schnelle Verladung von auf Schienenwegen anrollenden Kohlen-
wagen ist im Bilde 130 dargestellt
Endlich zeigt Bild 131 die Ladevorrichtung auf der Landzunge zwischen
dem Oderstrome und dem inneren Hafenbecken des neuen grossen Hafens
in Breslau und Bild 132 den Oderhafen bei Kosel.
Amerikanische YerladeTorrichtungen. Von welchem wirthschaftlichen
Einflüsse auf die Schiflahrt zeitgemässe Verladevorrichlungen sind,
wird schlagend durch die neuen technischen Einrichtungen des grossen Binnen-
seeverkehres Nordamerikas bewiesen. Auf dem Verkehrsgebiete der fünf
grossen Seen hat man es dadurch ermöglicht, Erze aus den Gruben am
Oberen-See abzubauen und dieselben innerhalb eines Zeitraumes von 10 Tagen
s up pan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt ^4
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ato
И. Künstliche Wasserstrassen.
09
M
Ca)
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Anlage ood Auerflstang von Binnenhafen.
2LI
aus den Pittsburgher Stahlwerken in Form von Stahlplatten zu versenden.
Dabei muss man bedenken, dass die Entfernung zwischen den genannten
Gruben und den Pittsburgher Werken 1500 km beträgt und dass das Erz theils
über Wasser, theils über Land geführt, also von den Waggons in die Schiffe
und von diesen wieder in Waggons verladen werden muss, femer dass eine
solche Sendung oft 5000 bis 8000 t wiegt. Eine wahrhaft grossartige
Beförderungsleistung.
Im ganzen sind auf den grossen Seen 47 Ladeplätze und Docks vorhanden,
in welchen Erz und Kohle von Schiffen auf Waggons und umgekehrt verladen
werden. Wahrend der eisfreien Zeit entwickelt sich zwischen diesen Häfen
eine äusserst rege Schiffahrt mit den für diesen Dienst und die Tiefenverhält-
nisse der Docks eigens gebauten Schiffen. Bei einer Länge von 160 m und
Bild 132. Kohlenhafen an der Oder bei Kosel.
einer Breite von 18 m bestehen dieselben aus neben einander angeordneten
Laderäumen von je 12 m Länge und 8Y4 m Breite, die an beiden Seiten
einer mittleren Längsscheidewand liegen. Das Ausladen des Erzes oder
der Kohle aus den Waggons und das Verladen in die längs der Kaimauer
der Docks liegenden Schiffe geschieht in folgender Weise: Die Wagen werden
auf die Entladegeleise gefahren, die Kphle in Fulleimer, die von den Armen der
Lademaschine herabhängen, eingeladen und mittels Dampfkraft an den
Armen entlang bis über den betreffenden Laderaum des Schiffes geführt,
in das sie entleert werden. Es sind in der Regel ebenso viele Waggons
hinter einander gereiht, als Laderäume in dem Schiffe sich befinden. Da die
zahlreichen Arme der Lademaschine über fünf Geleise und die ganze Schiffs-
breite hinwegreichen, wird aus einer grossen Anzahl von Wagen gleichzeitig
ausgeladen, so dass eine Erz- oder Kohlensendung von 5000 bis 8000 t inner-
halb einiger Stunden verladen werden kann.
Nachdem jedoch auch diese Einrichtung nach dortigen Begriffen zu
langsam arbeitet und eine verhältnismässig beträchtliche Anzahl von Arbeits-
14'
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^212
11. Rünstliche Wasserstrassen.
kräften erfordert, hat man in neuerer Zeit in den Docks der Lorrain
Steel Coi in Lorrain die im Bilde 133 dargestellte Verladevorrichtung
gebaut.
Diese Anlage besteht aus Gruppen von je drei Brücken, welche mit
ihren vorderen Enden, an welchen sich die Auslegearme anschliessen, auf
eisernen Gittergerusten ruhen, längs welchen sie verschoben und abwechselnd
mit ihrem Auslegearm über die zu fallenden Laderäume des Schiffes geführt
werden können. Die hinteren Enden der Brücken lagern auf Tragthürmen,
die von einander unabhängig sind und auf dem Geleise, auf welchem sie
stehen, nach Bedarf verschoben werden können. Das Verschieben der Thûrme
und mit diesen der hinteren Brückentheile geschieht mittels einer Lokomotive,
^
Verladebrücken der Lorrain Steel Co.
in Nordamerika.
die sich neben den Thürmen auf parallelen Geleisen bewegt. Auf diese Weise
kann eine und dieselbe Brücke innerhalb gegebener Grenzen verschiedene
Stellungen einnehmen und mit Leichtigkeit über die zu füllenden oder zu
entleerenden Laderäume geführt werden. Längs den Brücken dieser Maschine
werden Eimer mit einem Raumgehalt von '/^ cbm befördert. Das Aufziehen
und Fortbewegen der FüUeimer besorgt ein Drahtseil. Das Anhalten derselben
sowie das Abhaspeln des Aufzuges tritt selbstthätig ein, sobald der Laufwagen,
an welchem der Eimer hängt, auf seinem Wege an einen an beliebiger Stelle der
Brücke einsteckbaren Anschlag, der die Auslösevorrichtung in Thätigkeit setzt,
anstösst. Diese Anordnung ermöglicht es, die Umladung des Materiales
beliebig entweder vom Schiff in Waggons und umgekehrt, oder auf einen
weiter von dem Schiffe entfernten Stapelraum vorzunehmen, da die Länge
der Brücken und ihre leichte Richungsänderutng einen verhältnismässig
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Anlage und Ausrüstung von Binnenhäfen. 213
grossen Bewegungsspielraum zulassen. Jede Brücke mit ihrem zugehörigen
Aufzug wird von einem Arbeiter bedient, der seinen Platz auf der obersten.
Plattform des vorderen Gittergerüstes hat, so dass er die Laderäume im Schiffe
genau Oberblicken und die Bewegungen des Eimers mittels Hebel und Fuss-
bremse regeln kann. Die grösste Leistung einer solchen aus sechs Brücken
bestehenden Anlage war die Bewältigung von 3241 t in 12 V» Stunden.
Um endlich noch die Kosten der Zuschaufler der Kohle im Schiffs-
räume zu ersparen, hat man in jüngster Zeit einen selbstthätig wirkenden
Eimer, Hurlett's Auslader, eingeführt, welcher etwa 10 t Erz oder Kohle
fassen kann. Die eisernen Flügel desselben pressen sich in das Erzmaterial
ein und werden in dieser Arbeit durch auf die Enden der Flügel wirkenden
hydraulischen Druck unterstützt. Sobald die Flügel das Material gefasst und
sich zusammengepresst haben, wird der herabhängende Arm, an welchem
der Eimer befestigt ist, gehoben und bis über einen zwischen den Gitterträgern
des Maschinengerüstes befindlichen Kippwagen geführt, in welchen das Material
aus dem sich selbstthätig öffnenden Eimer fällt. Eine solche Maschine bewältigt
durchschnittlich in der Stunde 250 t Material.
Dem Hurlett - Auslader aus den Schiffen entsprechen in ihrer Leistung
die Wagenwender, welche zum Verladen der mit der Bahn ankommenden
Kohle in die Schiffsräume dienen und die den mit seiner Ladung
40 t schweren Waggon heben und umkippen, wodurch sein Inhalt auf eine
Rutschbahn fällt und von dort in den Schiffsraum gelangt.
Für Kleinkohle hat m^n noch schnellere Verladevorrichtungen. So wird
in der, der Pittsburgh and Conneaut Dock Co. gehörigen Vorrichtung der
mit Kohle gefüllte Waggon bis zu einer gewissen Höhe gehoben, so dass er beim
Kippen seinen Inhalt auf eine glatte Sturzbahn schütten kann, von welcher
die Kohle in die Schiffsladeräume abrollt. Die Sturzbahn wird mit ihren
Längsrändem entsprechend der Höhe des Schiffes eingestellt und die Kipp-
vorrichtung bringt den Waggon in demselben Moment automatisch zum Kippen,
in welchem er an den oberen Rand der Sturzbrücke anstösst. Der ganze
Ladevorgang ist ein rascher und verladen diese Maschinen 5176 t in 10 */» Stunden.
Die Verladekosten stellen sich für i t auf etwa 40 Heller. Endlich wendet
man auch noch eine andere Form von Waggonkippern an, welche den Vor-
theil sehr schneller Arbeit, jedoch eine bedeutende Fallhöhe der Kohle im
Gefolge haben, wodurch letztere zertrümmert und dadurch minderwerthig wird.
Bei diesen Vorrichtungen wird der Waggon in einen Cylinder geschoben, der
sich um seine Achse mit dem Wagen soweit dreht, bis die Kohle auf die Sturz-
bahn rollt, von welcher sie dann in den oft sehr tief liegenden Schiffslade-
raum herunterfällt
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Ш. Theü.
Binnenschiffahrt.
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8. Abschnitt.
Flösserei und Ruderschiffahrt.
Alter und Knltarwerth der Wasserstrassen. Die Schifiahrt umfasst einen
der wesentlichsten Theile des Verkehres und der Kultur der Völker. Das
Bestreben des Menschen^ die Gewässer nutzbar zu machen, reicht bis in die
älteste Zeit zurück. Die vor Tausenden von Jahren in Indien mittels
Händearbeit ausgeführten gewaltigen Staudamme zur Aufspeicherung von
Wasser, die in China seit Menschengedenken bestehenden Kanalanlagen, die
in Chaldää und in Aegypte;n schon im Alterthume berühmten Bewässe-
rungsanlagen und Nutzkanäle, sowie die Wasserbauten der Römer erregen
noch heute unsere Bewunderung. Selbst während der im Mittelalter ein-
getretenen allgemeinen Erstarrung des menschlichen Fortschrittes sind, durch,
die Noth geboten, in den Niederlanden jene mächtigen Deichanlagen ent-
standen, durch welche grosse Küstenstriche der See abgerungen und vor den
Hochfluthen derselben geschützt wurden. Eigentlich war es aber erst der
Neuzeit hauptsächlich durch die Erfindung der Kammerschleuse vorbehalten,
die Binnerigewäaser im grossen Massstabe der Schiffahrt und dem allgemeinen
Verkehre dienstbar zu machen.
Wenn auch nur das Meer als der grosse Träger des Weltverkehres
bezeichnet werden kann, so zeigt der Aufschwung, den die Wasserstrassen
im Festlande eben in letzter Zeit genommen haben, dass auch diese einen
wichtigen Theilbetrag des allgemeinen Weltverkehres bilden.
Im Binnenlande waren übrigens die natürlichen Flussläufe schon vor
Eröffnung der Seewege die Haupthandelsstrassen, und als die Menschen
späterhin auch das Meer betraten, bildete dieses gemeinsam mit den Strömen
Jahrhunderte lang den Weg der Grossbeförderung. In diesem Umstände
liegt auch die Ursache, dass die Ansiedlungen und Städte an Flussufern,
gegenüber anderen nicht an solchen gelegenen sich so rasch entwickeln
konnten. Die 'Wasserstrasse war eben der einzige Weg, welcher im Binnen-
lande eine Beförderung schwerer Güter und grösserer Mengen möglich,
machte. Entlang dertgrossen Ströme entstanden deshalb die wichtigsten Ver-
kehrsmittelpunkte und längs ihres Gebietes die früheste Kultur. Euphrat
und Tigris lassen sich als schiffbare Wasserstrassen weit zurück verfolgen..
Der Nil wurde schon um die Mitte des dritten Jahrtausend vor Christus^ von
Lastschiffen befahren. . Die Chinesen hatten : schon in den. ältesten^ Zeitep.
eine geregelte Schiffahrt auf ihren Strömen und Kanälen. v Der Rhein war,
von jeher eine der wichtigsten Kulturstrassen. I)ie Trajansbrücke bei Turn-
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2l8
III. Binnenschiffahrt
Severin und die Trajansstrasse zur Umgehung der Donaüifatarakte zeigen die
grosse Bedeutung des Donauweges.
Wien bildete im Mittelalter und in der zweiten Hälfte des ХУШ. Jahr-
hunderts einen Knotenpunkt des Handels zwischen dem Orient und dem
Westen. Zur selben Zeit, als dem grossen Handelshause Fugger die Wagen-
fracht von looo Zentner Güter aus Italien nach Augsburg noch beiläufig
150 Kronen für jeden Reisetag, also in fünfmonatlicher Reisedauer ein Tonnen-
kilometer noch 36 Heller kostete, stellten sich die Kosten eines durch Pferde
von Semlin, dem alten Getreidehandelsplatze, nach Ulm gezogenen 100 Tonnen-
Ruderschiffes, welches die 1200 km donauaufwärts auch in fünf Monaten
zurücklegte, für einen Tag auf 60 Kronen, daher für einen Tonnenkilometer
auf 16 Heller.
Mit dem Zeitalter der Eisenbahnen haben die natürlichen und
künstlichen Wasserstrassen zum Theile ihre frühere Bedeutung eingebûsst
und erst in neuester Zeit sind sie wieder durch ihre Ueberlegenheit gegen-
über den Schienenwegen in der Massenbeförderung und durch ihre viel billi-
geren Beförderungskosten in den Vordergrund getreten.
TonnenUloinetrische Beferdernngekosteii der Land- und Wasserwege.
In folgender Tabelle wird versucht, die tonnenkilometrischen Kosten
der verschiedenen Beförderungsarten aufzustellen:
Art der Beförderung
I Kosten einer
auf I Kilo-
meter be-
förderten
Tonne
in Heller
Menschenkraft (Tragen, Schiebtruhe, Rollwagen)
Thierische Kraft (Tragthiere, Lastwagen)
Ruderschifiahrt zu Thal und Flösserei
RuderschifTahrt zu Berg, Gegenzug in geringer Strömung . .
Flussschiffahrt mittels Dampf kraft:
bei grösserer Stromgeschwindigkeit J ^^
, . . ^ zu Thal
bei genngerer „ | „ Berg
Kanalschiffahrt
Seeschiffahrt
Eisenbahnen
Die Darstellung zeigt, dass die Beförderung einer Tonne
den zwanzigsten Theil von dem Betrage kostet, welcher noch vor
bezahlt werden musste.
40 — 60
30—40
0,15—000
1,50—3,00
0,30 ~o,8o
1,50—2,50
0,30—0,50
0,20 — 1,00
0,20—0,50
0,10 — 0,40
1,60—3,00
heute rund
100 Jahren
Entstehung nnd Entwicklmig der Scldffahrt Durch die Beobachtung
des mit der Strömung treibenden Holzes ist offenbar die That, einen Wasser-
lauf als Beförderungsmittel zu benutzen, entstanden. Diese Erscheinung fahrte
dahin, Baumstämme mit Bast oder Geäste zusammenzubinden und als Floss
thalwärts treiben zu lassen. In einem späteren Zeiträume erkannte man so-
dann die grosse Schwimmfähigkeit der Flösse und benutzte sie zur Beförde-
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Flösserei und Ruderscbifi'ahrt.
219
Bild 134. Einbftumler, aas der Zeit der
Pfahlbauten.
hing aufgeladener Gegenstände. Jenem genialen Urmenschen aber, welchem
der Gedanke gekommen, einen mittels Feuer und Steinaxt ausgehöhlten Baum-
stamm als Schiff zu verwenden, (Bild 134) verdanken wir die Ent-
stehung der eigentlichen Schiffahrt. Dieser ausgehöhlte Baumstamm bildete
das Vorbild sowohl für die roh zusammengefügten Holzfahrzeuge, welche
mit Gutem beladen durch die Strömung zu Thal getrieben und am Bestim-
mungsorte zerschlagen Wurdeil, als auch für die in späteren Jahrhunderten
sorgfältiger gezimmerten Fahr-
zeuge, mit welchen man von den
Strommûndungen aus den Seeweg
betrat.
Auf die Idee des Ruderns und
Steuerns haben vielleicht die
Schwimmfüsse der Wasservögel
und Amphibien, sowie die Fische
geführt. Wohl hat auch die
Schwimmblase, welche die Fische
durch Luftanfûllung zur Vergrösserung oder Verminderung ihres Umfanges
und dadurch zu ihrem Emporsteigen und Niedersinken benutzen, den Gedanken
erzeugt, die Schwimmf^igkeit des Holzes durch untergebundene, mit Luft
gefüllter Schläuche aus Thierhäuten zu erhöhen, wie solche noch heute auf
den indischen Strömen und bei den Bretterflössen einiger KOstenstämme
Australiens ûbUch sind.
Die Erfindung des Schiffes darf aber gewiss nicht einem Volke zu-
geschrieben, sondern es muss vielmehr angenommen werden, dass dieselbe in
verschiedenen Ländern der Erde gemacht wurde. So entstanden obige von
aufgeblasenen Lederschläuchen getragenen HolzschifTe, dann die Bambus-
flösse, welche in China oft als Unterlage ganzer Dörfer dienen, femer die
mit leichten Brettern überdeckten irdenen Schwimmtöpfe am NUstrome und
endlich die noch heute in vielen Gegenden Afrikas verwendeten Kür bis-
schiffe, jedenfalls unabhängig von einander.
Durch Anwendung von menschlicher und thierischer Muskelkraft ent-
wickelte sich wohl zuerst auf Flüssen mit geringerer Stromgeschwindigkeit,
offenbar in den Mündungsgebieten, die stromaufwärtige Schiffahrt, der Berg-
verkehr. Im Lande der nach neueren Forschungen wahrscheinlich ältesten
bekannten Kultur, in Chaldäa oder Mesopotamien, hatten nach Herodot die
nahezu kreisrunden Boote, welche stromaufwärts den Euphrat bis Babylon
fuhren, aus Weidenruten hergestellte Schiffswände, die mit Thierhäuten belegt
und mit Theer angestrichen waren. Ihre Ladung bestand hauptsächlich aus
Fässern mit Palmwein. Sie wurden von je einem vorne und hinten stehenden
Manne mittels zwei langen Rudern gelenkt. (Rawlinson, das Korbschiff Kufa.)
Nach den Hieroglyphen hatten die Aegypter am Nilstrome schon 3600
v. Chr. die verschiedensten Gattungen von Lastschiffen bis zu den prächtigsten
Lustfahrzeugen. Bild 135 zeigt nach Wilkinson ein auf den Stein-
omamenten bei Theben abgebildetes Nilboot Der Mann am Buge sondirt
offenbar die Flusstiefen.
Endlich geben die chinesischen Dschunken, welche die Mündungen der
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220
III. Binnenschififahrt.
dortigen gewaltigen Ströme und die Küsten befahren, sowie die kleinen
gebrechlichen' indischen Boote, Katamarang, die, um bei Wellenschlag
nicht umzukippen, an einer Seite weit hinausragende parallel mit dem Boote
verbundene bewegliche Schwimmbalken haben und die amerikanischen Kanoes,
welche bereits in den alten Kulturdenkmälern der von den spanischen Fanatikern
und Abenteurern zerstörten Reiche Mexiko und Peru abgebildet sind, Zeugnis
des hohen Kulturwerthes der Schiffahrt schon in den frühesten Zeiten.
Alle diese Schiffahrtsmittel dienten aber selbstverständlich nur dem
Nahverkehr. Der erste grosse Aufschwung der Schiffahrt, der Fern-
verkehr, trat «erst durch die Benutzung der Segelkraft und hauptsächlich
duifch die Erkenntnis der Wirkung der Magnetnadel ein. Fahrten Ober
See fanden vor Bekanntwerden der Magnetnadel wohl nur im Sommer bei
klarem- Wetter und auf kürzere Entfernungen statt. Die Bestimmung des
Kurses erfolgte bei den alten
Völkern, Chaldäem, Aegyp-
tern, Phöniciem, Griechen
und Römern, bei Tage nach
dem Stande der Sonne und
bei Nacht nach dem Laufe
der Gestirne. Die Eigen-
schaft, dass eine magnetisch
gemachte , freischwebend e
oder schwimmende Nadel
^^* immer eine bestimmte
Richtung gegen den Meridian von Süd nach Nord annimmt, wurde zuerst
im Oriente und China etwa 1250 bekannt, und durch den Italiener Flavio
Gioja im Jahre 1302 durch Schaffung der Windrose als Kompass (Boussole)
allgemein brauchbar gemacht
Den gewaltigen Aufschwung, den die Schiffahrt in neuester Zeit erreicht hat,
verdankt sie jedoch ausschliesslich der Anwendung der Dampfkraft. Welcher
weite Weg, welcher Aufwand an Menschenwitz, welcher hohe Opfermuth
liegt zwischen den Fahrversuchen des Urmenschen in einem ausgehöhlten
Baumstamme und unseren jetzigen Flussdampfern und Oceanschiffen !
Bef$rderungsweisen auf Binnenwasserstrassen. . Die Ausnutzung der
Binnenwasserstrassen zum Zwecke des Verkehres geschieht heute auf ver-
schiedene Art:
1. Durch Benutzung der Strömung: das Triften und das Flössen,
$owie die zu Thal gehende Kleinschiffahrt.
2. Durch Benutzung menschlicher und thierischer Muskelkraft, sowie
der Segelkra.ft: die Ruderschiffahrt und der Gegenzug auf Flüssen, das
Treideln auf Kanälen.
3. Durch Benutzung der Dampfkraft: die Dampfschiffahrt und der
Schleppzug mittels Schaufelrad, Schraube, Kette oder Drahtseil.
4. Auf Kanälen ausserdem noch durch verschiedene andere mecha-
nische und elektrische Zugsmittel.
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Flösserei und Ruderschififahrt.
221
Bild 136.
Triften und FlSsserei. Je nachdem man Baumatämme und Hölzer
einzeln mit der Strömung treiben lässt oder sie zu einem Flosse vereinigt,
entsteht das Triften oder das Flössen.
Beim Triften werden die Stämme entweder einzeln oder in grösserer
Anzahl zusammengebunden in den Wasserlauf geworfen und an jenen Stellen,
wo sie sich am Ufer oder gegenseitig stauen, durch 'triftarbeiter weiter
geschoben. Das Triften bildet das einfachste und billigste Beförderungs-
mittel. Hauptsächlich wird Brennholz und minderes Werkholz getriftet, weil
schönes Stammholz, selbst wenn der Wasserlauf als Triftweg entsprechend
eingerichtet ist, durch Anstossen an die Ufer Beschädigungen erleidet, wo-
durch sein Werth vermindert wird.
In manchen Gegenden wird noch heute ein geregelter Triftbetrieb unter-
halten, wie beispielsweise in Öesterreich im Salzkammergute, in Frankreich
im Oberlaufe der Yonne, und in grosser Ausdehnung in Amerika und in
Schweden und Norwegen.
Beim Flössen werden die Stämme entweder durch Wieden und Geäst
miteinander verbunden oder sie erhalten als Auflage Verbindungsbalken,
welche mit Seilen, Nägeln und Krampen an Flossbalken befestigt werden.
In letzterer Art werdei^ je nach
der vorhandenen Fahrtiefe
einige Reihen von Stämmen
zu Gestören übereinander
gelagert und zu Balken-
flössen vereinigt. (Bild 136.) Derartige Balkenflösse sind oft kunstgerecht
hergestellte grosse Holzwerke, welche mit Aufbauten versehen sind und mit
Schnittholz, sowie anderen Gütern beladen werden.
Wird geschnittenes Holz in Bunden von 10 bis 20 Brettern zusammen-
gelegt und werden von diesen 5 bis 10 nebeneinander gelagert und mitein-
ander befestigt, so entsteht das Bretterf loss. Die bis i m tief tauchenden»
bis 10 m breiten und oft 100 m langen Bretterflösse werden, besonders auf
seichten Wasserläufen,
in der im Bilde 137 dar-
gestellten Weise fächer-
förmig mittels Quer-
st bohlen eines an das
andere derart beweglich
gekuppelt, dass die
Kuppelhölzer des rück-
wärtigen immer auf dem
Hintertheil des vorderen Flosses aufliegen, wodurch sich die einzelnen Floss-
theile gegenseitig unterstützen.
Die Breite und Tiefe der Flösse hängt von den Abmessungen der zu
befahrenden Wasserläufe, von den bezüglichen Verkehrsrücksichten, von den
Brückenweiten und bei Flössereianlagen von der Grösse der Durchlässe ab.
Auf der Donau sind die Flösse in der Regel nicht über 15 m breit und
60 m lang. Im Bilde 12, Seite 40 ist ein in den Struden einfahrendes
Bretterfloss dargestellt, Bild 138 zeigt ein Floss der mittleren Donau.
Bild 137.
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222
111. Binnenschiffahrt.
Auf der unteren Elbe sind die Flösse bis 60 m breit und aoo m lang.
Am Rhein von Koblenz abwärts schwimmen Flösse von 72 m Breite und
250 m Länge. Flosswerke, bestehend aus 2680 Gestören = 1300 t Holz,
mit einer Tauchung von i m, haben schon einige Male die deutsche Rhein-
grcnze passirt. 1896 betrug der Flossverkehr am Rheinstrome 320000 t.
Die Zusammensetzung eines solchen grossen Rheinflosses erfordert
Umsicht. Die unteren Lagen bestehen aus Tannenstämmen bis 30 m Länge,
die meist vom Ober-Rhein und Main kommen. Dieselben sind spezifisch viel
leichter als das Wasser, daher sie das Floss sehr gut tragen. Über die
Tannen wird Eicbeaholz gepackt, die geraden Stämme zur Seite, das zum
Schifibau bestimmte Krummholz- iir die Mitte. . Bohlen, Dielen und Fassdauben
bilden sodann die obere Lage und das Gx9tm wird durch die Abwechslung
in der Richtung der HolzstQcke, welche die einzelnes Lagen bilden, sowie
Bild 138. Flosstrieb auf der mittleren Donau.
durch übergenagelte Leisten fest verbunden und endlich mit Bohlen von ge-
ringerem Werthe überdeckt. Für die Arbeiter werden besondere Gänge ein-
gerichtet, über welche Laufdielen führen.
Auch die Wolga befahren zuweilen grosse Flösse von 100 m Breite
und 300 m Länge, welche von 400 Mann bedient werden und bis 18000 t
auf einmal befördern können. Auf einem solchen mächtigen Flosswerke muss
die ganze Besatzung auch während der Nacht und selbst wenn die Reise
durch widrige Winde Wochen lang unterbrochen werden sollte, versammelt
bleiben. Die Leute haben deshalb vollständige Wohnungen, Verpflegsräume,
Küche und Werkstätten, so dass manches Floss wegen der Menge der darauf
stehenden Hütten das Ansehen eines Dorfes bietet.
Im Bilde 139 ist ein eigenartiges Floss dargestellt. Dasselbe wird in
einem eigenen kielförmigen eisernen Dock zusammengestellt, vollkommen see-
tüchtig versteift, mit schweren Ketten umwunden und vom Columbiastrome
längs der pazifischen Küste nach Californien geschleppt. Das Floss ist 130 m
lang, hat einen Breitenumfang von 35 m und enthält 166 000 Längenmeter
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Flösserei und Ruderscbiffahrt.
223
Baumstämme, hauptsächlich Schiffsbauholz, mit einem Gesammtgewichte von
бсюо t. Die Entfernung von der Mündung des Columbia bis San Francisco,
700 Meilen, legt ein stärkerer Seebugser mit demselben in 12 Tagen zurück.
ПовПМПбтег. Alle mit der Strömung treibenden Flösse lassen sich
nur schwer in den richtigen Stromkurs bringen, weshalb sie sowohl am
vorderen, als auch am hinteren TheiJe lange Schwengelruder, die grösseren
ausserdem noch eine entsprechende Anzahl Seitenruder, Riemen, erhalten.
(Bild 138.) In voller Fahrt lenkt man sie dadurch, dass man mit den lacgen
Rudern abwechselnd nach der einen oder der andern Seite quer gegen den
Strom schlägt, wodurch dem Floss die jeweilig erforderliche Drehung ertheilt
wird. Diese dem Flosse gegebene Bewegung ist aber im Vergleich zu der
Geschwindigkeit, womit das Floss stromabwärts treibt, meist eine sehr geringe,
und man muss deshalb immer zeitig genug, schon ehe eine sekhte Flussstelle,
Kiesbank oder ein bergfahrendes Fahrzeug deutlich whtbaf wird, mit der
Handhabung der Ruder beginnen. Die Führer grösserer Flösse und Ruder-
Bild 139 Seetüchtiges Baumfloss vom Columbiastrome.
schiffe müssen daher sowohl das Fahrwasser, als auch die Stärke und
Richtung der Strömung an allen einzelnen Stellen genau kennen und wird
deren Führung nur den geschicktesten Steuerleuten, Nauführern, anvertraut
Wenn die Sohle des Flussbettes dazu geeignet ist, so werden grosse Flösse
auch durch hinten ausgeworfene Anker, Kukasanker, die man an langen
Tauen nachschleppen lässt, in die entsprechende Fahrrichtung gebracht.
Beim Landen eines Flosses ist besondere Vorsicht nothwendig. Das
Floss darf nicht auf Untiefen auflaufen, weil es sich bei seiner grossen Masse
darauf so fest aufschieben würde, dass es davon nicht mehr abgebracht werden
kann. In diesem Falle müsste es entweder, so weit es aufliegt, in die einzelnen
Stämme zerlegt oder aber zur Flottlegung ein höherer Wasserstand abgewartet
werden. Einzelne Anker sind bei grossen Balkenflössen nicht im Stande,
dasselbe schnell genug anzuhalten, und wenn dieselben in der Flusssohle auch
hinreichenden Widerstand finden sollten, so würden die Ankertaue bei dem
grossen Moment der Bewegung meist zerreissen. Man muss also dafür sorgen,
dass beim Landen die Fortgangsgeschwindigkeit nach und nach durch Aus-
werfen mehrerer Anker an verschieden langen Tauen vermindert und das
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224 ^^^' Binnenschiffahrt.
Floss langsam zum Stillstande gebracht wird. Die einzelnen Taue werden
sodann vorsichtig gleichtragend gemächt.
Auf einen lebhaften Dampfschiffverkehr wirkt die Flösserei insbesondere
dann störend, wenn die Flösse nicht in grösseren Entfernungen von einander
fahren, weil dann das Ausweichen der bergfahrenden Dampferanhänge unter
Umstanden sehr erschwert wird, und nicht selten zu Zusammenstössen, Ein-
rinnen der Flösse, führt.
Auf manchen Strömen, wie beispielsweise am mittleren Rheine und der
Wolga, werden deshalb die grossen Flösse auch mittels Dampfer geschleppt.
Am Mississippi geschieht dieses durch Heckraddampfer, welche die zusammen-
gekuppelten Flösse von rückwärts zu Thal schieben, und deren Fortgangs-
geschwindigkeit bei kritischer Dampferbegegnung rechtzeitig hemmen.
Rudersebiffalirt zu Thal. Der Flossbetrieb ist, weil er nur zu
Thal geht, für eine regelmässige Waarenbeförderung nicht geeignet.
Diese wird mittels Schiffen, welche zu Thal durch die Strömung und Ruder,
zu Berg durch Ziehen vom Ufer aus oder durch Dampfer oder aber durch
Segel fortbewegt werden, vermittelt und allgemein als Ruderschiffahrt
bezeichnet.
Die ursprünglichste Art der Ruderschiffahrt ist die Kleinschiffahrt
für den Nahverkehr, welche sich stellenweise bis auf den heutigen Tag
r-JtTii I ill 1 1 1 1 iim^i 1 1 11^
Bild 140. Holzplatte.
erhalten hat. Diese für eine einmalige Thal treibung leicht gezimmerten
Holzschiffe werden an ihrem Bestimmungsorte ausgeladen, zerlegt und als
Brennholz verkauft. Für den örtlichen Verkehr, zur Verpflegung von Städten,
dienen die etwas stärker gebauten Marktschiffe und Plätten, die zu Thal
Steine, Ziegel, Sand, Brennholz, Thonwaaren und Erzeugnisse der Hausindustrie
Ijefördem und in leerem Zustande zu Berg durch Pferde, seltener durch
Dampfer zurückgezogen werden. Ein kleines Ruderschiff ist im Bilde 140
gezeichnet. Diese werden Holzplätten genannt und verkehren auf der
oberen Donaustrecke und im Wiener Donaukanale. Sie sind leicht, jedoch
sorgfältig gezimmert und nehmen Ladungen bis 100 Tonnen. Einige heute
noch bestehende Ruderschiffe der oberen Donau sind im Bilde 12, Seite 40
veranschaulicht.
Fortgangsgeschwindigkeit durch Stromantrieb. Die Fortgangsgeschwindig-
keit eines mit dem Strome treibenden Schiffes ist je nach seiner Ein-
tauchung und Lage gegen den Stromstrich verschieden, jedoch immer grösser
als die Stromgeschwindigkeit. Ein Ruderschiff von 100 Tonnen Tragfähig-
keit und 1,20 m Tauchung treibt auf der oberen Donau bei einer Strom-
geschwindigkeit von 2 m in der Sekunde mit einer Fortgangsgeschwindigkeit
von 4 m. Ein grosses Privatschiff mit 400 Tonnen Ladung und 1,50 m
Tauchung erhält auf der mittleren Donaustrecke mit i m Stromgeschwindig-
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Flösserei und Ruderscbiffahrt. 225
keit einen Thaltrieb von 1,50 bis 2 m in der Sekunde. Auf der Eibe
wurde beobachtet, dass bei einer mittleren Stromgeschwindigkeit von 1,04 m
in der Sekunde ein kleiner Kahn 1,40 m, eine halbbelädene Zille 1,70 m, ein
beladener Schlepp 1,80 m in der Sekunde zurücklegt.
Nachdem jedoch die Ruderschiffe, beispielsweise die grossen Donau-
plätten auf der oberen Strecke, meist von mehreren Schiffern kräftig gerudert
und stets in der schärfsten Strömung geführt werden, so ist deren Fortgangs-
geschwindigkeit oft eine bedeutend grössere. Von Passau bis Linz fährt in
dieser Weise ein gut ausgerüstetes Ruderschiff zu Thal bei Niederwasser in
12 bis 13, bei Mittelwasser in 10 bis 11 und bei Hochwasser in 8 bis 9
Stunden, es legt somit in der Stunde 7 bis 9 km zurück.*)
Manöver mit Ruderschiffen. Die relative Bewegung eines SchiflFes in der
N anfahrt durch Thaltrieb ist jedoch im Allgemeinen eine geringe, was zur
Folge hat, dass das SchifiF dem Steuerruder nur langsam folgt. Es treten
zudem noch die Umstände erschwerend auf, dass bei der Durchfahrt scharfer
Krümmungen das Schiff stark der tangentialen Richtung folgt und daher
leicht an das einbiegende Ufer geworfen werden kann. Dabei nimmt das
Schiff, wenn es abgelenkt wird, zuerst eine schräge Richtung in der Art an,
dass sein Hintertheil sich derjenigen Seite nähert, von der man es entfernen
will. Das am weitesten hinausragende Steuerruder kann nun eine Sandbank
berühren oder gar gegen eine Uferböschung stossen, in welchem Falle es als
feste Drehungsachse wirkt, das Schiff dadurch seine freie Bewegung verliert und
seiner ganzen Länge nach gegen das Ufer abfällt. Hierbei geschieht es nicht
selten, dass die festeingelegten Steuerruder sich abheben und brechen. Auf den-
jenigen Stromstrecken, wo dieses besonders zu fürchten ist, erhalten deshalb
die Steuer die Form und die leichte Befestigungsart der Schwengel- oder
Streichruder, deren Handhabung schwieriger ist, die aber dafür wirksamer
sind und kräftig ausheben, wodurch die Drehung des Schiffes schneller be-
wirkt werden kann.
Damit ein mit dem Strome treibendes Ruderfahrzeug in enger Durch-
fahrt oder schmaler Brückenöffnung durchkomme, wendet man, so wie bei
den grossen Flössen, einen kleinen vierarmigen Kukasanker an, welcher
vom Hintertheil mittels eines Taues auf Grund gelassen wird und das Schiff
soweit festhält, dass es gerade in der Richtung des Stromstriches am Tau
hängend durch die Enge „rinnen gelassen" werden kann. In ähnlicher Weise
kann man auch mittels eines Bugankers ein Schiff bergfahrend durch eine
enge Fahrt „vorholen".
In scharfer Strömung und engem Flussquerschnitte bildet für das thal-
treibende Schiff das Wenden, um an das Ufer anzulegen oder im Strom zu
ankern, ein schwieriges Manöver. Dies geschieht gewöhnlich derart, dass
*) Die Thatsache, dass ein Schiff im Thaltrieb eine grössere Geschwindigkeit
annimmt, als das Fahrwasser selbst, wird durch die Wirkung der Komponente der
Schwerkraft erklärt, die bei grösseren Flussgefällen, wie = 0,5 pro ®/oo oder
= I pro ®/oo, 0,5 beziehungsweise i kg für die Tonne Schiffsgewicht ausmacht und
als Triebkraft auftritt. Bei der Bergfahrt vermehrt diese Kraft den Schiffswiderstand.
Suppan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt. ^5
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1аг6
Ш. Binnenschiffahrt.
das Schiff so gesteuert wird, dass seine Spitze in einen Theil des Strombettes
tritt, wo die Strömung nur schwach ist, während der hintere Theil desselben
im stärkeren Strom bleibt. Der Achter wird nun von diesem abwärts getrieben,
wodurch die Wendung von selbst erfolgt. Man befördert diese noch durch
Absetzen mit Stangen, oder durch Anwendung des Schorrbaums (siehe S. 1 1 2).
Wenn das Schiff nicht schwer beladen und genügend stark gebaut ist, pflegt
man es auch mit dem Vordertheil gegen ein Ufer oder eine schleusige
hohe Sandbank stossen zu lassen. Der Strom dreht es dann rasch in die
beabsichtigte Richtung, wobei zugleich die fortschreitende Bewegung des
Schiffes gemässigt, der Anker geworfen und das Hafttau ans Land gebracht
wird. Letzteres darf nie plötzlich festgehalten werden, weshalb man es ein-
oder zweimal um den Büffel schlingt und es langsam so lange nachhängt,
Ыз das Schiff seinen starken Vorwärtsgang verloren hat.
Fähren* Zu den Beförderungsmitteln des Nahverkehres gehören noch
die Fähren und Oberfuhrplätten. Letztere (Bild 141) stellen die ursprüng-
lichste Bauart eines Schiffes dar. Sie werden nur in massiger Strömung
Bild 141. Ueberfuhrplätte auf der miuleren Donau.
verwendet, indem man sie mittels Ruderkraft von einem Ufer auf das
andere führt
Die Fähren werden dagegen durch die Stromkraft zwischen den beiden
Ufern bewegt. Quer über dem Flusse wird ein Drahtseil gespannt, an welchem
man die kleineren, an einer Hilfsleine hängenden Fährboote mit der Hand
über den Fluss vorholt, während die grossen Fähren durch Laufrollen und
Hängeseil mit dem Hauptseile verbunden sind und durch die Strömung allein
auf das gegenüberliegende Ufer getrieben werden. Gewöhnlich ist eine Lauf-
rolle am Buge und eine am Achter der Fähre befestigt, während in der Schiffs-
mitte eine Seilscheibe steht. Sobald das Hauptseil mit der Scheibe und einer
der Laufrollen in einer Richtung steht, kommt die Fähre ins „Gieren", d. h.
ihre Längsachse nimmt eine gegen den Strom geneigte Lage an, wodurch die
Stromkraft zerlegt und die Fähre in der Richtung einer Seitenkraft einem
Ufer zugetrieben wird. Um die Steuerung zu unterstützen und den Strom-
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Flösserei und Ruderschiflfahrt.
227
antrieb zu vergrössern, werden durch Winde und Kette zu hebende Holz-
wànde, Schwerter, quer in die Stromrichtung gesenkt. Eine Abart bilden
die fliegenden Fähren oder Brücken, welche an einer langen, in der
Strommitte verankerten Kette befestigt sind und ebenso wie die Seilfähren
durch die Stromkraft hin- und herbewegt werden. Die Kette wird durch
eine Anzahl Giernachen Ober Wasser gehalten. Die fliegende Brücke
ist gewöhnlich eine grosse auf zwei Pontons lagernde Plattform, welche sich
an zwei von den Ufern in den Strom gebauten Landungsbrûcken anlegt.
Die niederen Seilfähren müssen bei Vorbeifahren von Flössen oder Schiffen
das Seil auf die Flusssohle niederlassen, die fliegenden Fähren an eine
Stromseite anlegen. Das Querseil der Hochfahren muss auf Ständern so hoch
gespannt sein, dass Dampfer mit aufgestelltem Schornstein unterhalb desselben
Bild 142. Trajektschiff im Schlepptau.
passiren können. Zu den Fähren sind endlich noch die Trajektschiffe
{Bild 142) zu zählen.
Rnderschiffahrt zu Berg. Fluss- und Kanalschiffe. Die für den weiten
Fluss- und Kanalverkehr, sowie für den Dampfschleppzug zu Berg
geeigneten Schiffe sind sorgfältig konstruirte Bauwerke mit grossen Fassungs-
räumen und für alle Ladungsgattungen verwendbar. Jeder Strom hat seine
dlgenthümlichen Bauformen, welche die verschiedensten Benennungen fuhren:
Ruderschiff, Privatschiff, Frachtschiff, Frachtkahn, Frachtboot,
Barke, Prahm, Plätte, Schute, Pinasse, Penische und Schlepp.
Bevor jedoch diese, die eigentliche Binnenschiffahrt vermittelnden Fahr-
zeuge geschildert werden, und 4amit man die in den folgenden Absätzen
bezüglich der Schifisformen und des Schiffsbaues vorkommenden Fachausdrücke
15*
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228
III. Binnenschiffahrt.
verstehe, müssen vor Allem die allgemeinen und wichtigsten Begriffe
über den Schiffbau in Kürze klargelegt werden:
Darstellang und Beschreibonfi; eines Schiffskörpers. Die Darstellung
einer SchiflFsform in verjüngtem Massstabe erfolgt, wie Bild 143 zeigt, im
Spantenrisse, im Aufrisse und im Wasserlinienrisse. Im Bilde sind
die Spantenlinien mit S, die Wasserlinien mit W und die senkrechten
Längenschnitte mit R bezeichnet. Im Spantenrisse stellen die Kurven zur
Linken der Mittellinie xy die Spantlinien der hinteren, und die zur Rechten
jene der vorderen Schiffshälfte dar. Unterscheidet man die Projektionen
in den betreffenden ^Projektionsebenen durch ' " und '", so bilden die
geraden Linien W' W"', S' S" und R'' R'" das Netz; W", S'" und R'
Spantenriss.
VaaV
с d = Fahrtiefe,
а b = Tauchtiefe (Grösster
Tiefgang).
WI =: Konstruktionslinie.
Wo = Oberste Wasser- oder Ladelinie
W, = Mittlere Wasserlinie.
Wj = Leerwasserlinie.
W, = Kiellinie.
41L.
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Aufriss oder Longitudinalplan.
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^
Grund- oder Wasserllnienriss.
Bild 143. Konstruktionsdarstellung eines Schiffskörpers.
S/// с /// с ///
das Liniensystem des Schiffes. Die mit ' bezeichneten Linien bilden den
Aufriss, die mit " den Grund- oder Wasserlinienriss und die mit
'" den Spantenriss. Die einzelnen einem Schnittsystem angehörigen Linien
werden durch 0 1 а 3 • • • n von einander unterschieden, so dass Wq" W^"
Wn" die Wasserlinien in der Reihenfolge von oben nach unten,
. . S n"' <lie Spantlinien von hinten nach vorne be-
deuten.
Die Massangaben eines Schiffes beziehen sich immer auf jenen Zustand,
in welchem es mit voller Ladung in ruhigem Wasser schwimmt. Die Schnitt-
linie der Wasserfläche mit dem äusseren Schiffskörper ist die oberste
Wasserlinie oder Ladelinie, jene in halber Höhe zwischen der obersten
Wasserlinie und der Kielebene die mittlere, und endlich jene, in welcher
der Wasserspiegel das unbeladene Schiff schneidet, die unterste, oder Le er-
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Flösserci und Ruderschiffahrt.
229
ivasserlinie. Die grösste Länge der von der obersten Wasserlinie in voU-
beladenem Zustande umschlossenen Ebeae heisst die Schiffslänge, deren
grösste Breite die Schiffsbreite. Der Abstand der tiefsten Stelle des
Kiels von dieser Ebene ist der Tiefgang oder die grösste Tauchung.
Der an der Stelle der grössten Breite rechtwinkelig zur SchifFslänge gelegte
Querschnitt durch das ganze Schiff ist der Hauptspant oder Nullspant,
der von diesem unter der obersten Wasserlinie gelegene Theil der ein-
getauchte Hauptspant. Der VordertheU des Schiffes wird Bug oder
Vordersteven, der Hintertheil Achter oder Hintersteven genannt. Mitt-
schiffs nach vorne gesehen, wird die linke Seite mit Backbord und die rechte
mit Steuerbord bezeichnet.
Die an den Schiffsboden sich anschliessenden Theile eines Spantes nennt
man die Aufkimmung oder die Kimm. Man unterscheidet eine eckige und
eine runde Kimm. Erstere wird bei den flachgehenden Flussschiffen, letztere
bei grösserem Tiefgange und wegen der Schlingerbewegungen bei Seeschiffen,
insbesondere bei Seglern, angewendet. Die an die Kimm sich anschliessenden
Bordwände steigen bei Flussdampfern senkrecht an, bei Seedampfern be-
I. Kiel. 3, 3. Seitenkiele (Kielschwein). 4, 5. Lftngsverbandstuck'e. 6. Stringerplatten auf den Balkenenden.
7. Verstflrkungsplatten auf den Deckbalken. 8. Kielplatten der Aussenhaut 9. Abliegende Plattengflnge. 10. An-
liegende Plattengange, w. Bodenwrangplatten, a. Aeussere Spantwinkeleisen. L Innere Spantwinkeleisen.
S. Deckstatzen.
Bild 144. Querschnitt eines eisernen Schiffskörpers.
kommen sie meist eine nach oben einfallende, etwas gebogene Form. Endlich
wird ein Schiff, je nachdem der hintere oder der vordere Tiefgang grösser als
der mittlere ist, steuerlastig oder kopflastig benannt. Die übrigen bezüg-
lich eines Schiffskörpers gebräuchlichen Fachausdrucke sind dem im Bilde 144
dai'gestellten Schiffsquerschnitte zu entnehmen.
Deplacement und VSlligkeit« Unter Deplacement versteht man den
Kubikinhalt des vom Schiffe verdrängten Wassers, wenn es bis zur obersten
Wasserlinie eingetaucht ist. Das Gewicht dieser Wassermasse ist, i cbm =
1 Tonne Wasser, gleich dem Gewichte des Schiffskörpers sammt Ausrüstung
und voller Ladung, bei Dampfern mehr dem Gewichte von Maschine und
Kessel. Die Lade- oder Tragfähigkeit eines Schiffes ist demnach gleich
dem Deplacementgewichte weniger dem Gewichte des Schiffskörpers sammt
Ausrüstung, Maschine und gefüllten Kesseln.
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230
III. Binnenschiffahrt.
Der Völligkeitsgrad eines Schiffes ist das Raumverhältnis des Deplace-
ments zu dem Prisma, welches als Länge die grösste Länge des bis zur
obersten Ladelinie eingetauchten Schiffes und als Grundlinie das Areal des
eingetauchten Hauptspantes hat. Es bildet demnach das Deplacement immer
einen gewissen Theil des um das Schiff beschriebenen Parallélépipèdes
(Bild 145) und ist selbstverständlich stets kleiner als dessen Produkt L. B. T
und diejenige Zahl, der Völligkeitsgrad, welche angiebt, den wievielten Theil
Bild 145.
von diesem Produkte das Schiff einnimmt. Beträgt bei grösster Länge
L = 49,36 und Hauptspantareale = 6,00 • 1,30, der Kubikinhalt 385 008 cbm und
das Deplacement 317 202 cbm, so ist
385008 : 317202 = I : a oder
Q17 202
der Völligkeitsgrad a = ^-^ — - = 0*824
3Ö5000
Je grösser der Völligkeitsgrad ist, umso grösser ist das Deplacement
und die Tragfähigkeit, und umgekehrt. Der Völligkeitsgrad bietet demnach
den Massstab für die Ausnutzung der Hauptabmessungen des Schiffsgefässes,
Je nach der Bauform beträgt derselbe bei schlanken, scbnellfahrenden
Flussdampfern 0,60 bis 0,75, bei vollgebauten 0,80, bei Eisenschleppen
0,80 bis 0,90 und bei den plumpen, kastenförmigen Kanalkähnen selbst bis
0,99. Bei sehr scharf gebauten
Segelyachten ist a sogar 0,25.
Im allgemeinen kann man sagen,
dass das schärfer gebaute Schiff
auch das schnellere ist, obwohl
die Fahrgeschwindigkeit nicht
allein von der Schärfe des Fahr-
zeuges abhängt.
So wie für das Deplacement
ermittelt man auch für den Haupt-
spant und für die Konstruk-
tions-Wasserlinie den Völlig-
— - ~H
1 --
L__
T
*^
>
Ç*^
L
'K^ ^^
x^ '^
Bild 146.
keitsgrad, indem bei beiden das von ihnen eingenommene Areal mit dem
umschriebenen Rechteck verglichen wird.' Das Rechteck lautet beim Haupt-
spant B. T (Bild 146), und diejenige Zahl, welche anzeigt, den wievielten Theil
dieses Rechteckes der in demselben liegende Hauptspant einnimmt, ist der
Völligkeitsgrad des Hauptspantes, während die Seiten des die Wasser-
linie umschreibenden Rechteckes L und В der Völligkeitsgrad der Kon-
struktions-Wasserlinie ist.
Durch diese drei Völligkeitsgrade ist man im Stande die Abmessungen
eines Binnenschiffes ausreichend festzulegen, weil grosse Schwankungen in
der Konstruktion der Schiffslinien nicht vorhanden sind, die Wasserlinien
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Flösserei und Ruderschiffabrt.
231
aber vorne meist gerade, hinten etwas hohl verlaufen und die übrigen Spanten
im Flussschiffbau gleichmässige, allgemein übliche Formen haben.
Tragfähigkeit and Schiffsyermessang. Vom Gesammtgewichte eines
Schiffes entfallen in der Regel bei Holzbauten auf den Schiffskörper sammt
vollständiger Ausrüstung 25 bis 40 pCt., auf die Ladung 60 bis 75 pCt. Bei
grossen eisernen Schleppen kann dieses Verhältnis 15 pCt. zu 85 pCt. Ladung
betragen. Die Ermittelung der Tragfähigkeit eines Schiffes erfolgt auf
Grundlage genauer Berechnungen und wird in der Aichungstabelle, welche
angiebt, wie viel Ladung der Schiffskörper bei jedem ganzen oder halben
Decimeter Tauchung nehmen kann, verzeichnet.
Weil je nach der Grösse des Schiffes und seiner Ladung die Scbiffahrts-
abgaben, die Versicherungsgebühren und in der Regel der Schlepplohn für
beigestellte Zugkraft berechnet wird, wird in manchen Ländern vom Staate
aus eine einheitliche Vermessung vorgenommen, welche in den Schiffs-
papieren eingetragen ist. Hierdurch werden auch gefährliche Ueber-
lastungen von Schiffen hintangehalten. Die Vermessung der Schiffe erfolgt
Unbeladen.
Bild 147.
entweder wie bei allen Seeschiffen und den Binnenfahrzeugen in Holland,
Nordamerika und Canada nach dem Raumgehalte unter Deck und wird in
Raumtonnen = 100 engl. Kubikfuss = 2,83 cbm bezeichnet oder aber sie
erfolgt auf Grundlage der Wasserverdrängung des Schiffskörpers und
wird in Kubikmeter Wasser, in Gewichtstonnen = 1000 kg ausgedrückt.
Natürlich muss eine vom Staate durchzuführende oder zu beauf-
sichtigende Schiffsvermessung in möglichst einfacher Form durchgeführt werden
und sich daher mit hinreichend genauen Ergebnissen begnügen. Vom Cen-
tralverein für Hebung der deutschen Fluss- und Kanalschiffahrt
in Berlin wurde 1888 für die Elbeschiffe eine einfache Vermessungsformel
vorgeschlagen, welche das zwischen dem unbeladenen und vollgetauchten
Schiffe verdrängte Wasservolumen wie folgt bestimmt:
Volumen des verdrängten Wassers in cbm = V =r — (Fu + 4 Fm + Fo )i worin
3
Ед die Fläche der untersten oder Leerwasserlinie, Fo die Fläche der obersten
oder Ladewasserlinie und Fm die Fläche der in halber Höhe zwischen Fu und
Fo liegenden Wasserlinie, alle drei Grössen in Quadratmetern ausgedrückt,
und Ô die senkrecht gemessene Entfernung dieser Ebenen untereinander in
Metern bedeutet. (Bild 147.) Diese Formel giebt für den praktischen Betrieb,
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232
III. Binnenschiffahrt.
wenn vorher die Freibordhöhe, von welcher natürlich die Lage der Lade-
Wasserlinie Fq abhängt, genau ermittelt und vorgeschrieben wird, ein genügend
genaues Ergebnis. Die Verschiedenheiten, welche sich in Folge der Durch-
biegung der Schiffe ergeben, können durch Erfahrungsziffem berücksichtigt
werden, welche bei ausschliesslich aus Holz erbauten Schiffen 20 bis 45 cm,
bei Schiffen mit eisernen Bordwänden nicht selten bis 10 cm betragen. Zur
Ueberprüfung der Schiffsaichung und zur Vermessung der Ruderschiffe dient
die im Abschnitte 10 am Querschnitte des Elbekahnes gezeichnete Messlatte
StabiUtät des Schiffes. Hetacentrum. Wichtig ist noch die Bestimmung
der Stabilität eines Schiffes, obwohl im Flussschiffahrtsbetrieb auf den
Schiffsrumpf nicht annähernd so starke Angriffsmomente wirken als bei See-
schiffen, bei welchen die Stabilität nicht nur durch die jeweilige Beladung,
Luntras. Privatschiffe. Grosse Steinplatte.
Bild 148. Einsturz einer Joch-Brücke Über die Theiss.
sondern auch noch durch die oft heftig wirkenden Angriffe des den Rumpf
seitlich und rechtwinkelig treffenden Windes und durch den hohen Wellen-
gang beeinflusst wird.
Sobald auf den Querschnitt eines Schiffskörpers ein bestimmtes Angriffs-
moment stattfindet und eine seitliche Neigung des Schiffes eintritt, entfernt
sich der sonst senkrecht oberhalb des Deplacements-Schwerpunktes liegende
Schwerpunkt des Schiffes in horizontaler Richtung von ersterem und es bilden
die dadurch auftretenden Kräftepaare im Schnittpunkte der Auftriebsrichtung
mit der Mittellinie der Schwimmachse des Schiffes, im Metacentrum, einen
Neigungswinkel, welcher die Krängung des Schiffes anzeigt. Je kleiner dieser
Krängungswinkel ist, umso leichter richtet sich das Schiff wieder in seine
ursprüngliche Schwimmlage auf, umso stabiler ist es. Uebersch reitet die
Krängung jedoch eine bestimmte Grösse, so kann das Schiff sogar kentern.
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Flösserei und Ruderscbiffahrt.
233
Die Lage des Metacentrums ist für sehr geringe Querneigungen des
Schiffes als konstant anzunehmen. Ist jedoch beispielsweise das Schiff derart
ungünstig beladen, dass der Schwerpunkt desselben über dem Metacentrum
zu liegen kommt, so ist selbstverständlich gar keine Stabilität vorhanden und
das Schiff muss beim geringsten Angriffsmoment umkippen. Liegt dagegen
der Schwerpunkt des Schiffes genügend tief unter dem Metacentrum, so kann
das Angriffsmoment bei Sturm und Wellengang auch sehr stark sein, ohne
dass das Schiff einen gefährlichen KrängungswinkeL erreicht.
Die Stabilität eines Schiffes kann demnach durch richtige Beladung des-
selben erhöht werden. Eine schwere tief angebrachte Last, etwa Eisenschienen,
bewirkt eine grosse Stabilität. Bei nicht genügender Ladung muss ein labiles
Schiff Ballast erhalten. Breitere und tiefertauchende Schiffe sind stabiler
als schmale und seichte. Ein wenig stabiles Schiff wird als rank, ein stabiles
als steif bezeichnet. Die seitliche Aenderung der Querlagen nennt man das
Schlingern oder Rollen, die durch die Wellenberge und Wellenthäler ver-
ursachte Hebung und Senkung des Vorder- und Hinterschiffes das Stampfen
des Schiffes.
Donanruderschiffe. Die für den Femverkehr geeigneten Ruderschiffe
der mittleren Donau weisen im allgemeinen drei Bauarten auf:
^
\=b
Roderschiff (Razin) für Getreideladunfcn
57-8X8-ooXi-8o
L
Holzschiff mit offenem Deck für Holzladung^en (Dumbas)
5бооХ8-ооХгэо
^^^1
к
ГЗ
Offenes Ziegel- ц. Steinschiff 5oooX7'7oXa-4o
Weinschiff 24-40 X 4*8o X i'5o
Segelschiff (Ghirlasche, untere Donau)
35-00 X lo-So X a*5o
Plfttte. Garns.
28-4 X 600 X I • 10 2400 X 350 X i'io
Schiffe zu einmaliger Thalfahrt (obere Donaustrecke)
Fischhalter x8x» X i>50 X 0.90
Bild 149. Bauformen der hölzernen Donauschiffe.
Das eigentliche typische Ruderschiff der mittleren Donau, das Privat-
schiff, welches einen geraden vorderen und hinteren Steven hat, stark und
sorgsam gezimmert und für Getreideladungen geeignet ist; die Luntras von
ähnlicher jedoch schwächerer Bauart mit gegen den Boden zu stark ab-
nehmenden Bordflächen, welche zumeist in den Nebenflüssen der Donau ver-
kehren und ein geringeres Tragvermögen als erstere haben, und die Plätten,
welche viel kürzer als die Luntras, ohne Deckaufbau, also offen sind und
sich nur für Ziegel-, Kohlen-, Holz- und Steinladungen eignen. Im Bilde 148
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234
III. BinnenschifTahrt.
sind diese 3 Bauformen ersichtlich^ während Bild 149 alle übrigen im Donau-
betriebe üblichen Holzschiffe darstellt.
Die grossen PrivatschifTe, auch Razin benannt, sind aus Eichenholz
erbaut. Deren Bemannung besteht je nach ihrer Grösse aus 3 bis 5 Mann
und einem Steuermann, welcher oft gleichzeitig der Besitzer des Schiffes ist.
Die Grösse des Schiffes wird* nach der Anzahl der Dachabtheilungen des-
selben, der Deckeln, berechnet, die grössten haben 9 Deckeln mit zusammen
700 Tonnen Tragfähigkeit. Das im Bilde 150 gezeichnete Privatscliiff hat 53,72 m
Länge, 8,27 m grösste Breite und eine Höhe von 3,44 m; taucht im leeren
Zustande 0,40 m, mit voller Ladung von 450 Tonnen 1,80 m. Bei dieser
Tauchung hat der Körper eine Völligkeit von 80 pCt. Der Oberbau hat
eine Länge von 46 m, eine Höhe von 1,44 m und eine Sohlenbreite von
7,27 m. Der Dachfirst ist 2,80 m breit, der um den Oberbau gehende
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Ab Луп.
Bild 150. Razin für 450 t Getreide.
Laufladen 0,49 m breit. Die gegen Wellenschlag auf den Bordseiten auf-
gesetzten Windläden sind 0,50 m hoch. Der Körper ruht mit seinen Bord-
balken auf 76 Rippen oder Kipfen, die entweder aus natürlichen starken
Baumästen bestehen, oder zusammengefügte Holzspanten sind und die Seiten-
wandbalken tragen. Die einzelnen Körpertheile werden verschieden bezeichnet.
Der Steven mit der reichverzierten „Schnecke" heisst Kranzelstock,
der den Anker tragende Theil Schlangenkopf, der vordere Schiffstheil
Kranzel, welchem das Verdeck mit den Böcken oder Büffeln, dem Gangspill
und der vorderen und hinteren Wachbrücke folgen. Jeder Laderaum wird
in der Mitte durch den Sössstall b, welcher bis unter den Dachspiegel
reicht, in zwei Theile getheilt, jeder dieser Theile heisst H am bar. Durch
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Ч
Flösserei und Rudtfrschiffahrt. 235
den Sössstall wird das sich iiii Schiffsboden sammelnde Wasser entieert. Der
Oberbau besteht aus dem Fusstheile, den Windladen d und aus dem Dach e,
welches mit Schindeln gedeckt ist und die Deckeln trägt Die Wohnräume
und die Küche für die Bemannung wird „Kuliba" benannt. Auf dieser
befindet sich der Steuergahg mit dem Steuerruder, Tim on, welcher eine
alterthumliche Bauart darstellt und aus einem Hebel besteht, auf dem ein
4 m* breites Hokruderblatt genagelt ist, das in einem Winkel von 40 Grad
mit Zuhilfenahme langer Stangen mühsam gedreht wird. Zum Ueberlegen des
Ruders eines beladenen Ruderschiffes sind oft 4 Mann erforderlich.
Bauart und VSlIigkeit der HokscMffe. Die Ruderschiffe, sowie über-
haupt alle aus Holz erbauten Fluss- und Kanalschiffe sind mehr oder
weniger schwerfällige Bauwerke, haben im Verhältnis zu ihren Abmessungen
eine geringe Tragfähigkeit, ergeben einen bedeutenden Zugswiderstand, lassen
sich mit ihren unbeholfenen Steuerungseinrichtungen schwer steuern, erfordern
fortwährende Erhaltungsarbeiten und haben eine verhältnismässig kurze Lebens-
dauer. Sie sind aus den örtlichen Bedürfnissen entstanden, indem sie sich
dem Zustande des Flusses oder den Kanalabmessungen angepasst haben und
stimmen miteinander nur insoweit Oberein, als sie alle einen flachen Boden
und zumeist durch senkrechte Seitenwände gebildete Querschnitträume haben.
Die Holzschiffe werden aus Fichten, Kiefern, seltener aus Eichen
erbaut. Die Bodenplanken liegen nach der Längenrichtung des Körpers, über
diesen sind quer die eichenen Bodenträger, an welchen Holzkniee befestigt
sind, welche als Spanten die Bodenplanken tragen, gelegt. Im unbeladenen
Zustande tauchen sie je nach ihrer Grösse zwischen 0,30 bis 0,50 m mit der
Körpermitte ein. Um die Borde gegen seitliche Pressungen widerstandsfähiger
zu machen, bekommen die grösseren Holzschiffe innere Holzversteifungen.
Trotz dieser Versteifungen und sorgfältigster Bauausführung werden
aber die einzelnen Körpertheile jedes Holzfahrzeuges durch die ungleich-
massigen Belastungen immer verschieden beansprucht, was zur Folge hat,
dass der ursprünglich in vollkommen ebener Lage gebaute Boden, wenn das
Holzschiff einige Male mit vollen Ladungen belastet wurde, eine Form-
veränderung erfährt, welche sich auf die Seitentheile überträgt und den
Schiffskörper schliesslich in der Mitte tiefer als an den Enden einsenkt.
Diese Formveränderung wird mit dem Ausdrucke „das Schiff hat sich
durchgeschlagen" bezeichnet. Derartige Durchbiegungen der Schiffsböden
betragen im beladenen Zustande in der Mitte oft bis 0,45 m (siehe Bild 147).
Im leeren Zustande sind wieder der die Anker- und Windevorrichtungen,
sowie die Büffel haltende Vordertheil, ferner der das schwere Steuer und die
Wohnungshütte tragende Hintertheil stärker belastet als die unbeladene Schiffs-
mitte, was auf die Beanspruchung des Baugefässes gleichfalls nachtheilig
wirkt, weil sich nun die Schiffsenden unter ihre ebene Lage herab-
senken.
Die Abmessungen der hölzernen Fluss- und Kanalschiffe sind je nach
den von ihnen befahrenen Wasserstrassen sehr verschieden. Das Verhältnis
der Körperbreite zur Länge schwankt zwischen i : 5 und i : 10, wobei die
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236
Ш. Binnenschifi'ahrt.
Péniche.
1-93
3»S0 -
(
500
0'S9 VolUfffCeU
)
Flûte.
18Ö
37 90
Längen 30 bis 80 m, die Tauchtiefen 1,00 bis 2,50 m, die Ladefähigkeiten
200 bis 1000 Tonnen betragen.
Während die hölzernen Flussschifle schärfer gebaut sind und Völlig-
keitsgrade von 80 bis 85 pCt. haben, weisen die Kanalschifie auch an ihren
Körperenden einen nahezu viereckigen Querschnitt auf und besitzen Völlig-
keitsgrade bis zu 95 pCt., einige Bauformen auf französischen Kanälen sogar
99 pCt. Derart vollgebaute
Kanalschiffe sind die im
Bilde 151 dargestellten
Péniche, Flûte und Toue,
während die Körperenden
des preussischen Kanal-
Schiffes, Bild 152, ge-
schmeidiger gebaut und am
Bug und Achter löffel-
förmiggestaltetsind. Natür-
lich erzeugt die grössere
Völligkeit einen grösseren
Form widerstand während des
Zuges, daher höhere Zugs-
kosten, was jedoch bei im
stromlosen Kanalwasser mit
geringer Zugsgeschwindig-
keit fahrenden Schiffen
weniger zum Ausdrucke ge-
langt, als bei den in stärkerer
Flussströmung zu Berg fahrenden Schleppen.
In ihrer Bauform von den Flussschiffen verschieden sind die Schiffe der
Binnenseen und diejenigen Fahrzeuge, Haffschiffe, welche sowohl auf
den Wasserstrassen des Binnen- ^
landes, als auch an den Küsten ^
г
508
086 VölligKeil
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Toue.
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SOS
0 97VâUigKeit
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Bild 151. Französische Kanaltypen.
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34-50
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OdSVôllisKeit
Г)
verkehren und sich in ihrer Bau-
art mehr den Seeschiffen nähern,
Sie haben einen Kiel und daher
einen grösseren Leertiefgang so-
wie eine verhältnismässig ge-
ringere Länge als die übrigen Fluss- und Kanalschleppe, damit sie den im
Mündungsgebiete herrschenden stärkeren Winden besser Stand halten können.
Bild 152. Löffeiförmiges Kanalschiff.
Fortschritte im Holzschiffbaa. Der immer mehr zunehmende Wettbewerb in
der Schiffahrt hat dazu geführt, im Holzschiflbau solche Schiffsformen zu
suchen, welche einerseits bei massigem Leertiefgang eine grosse Tragfähigkeit,
andererseits möglichst geringe Zugskosten ergeben. Man hat den Schleppkörpern
geschmeidigere Formen zu geben versucht, indem man den Bug und Achter
gegen den Kiel zu scharf abnehmen liess; man hat statt der senkrechten
Seitenwände dem Körper, damit er dem Ruder empfindlicher folge, vorne
und rückwärts die Form eines Löffels gegeben, man ist schliesslich auf der
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Flösserei und Ruderschiffahrt.
237
Oder und der Elbe auf einen Mischbau aus Holz und Eisen Obergegangen,
indem man auf einen Holzboden eiserne Bordwände aufsetzte.
Die preussische Regierung hat 1889 einen Preis für einen besten
Oderlastkahn ausgeschrieben. Einer dieser preisgekrönten Kähne ist
im Bilde 153 dargestellt. Es ist ein auf Steven gebautes Schifi mit einfacher
Segeleinrichtung und einem Gangbord, am hinteren Schiffsende mit Lauf-
bänken versehen. Der Schiffsboden besteht aus Fichtenholz, mit welchem
Eisenwände und Eisenschotten verbunden sind. Die Scheuerleiste, die
Ruderpinne, das Deck und der Oberbau sind aus Holz, alle übrigen
Bestandtheile aus Eisen. Der Körper hat 55 m Länge, 7,96 m, mit den
Scheuerleisten 8,16 m Breite und in der Mitte 2 m Bordhöhe. Die grösste
Lflngenansicht und mittlerer Llngenachnitt (1:240)
. 55o*
Deckplan. (1:240)
Querschnitt durch den
Laderaum.
Achter
(1:150)
Spantenrisse.
Bug
Querschnitt durch eine
Schotte.
Bild 153. Löffeiförmiger Frachtkahn mit 470 Tonnen für die Oder, den Oder-Spree-
Kanal und die Spree bis Berlin (Entwurf Blümcke).
Höhe bis zum Dachfirst beträgt 3,10 m, die Länge des Laderaumes 43 m.
Die Form des Vorderschiffes ist löffeiförmig, wahrend das Hinterschiff senk-
rechte Wände hat. Der Völligkeitsgrad betragt bei voller Tauchung 0,82^
das Eigengewicht ist sammt Ausrüstung 92 Tonnen, der Leertiefgang 0,30 m ,.
die Tragfähigkeit 470 Tonnen bei grösster zulässiger Tauchung von 1,60 m^
und 400 Tonnen bei einer Tauchung von 1,40 m. Bei niederstem Oder-
wasserstande von I m nimmt der Kahn noch 193 Tonnen. Die Baukosten
betragen 27000 Kronen. Jedoch auch dieses sorgfältig, mit schönen Baulinien
und wirth schaftlicher Tragfähigkeit gebaute Schiff hat noch immer den Nach-
theil, dass sein Holzboden einen zu grossen Reibungswiderstand ergiebt.
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238 lU- BiDnenschiffabrt.
Eisenschiffbau and Zunalime der Tonnengelialte. Die Nacbtheile der
Holzschiffe, insbesondere deren grosser Zugswiderstand (siehe Abschnitt 11)
haben zur Folge, dass man in letzter Zeit allgemein auf den Eisenschiffbau
übergeht, welcher es ermöglicht, Schleppe von grosser Tragfähigkeit bei
wirthschaftlicher Zugkraft zu bauen.
Die immer grösser werdenden Verkehrsanforderungen, die modernen
Zugsmittel, die durchgeführten Stromregulirungen und die Ausgestaltung
der Wasserstrassen mussten eben d^zu führen, in den Abmessungen der
Binnenfahrzeuge immer weiter zu gehen. Während die alten Holzschiffe der
Donau zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, sowie die gedeckten Eichen-
ruderschifTe der Theiss und der Save bei einer Länge von 40 m, einer Breite
von 6 m und einer Tauchung von 1,2 m nur 100 bis 200 Tonnen Weizen
nach Budapest und nach Raab beförderten, verkehren heute bis dahin
Ruderschiffe mit 500 bis 700 Tonnen, bis Regensburg Eisenschleppe mit 600
Tonnen und in der untern Donau solche bis zu 1800 Tonnen Tragfähigkeit.
Einzelne Schiffe, wie beispielsweise der Eisenschlepp „Dionysos" nehmen so-
gar 2000 Tonnen.
Vor 20 Jahren betrug die durchschnittliche Tragfähigkeit der eisernen
Donauschleppe noch 300 Tonnen, während dieselbe heute bereits 420 Tonnen
übersteigt. Die durchschnittliche Tragfähigkeit der eisernen Rheinschleppe
war vor 20 Jahren 250, heute beträgt sie über 500 Tonnen. Auf der mittleren
Rheinstrecke verkehren Kohlenschleppe mit einer Tragfähigkeit von 1500
Tonnen und die neuesten Boote des Unterrheines haben bei einer Länge von
94 m und einem Tiefgange von 2,70 sogar einen Tonnengehalt von 2070.
Nach dem Rheinschiffsregister betrugen die grössten Einzelladungen am
Rheine:
1879
800 Tonnen
1884
1000
1890
1400 „
1892
1500 n
1894
1700
1896
1800
und 1899
2070
Auf der Elbe ist der Tonnengehalt von 100 auf 750 Tonnen, auf der
Oder von 70 auf 470 Tonnen gestiegen. Die durchschnittliche Tragfähigkeit
der in den letzten 20 Jahren gebauten hölzernen und eisernen Schleppe
betrug auf der Elbe 350 und auf der Oder 250 Tonnen.
Die Tragfähigkeiten der Elbeschleppe waren:
1842
60 bis 150 Tonnen
1866
110 „ 350
1880
170 y, 500
1884
200 „ 600 „
und 1899
350 „ 750
In jüngster Zeit wurden einige Elbeschleppe mit 77 m Länge, 11,5 m
Breite und 850 Tonnen Gehalt gebaut.
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n
»
87 X 10,3 „
n
n
63 X 8,20 ,
Rbein
n
94 X 12,0 „
»
n
85 X 12,0 „
n
n
80 X 9,0 n
Elbe
n
77 X 11,5 »
Oder
n
55 X 7,4 «
Flösserei und Ruderschiffahrt. 23c
Die grösste Tragfähigkeit der Oderschleppe betrug:
1842 70 Tonnen
1874 150 „
1Ö80 175
1887 400
1899 470
ertaste EiseneeMeppe der Donaa, des Rheines, der Elbe und Oder.
Die derzeit grOssten Schleppe sind:
Donau mit 00 X 12,3 m 3000 Tonnen ) ^ ,
) unterste Strecke
1800 „ \
675 „ bis Regensburg
2070 „ Niederrhein
1600 „ von Köln abwärts
II 00 „ bis Lauterburg
850 „ mittlere und untere Strecke
470 „ kanalisirte und untere Strecke
Einflnss der SchleppgrSsse anf die Betriebskosten. Mit der Zunahme
der Tragfähigkeit der Schleppe nehmen selbstverständlich die Beförderungs-
kosten ab. Man kann jedoch in den Abmessungen der Schiffskörper,
abgesehen von deren schon durch die Verfassung des Flussbettes bedingten
Grössenverhältnissen, nur bis zu einer gewissen Grenze gehen, weil sonst die
zu ihrem Zuge nothwendige Kraft eine unwirthschaftliche Grösse erreicht.
Die Abmessungen der Fahrzeuge hängen übrigens auch von den kauf-
männischen Erfordernissen ab. Es wäre beispielsweise zwecklos, 1000
Tonnenschleppe auf der mittleren und oberen Donau in Betrieb zu bringen,
wenn erfahrungsgemäss die Kaufmannschaft zumeist 500 und nur in seltenen
Fällen 600 Tonnen Ladungen Getreide auf einmal aufbringt.
Bei Kohle-, Stein- und Erzversendungen von grossen Lagerplätzen und
im Umschlagsverkehr mit der See findet dagegen natürlich auch der grösste
Schleppraum volle Ausnutzung. Die Kolosse des unteren Rheines mit 94 m
Länge, 13 m Breite und 2,70 m Tiefgang finden beispielsweise för ihre Trag-
fähigkeit von 2070 Tonnen in den Häfen Westfalens ihre Ausnutzung an
Kohle und in Antwerpen und Rotterdam immer volle Rückfracht an Getreide
oder Erzen.
eegencng anf Flftesen, Treideln anfEaniUen. Der Bergzug auf Flossen
geschieht entweder vom Ufer aus durch thierische Kraft oder durch
Dampfkraft Erstere Zugsart heisst der Gegenzug, letztere der Schlepp-
zug oder die Remorque.
Das Treideln und der Pfeidezug sind insbesondere auf den Schiffahrts-
kanälen ausgebildet, weil dieselben auf diesen in beiden Richtungen hin statt-
finden können.
Der Gegenzug auf Flüssen ist die ursprünglichste Art der Be-
förderung grösserer Fahrzeuge in der Richtung gegen den Stromstrich. Im
Bilde 12, Seite 40 ist ein Gegenzug, so wie er auch heute noch ausgeübt
wird, dargestellt.
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240 Ш. Binnenschiffahrt.
Der Gegen- oder Pferdezug war vor Anwendung der Dampfkraft ein
blühendes SchifFahrtsgewerbe und, in entsprechender Weise geregelt, ver-
mittelte derselbe lange Zeit hindurch auch den Fernverkehr der Schiffe auf
Flüssen und Strömen.
Heute ist der Gegenzug auf den grösseren natürlichen Wasserläufen
vom Dampfbetrieb verdrängt und wird nur noch unter besonderen Ver-
hältnissen auf einzelnen Flüssen ausgeübt. Auf Kanälen ist der Pferdezug-
jçdoch noch allgemein das überwiegende Betriebsmittel. Auf einigen
Kanälen, beispielsweise in Frankreich, wurde in letzter Zeit ein staatlich ge-
regelter Pferdezug eingerichtet, welcher dem Schiffer gegen eine bestimmte
Zugsgebühr zugewiesen wird. Meist führt aber der Schiffer seine eigenen
Pferde mit, oder er miethet solche von den Anrainern. Im letzteren Falle
läuft er Gefahr, dass er oft hohe Miethgebühren und die Kosten der Rück-
stellung der Pferde, die er für mehrere Tage genommen hat, be-
zahlen muss.
Das vom Flussufer aus zu Berg gezogene Schiff lässt sich scharf steuern,
weil seine relative Geschwindigkeit gegen das Wasser gleich der Summe beider
und daher sehr gross ist. Trotzdem erfordert seine Führung Vorsicht, be-
sonders wenn der Zug der Leine von der Richtung des Fahrwassers stark
abweicht. Wird nämlich dann das Ruder zu weit übergelegt, so wendet sich
das Schiff noch weiter, die Strömung trifft es in seiner Breite, und es giert
oder s che er t von dem Leinpfade mit grosser Kraft ab. Hierdurch können
nicht nur die Pferde in den Strom gezogen werden, sondern es kann auch
das Schiff, da die Leine am Mast befestigt ist, sich seitwärts neigen, Wasser
schöpfen und sinken. Tritt eine solche Gefahr ein, so muss die Leine
schleunigst gelöst oder durchgeschnitten werden. Das Schiff wird nun von
der Strömung abgetrieben, „überfällig", und treibt in der Strommitte weit
hinab oder läuft auf einer dem Ufer gegenüberliegenden Sandbank fest.
Abgesehen von der sehr beschränkten Leistungsfähigkeit eines Gegen-
zuges in der Strömung eines Flusses, wird derselbe noch dadurch erschwert,
dass bei dem wechselnden Stromstriche die Pferde bald auf das eine,
bald auf das andere Ufer gebracht werden müssen, damit das Schiff in
der erforderlichen Fahrtiefe gezogen werden kann. Um dieses zu bewerk-
stelligen, hat jedes Ruderschifi zur Ueberführung der Pferde ein Beifahrzeug^
die Pferdeplätte. Das Uebersetzen von einem Ufer auf das andere, das
Davonsprengen, ist in der Regel mit grossen Zeitverlusten verbunden;
auf der Donau sind hierzu an breiten Stellen oft 3 bis 5 Stunden erforderlich.
Die Anzahl der verwendeten Pferde in einem Gegenzuge ist nach
dem Wasserstande und der Strömung verschieden. Auf der mittleren Donau
nimmt man für je 150 Tonnen Gesammtlast 2 starke Zugpferde, auf der
oberen Donaustrecke sind für 50 Tonnen Nutzlast schon 3 Pferde erforderlich.
Die Bespannungen werden zumeist zu 2, 4 und 6 Pferden, oft eines
noch als Leitpferd, genommen. Mehr wie 8 Pferde wendet man nicht gerne
an, weil die Nutzarbeit des einzelnen Pferdes bei vermehrter Bespannung
wesentlich abnimmt.
Ein im Zeitalter des Dampfes wunderlich anmuthender Gegenzug hat
noch vor 20 Jahren zur Führung der Dampfer mit Schleppen durch die
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Flösserei und Ruderschiflahrt.
241
Donaustromschnelle am Struden bestanden. Dem Dampfer wurden,
hauptsächlich um durch Festhaltung seines Buges ein Verfallen desselben
in den dortigen Querströmungen hinanzuhalten, 8 bis 10 Pferde, dem
ersten Schlepp 10 bis 14 Ochsen und 8 bis 10 Pferde und dem zweiten
Schleppe 8 Ochsen oder 10 Pferde vorgespannt!
Wirkungsweise und Leistung der Gegen^nge. Bei jedem Gegenzuge
zerlegt sich der von der Leine ausgeübte Zug durch die Einwirkung der
Strömung und Fortgangsgeschwindigkeit in zwei Kräfte (Bild 154). Eine Krafl
wirkt in der Richtung des Zuges, die andere in der Richtung der Stromfäden.
Letztere muss durch die Steuerung immer unwirksam gemacht werden, wo-
durch sich je nach der Grösse und Richtung der Strömung gegen das ge-
zogene Schiff und je nach der Stärke des Zuges Verluste an der Zugkraft
ergeben. Hieraus folgt, dass der Gegenzug nur auf Wasserläufen mit sehr
geringer Strömung am Platze ist und ein wirthschaftliches Ergebnis nur auf
stromlosen Kanälen liefern kann.
Bild 154 zeigt die geneigte Lage der Schiffe während ihres Gegenzuges.
Im Falle a wird das Schiff durch Aufstellung des Steuerruders s verhindert,
gegen das Ufer gezogen zu werden. Im Falle b wird
dieses dadurch erreicht, dass das Hinterschiff gezogen
wird und die Zugleine zum Vorderschifie eine Brems-
leine e bekommt. Bei Kanalschiften wird die Zugleine
gewöhnlich kurz genommen und auch unmittelbar am
Buge angebracht, bei Flussschiffen wird behufs Erzielung
einer wirksameren Steuerkraft die Leine lang und auf
einem hohen Mäste befestigt.
Nachdem beim Gegenzug auf Flüssen je nach der
Ufergestaltung der Abstand zwischen dem Schiffe im
Strome und den Zugthieren am Lande wechselt, bekommt
die Zugleine Doppelschläge, welche nach Bedarf nach-
gelassen oder eingeholt werden, wodurch der Zugleine
die jeweilig erforderliche Länge gegeben werden kann.
Immer muss aber die Zugleine in solcher Höhe befestigt
sein, dass sie nicht auf der Flusssohle schleppen kann.
Man verkürzt deshalb die Leine auch jedesmal soweit,
als irgend geschehen kann, sie muss aber so lang
bleiben, dass der Zug nicht gar zu schräg ausgeübt
wird, wodurch derselbe zu sehr erschwert werden würde. Sobald also das
Fahrwasser sich vom Leinpfade entfernt, muss die Leine verlängert, im ent-
gegengesetzten Falle verkürzt werden. Entfernt sich das Fahrwasser aber
sehr weit vom Leinpfade, so taucht die Leine, trotzdem sie hoch am Mast
heraufgezogen ist, in das Wasser und sinkt oft bis zum Grund hinab. Die
Leine kann nun am Grunde hängen bleiben, „eine Lieg bekommen'', jeden-
falls entfernt aber schon der Druck des Wassers die Leine aus der geraden
Richtung und dadurch wird der Zug, den das Schiff erfährt, noch stärker
dem Ufer zugekehrt, wodurch es abgewendet und seine Bewegung erschwert
wird. In solchen Fällen wird das tiefe Eintauchen der Leine dadurch ver-
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt l6
Bild 154.
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242
III. Binnenschifrahrt.
hindert, dass man in gewissen Entfernungen Kähne, Buchtnachen, darunter
legt. In jedem dieser Nachen muss ein Mann sich befinden, der die Leine
hält und darauf achtet, dass sie eine möglichst gerade Linie bildet. Die
Führer der Leinpferde wissen sehr gut, welchen grossen Vortheil die Ueber-
einstimmung der Richtung der Leine mit der des Schiffes gewährt. Sie
bleiben daher nicht immer auf dem Leinpfade, sondern nähern sich, soweit
€s geschehen kann, dem Fahrwasser. Oft reiten sie über die Uferränder fort,
oft sogar auf lange Strecken im Flusse selbst, und scheuen es nicht, wenn
auch stellenweise die Tiefe so bedeutend wird, dass die Pferde fast schwimmen.
Wenn der Treppelweg nahezu rechtwinklig gegen die Leine gerichtet ist, so
können die Pferde keinen Zug ausüben und sind dann der Gefahr ausgesetzt,
in den Strom hinabgezogen zu werden. In solchem Falle pflegt man die
Pferde in zwei oder drei Gruppen gehen zu lassen, deren jede eine besondere
Zugleine hat.
Die Leistung eines Gegenzuges auf Flüssen wird durch mannigfache
andere Umstände ungünstig beeinflusst. Ein die Breitseite des gezogenen
Schiffes treffender stärkerer Wind kann den Widerstand derart erhöhen, dass
der Zug zum Stehen kommt. Die Uebersetzung der Ufer, die Führung der
Zugleine über am Ufer stehende Fahrzeuge und Brücken, die durch die Boden-
gestaltung und Witterungsverhältnisse auftretenden Erschwernisse und Aufent-
halte ergeben weitere grosse Versäumnisse. Diese Einflüsse bedingen sehr
verschiedene tägliche Fahrleistungen. In der Regel ergiebt ein sehr guter
Bild 155.
Pferdezug auf Flüssen mit geringem Gefälle 3 km in der Stunde, der ge-
wöhnliche Pferdezug jedoch kaum 2 km, so dass eine Tagesleistung nur mit
15 bis 20 km angenommen werden kann.
Auf Kanälen beträgt die durchschnittliche tägliche Leistung mittels
Treideins durch Menschenkraft, je nach der Grösse und Ladung des ge-
zogenen Schiffes, bei einer Fortgangsgeschwindigkeit von 0,4 bis 0,5 m in der
Sekunde 7 bis 15 km. Ein guter Pferdezug leistet dagegen 15 bis 20 km mit
einem beladenen und 25 bis 30 km mit einem leeren Schiffe.
Segelbetrieb. Die Ausnützung der Segelkraft zum Antriebe von
Schiffen ist nur für Binnenseen und für die im Flachlande gelegenen Mündungs-
gebiete der Ströme von Bedeutung. In Holland, im Norden Deutschlands
und in Russland wird noch vielfach mit Segeln gefahren. In seltenen Fällen
benutzen Ruderschiffe auch in oberen Flussstrecken für die Bergfahrt Segel
oder unterstützen durch Aufsetzen eines Segels die Zugkraft der Pferde beim
Gegenzuge.
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Flösserei und Ruderschiffahrt.
243
Die Wirkung des Windes beim Segeln wird durch die Abbildung 155
«rWärt. Auf die bei Flussschifien meist einfache Segelfläche SS fällt
-der Wind in der Pfeilrichtung schräg von der Steuerbordseite ein. Von
:seinen beiden Komponenten p und r wird letztere zerlegt in die Kraft s,
welche das Schiff seitwärts, und in die Kraft v, welche das Schiff vorwärts
treibt. In Folge der vom aufgestellten Ruder erzeugten Steuerwirkung
bewegt sich das Schiff schliesslich in der
Richtung w schräg nach vorwärts. Den
von w und Vi eingeschlossenen Winkel
nennt man die Abtrift. In Folge des
Winkels zwischen Segel und Schiffs-
richtung sowie der Abtrift können Schiffe
nur etwa unter 65 Graden gegen die
Richtung des Windes, beim Winde,
segeln. Liegt der beabsichtigte Kurs noch
mehr der Windrichtung entgegen, so muss
das Schiff in einer Zickzacklinie gegen
den Wind aufsegeln, kreuzen oder
la vir en. Durch zu starkes Abtreibeu
können im begrenzten Fahrwasser eines
Flusses die Segelkähne leicht auf Grund
gerathen. Den Abtrieb verringern sie des-
halb durch seitlich ausgehängte, senkrechte
Holzflächen, die Schwerter. (Bild 156.)
Scbieben der Schiffe. Auf Kanälen
oder auf kleinen Wasserläufen mit
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Schute mit Runddach (150 Tonnen).
(Die beiden oberen Kfthne, die Tjalk und Praam, haben Aussenbordmitte Steuerschwerter.)
Bild 156. Niederländische Kanalboote mit Segel.
«ehr massiger Strömung und geringer Tiefe werden endlich die Kähne
auch durchschieben derselben mittels Stangen vorwärts bewegt. Der
Gebrauch der Schiebestangen und Ruder ist jedoch mehr als Hilfsmittel zur
Lenkung und Erhöhung der Steuerkraft der Schiffe in Uebung.
16*
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д. Abschnitt.
Dampfschiffahrt.
Papin, Fulton und Symington. Das wichtigste Fortbewegungsmittel der
Binnenschiffahrt ist die Dampfkraft. Zum Antrieb von Schaufelrädern bat
dieselbe zuerst Papin 1707 auf der Fulda benützt, nachdem er schon 1690
in seinem Werke „acta eruditorum" eine „athmosphärische Maschine zur
Bewegung eines Schiffes gegen Wind und Strömung" angegeben hat. Nach
einer Handschrift Leibnitz' ist es nachgewiesen, dass Papin am 27. Septem-
ber 1707 mit einem Schaufelradschiffe, welches Wasserdampf als bewegende
Kraft benutzte, auf der Fulda in Münden angekommen, dass ihm dort
von Seiten der Regierung die Eriaubnis zur Weiterfahrt nicht ertheilt^wurde
und ihm sein Schiff, als er die Durchfahrt mit Gewalt versuchte, von den
dortigen Schiffern zerstört wurde.
BONAFMie. BRIDCEWATER CANAL.
Aa 17Э9.
FULTON
Bild 157.
Vielfach wird auch behauptet, dass Blasco de Gary den Dampf schoni
vor Papin zum Antriebe von Schaufelrädern verwendete. Dieser Irrthum ist
dadurch entstanden, dass dieser spanische Schiffskapitän thatsächlich ein
grösseres Schiff mittels Schaufelräder im Jahre 1543 im Hafen von Barcelona
fortbewegte. Zur Umdrehung seiner zwei grossen Ruderräder benutzte er
jedoch die Muskelkraft von je 40 Galeerensklaven.
Neunundzwanzig Jahre nach Papin's erstem Versuche hat sodann der
Engländer Hulls ein Patent für ein Dampfboot genommen, „welches Schiffe
oder beladene Kähne in Seehäfen, Flüssen, gegen Wkid, Fluth oder Strömung
ziehen sollte". Das von ihm erdachte Zugschiff hatte am Achter ein hölzernes
Schaufeirad, welches mittels Seilantrieb von zwei gegeneinander arbeitenden«
Newcomen*schen Dampfcylindern in Drehung gesetzt wurde.
Nachdem Jouffroy 1780 auf dem Doubs und der Rhône, Miller und
S3m3ington 1788 mit der Watt'schen Maschine auf dem Clyde-Forth-Kanale und
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Dampfschiffahrt.
245
2u gleicher Zeit Fitch und Rumsey auf dem Delaware und Potomak verschie-
dene Versuche mit mehr oder weniger Erfolg durchgeführt hatten, gelang es
endlich 1799 dem Amerikaner Fulton, den ersten Dampfer im Bridgewater-
Kanal in Betrieb zu bringen, mit welchem in der Folge eine grosse Zahl mit 10
Tonnen Kohle beladener Holzkähne nach Manchester geschleppt wurden (Bild 157).
Ueber Fultons spätere Versuche mit einem Schaufelraddampfer auf der
Seine ist nichts näheres bekannt, wohl aber hat ihn sein glänzender Erfolg
Bild 158. Fultons Cleremont.
mit dem „Cleremont" am Hudsonflusse zum Schöpfer der Dampfschiff,
fahrt gemacht! Unter dem Spotte der versammelten Menge, welche das
Schiff „Fultons Narrheit" benannte, setzte er denselben am 7. Oktober 1807
stolz und sicher in Bewegung und machte mit ihm seine erste Fahrt von New-
York nach Albany, 120 Seemeilen stromaufwärts in 30 Stunden. Der „Clere
Bild 159. Symington's Charlotte Dundas.
mont" (Bild 158) hatte 42,67 m Länge, 4,57 m Breite, 2,25 m Bordhöhe und
0,70 m Tiefgang. Die Watt'sche Dampfmaschine mit 20 nom. Pferdekräften
petzte zwei Seitenräder von je 8 Schaufeln mit 20 Umdrehungen in der Minute
in Bewegung. Nach der Probefahrt wurde der „Cleremont" sofort für den.
regelmässigen Verkehr in Dienst gestellt und bereits 5 Jahre später waren
in Nordamerika 50 derartige Flussdampfer in Betrieb.
Zum Schlüsse muss noch hervorgehoben werden, dass auch Symington
das Verdienst gebührt, auf seiner „Charlotte Dundas" (Bild 159), mit der er
1802 am Forth-Clyde-Kanale zwei Kanalboote schleppte, solche Verbesserungen
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246 UI. Binnenschiffahrt.
vereinigt zu haben, welche noch heute die Grundlage zum Bau von Dampf-
schiffen bilden.
Allgemeine Bauweise der Flussdampfer. Abgesehen von ihren geringen
Abmessungen, kommen die Flussdampfer nicht so wie die Seeschiffe in die
Lage, den Kraftwirkungen der anprallenden Wellen in ihrer Längsrichtung
widerstehen zu müssen, weshalb sich in ihrer Bauweise besondere Eigen-
thümlichkeiten herausgebildet haben, welche sie von den Seeschiffen wesentlich
unterscheiden. Wenn jedoch auch der Bau eines Seeschiffes gegenüber einem
Flussdampfer weit umfangreichere und vielseitigere Einrichtungen bedingt, so
sind die Aufgaben, welche die Flussschiffwerften zu lösen haben, darum ebenso^
schwierig, weil gerade die peinliche Innehaltung eines oft äusserst geringen
Tiefganges bei geforderter hoher Geschwindigkeit, besonders für scharfe Fluss-
strömungen den Bau sehr schwierig gestalten. Der bei weitem grösste Theil
der Festigkeit eines Flussdampfers liegt in dem vorhandenen inneren Mittel-
kiele und einigen seitlichen Längsversteifungen, sonst aber hauptsächlich in
den Blechen der Aussenhaut und der Deckverbindung. Eigentliche Längs-
verbindungen wie beim Seeschiff in den Kielschweinen, Seitenkielen, Stringem
sind beim Flussschiffe nicht üblich. Dasselbe hat nur die regelmässigen
Bodenstücke und statt der Seitenkiele und Stringer die ganz leichten, auf der
Oberkante der Bodenstücke geführten und Rücken gegen Rücken genieteten
Winkeleisen mit den zulässig geringsten Profilstärken.
Im Bau der Flussdampfer ist in letzter Zeit ein fast ebenso grosser
Fortschritt eingetreten, als im Baue von Seeschiffen, dagegen liegt der Schlepp-
bau, wie schon im Abschnitt 8 erwähnt, noch im Argen.
Personen- nnd Eilgntdampfer. Der Dampfschiffahrtsbetrieb theilt sich im
allgemeinen in den Personendienst, in den Güterdienst und in den
Schleppzugbetrieb.
Der Betrieb mit Personendampfern ist nur auf Binnenseen und unter
gewissen örtlichen Verhältnissen auf einzelnen Stromstrecken von Bedeutung,
ilm grossen Ganzen kommt jedoch die Personenbeförderung mit Binnendampfem
n Folge der verhältnismässig geringen Fahrgeschwindigkeiten, welche mit den-
selben selbst bei stärkster Maschinenanlage in dem begrenzten Fahrquer-
schnitte eines Flusses, gegenüber den grossen Geschwindigkeiten der Eisen-
bahnen erzielt werden können, erst in zweiter Linie in Betracht.
Durch vortheilhafte Schiffsformen und kräftige Maschinenanlageh wird
die Geschwindigkeit der Personendampfer auf das Aeusserste zu erhöhen
gesucht. Doch abgesehen davon, däss in dem begrenzten Flussquerschnitte
durch die Erhöhung der Todtwassergeschwindigkeit über ein gewisses Mass, etwa
über 23 bis 25 km in der Fahrstunde, der Widerstand des Schiffes und da-
durch die Stärke und Kosten der Maschinenanlage ausserordentlich zunehmen,
kann auch die Maschinenkraft nur in einzelnen sehr tiefen und breiten Fluss-
strecken voll ausgenutzt werden, weil in engeren und seichten Querschnitten eine
grosse Wellenbildung eintritt, welche nicht nur wieder den Eigenwiderstand
des Dampfers erhöht, sondern auch seine Steuerfähigkeit erschwert und die
am Ufer vor Anker liegenden Schiffe und Bauwerke gefährdet.
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DampfschiÔahrt.
247
Die gegenüber den Eisenbahnen um vieles geringere Fahrgeschwindigkeit
der Personendampfer trachtet man dadurch wettzumachen, dass man auf
letzteren den Reisenden den Aufenthalt an Bord so angenehm als möglich
Bild 160. Personendampfer „Fiume* der oberen Donau, 420 i. HP.
gestaltet, ferner die Beförderungspreise sehr niedrig hält. Aus diesem folgt
aber, dass der Personendampfer ebenso bequeme als elegante Einrichtungen
Bild 161. Personendampfer „Orient" der unteren Donau, 800 i. HP.
erhalten muss. In letzter Beziehung ragen insbesondere die neueren ameri-
kanischen Flussdampfer hervor, von denen manche bezüglich ihrer Ein-
richtung nur mit den luxuriösen Seedampfern verglichen werden können.
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248
III. Binnenschiffahrt.
Der Bau eines allen Bedingungen entsprechenden Flusspersonendampfers
stellt an den Schiffbau nicht geringe Anforderungen. Sollen die Einrichtungen
geräumig und vielseitig sein, soll die Maschine grosse Kraft entwickeln, um
dem Schiffe eine entsprechende Geschwindigkeit zu ertheilen, so folgt, dass
auch die Baugewichle zunehmen müssen. Dieses befriedigend innerhalb der
»Turul", 360 i. HP. (M. = 1 :5оэ). Lfln^e 5Ч0Э m, Bn-ite 650 m, Tiefgang; 080 m.
Bild 162. Persönendampfer für den örtlichen Verkehr in Budapest.
gegebenen begrenzten Abmessungen des Schiffes und seines Tiefganges zu
lösen, ist aber sehr schwierig.
Zunächst waren es die Ströme in der Nähe grosser Städte und grosse
Binnenseen, auf welchen sich ein ausgedehnter Personenverkehr entwickeln
konnte, wie beispielsweise am Hudson und Mississippi, auf der Themse und
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Dampfschiffahrt.
349
am Clyde, sowie auf dem Rhein, der Donau und der Elbe, der Wolga und
den grossen amerikanischen Binnenseen.
Auf der Donau wird heute ein ausgedehnter Personendienst ausgeübt,
welcher aber, mit Ausnahme der Verkehrslinien der unteren Strecke, trotz ent-
sprechendsten Betriebsmitteln mit den Bahnen in keinen erfolgreichen Wett-
Bild 163. Rheindampfer „Wilhelm Kaiser und König''. 800 i. HP.
bewerb treten kann. Die Bilder 160 und 161 zeigen die Bautypen für den
Femverkehr, während Bild 162 die Längenansicht und den Deckplan eines
dem örtlichen Verkehr dienenden kleineren Schiffes darstellt.
.Г- л
Bild 164. Rheindampfer , Auguste Victoria", 1500 i. HP.
Einen vorzüglichen Erfolg erzielt dagegen der Personenverkehr am Rhein
zwischen *Mainz und Köln. Im Personenverkehr steht die Rheinschiffahrt
überhaupt zur Zeit in Europa an erster Stelle, obwohl wieder in anderer
Richtung an die DonauschiflFahrt durch die langen bis 1500 km zu durch-
fahrenden Personenstrecken und durch die dadurch bedingten Nachtfahrten
ungleich grössere Anforderungen gestellt werden.
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250
III. Binnenschiffahrt
Die Einrichtung eines typischen Salondampfers am Rhein zeigt Bild 163.
Derselbe hat eine Länge von 79,2 m, eine Breite ohne Räder von 7,30 m und
leistet mit seiner Niederdruckmaschine bei durchschnittlich 42 Radschaufel-
umdrehungen in der Minute 800 i. HP. Auf den Salonaufbauten erstreckt
sich von vorne bis rückwärts das Promenadedeck, welches durch ein Sonnen-
segel geschützt ist. Die breiten Treppen zu diesem Decke, an beiden Seiten
der Radkästen angebracht, geben einen sehr bequemen Weg für die Reisenden
von und an Bord. Unter den Salonaufbauten im Schifiskörper sind weitere
elegante Räumlichkeiten und Kajüten angebracht, von welchen gleichfalls schöne
Aufgänge auf das Schiffsverdeck führen. Auf den Donaudampfern sind
an Stelle dieser Räumlichkeiten Schlafstellen angebracht.
Bild 165. Personendampfer auf der Scheide.
Der von der Schiffswerfte Sachsenberg 1899 erbaute Salondampfer
„Auguste Victoria" (Bild 164) ist noch grösser und eleganter, hat eine Länge
von 82 m und leistet mit einer Compoundmaschine 1500 i. HP. Die Berg-
fahrt Köln bis Mainz legt er in loVj Stunden zurück.
Alle diese Typen sind Flachboote, während Bild 165 einen auf ICiel
gebauten, übrigens in seinen Linien vornehmen Dampfer zeigt.
Auf der oberen Elbe wird der Personendienst durch kleine Dampfer ver.
mittelt, welche, um einen geringen Tiefgang zu erzielen, sehr leicht gebaut
und einfach eingerichtet sind. Auf der Oder besteht nur ein örtlich beschränkter
Personenverkehr.
Im grossen Massstabe ist dagegen der Personendienst auf den Binnen-
seen und Strömen Nordamerikas eingerichtet. Die grossen Ströme
Amerikas werden von keinen niedrig geführten Brücken überspannt, weshalb
die dortigen Dampfer in ihren Höhenabmessungen nicht beschränkt sind
und meistens 3 bis 5 Decks übereinander aufgebaut haben. Das SchifTs-
deck hat gewöhnlich 3 m Bordhöhe, auf demselben liegt, über die Borde
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Dampfschiffahrt.
251
zu beîden Seiten hinausragend und seiner ganzen Länge nach mit schräg
liegenden Stützen am Verdeck abgesteift, das Huricandeck, welches dann
noch 2 bis 3 weitere Stockwerke trägt (Bild 166.) Die Höhe dieser Auf-
Bild 166. ^ississippidampfer.
bauten, sowie das am obersten Deck vorne angebrachte kreisrunde Kommando-
und Steuerhaus und der in der SchifFsmitte emporragende Balancier der
Г'
Bild 167. Hudsondampfer „Adirondack".
stehenden Watt'schen Eincylindermaschine verleihen dem Schiffe eine
imponirende Grösse. Die grosse Strecken am Mississippi und Hudson be-
fahrenden Dampfer haben Nachtdienst und sind sowohl zur Aufnahme be-
deutender Frachtmengen, als auch für die Unterkunft zahlreicher Reisenden
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252
III. Binnenschiffahrt.
eingerichtet. Die Mehrzahl der Dampfer ist aus Holz gebaut und hat noch
einfache Niederdruckmaschinen mit hölzernen festen Schaufelrädern, welche
aber wegen ihrer grossen Durchmesser bis 13 m eine günstige Schaufel-
eintauchung und daher trotz ihrer einfachen Konstruktion, einen guten
Wirkungsgrad geben. In neuerer Zeit baut man jedoch die Schiffskörper
aus Eisen und in Rücksicht der vielen Havarien und Unglücksfälle, welche
früher vorgekommen, in demselben einen Doppelboden und wasserdichte Ab-
theilungen. Die Schiffe erhalten Compoundmaschinen und bewegliche Schaufel-
räder. Einer der schönsten und stärksten dieser amerikanischen Riesendampfer
ist der zwischen New-York nach Fall River in Dienst gestellte „Adirondack*,
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Bild 168. Bergung eines bei Hochwasser nachts auf Land gefahrenen Personendampfers.
(Bild 167) welcher 8 Kessel mit einer Compoundmaschine von 7500 i. HP
hat. Der Hochdruckcylinder hat einen Durchmesser von 1,90 m mit 2,75 m
Hub, der Niederdruckcylinder 2,80 m Durchmesser und 4,25 m Hub. Die
Räder haben einen äusseren Durchmesser von 10,50 m mit beweglichen aus
Stahlplatten gekrümmten Schaufeln von je 4,35 m Länge und 1,50 m Höhe.
Bei der Probefahrt legte die Maschine in 22 minutlichen Umdrehungen bei
7700 i. HP 34 km in der Fahrstunde zurück. Als grösstes und neuestes
Schiff gilt die „Priscilla" mit 134,4 ^ Länge, 28,4 m Breite mit den Rad-
kästen, einem Leertiefgang von 3,8 m, und einem Registertonnengehalt
von 5398. Die 10 Cylinderkessel haben eine Heizfläche von 3255 m*. Die
Maschine indizirt 8500 HP. Bei einem gemeinsamen Hub von 3,36 m haben
die zwei Hochdruckcylinder je 1,30 m, die zwei Niederdruckcylinder je 2,42 m
Durchmesser. Bei der Probefahrt 1894 wurde die Strecke New-Port bis New-
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Dampföchififahrt.
253
York mit 160 Meilen in 7V2 Stunden zurückgelegt; die während dieser Fahrt
erreichte höchste Geschwindigkeit betrug bei аз Umdrehungen und 9000 i. HP
20 Seemeilen = 37 km.
Die Manöver und insbesondere die Nachtfahrten mit grossen schnell-
fahrenden Personendampfem erfordern bewährte Umsicht. Trotzdem ist es
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Bild 169. Personen- und Eilfrachtdampfer „Deutschland'* für den Mittelrhein, 700 i. HP.
70.6 m lang, 8.0 m breit, mit Kohle i.oo m tief.
nicht ausgeschlossen, dass der Kapitän, wenn die Ufer bei Hochwasser oft
meilenweit überschwemmt sind, den Fahrkurs übersieht und der Dampfer dann
auf Land fährt. (Bild 168.)
Bild 170. Thalfahrendes Schraubenfrachtboot der mittleren Donau.
Der Betrieb mit freifahrenden Dampfern, welche Eilgüter und Frachten
an Bord nehmen, ist schon von grösserer Wichtigkeit; nur muss dieser Eil-
gutdienst, um mit dem Eisenbahnbetriebe erfolgreich in Wettbewerb treten
zu können, sehr gut eingerichtet und schlagfertig geregelt sein. Ein den.
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254
Ш. Binnenschiffahrt.
Güter- und Personendienst bedienender Rheindampfer ist im Bilde 169 dar-
gestellt, während die Bilder 170, 171 und 172 die den Guterdienst auf der
ungarischen Donaustrecke von Budapest nach Zimony besorgenden Schrauben-
Lflnge 57 90 rn, Breite 7 92 m, Höhe 2.бэ m, Tragfähigkeit mit 1.80 m = 500 t.
iiJ-:0"b^.:it--^-tIEij-----p--S-
Bild 171. Schraubenfrachtboot „Ressel" mit 400 i. HP. (M. i : Sog.)
dampfer und einen Eilfrachtdampfer der oberen Donau darstellen. Den Güter-
dienst auf der Donau, am Rhein und auf der Elbe siehe V. Theil.
L*ûçe 55.50 m, Breite вло m, Höhe a.74 m, Tragfähigkeit bei 1.50 m Tiefgang =: 170 t
^:n^L^'
Bild 172. Eilfracht- und Zugdampfer „Adler" der oberen Donau mit 500 i. HP.
(M. 1:500)
Zugdampfer, Schleppzugbetrieb. Ausschlaggebend für die Beurtheilung
der Nutzbarkeit einer Binnenwasserstrasse bleibt jedoch immer und in erster
Linie deren Eignung für einen wirthschaftlichen Schleppzugbetrieb. Auf
Flüssen und Strömen wird der Schleppzug nur mittels Dampfer, auf Kanälen
ausser durch solche noch mit verschiedenen anderen Zugseinrichtungen ausgeübt.
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Dampfschifiahrt.
255
Zum Schleppzug auf Flüssen und Strömen benutzt man entweder
freifahrende Dampfer oder Kettenschiffe oder Seiltauer. In allen
Fällen zieht der Raddampfer, das Schraubenboot oder der Tauer die
Schleppe mit Schlepptauen, an welchen diese einer hinter dem andern
hängen. Als Schlepptaue werden entweder starke Hanfseile, gewöhnlich aus
drei links geschlagenen Trossen im Kabelschlag zusammengedreht, oder aber
aus Tiegelgussstahl erzeugte Drahttaue verwendet. Letztere sind rechts
geschlagen und bestehen aus 5 bis 6 um eine Hanfseele geschlungenen
Drahttrossen. Drahtseile werden in neuerer Zeit allgemein vorgezogen, weil
sie bei gleicher Bruchfestigkeit und Tragkraft zweimal dünner und Y^ leichter
als die Hanftaue sind.
Die Zahl der gleichzeitig geschleppten Fahrzeuge ist je nach den Ver-
hältnissen der Fahrstrasse, der Strömung und der Maschinenstarke ver-
schieden. Der Tauer hat im allgemeinen in der Bergfahrt eine höhere Zugs-
leistung als der freifahrende Dampfer, weil derselbe, indem seine Trommeln
die Kette oder das Drahtseil aufwinden, an diesen immer einen festen StOtz-
punkt hat, während der Rad- oder Schraubendampfer im Wasser keine festen
Stutzpunkte findet, nachdem dieses dem auf ihn wirkenden Drucke der
Schaufel- oder der Schraubenflächen ausweicht. Der Tauer legt daher den
gleichen Weg zurück, welcher der Aufwicklung der Kette oder des Seiles um
seine Trommel entspricht, der Weg des freifahrenden Dampfers ist dagegen
kleiner als der Weg einer Schaufel- oder Schraubenumdrehung.
Scbanfelrad. Um diese geringere Nutzleistung des Schaufelrades und
der Schraube gegenüber dem Tauer zu verstehen, werden in Folgendem die
Elemente und die Wirkungsweise dieser beiden Propeller beschrieben:
Die Schaufelräder (Bild 173) bestehen aus rechteckigen, aus Eichen-,
Buchenholz oder Eisenblech hergestellten Platten a b, a' b', a" b" . . .,
welche an radialen Flacheisenstäben befestigt sind, die einerseits mit der an
die Welle A festgekeilten Nabe, andererseits mit den eisernen Radkränzen В С
und D E verbunden sind. Die bei der Umdrehung der Welle nacheinander
eintauchenden Schaufeln drücken stossartig gegen das Wasser, wodurch eine
Reaktion cd, c' d', c" d" erzeugt wird, welche das Schiff fortbewegt. Jede
dieser Reaktiopen. wirkt, weil dieselben senkrecht zur Schaufel gerichtet sind.
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256 И1. Binuenschifl'ahrt.
nur dann in ihrer Gänze für den Antrieb des Schiffes, wenn die Schaufeln
senkrecht stehen. Bei jeder anderen Stellung der Schaufel sind nur die
wagerechten Komponenten с f oder c' f für die Fortbewegung des Schiffes
nutzbar, während die anderen senkrechten Komponenten с g oder с" g' keine
Antriebsarbeit leisten. Die Kraft с g sucht das Schiff emporzuheben und die
Kraft c"g' dasselbe niederzutauchen; sie heben sich daher beide gegenseitig
auf und sind für die Fortbewegung des Schiffes unwirksam.
Würde das Wasser unter dem Drucke der Schaufeln nicht zurück-
weichen, so wäre bei jeder Radumdrehung der vom Schiffe zurückgelegte
Weg gleich der Länge der von den Schaufeln beschriebenen Kreise. Nach-
dem jedoch das Wasser bei jedem Schaufelstosse etwas zurückweicht, so ist
der Weg des Schiffes kleiner als die Länge dieses Kreises. Diesen Weg-
verlust nennt man den Slip oder Rückbleib. Ist A der Weg, den das
Schaufelrad bei einer Umdrehung zurücklegt, v die sekundliche Geschwindig-
keit des Schiffes und N die minutliche Umdrehungszahl der Räder, so müsste,
wenn kein Slip vorhanden wäre,
V • 60
A = ^jT,— sein.
N
Nachdem der äussere Umfang der Schaufel eine grössere Geschwindig-
keit als der innere hat, so nimmt der auf das Wasser ausgeübte Druck von
dem Innenrande der Schaufel gegen den Aussenrand derselben stetig zu.
Die Resultirende des Druckes liegt ungefähr in 0,40 m Schaufelhöhe vom
äusseren Schaufelrande und wird im praktischen Betriebe als in der SchaufeU
mitte gelegen angenommen. Der Slip R ist somit das Verhältnis zwischen dem
Fortgang des Schiffes und der Länge des durch die Mitte der Schaufeln
gehenden Kreises. Die Geschwindigkeit der Schaufelmittelpunkte ist gleich
dem Produkte aus der Länge des durch diese Mittelpunkte gehenden Kreises
und der Umdrehungszahl der Räder in der Zeiteinheit.
Geschwindigkeit der Schaufelmittelpunkte — Schiffsgeschwindigkeit
Geschwindigkeit der Schaufelmittelpunkte.
^ ttD— A A
R = i^— = I --
TT D . ttD
oder wenn für A der Wert eingesetzt wird, so ist
t;>6o
^-'-ttDxN
Beispiel. Wenn die Schaufelräder eines Schiffes 6,50 m mittleren
Durchmesser haben und 24 Umdrehungen in der Minute machen, das Schiff
aber 6,16 m Geschwindigkeit besitzt, so beträgt der Weg des Rades bei
einer Umdrehung
. 6,16 X 60 1 J er
A =i — = i5»42 und der Shp
24
^ ttD — A A 15,42 5
R = =; — =1 ï^ = I ^^^£- = — ^^ — = 0,244
nD ttD 3.H'6)5 20,42 ^
Der Slip ändert sich je nach den Grössenverhältnissen der Räder und
dem angewandten Systeme. Er nimmt zu mit der Tauchung, mit der Anzahl
der eintauchenden Schaufeln, dem Gewichte des Schleppanhanges, der Stärke
der Strömung und des Gegenwindes, mit einem Worte mit den gesammten
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Dampfschiffahrt. 257
der Fortbewegung des Schiffes entgegenwirkenden Widerständen. Ist bei-
spielsweise die Fortgangsgeschwindigkeit eines Schiffes mit einem Schlepp-
anbange auf die Hälfte der normalen gesunken, ohne dass die Arbeit im
Dampfcylinder nachgelassen hat, so vermindert sich die Geschwindigkeit der
Maschine ungefähr um \'^, während der sonst normal 0,22 betragende Slip
auf ungefähr 0,30 steigt.
Nachdem bei den gewöhnlichen Rädern mit festen Schaufeln letztere
in geneigter Lage in das Wasser eintreten und aus demselben empor-
tauchen, so entsteht beim Eintauchen derselben ein Schlag, welcher das Wasser
aufspritzt, während beim Austritte die Schaufeln Wasser emporheben. Beides
vergrössert den Slip. In je senkrechterer Lage daher der Ein- und Austritt
der Schaufeln geschieht, oder richtiger ausgedrückt, je mehr der Ein- und
Austritt der Schaufel in die Komponenten der Geschwindigkeit des Druck-
mittelpunktes der Schaufel und der Schiffsgeschwindigkeit fällt, um so geringer
wird der Slip und um so grösser die Nutzleistung sein. Diese Erkenntnis
hat zur Konstruktion der Räder mit beweglichen Schaufeln geführt, bei
welcher die Schaufeln durch einen mit der Welle exzentrisch angebrachten
Zapfen, mit dem sie beweglich verbunden sind, während ihrer Umdrehung so
gerichtet werden, dass sie nahezu in erwähnter Komponente ein- und aus-
treten. Ein derartiges Rad mit, die Nutzleistung noch weiters erhöhenden
gekrümmten eisernen Schaufeln, ist im Abschnitte 10 beim Dampfer Pécs
abgebildet. Bei dieser Bauart beträgt der Slip normal 13 pCt. Im Allgemeinen
schwankt jedoch derselbe bei den Schaufelrädern zwischen 15 und 30 pCt.
Die Arbeisverluste der Schaufelräder entstehen somit:
I- Durch das schräge, nicht in die Komponente fallende Ein- und Aus-
tauchen der Schaufeln, wodurch ein beträchtlicher Theil der Stoss-
wirkung für die Fortbewegung verloren geht.
2. Durch das Aufspritzen und Emporreissen des Wassers bei jedem
Schaufel-Ein- und Austritt, wodurch unnütze Arbeit geleistet wird.
3. Durch das Zurückweichen des Wassers, wodurch das Rad, bei einer
gegebenen Arbeitsleistung der Dampfcylinder, sich immer verhältnis-
mässig schneller drehen muss, um eine bestimmte Fortbewegungskraft
zu erzeugen und endlich
4. Durch die Reibung des Wassers an den Schaufeln.
Diese Arbeitsverluste erklären die Thatsache, dass selbst die bestgebauten
Schaufelräder nur 60 pCt. der ihnen von der Welle zugefOhrten Arbeit zur
Fortbewegung des Schiffes nutzbar machen können.
Schraube. Die Schiffsschraube wirkt ähnlich wie eine parallel zur
Schiffsachse angeordnete gewöhnKche Schraube, deren Kopf sich im Innern
des Schiffes befindet und welche ihr Muttergewinde in der sie umgebenden
Flüssigkeit findet. Je nach der Richtung, nach welcher der im Schiifsinnern
befindliche Schraubenkopf gedreht wird, muss sich das Schiff vor- oder rück-
wärts bewegen. Dieser Vergleich soll jedoch nur eine allgemeine Vorstellung
von der Wirkung der Schiffsschraube geben, denn damit die Wirkung einer
solchen Schraube derjenigen einer Schiffsschraube gleichkomme, müssten die
Schraubengewinde sehr stark vorspringend sein und dürften nur einen Theil
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt ^7
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258
III. Binnenschififahrt.
eines Schraubenganges bilden und ausserdem mQsste man sich das Wasser
als feste Schraubenmutter, etwa in gefrorenem Zustande, vorstellen.
Die Flügel einer Schiffschraube bilden Theile von^ um einen
Nabencylinder angeordneten Schraubenflächen. Ihre Anzahl schwankt zwischen
zwei bis sechs, doch werden zumeist drei und vier Flügel angeordnet. (Bild 174.)
Eine sehr kleine Anzahl von Flügeln verursacht stärkere Stösse in der
Maschine, eine zu grosse Anzahl bewirkt, dass das Wasser zwischen den
Schraubenflächen eingeschlossen bleibt und nicht leicht entweichen kann, wo-
durch sich dann die Schraube in sehr leicht beweglichem Wasser dreht, daher
keinen genügend festen Stützpunkt findet und eine schlechte Nutzleistung
ergiebt. Der Durchmesser der Schraube wird so gross genommen, als es
die Tauchung des Schiffes zulässt, wobei darauf geachtet werden muss, dass
sich bei normaler Belastung des Schiffes oberhalb der Schraube noch eine
FlOssigkeitsschichte befinde, deren Höhe beläufig 7e ^^^ Schraubendurch-
messers beträgt. Unter
Steigung der Schraube
versteht man das Mass,
um welches sich die Er-
zeugende der Schrauben-
fläche während einer voll-
ständigen Umdrehung der-
selben um die Nabe fort-
bewegt. Bei unendlich
grosser Steigung würde
jeder Schraubenflügel eine
achsiale Ebene bilden,
daher keinerlei Druck im
Sinne der Fortbewegung
BUd 174. Vierflügelige Schraube. ^^ g^^.^^^ ^^^^^^^
können. Ist die Steigung dagegen gleich Null, so würde wieder jeder Flügel eine
zur Achse senkrechte Ebene bilden, welche das Wasser schneidet, ohne einen
achsialen Druck hervorzubringen. Zwischen diesen beiden äussersten Grenzen
wird die Steigung, je nach der Grösse des Durchmessers und der Umdrehungs-
zahl, der Anzahl der Flügel und dem angewandten Schraubensysteme, nach
den praktischen Ergebnissen gewählt. Keineswegs darf aber bei der. Kon-
struktion einer Schraube für ein bestimmtes Schifisgefäss nur nach der Theorie
vorgegangen werden. Wie bei so vielen anderen technischen Fragen ist
auch hier die „Schraubentheorie" noch nicht genügend ausgebildet.
Um die Wirkungsweise der Schiffsschraube zu verstehen, wird im
Folgenden die im Bilde 175 dargestellte zweiflügelige Schraube beschrieben.
Die Dicke der Flügel nimmt von der Nabe M gegen die Enden A A' zu
ab, ihre Vorderflächen (siehe die 4 Querschnitte) sind ausbiegend, ihre Grund-
linien ab, cd, fg, h к gerade. Dreht sich die Schraube im Sinne des
Pfeiles f um ihre Achse, so üben diese Flächen auf das Wasser einen Druck
aus, dessen Richtung zur Achse geneigt ist, auf der Flügelfläche jedoch senk-
recht steht. Jedes Element p der Fläche übt einen Druck p r aus, welcher
in zwei Komponenten zerlegt werden kann, in eine senkrecht zur Achse ge-
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Dampfschiffahrt.
259
richtete p s, die* bestrebt ist, den Hintertheil des Schiffes senkrecht zum Kiel
zu bewegen und eine achsial wirkende p q, welche vermöge der Reaktion
das Schiff im Sinne des Pfeiles F fortbewegt. Zerlegt man in ähnlicher
Weise in den 4 Querschnitten
^ie Kraft p r in ihre Kom- ct^
ponenten, wobei darauf Rück-
sicht zu nehmen ist, dass die
Grösse dieser Kraft sich mit
-dem Abstand derselben von
der Schraubenachse ändert,
so bemerkt man, dass die
Fortbewegungskraft p q von
der Nabe bis zum äusseren
FlQgelrande zunimmt.
Wie beim Schaufelrade tritt
auch bei der Schraube ein
Slip auf. Dieselbe legt bei
einmaliger Umdrehung um ihre
Achse nicht das Mass einer
ganzen Steigung, sondern weil
das Wasser dem Drucke jeder
Schraubenfläche nachgiebt,
^inen um etwas geringeren
Weg als eine Schrauben-
steigung zurück. Das Schiff wird im Sinne der Komponente p q bei jeder
Schraubenumdrehung eine bestimmte Strecke fortbewegt, welche jedoch immer
kleiner als die gesammte Steigung der Schraube ist. Der Unterschied zwischen
beiden, der Schraubenslip, wird wie beim Schaufelrade ausgedrückt durch:
R
Geschwindigkeit der Schraube — Geschwindigkeit des Schiffes
Geschwindigkeit der Schraube
^orin unter Geschwindigkeit der Schraube das Produkt aus der Steigungs-
höhe und der Umdrehungszahl der Schraube in einer Zeiteinheit zu ver-
stehen ist
Beispiel: Wenn ein Schiff mit einer Schraube von 6,5 m Steigungs-
höhe und 80 Umdrehungen in der Minute 7,2 m in der Sekunde zurücklegt,
30 ist der Weg der Schraube ohne Slip:
WegA =
Slip R =
V X 60 7,2 X 60
N "" 8^~"
Ganghöhe — Weg
= 5,397 m und der
.6,5—5,397
0,17.
Ganghöhe 6,5
Bei gewöhnlichen Schrauben betragt der Slip im Mittel 0,20, bei den
modernen mit gekrümmten Flügeln versehenen Schrauben 0,12 bis 0,15. Er
Äinkt bei Probefahrten, wenn der Schiffskörper und die Schraube sich in
isehr gutem Zustande befinden, selbst bis unter 0,10 herab.
Die Arbeitsverluste der Schiffsschraube entstehen somit:
I. Durch die Neigung der Flügel, wodurch sich die Reaktion des Wassers
nicht genau in der Achsenrichtung der Schraube äussert, weil dem
17*
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2бо lïï- Binnenschiftahrt.
Wasser eine nicht nutzbringende Bewegung in radialer Richtung ge-
geben wird.
2. Durch die stossartige Wirksamkeit der Flügel.
3. In Folge der Beweglichkeit der Flüssigkeitsmasse, gegen welche sich'
die Schraubenflächen stützen, wodurch derselben am Achter des Schiflfes-
eine gewisse Geschwindigkeit ertheilt wird. Dieser Rücklauf, welcher
um so grösser ist, je leichter das Wasser zwischen den in grösserer
Anzahl vorhandenen Flügeln entweichen kann, bedingt bei gleich-
bleibender Arbeitsleistung der Cylinder eine Vergrösserung der Um-
drehungszahl der Schraube für eine bestimmte Propulsionskraft.
4. Durch die Reibung des Wassers an der Oberfläche der Schraube.
Die Gesammtwirkung dieser Verluste hat zur Folge, dass das Verhältnis-
zwischen der der Schraube zugeführten und von ihr nutzbar gemachten Arbeit,,
ihr Wirkungsgrad, auf 70 bis 75 pCt. verringert wird.
Der Slip ist je nach dem Durchmesser, der Steigungshöhe, der Ein-
tauchung der Schraube unter Wasser und dem Schraubensysteme verschieden^
in stromlosem Wasser anders als in starker Strömung und wird, sowie beim-
Schaufelrad, von den dem Schiffe entgegenwirkenden Widerständen beein-
flusst. Bei schwerem Schleppzuge nimmt derselbe entsprechend zu. Im Allge-
meinen ist der Slip der Schraube um so geringer, je grösser der Durchmesser'
derselben ist, weshalb auch beispielsweise das Seite 274 beschriebene
Schraubenrad gegenüber der gewöhnlichen Schraube einen geringeren Slip-
ergiebt.
Vergleich des Schaufelrades mit der Schraube. Wird der Wirkungs-
grad der Schaufelräder und Schrauben miteinander verglichen, so kann
angenommen werden, dass zwei, die gleiche Grösse und Maschinenkraft
besitzende Schiffe, von denen das eine mit einer Schraube, das andere mit
den besten Schaufelrädern versehen ist, bei ruhigem Wetter oder günstiger
Eintauchung die gleichen Ergebnisse erzielen werden. Bei wechselndem Tief-
gange des Schiffes wird jedoch die Schraube vortheilhafter sein, weil sie
durch Tauchungsänderungen weniger beeinflusst wird als das Schaufelrad.
Das Gleiche gilt für die Fahrt mit einem Schleppzug, weil die Schraube unter
allen Verhältnissen ihre grosse Umdrehungszahl beibehält und daher in ge-
gebenem Falle, allerdings auf Kosten des Dampfverbrauches, eine grössere
Geschwindigkeit als das Rad entwickeln kann.
Bezüglich der Verwendung besitzt die Schraube gegenüber dem Schaufel-
rad die Vortheile, dass bei Schraubendampfern die breiten Radkästen entfallen
und die Bordseiten frei sind, daher dem Winde geringere Angriffsflächen ent-
gegensetzen, ferner, dass die Schraubenmaschinen wesentlich leichter, daher
billiger sind und einen kleineren Raum als die Schaufelradmaschinen benöthigen.
Beaktionsdampfer. Nachdem die Nutzleistung von Schrauben und ins-
besondere von Rädern im Verhältnis zur aufgewandten Maschinenarbeit nicht
gross ist, die Schraube ausserdem nur in tieferem Wasser verwendet werden
kann, beide Propeller aber auch leicht beschädigt werden können, so hat«
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Dampfschiffahrt.
261
man versucht, einen Schiffsantrieb dadurch zu erreichen, dass man im SchüfTe
hinten einen kräftigen Wasserstrahl ausfliessen lässt. Das Prinzip eines solchen
Reaktionsdampfers ist im Bilde 176 veranschaulicht. Eine Centrifugalpumpen-
anlage с d с saugt das im Schiffsboden eingelassene Wasser durch eine Rohr-
leitung bei g auf und treibt es in zwei starken Wasserstrahlen durch die
Röhren bei a a zu beiden Seiten des Schiffes aus, so dass sich dieses in der
Richtung A vorwärts bewegt. Die mit diesem Systeme gemachten Versuche
haben jedoch bisher kein günstigeres Ergebnis als der Schraubenantrieb
geliefert.
Ketten- und Seiltaner. Der Tauerzug wird ausgeübt:
I. Mittels Kette, welche die nöthige Reibung und Spannung für den
Zug entweder dadurch erhält, dass sie Ober zwei von der Dampfmaschine
Bild 177. Kettenschiff.
bewegte breite Rollen, auf welchen sie mehrere Male umwickelt ist, gleitet;
oder aber dadurch, dass sie über ein Rad mit einem stählernen Zahnkranze,
in dessen Ausnehmungen die Kettenglieder durch zwei Seitenräder eingepresst
werden, läuft.
2. Mittels Stahldrahtseiles, welches Ober ein Rad geht, das an der
Kante mit einem Kranz von beweglichen Юаттет versehen ist, die das Seilt
von einem oder zwei anderen Rädern unterstützt, gleiten lassen. Die Räder
sind entweder senkrecht oder wagerecht angeordnet.
Kette und Kabel können am Taüer langseits des SchiflFes oder mitt-
schiffs in der Längenachsenrichtung angebracht werden. Letztere Art ist
richtiger, weil die Maschine einfacher, die Schwankungen des Tauers geringer
und derselbe besser steuern kann, endlich auch keine Havarien an den Kabel-
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202
III. Binnenschififahrt.
vorrichtungea durch Streifen des Tauers an Schiffen, Brücken oder Kaimauern
vorkommen können.
Bild 177 stellt ein Kettenschiff im Längenschnitt und Grundriss dar*
Die 2 Trommeln stehen mittschiffs. Von der Maschine in Bewegung gesetzt^
winden sie, so wie die Trommeln einer Ankerwinde, die am Flussgrunde
liegende Kette auf.
Antrieb der Seilräder.
\ßr.квщtF^*i^^'v^^.xшщiйЛJ^^щfЩ945^^ц.^r^^v^7^,щ.WжllL^■fщш.щ^t.n.щ ^>>. шнчт 'щ0с^ ^щшфтд^ЁщЩ^
Bild 178. Seil tauer mit senkrecht und wagerecht liegenden Seilrädem.
Bild 178 zeigt die Anordnung der Klappen- und Fuhrungsräder der
Seiltauer.
Tauerbetrieb. Der Bergzug mittels eines auf der Stromsohle liegenden
Seiles ist übrigens die älteste bestehende mechanische Zugseinrichtung. Der
Marschall von Sachsen hat schon im Jahre 1730 auf der Seine in einem
Holzboote (a) eine Vorrichtung errichten lassen (Bild 179), die aus drei, auf einer
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Dampf schi fi ahrt.
263
gemeinsamen senkrechten Achse angebrachten Trommelpaaren be, с f e und d e,
von verschiedenen Durchmessern bestand, auf welchen im Flussbette verankerte
Hanfseile g aufgesponnen wurden. Abwechselnd kam ein Trommelpaar nach dem
andern in Betrieb, während die übrigen leer mitliefen. Die Achse wurde wie
ein Koppel (i) durch zwei Pferde in Umdrehung gebracht. Mit dieser Vorrich-
tung konnte die doppelte Last wie mit dem gewöhnlichen Pferdezuge vom
Lande aus gezogen werden.
Dieser Seiltauer diente offenbar dem französischen Ingenieur Tourasse
1820 als Vorbild zur Erbauung des ersten Kettendampfers auf der Rhône
zwischen Givors und Lyon. Der Tauer war mit einer gewöhnlichen, durch
Dampfkraft bewegten Winde versehen und wurde von 2 kleinen Dampfern
begleitet, welche je eine Trommel zur Auf Windung eines 6 Centimeter starken
und. 1000 m langen Hanfseiles enthielten. Eines dieser Begleitschiffe ver-
ankerte sein Seil etwa 1000 m oberhalb des Tauers, kehrte zu diesem zurück
und übergab ihm das untere Seilende. Der Tauer zog sich nun an dem-
selben hinauf und gab es während seines Zuges wieder der Trommel des
Bild 179. Tauerschiflf des Maréchal de Saxe.
ersten Begleitschiffes ab. Indessen ging das zweite Begleitschiff auf 1000 m
voraus, befestigte das zweite Seil und kehrte an den ersten Ankerpunkt zurück.
War nun der Tauer da angelangt, so nahm er das zweite Seil auf, setzte
seinen Zug fort und gab es während der Fahrt wieder dem zweiten Begleit-
schiffe ab, das erste Begleitschiff aber eilte voraus und befestigte sein Seil
zum zweiten Male u. s. w.
Das Hanfseil ersetzte später Vine hon auf der Seine durch eine Kette,
doch erst im Jahre 1825 war es de Rygni, welcher für die Schleppschiffahrt
auf der Seine zwischen Rouen und Paris eine Gesellschaft bildete und ein
durch Dampf getriebenes Fahrzeug an einer der ganzen Länge des zu
durchlaufenden Weges entsprechenden Kette verwendete.
Der Ketten- oder Seilbetrieb auf Flüssen wird nur in der Bergfahrt
ausgeübt. Grössere Schleppzüge lassen sich an der Kette thalwärts nicht
befördern. Die Tauer fahren daher auf der Kette entweder ohne Anhang
zurück, wobei die Kette, weil ihre Lage während der Bergfahrt verschoben
wurde, wieder in den Stromstrich gelegt wird oder aber sie fahren mit ihren
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264
III. Binnenschififahrt.
Rädern oder Schraube mît und ohne Anhang zu Thal. Die Donau-Ketten-
schiffe konnten wegen des oft ш scharfer Strömung gehenden Thalweges
selbst ohne Anhang nicht an der Kette zu Thal fahren.
der
Bild 180. Kettenschiff mit einzukuppelnden Schaufelrädern.
So lange die Tauer keinen selbständigen Propeller hatten und sich an
Kette fahrend begegneten, übergab entweder der zu Berg fahrende^
Xeêêenaufiau/
Ketèenablauf
Bild 181.
nachdem er die Kette abgeworfen, seinen Anhang dem ihm entgegenkommen-
den und fuhr zurück oder der zu Thal fahrende Tauer warf die Kette ab
und liess den bergfahrenden weiter fahren. Schon in Folge dieser umstand-
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Dampfschiffahrt.
265
liehen Handhabungen mussten
die Tauer mit eigenen Fort-
bewegen! ausgerüstet werden.
Die Seiitauer am Rhein sind
mit Schrauben versehen, die
Kettenschiffe der Donau (Bild
180) hatten starke Schaufelrad-
maschinen von 300 bis 400 i.HP.
Auf- nud Abnehmen der
Kette. Doch auch während der
Bergfahrt, bei vielen Manövern
und beim Zusammenstellen der
Schleppanhänge ist es noth-
wendig, die Kette zu lösen.
Das Aufnehmen und Ab-
werfen der Kette über die
Trommeln ist aber mit Schwierig-
keiten verbunden und zeit-
raubend. Dieselbe muss immer
gelöst, ein Glied oft entzwei-
geschlagen und an der gelösten
Stelle mit einem Kettenschlosse,
Schäckelglied, zusammen-
gefügt werden. Femer liegt in
dem Umstände, dass die Kette,
damit die zum Zuge nöthige
Reibung hergestellt werde, auf
den gewöhnlichen Ketten-
trommeln mehrfach umwickelt
werden muss, eine Mitursache
der zahlreichen Kettenbrüche,
weil sich die einzelnen Rillen
der Trommeln, in welchen die
Tauerkette gleitet, nicht gleich-
massig abnützen, wodurch deren
Durchmesser sich schliesslich
verändern und durch die nun
verschiedenen Trommelumfänge
ungleiche Kettenspannungen
entstehen, von denen eine
dann die Elastizitätsgrenze des
Eisens Oberschreitet und den
Bruch des Kettengliedes herbei-
führt. Ein solcher Kettenbruch
ergab sich oft auch dadurch,
dass sich in der aufgenommenen
KetteKnoten, Geiger, bildeten,
welche, wenn sie überdieKetten-
trommel liefen, entzweibrachen.
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2б6 III. Binnenschiffahrt.
KettenroIIe mit Fingerlingen. Um diese Nachtheile zu beheben und das
Lösen der Kette zu vermeiden, verwendet die Kettenschiffahrt auf der Elbe
eine von Bellingrath ersonnene Vorrichtung an der Trommel, deren Wesen
darin besteht, dass die Kette mit Fingerlingen, welche im Bedarfsfalle sich
öffnen und die Kette frei abfallen lassen, an die Trommel angepresst und
festgehalten werden kann, daher auf die Trommel nicht mehrfach umwickelt
werden muss, sondern nur etwa auf ^/g des Umf anges derselben läuft. Bild i8i
zeigt diese Anordnung.
Elektrische Kettenrolle. В о vet hat auf den Seine-Tauern diese Frage
noch sinnreicher durch Einführung einer magnetisirbaren Zugrolle, welche
die Trommel ersetzt, gelöst. Die Kette wird durch zwei Leitrollen geführt,
lauft auf '/4 des Umfanges der Kettenzugrolle und wird mit den einzelnen
Kettengliedern magnetisch gemacht, wodurch die Kette an dem Umfangstheil
der Rolle fest anhaftet. Als Stromerzeuger dient ein Dynamo. Falls die
Vorrichtung versagt, wird die Kette durch eine Sperrvorrichtung an die Zug-
rolle angepresst. Im Bilde 182 ist dieser Tauer der Compagnie Anonyme de
Touage de la Basse Seine et de l'Oise im Längenschnitt und Querschnitt
dargestellt.
Seine Länge beträgt 33 m, seine Breite 5 m, der mittlere Tiefgang bei
der Fahrt an der Kette 1,90 m. Für die Thalfahrt ohne Kette kann der Tief-
gang des Tauerachters durch Einlassen von Wasserballast auf 2,70 m ge-
bracht werden, wodurch die Anwendung einer leistungsfähigen Schraube mit
grossem Durchmesser ermöglicht wurde. Die Maschine ist ein Compoundtyp.
Dieselbe treibt die Schraube unmittelbar, die Kettenzugrolle aber durch Ein-
rückung in ein Zahngetriebe an. Mit der Schraube entwickelt sie 150 i. HP
pit 150 Umdrehungen, mit der Kette 90 HP mit 90 Umdrehungen in der
Minute. Der Tauer fährt grundsätzlich nur zu Berg an der Kette, welche er
von der Rolle an jedem Punkte der Strecke abwerfen und aufnehmen kann.
Vor- und Xachtheile der Tanerei. Die höhere Nutzleistung des
Tauers gegenüber jener des freifahrenden Zugdampfers ist für den Berg-
zug, besonders in starker Strömung von Bedeutung und kommt der frei-
fahrende Zugdampfer gegenüber dem Tauer umsomehr in Nachtheil, je grösser
das Gefälle und die Stromgeschwindigkeit des Flusses sind. Theoretisch
lasst sich die Nutzleistung eines Tauers T gegenüber derjenigen eines Zug-
dampfers Z durch folgendes Verhältnis ausdrücken:
T __ 2 (v 4- s)
worin V die Geschwindigkeit des Anhanges gegen Land und s die Strora-
geschwindigheit bedeutet. Aus diesem Verhältnisse folgt, dass zum Zuge eines
bestimmten Anhanges im stromlosen Wasser ein Tauer von 100 i. HP gegen-
über einem Zugdampfer von 200 i. HP nothwendig wäre und dass, wenn die
Strömung gleich der Fortgangsgeschwindigkeit des Anhanges ist, der Zug-
dampfer 400 i. HP. haben müsste.
Ein Dampfer mit vier Schleppen würde dann beispielsweise in einem Strome
vom 2,5 m in der Sekunde nur etwa 15 pCt. Nutzleistung haben und sechs-
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Dampfschiffahrt. 267
mal so viel Arbeit aufwenden müssen als ein Tauer, welcher diesen Anhang
mit gleicher Geschwindigkeit fortbringt. Dies dieTheorie! Die Erfahrung
zeigt jedoch, dass freifahrende starke Zugdampfer bis zu einer Strömung von
2,0 m in der Sekunde noch ganz wirthschaftliche Ergebnisse liefern und auch
grössere Gefällsstürze, wenn diese nicht zu lang sind, durch geschickte Hand-
habung der Schlepptaue unschwer überwinden können. Durch entsprechendes
Nachlassen der Taue ist es nämlich dem Dampfer fast immer möglich, wenn
er im Gefällstujze ist, den Anhang aus dem Bereiche dieses zu bringen, und
wenn dann letzterer in der grössten Strömung ist, hat der Dampfer das
Sturzgefälle bereits überwunden und kann wieder eine grössere Zugkraft ent-
wickeln. Ein starker Dampfer hat ferner auch in der Verwerthung seiner
lebendigen Kraft, über welche er in grossem Masse verfügt, ein treflfliches
Mittel, kurze Sturzgefâlle zu überwinden.
Steigt jedoch die Strömung auf längerer Stromstrecke über 2,00 m in
der Sekunde, so wird der Betrieb mit freifahrenden Dampfern nach Massgabe
ihrer Maschinenstärke immer weniger lohnend. Wenn ein Zugdampfer mit
400 i. HP. stromaufwärts in einer Strömung von 0,50 m in der Sekunde
10,8 km in der Fahrstunde oder 3 m in der Sekunde zurücklegt, so wird
er bei
einer Stromgeschwindigkeit von 1,00 1,50 2,00 2,50 m
eine Fahrgeschwindigkeit „ 2,50 2,00 1,50 1,00 m
haben und bei 3,00 m Stromgeschwindigkeit wird seine Nutzleistung auf Null
sinken.
Glücklicherweise sind aber derartige Sturzgefälle zumeist nicht lang und
können daher durch die oben beschriebenen Manöver in der Praxis über-
wunden werden. In diesem Umstände und darin, dass ein kräftiger Dampfer,
wenn er auch viel Slip hat, ganz gut gegen einen Strom von bestimmter
Stärke und mit besserer Nutzleistung als ein schwacher Dampfer mit geringerem
Slip ankämpfen kann, liegt hauptsächlich das Räthsel, warum die Theorie der
höheren Nutzleistung des Tauers gegenüber dem freifahrenden Dampfer in der
Praxis nicht Stand hält
Was die Nachtheile des Tauerbe triebes anbelangt, so sind diese
so gross, dass man heute trotz seiner höheren Zugleistung im Allgemeinen
den freifahrenden Schleppzug vorzieht. Die Kette oder das Seil ergeben
hohe Anlagekosten, der Tauer lässt sich schwerer steuern und hat eine nur
beschrankte Bewegungsfreiheit. Derselbe muss, um sich auch ohne Kette oder
Tau bewegen zu können, ausser den Tauervorrichtungen noch mit Schaufel-
rädern oder Schraube versehen sein. Hierzu kommen die Aufenthalte bei
Aufnehmen und Abgeben der Kette, die Gefahren von Ketten- oder Seil-
brüchen und endlich die Kosten für die Instandhaltnng der Kette, sowie für
die alljährliche Hebung derselben vor Eintritt der Eissperre. Nur auf Flüssen
mit geringer Geschiebebewegung kann letztere unterbleiben, weil dann keine
Gefahr einer Verschotterung der Kette über Winter vorhanden ist. Endlich
ist es für den Tauer ganz gleichgiltig, ob er mit oder gegen den Strom geht,
sein Wirkungsgrad bleibt immer der gleiche, während der Raddampfer zu
Thal, wenn die Strömung grösser als der Slip ist, einen grösseren Wirkungs-
grad erreicht. Der Hauptnachtheil des Tauers liegt aber darin, dass dieser
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2б8 Ш- Binnenschiffahrt.
eine begrenzte Verkehrslinie schafft, während der freifahrende Dampfer
die ganze Verkehrsfläche beherrscht.
Zum Schlüsse soll noch auf einen grossen Irrthum hingewiesen werden,
welcher sich dadurch herausgebildet hat, dass die Anhänger der Tauerei
stets behaupten, dass, nachdem diese um so vortheilhafter wird, je grösser die
Strömung ist, man mit einer gegebenen Maschinenstärke eines Tauers jede
Strömung leicht und wirthschaftlich überwinden kann. Das ist falsch.
Marchetti hat diesen Punkt sehr richtig beleuchtet: „Um etnen bestimmten
Anhang mit einer Geschwindigkeit von i ,5 m gegen Land und einen Strom
von I m aufzubringen, benöthigt der Tauer beispielsweise 167 effektive
HP. Die Geschwindigkeit, mit welcher der Anhang durchs Wasser gezogen
wird, sei^ 2,5 m. Soll derselbe Zug mit derselben Geschwindigkeit gegen
Land (1,5 m .per Sekunde) aufgebracht werden, aber gegen einen stärkeren
Strom von 2,5 m, so ist die Geschwindigkeit, mit der die Kette aufgewickelt
wird, zwar dieselbe, aber die Spannung ist im Verhältnis 4^ : a'^», d. i.
2,6mal so gross. Dementsprechend wird auch die hierzu nöthige
effektive Leistung 2,6 X 167 = 434 HP betragen."
Hierzu kommt, dass die schwere Kette eine Kettenlinie bildet, wodurch
der Zug schief wird und ein Arbeitsverlust entsteht. Der Verlust durch das
Gewicht der Kette ist bei grösseren Tiefen nicht unbeträchtlich und steigt bei
genügender Stärke der Kette leicht bis auf 10 pCt. der aufgewandten Arbeit.
Femer fallen Fahrrichtung und Kette in Flusskrûmmungen auch beztlglich der
Horizontalprojektion in den seltensten Fällen zusammen und der hieraus ent-
stehende Verlust ist um so grösser, da der Tauerkörper oder die Schleppe,
in schiefer Richtung gezogen, einen bedeutend höheren Widerstand bieten.
Endlich ist, wenn die Kette durch Kies verschüttet ist, die Tangente am Boden
nicht horizontal. Die beiden Kettentheile erleiden dann im tiefen Wasser
einen sehr beträchtlichen Widerstand durch den Strom.
Alle diese Umstände ziehen die Nutzleistung des Tauers so weit herab,
dass sie gegenüber dem Raddampfer sich darin ausdrückt, dass letzterer bei
gleicher Leistung in der Bergfahrt nur etwa aVt mal so viel Kohle verbrennt
als der Tauer. Der Tauerbetrieb gegenüber jenem mit Raddampfern stellt
sich dann rechnerisch folgend:
Angenommen eine Streckenlänge von 100 km, eine Fahrgeschwindigkeit
von 5 km in der Stunde, die Anlagekosten der Kette mit rund 1 000000 Kr,
jene des Drahtseils mit 500000 Kr, so ergiebt sich:
Kohlenerspamis gegenüber dem Raddampfer bei gleicher Leistung in
einer Bergfahrt 3 q gegen 7,5 = 9 Tonnen in 20 Stunden, mit la Kr pro
Tonne = 108 Kr
Lohnersparnis durch geringere Bemannung 0,30 pro Fahrstunde . = 6 ^
zusammen 114 Kr
oder bei der durchschnittlichen jährlichen Bergleistüng eines Dampfers von
2000 Stunden =11 400 Kr Betriebserspamis. Für Tilgung, Erneuerung,
Ausbesserung, sowie 5 pCt. Verzinsung der Kette oder des Seiles werden
jedoch 17 pCt. benöthigt, was bei ersterer jährlich 170000 Kr, bei letzterem
85000 Kr ausmacht. Somit ein Verkehr für zumindest 15 Kettenschiffe oder
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Dampfschifiahrt. 269
7 Seiltauer vorhanden sein mûsste, damit eine Tauerei ^^irthschaftlicher als
ein Raddampferbetrieb werde.
Die Tauerei wird daher nur auf solchen Flüssen angewendet werden, auf
welchen die Wassertiefen nicht mehr ausreichen, um leistungsfähige frei-
fahrende Zugdampfer verwenden zu können. Auf Flüssen mit genügenden
Fahrtiefen, welche die Verwendung von stärkeren tiefertauchenden Zugdampfern
zulassen, soll man jedoch letztere vorziehen. Der Hauptvortheil eines Tauers,
sein im Verhältnis zu seiner Nutzleistung geringer Kohlenverbrauch, wird
eben durch seine mannigfachen Nachtheile im Betriebe aufgehoben, weshalb
derselbe nur unter besonderen Umständen in Betracht gezogen werden kann,
und zwar: Wenn ein grosser Bergverkehr besteht und die Verfassung des
Wasserlaufes es gestattet, grosse und lange Schleppzüge zu bilden; wenn bei
grosser Stromgeschwindigkeit geringe und gleichmässige Tiefen des Fahr-
wassers und wenig Geschiebeführung vorhanden sind und endlich, wenn wegen
des geringeren Kohlenverbrauches mit hohen Kohlenpreisen und wegen An-
schaffung der Kette oder des Kabels mit niederen Eisenpreisen gerechnet
werden kann.
Zngsversnche mittels endloser Kette. Um die grossen Kosten der An-
schaffung einer Kette oder eines Kabels zu vermeiden, hat man versucht,
feste Stützpunkte für einen Dampfer dadurch zu schaffen, dass man ihn auf
einer, um seinen Körper herumgehenden Kette vorwärtsgehen liess. Dieser
Versuch einer Tauerei mittels endloser Kette bestand darin, den gewöhn-
lichen Kranz des Schaufelrades durch eine Kette zu ersetzen und hierdurch
ein Kettenrad zu schaffen, welches am Boden des Flusses fortrollte.
Bild 183.
Die Kette kann man. in der Längsrichtung des Schiffes über dasselbe
laufen lassen. Am Deck gehen die Ketten über Tragrollen, am Bug und
Achter über Ausleger (Bild 183). Die um das Schiff laufenden Ketten tauchen
am Vorderschiff unter Wasser, laufen am Flussgrunde und steigen am Hinter-
schiff wieder auf. Werden nun eine oder mehrere als Kettenrollen
(Spill) ausgebildete Tragrollen durch eine Dampfmaschine in Umdrehung
gesetzt, so wird die Kette bewegt, weil aber der auf der Sohle liegende
schwere Kettentheil die Kette zu gleiten verhindert, so muss sich der Tauer
nahezu mit der Geschwindigkeit des Kettenlaufes vorwärts bewegen. Selbst-
verständlich muss das am Boden ruhende Kettengewicht immer die genügende
Reibung für den Tauer und seinen Schleppzug geben.
Dupuy de Lome hat bei seinen Versuchen auf der Rhône, um die
nothwendige Reibung am Flussboden zu bekommen, zwei schwere Ketten von
IOC kg für den laufenden Meter verwendet und die Vorrichtung derart ein-
gerichtet, dass sich die Kette den veränderlichen Flusstiefen annähernd
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270
III. Binnenschiffahrt.
anschmiegen konnte. Auch die Erste k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrts
gesellschaft hat mit endloser Kette und mit Kettenstangen Versuche gemacht,
welche zwar kein ungünstiges Zugsergebnis, jedoch eine ungenügende Steuer-
fähigkeit des Schiffes ergaben.
Die Triebart mittels endloser Kette konnte nur dort anwendbar sein,
wo gleichmässige und nicht zu grosse Tiefen vorhanden sind. Ist ersteres
nicht der Fall, so hätte die Kette auf den flachen Strecken eine zu grosse
Länge und würde sonach nicht lang ausgezogen, sondern klumpenweise auf
der Sohle liegen. Beim Anheben oder Anziehen würde sie daher nicht
sogleich den nöthigen Widerstand leisten, sondern sie müsste, ehe dieses
geschieht, zunächst in der erforderlichen Länge gestreckt werden. Die hier-
Bild 184. Wasserlokomotive.
auf verwendete Kraft ist dann für die Bewegung des Schiffes verloren. Wird
die Tiefe aber grösser, so vermindert sich wieder die Länge, in welcher die
Kette auf dem Grunde liegt und damit die zur Fortbewegung erforderliche
Reibung.
Die Zugsweise mittels Kette ohne Ende ist übrigens rücksichtlich der
Kanalschiffahrt einer noch reiflicheren Prüfung werth. Das System verlangt
vor allem, dass die Kettenlänge, welche vorne ins Wasser geht, immer mit
der Wassertiefe überein-
stimme, dass sie also nie
zu kurz sei, wodurch die
Reibung ungenügend und
die Kette gleiten würde
und dass sie nicht zu lang
sei, wodurch vor dem
Schiffe am Flussgrunde
unliebsame Verschlingun-
gen entstünden. In diesem
Falle kann man nicht steuern, weil der hintere Kettentheil, straff gespannt,
grossen Widerstand leistet, der vordere aber lose ist und nachweicht, wodurch
' das Schiflf am Achter von der Strömung abgetrieben und herumgedreht wird.
Durch entsprechende Verschiebung und Hebung der vorderen Tragrollen,
welche über einem weit über den Bug gehenden Ausleger angebracht sein
müssten, könnte man übrigens diesen Uebelständen vielleicht abhelfen.
Wasserlokomotive und Wasserrad. Das Prinzip, die gleitende Reibung
eines Wasserfahrzeuges in eine rollende umzuwandeln und dadurch
den Widerstand, den das Wasser seiner Bewegung entgegensetzt, zu [ver-
mindern, hat Hüet und Wernigh dazu geführt, sogenannte Wasserloko-
motiven vorzuschlagen. Ersterer setzt grosse hohle Tonnen, auf welchen
Bild 185. Wasserrad.
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Dampfschiffahrt. ay I
ein die Ladung aufnehmender Träger ruht, in Umdrehung und wendet in
roher Form den Gedanken Bazin' s , Seeschiffe mit grossen rotirenden hohlen
Stahllinsen fortzubewegen, auf die Binnenschiffahrt an. Letzterer wendet
hohle, mit Schaufeln besetzte Trommeln an, die von der Kraft der Strömung,
ähnlich wie die Wasserräder der Schiffmuhlen, angetrieben werden sollen
und dadurch die Aufwicklung einer im Strome liegenden Tauerkette bewirken.
Mit dem Wernighschen Propeller (Bild 184) wurde 1884 an der oberen
Schleuse des Landwehrkanales in Berlin ein unentschiedener Versuch durch-
geführt.
Endlich ist noch Barlow anzuführen, welcher grosse Trommel Wasser-
räder vorschlägt, die an ihrem Umfange an Charnieren eine Anzahl beweg-
licher Schaufeln tragen, welche sich in der Ruhelage an den Trommelumfang
anschmiegen, während der Trommelumdrehung jedoch vom strömenden WasscF
in eine radiale Stellung zur Trommel gebracht werden, die Trommel hier-
durch in Umdrehung bringen, die dann eine am Flussgrunde liegende Tauer-
kette aufwindet. Je nach der Wassertiefe kann die Achse der Trommel ge-
senkt oder gehoben werden. (Bild 185.)
Wirthschaffliche Zngsmittel. Ueber die Frage, welche Zugsmittel in der
Fluss- und Kanalschiffahrt den wirthschaftlichsten Betrieb ermöglichen,
sind die Ansichten noch nicht geklärt. Die Zahl der auf Kanälen erprobten
Zugsmittel ist beispielsweise Legion.
Die Ursache, warum die Ansichten auch massgebender Fachmänner
in dieser Frage nicht übereinstimmen, liegt darin, dass jeder derselben sich
nur auf die Beurtheilung jener Zugsart beschränkt, welche auf dem ihm
bekannten Fluss- und Kanalgebiete angewendet wird. Wenn aber diese
unter den diesen Gebieten eigenthumlichen Verhältnissen auch ein. gutes Er-
gebnis liefert, so wird sie auf anders gestalteten Wasserläufen wieder einen
minderen wirthschaftlichen Nutzen zeigen.
Während sich so der Tauereibetrieb am Neckar wegen seines grossen Ge-
fälles, geringer Wassermenge und geringer Fahrtiefe, insbesondere aber wegen
der Möglichkeit, mit demselben lange Schleppzuge anzuwenden, gut bewährt,
war man gezwungen, die Kettenschiffahrt auf der Donau 1901 gänzlich auf-
zulassen. Die Abnutzung der Kette war eine zu grosse, die Kettendampfer
konnten zu Thal an der Kette nicht fahren und mussten deshalb die Maschinen-
anlage eines starken Zugdampfers, also ausser den Tauereieinrichtungen noch
eine vollständige Schaufelradmaschine erhalten, wodurch sowohl die Bau- als
auch die Betriebskosten derselben fast die gleiche Höhe wie jene des frei-
fahrenden Raddampfers erreichten. Das Anlagekapital für die Kette konnte,
weil der Verkehr auf derselben ein viel zu geringer war, nicht annähernd
verzinst werden. Die schwierigen Schiffahrts Verhältnisse bedingten fort-
währende Hilfe der Kettendampfer durch die freifahrenden Dampfer, wodurch
für letztere nicht unwesentliche Betriebsstörungen entstanden und die Zahl
der Kettenbrüche in den grossen Strömungen erreichte schliesslich eine solche
Zunahme, dass der Betrieb gefährdet war. Ein Grund der Auflassung des
Tauereibetriebes auf der Donau lag weiters auch darin, dass er einen strecken-
weise unterbrochenen Betrieb verursachte, weil man die Kette in einigen
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272
Ш. Binnenschiffahrt.
Stromabschnitten, wie im klippenreichen Flussbett des Strudens, oder im
Felsengehâchel bei Aschach und bei Hofkirchen, nicht sicher lagern konnte.
Zweckmässiger Fahrpark auf verschiedeuen Stromstreeken. Das wirth-
schaftliche Ergebnis jedes Zugmittels hängt daher in erster Linie von seiner
Anpassung an die dem betreffenden Wasserlaufe eigenthûmliche Verfassung
ab. Nach dem Stande des heutigen Maschinen- und Schiffbaues werden auf
den verschiedenen Abschnitten eines Flusses am zweckdienlichsten
folgende Zug- und Fahrmittel verwendet:
Im Oberlaufe eines Flusses mit einer Mindesttiefe von nur 0,60 bis
0,80 m und dementsprechend geringen Fahrbreiten wird man Schleppe
mit keiner grösseren Tragfähigkeit als 100 bis äusserst 200 Tonnen in Ver-
wendung bringen können. Als Zugsmittel wird ein Heckraddampfer
von 120 bis 150 i. HP mit einem Tiefgange von 0,60 bis 0,70 m verwendet
werden müssen. Weniger als 0,60 m Tiefgang kann man ihm nicht
geben, weil derselbe sonst in schärferen Strömungen eine zu geringe Nutz-
leistung hat.
Ein Nachtheil des Heckraddampfers liegt übrigens ausser in dem
verhältnismässig geringen Wirkungsgrade des am Achter angebrachten Schaufel-
Bild 186. Schraubenbugser für tiefe Stromstrecken.
rades noch darin, dass letzteres sich an seichten Stellen auf dem Grunde
ansaugt, wodurch die Zugsleistung zeitweilig vermindert, an Stellen mit
grösserer Strömung aber oft gänzlich aufgehoben wird.
Ist die Gestaltung des Flussbettes derart, dass sich grössere Fahrbreiten
ergeben, so wird deshalb ein seichter Seitenraddampfer dem Heckrade vor-
zuziehen sein. In beiden Fällen ist jedoch die Nutzleistung im Zuge eine
verhältnismässig geringe. Der Tauereibetrieb wird aber nicht immer möglich
sein, und die wirthschaftlich arbeitende Schraube ist auf einer solchen Strom-
strecke wegen der geringen Tauchungsmöglichkeit derselben nur bedingt
(siehe Abschnitt 10) anwendbar.
Es ist demnach mit den heute bestehenden Zugsmitteln ein wirthschaft-
lieber Schleppzug im Oberlaufe eines Flusses nur in dem Falle möglich, wenn
derselbe eine gleichmässige und geringe Strömung, entsprechende Strombreiten
und Tiefen von mindestens 0,80 bis i m aufweist.
Im Mittellaufe eines Flusses bis zu einer Mindesttiefe von 1,50 m
und entsprechenden Fahrbreiten ergeben die grösseren Schleppe mit einem
Tragvermögen von 400 Tonnen, sowie Seitenraddampfer mit starken Zwei-
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Dampfschiffahrt. 273
cylindermaschinen von 400 i. HP bei einem Tiefgange von 0,80 m bereits einen
günstigen Betrieb. Die wirthschaftlichere Schraube kann aber bei diesem
Tiefgange vortheilhaft noch immer nicht verwendet werden und erst in Fiuss-
tiefen von über 1,50 m wird mit derselben ein wirthschaftlicher Betrieb
möglich sein.
In den zumeist grösseren Tiefen des Unterlaufes eines Flusses werden
jedoch Schraubenboote mit 200 bis 400 i. HP (Bild 186) im Vereine mit
Schleppen von 600 bis 1000 Tonnen Tragfähigkeit den Schiflfahrtsbetrieb
immer lohnend gestalten.
Yortheilhafte Maechinensysteme. Von den Maschinensystemen eignet
sich bei Raddampfern am besten die schrägliegende Zweicylinder-
maschine (Compound), deren Gewicht auf eine grössere Länge des Schiffs-
körpers vertheilt ist und bei richtiger Bauart der Maschinenrahmen und
Fundamente gleichzeitig den Schiffskörper gut versteift, folglich andere Längs-
verbände ersetzt, wodurch der Dampfer bei grosser Belastung doch ent-
sprechend leicht gebaut werden kann. Ferner wirken bei dieser Anlage die
durch den Gang der Maschine, durch die bewegten Massen der Kolben und
Stangen beim Hubwechsel auftretenden Stösse fast nur in der Längsrichtung
des Schiffes, in welcher dasselbe am widerstandsfähigsten ist. Die Compound-
maschine hat endlich noch den Vorzug, dass deren Kraft gegebenen Falles
durch grösseren Dampfeinlass in die Cylinder stark erhöht werden kann, was
zur Ueberwindung starker Sturzgefälle in einem Strome von grossem Vor-
theil ist.
Die wirthschafdicher als die Compoundmaschine arbeitende Drei-
Cylinder-Maschine (Triplex) ist im Scfileppzuge nur dann vortheilhaft
anwendbar, wenn sehr lange Fahrstrecken ununterbrochen zurückgelegt werden
können, weil nur in diesem Falle der durch die erhöhte Expansion sich
ergebende geringere Kohlenverbrauch zum Ausdruck gelangt.
Die Schleppleistung der mittelstarken Raddampfer mit Compound-
Maschinen stellt sich auf der mittleren Donau bei 5 km Fahrgeschwindigkeit
auf etwa 2,8 Tonnen für eine indizirte Pferdekraft. Die Betriebskosten: die Aus-
gaben für Kohle, Schmiere, Löhne, Unterhaltungs- und Herstellungskosten stellen
sich im Mittel für eine indizirte Pferdekraft und Fahrstunde auf Kr 0,028
und die geschleppte Tonne für eine Stunde somit auf — ^- = 1,00 Heller,
oder pro tkm auf -^ — = 0,20 Heller.
5
Von den Schraubenmaschinen kommt in der Flussschiffahrt fast
ausschliesslich die leichte, senkrecht stehende Hammermaschine mit zwei
Cylindern zur Anwendung. Man wendet, wo es der Tiefgang zulässt, vor-
theilhaft eine Schraube mit grösserem Durchmesser, sonst aber zwei Schrauben
mit kleineren Durchmessern an.
Die Schleppleistung gut konstruirter Schraubenbugser stellt sich im
Donaubetriebe bei 5 km Zugsgeschwindigkeit auf 3,0 Tonnen für eine i. HP,
die Betriebskosten für eine i. HP und Fahrstunde auf Kr 0,027, somit die
Snppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt x8
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274
III. Binnenschiffahrt.
о 037
geschleppte Tonne in der Fahrstunde auf — = 0,90, oder pro tkm auf
°J^ = 0,18 Heller.
Schraubenrad. Im Allgemeinen «ollte aber dahin gewirkt werden, für
den FlussschifTahrtsbetrieb einen einheitlichen Propeller zu schaffen. Die See-
schifiahrt verfügt dadurch, dass sie grosse Tauchungsverhältnisse zulâsst, in
der Schraube ober einen solchen. Die Schraube kann aber wegen ihres ver-
hältnismässig grossen Durchmessers in der Binnenschiffahrt nur unter aus-
nahmsweise günstigen Verhältnissen, zumeist nur im Mittellaufe und den
tieferen Mündungsgebieten angewendet werden, während sich die übrigen
Flussgebiete bis nun mit dem bei weitem unwirthschaftlicheren Schaufelrade
oder mit der viele Nachtheile besitzenden Tauerei behelfen müssen.
Die Frage, wie auf seichten Flussstrecken mit geringen Fahrbreiten
und grösserer Strömung, überhaupt in der gesammten Fluss- und Kanal-
schiffahrt ein einheitlicher und wirthschaftlicher Zug eingerichtet
werden kann, ist daher noch ungelöst.
Um die gegenüber dem Schaufelrade wirksameren Propulsionsflächen
der Schraube der Binnenschiffahrt anzupassen, wurden in neuester Zeit Ver-
suche mit einem neuartigen Propeller, dem sogenannten „Schraubenrade**
gemacht, welche ergeben haben, dass mit diesem schon bei einer Eintauchung
von 0,40 m ein nicht ungünstiger Wirkungsgrad erzielt werden kann.
Die Wirksamkeit dieses Schraubenrades gegenüber jener des Schaufel-
rades und der Schraube ist folgende: Bekanntlich kann das Schaufelrad
bei einer grösseren Umdrehungszahl dauernd nicht mehr verwendet werden,
weil einerseits die Radtheile, besonders bei den Rädern mit beweglichen
Schaufeln, dieses nicht mehr aushalten, anderseits die einzelnen Schaufeln bei
grosser Umfangsgeschwindigkeit von ihrem Wirkungsgrade vertieren, weil das
Wasser dann keine Zeit mehr findet, sich hinter den einzelnen Schaufeln zu
erneuern. Ein Schaufelrad kann daher wirksam höchstens bis zu einer Um-
drehungszahl von 60 in der Minute oder bis zu einer Umfangsgeschwindigkeit
von 8 m in der Sekunde Anwendung finden. Die Schiffsschraube verträgt
dagegen allerdings eine grosse Umdrehungszahl, sie arbeitet aber nur dann
mit guter Nutzleistung, wenn sie eine im Verhältnisse zu ihrem Durchmesser
grosse Tauchung hat. Das Schraubenrad lässt nun eine verhältnismässig
hohe Umdrehung bis 200 in der Minute und eine geringe Tauchung von
0,40 m zu und ermöglicht die Anwendung grosser Druckflächen bei gleichzeitiger
Ausscheidung der bei der gewöhnlichen Schiffsschraube unwirksamen Mittel-
theile. Ausserdem wirkt der von den Flügeln des Schraubenrades ausgeübte
Druck stetig und es werden die seitlichen Drücke vermieden, wodurch der
Wellenschlag verringert wird, was besonders für den Kanalbetrieb mit Rück-
sicht auf die Beschädigungen der Kanalufer und Böschungen wichtig ist.
Das Schraubenrad besteht im wesentlichen aus einem Rade, welches
eine Anzahl von, nach Schraubenflächen gekrümmten Flügeln trägt und auf
einer oberhalb der Wasserfläche angeordneten parallel zur Schiffsachse laufen-
den Welle, die durch eine gewöhnliche Hammermaschine oder* durch eine
Dampfturbine angetrieben wird, befestigt ist.
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Dampfschiffahrt.
275
Bild 187 zeigt die Schraubenräder eines Dampfers mit 36 i. HP, welcher
für den seichten Weichselfluss projektirt wurde und einen grössten zulässigen
Tiefgang von 0,40 m hat. Von den zwei Schraubenrädern dreht sich das
linksseitige, Backbordrad, in der Pfeilrichtung, während das daneben liegende
Steuerbordrad von einer zweiten Welle angetrieben wird und in zu der Pfeillinie
entgegengesetzter Richtung arbeitet. Die Anordnung der Maschine und
Schraubenräder am Schiffsachter ist im Bilde oben links, ersichtlich. Der
jgrösste Durchmesser der Räder beträgt 1,05 m.
Ppobeepgebnisse eines Schraubenraddampfers. In folgender Tabelle sind
die Ergebnisse der Versuchsfahrten mit Schraubenrädern bei An-
ordnung derselben hintereinander gegenüber einer gewöhnlichen Schraube
enthalten. Das vordere rechtsgängige Rad sitzt auf einer Hohlwelle, das
hintere linksgängige Rad an einer in dieser gehenden Vollwelle (Bild 188.)
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525 315
Pre
800
)be mit der ursprünglichen gewöhnlichen Schraube:
360 0,22 0,063 0,063 22,60 12,30 5,90 j 42,2 pCt. 458 7269
11
1500
IIOO
1500
130
Prob
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0,100
dem
0,300
Schra
8,20
ubenr
10,00
adpaa
7,47
re:
14,5 pCt.
ao54
684,6
In der Zusammenstellung fällt insbesondere der gegenüber der gewöhn-
lichen Schraube geringe Slip der Schraubenräder auf, welcher bei lokm
stündlicher Geschwindigkeit 14,5 pCt. gegen 42,2 pCt. der gewöhnlichen
Schraube bei 12,3 km Schiffsgeschwindigkeit beträgt. Während die Schrauben-
räder zu 10 km 8,20 i. HP benöthigten, verbrauchte die Schraube bei 12,3 km
22,6 i. HP. Die 12,3 km Geschwindigkeit konnte nur innerhalb ganz kurzer
Fahrzeiten bei äusserter Maschinenleistung erreicht werden, während die 10,00 km
-mit den Rädern die mittlere angeforderte Dauerleistung darstellen. Eine
höhere Maschinenleistung und als Folge davon eine grössere Geschwindigkeit
konnte aus dem Grunde nicht erreicht werden, weil einerseits der Dampfdruck
auf den Kolben der Maschine für die grosse eingetauchte Schraubenfläche
(0,300 m^ gegen 0,063 "^*) bei höherer Umdrehungszahl als 130 zu gering
*) Vj =
H . u
60 •
18*
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276
III. Binnenschiffahrt.
war, und andererseits wegen des beschränkten Raumes ein Vorgelege nicht
angebracht werden konnte. Es ist aber bekannt, dass sich die erforderlichen
Maschinenleistungen wie die dritten Potenzen der zugehörigen Schiffs-
N V 3
geschwindigkeiten verhalten, ^ = -^ , demnach für die Schraubenräder bei
einer Geschwindigkeit von 12,3 km in der Stunde eine indizirte Leistung von
(12 4) '
Nj =8,2 — —r^ = 15,26 Pferdestärken benöthigt worden wären.
Die obigen Ergebnissen zu Grunde liegenden Versuchsfahrten wurden
Bild 187. Backbord-Schraubenrad zweier nebeneinander gelagerten Räder. (M. i : 17)
GrOsster Durchmesser 1050 mm.
Steigung aaoo mm.
Abgewickelte Flügelfläche eines Flügels 1376 cm«.
Projizirte , 986 cm*.
in der Weise ausgeführt, dass mit einem mit der gewöhnlichen Schraube
ausgerüsteten Dampf bugser (Bild i88) eine Reihe von Fahrproben unternommen
Bild 188. Versuchsdampfer mit hintereinander angeordneten Schraubenrädern.
und sodann an Stelle der Schraube die zwei Schraubenräder aufgesetzt und wieder
die gleiche Anzahl Fahrversuche unter den gleichen Verhältnissen imd Be-
dingungen durchgeführt wurden.
Das Schraubenrad ist deshalb besonders erwähnenswerth, weil es bei seiner
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DampfschiÔahrt.
277
Einfachheit und dem Umstände, dass es wie die Schiffsschraube mit <ier gegen-
über der Schaufeh*admaschine viel leichteren und billigeren Schrauberimaschine
betrieben werden kann, die Möglichkeit giebt, Dampfer mit geringem Tiefgang
und doch starker Maschinenkraft bauen zu können, was insbesondere für die
Erschliessung der unregulirten und streckenweise sehr seichten Flüsse der
Kolonialländer von Wichtigkeit ist. Besitzt aber die Binnenschiffahrt einmal
einen Fortbeweger, welcher bei jeder Fahrtiefe die Anwendung der Schrauben-
maschine mit ihrer hohen Umdrehungszahl und grossen Kolbengeschwindig-
keit zulässt, so kann in derselben, wie dieses auch in der Seeschiffahrt ge-
schehen ist, die schwere und deshalb theuere, sowie nur eine geringe Kolben-
Bild 189. Schraubenraddampfer für Kanäle und seichte Flüsse.
geschwindigkeit zulassende und deshalb unwirthschaftlicher arbeitende Schaufel-
radmaschine entfallen. Einen seichten Schraubenrad-Personendampfer zeigt
Bild 189.
Dampfturbine. Zum Schluss soll noch auf die Zukunft der Schiffsdampf-
maschinen, auf die Dampfturbine, hingewiesen werden, welche eine wesent-
lich leichtere Maschinenanlage als selbst die einfache Schraubenhammermaschine
darstellt'und die allerdings bis heute nur in den Torpedobooten „La Viper"
und „Le Cobra", welche unterdessen zur See verunglückt sind, ferner in
der „Turbinia" und in letzter Zeit mit grossem Erfolge bei den Persotien-
dampfem „Edward VII." und „Queen Alexandra" Anwendung gefunden
hat, die aber für die Fliissschiffahrt jedenfalls auch vortheilhaft sein würde.
Bei entsprechender Anordnupg der Turbinen und mit Einschaltung vc^n
Zwischenvorgelegen könnten die оЬей beschriebenen Schraubenräder ganz gut
angewendet werden.
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278
III. Binnenschiffahrt.
Die Anordnung einer
Dampf - Turbinen - Anlage,
System Parson, mit 9 Schi^u-
ben veranschaulicht Bild 190,
Der Vortheil der Parson-
turbine liegt darin, dass bei
derselben die Expansions-
arbeit des Dampfes ausser-
ordentlich ausgenützt wird.
Bei „Edward VII.« soll die
Gesammt - Expansion eine
120 fache sein. Während bei
der Lavalturbine der
Dampf, nachdem er mit
grosser Geschwindigkeit au!»
einzelnen Düsen ausgeströmt
und auf die Laufräder eine^
Achslalturbinenrades gewirkt
hat, dieses mit n^ezu dem-
selben Drucke als wie er
eingetreten, verlässt, da-
her weniger wirthschaftlich
arbeitet, wirkt er bei Parson
auf eine grössere Anzahl
hintereinander an .derselben
Welle angeordneter und
durch feststehende Leit-
sch^ufeikränze von einander
getrennter Laufräder, so dass
in jedem dieser nur einBruch-
theil des ganzen Druckgefälles
des Dampfes verbraucht wird.
Entsprechend dem wachsen-
den Dampf Volumen muss der
Durchmesser der aufeinander-
folgenden Laufräder zu-
nehmen, welches Parson durch
die Anordnung mehrerer
nacheinander von Dampf
durchströmter Compound-
Turbinen erreicht.
Die im Bilde dargestellte
„Turbinia" hatte neun auf
drei Achsen vertjieilte
Schrauben und weiten die
drei Turbinen, welche die
Achsen antrieben, derart mit-
einander verbunden, dass die
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Dampfschiffahrt 279
eine als Hochdruck-, die zweite als Mitteldruck- und die dritte als Nieder-
druckturbine arbeitete, wodurch der Dampf von 12 Atmosphären Anfangs-
spannung bis aül 0,7 Endspannung expandiren konnte. Jede Schraube hatte
einen Durchmesser von 460 mm und lief bei voller Geschwindigkeit mit
2200 minutlichen Umdrehungen. Vor der Niederdruckturbine, welche die
mittlere Schraubenachse antrieb, war für den Rückwärtsgang des Schiffes eine
vierte Turbine, die Reversirturbine angebracht, welche während des
Vorwärtsganges leer mitlief.
Die Turbinenanlage des 1901 vom Stapel gelaufenen „Edward VII." ist
eine ähnliche. Von seinen 5 Schrauben läuft die mittlere grössere mit 700
und die beiden äusseren Achsen, welche je zwei kleinere Schrauben tragen,
mit 1000 Umdrehungen in der Minute. Die ganze Maschinenanlage ist bei
einer Leistung von 3500 i. HP 66 Tonnen schwer und ertheilt dem Schiffe
eine Geschwindigkeit von 37 km in der Stunde.
Wirtbscbafllicher Sehlepptyp. Wenn aber die Schaffung eines einheit-
lichen Zugsmittels in der Binnenschiffahrt sich noch im Versuchszustande
befindet, so ist die Frage, welche Form und welche Bauart den zu
ziehenden Fahrmitteln gegeben werden sollen, im grossen Ganzen als gelöst
zu betrachten.
Von einem wirthschaftlichen Schlepptyp wird verlangt:
1. dass er bei möglichst geringem Tiefgange sehr viel trage^
2. dass er eine möglichst leichte und wohlfeile Konstruktion bei genügen-
der Stärke gestatte, wobei die todte Last auf ein Minimum verringert
wird und
3. dass zu seiner Fortbewegung möglichst wenig Kraftaufwand erfor-
derlich sei.
Punkt I auf die Spitze getrieben, würde bedingen, dass der Schlepp als quadrat-
förmiger Kasten, Punkt 2 dass er cylindrisch oder halbkugelförmig gestaltet
sei. Je mehr man sich diesen beiden Formen nähert oder je kurzer,
breiter und voller man daher die Bauform wählt, um so mehr Tragfähigkeit
kann man mit einem gegebenen Gewichte Eisen erreichen. Diese beiden
Punkte müssen aber mit dem dritten in Einklang gebracht werden, welcher
wieder fordert, dass die Schiffe möglichst schlank, das heisst im Verhältnis
zu ihrer Breite entsprechend lang gehalten werden sollen.
Nachdem jedoch die von Froude, sowie die in neuerer Zeit durchgeführten
Zugsversuche über den Widerstand der Schiffe gegen den Zug klargelegt haben,
dass die Reibung der Schiffsoberfläche den ausschlaggebenden Theilbetrag des
Gesammtwiderstandes bildet, so steht der dritte Punkt, die Bedingung geringen
Widerstand zu erzielen, nicht mehr im starren Gegensatze zu jener, die
grösste Tragfähigkeit zu erhalten, weil man auf die Schlankheit und Schärfe
der Bauform nunmehr keinen so grossen Werth legen muss und einen wirth-
schaftlichen Typ ohne weiters auch schon bei einem Verhältnis der Länge
zur Breite von 8 zu i und bei einer Völligkeit von 0,80 erhalten kann.
Insbesondere die in den letzten Jahren ausgeführten Versuche haben in
Bezug auf wirthschaftliche Schiffsformen zu folgenden Schlüssen geführt:
I. Nachdem der Oberflächen- oder Reibungswiderstand den bei weitem
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28o
III. Binnenschiffahrt.
überwiegenden Prozentsatz des Gesammtwiderstandes bildet, so sind nur
solche Schleppkörper zu verwenden, deren benetzte Oberflächen mög-
lichst glatt, demnach sorgfältig gestrichene Eisen- und Stahl-
flächen sind.
2. Mit Rücksicht darauf, dass der Formwiderstand je nach der Lage des
gezogenen Schleppes zum Stromstriche grösser und kleiner, am kleinsten dann
wird, wenn der Schlepp während des Zuges parallel mit dem Stromstriche
sich in der verlängerten Achsenrichtung des ziehenden Dampfers befindet,
sind den Schleppkörpern, damit sie an den Zugseilen in dieser Richtungslage
erhalten werden können, derartige Formen zu geben, welche ihnen eine
empfindliche und ruhige Steuerfähigkeit ermöglichen. Jenen Schleppen
aber, welche in Folge ihrer Abmessungen oder Formen keine genügende Steuer-
tähigkeit besitzen, muss diese durch eine entsprechende mechanische Steuerungs-
vorrichtung ertheilt werden.
Des Weiteren ist es ohne weitläufige Erklärungen wohl klar, dass die
Zugskosten am Wasserwege für eine Nettoeinheit um so geringer ausfallen
müssen, je grösser die Beförderungsschalen gehalten sind. Nimmt man einen
Tiefgang als gegeben an,, so wird ein doppelt so grosser, zweimal so langer
und zweimal so breiter Schlepp viermal so viel tragen, als der einfache,
während vier einfache Schleppe bedeutend mehr benetzte Oberfläche, daher
Reibungswiderstand haben und deren Anschaffungs- und Erhaltungskosten,
sowie deren Bedienung viel grösser als die eines grossen Schleppes sind..
Selbstverständlich ist man in den Abmessungsgrenzen der Binnenfahrzeuge
durch die Verfassung des Wasserlaufes und theilweise auch durch die kauf-
männischen Erfordernisse be-
schränkt, letztere stehen wieder
mit der Anlage von Speichern,
Lagerhäusern und Ladevor-
richtungen u» s. w. im Zu-
]ц sammenhange.
gf Alle diese Forderungen mit
I i jener in Verbindung gebracht,
— ^-* den Schleppen bei geringstem
Bild 191. Querschnitt eines seetüchtigen Flussschiffes. Leertiefgange die grösste Trag-
fähigkeit zu geben, sichern
dann die Wirthschaftlichkeit eines BinnenschifTahrtsbetriebes.
Seeleichter. Anzufahren ist noch der Typ der sogenannten Seeleichter,
welche das Bindeglied zwischen den Binnen- und Seehäfen darstellen und so-
wohl als Binnenschiff als auch zur See verkehren sollen.
Die.Anzahl dieser sogenannten Seeleichter, welche 800 bis 1000 Tonnen
Tragvermögen haben, ist in den unteren Stromgebieten bereits beträchtlich.
Das Schleppen zur See ist allerdings mit einer grösseren Gefahr verbunden
und mangels einer entsprechenden Zugseinrichtung nicht vollkommen. Es
werden jedoch, um die Umladekosten in und aus dem Seedampfer zu
ersparen, trotzdem schwere Massengüter in Seeleichtem heute schon entlang
der Küste und auch über kürzere Seerouten, beispielsweise zwischen Eng-
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Dampfschiffahrt.
281
land und dem Rheine und zwischen Odessa und den Donaumündungen, ge-
schleppt.
Um jedoch die Frage eines unmittelbaren Verkehres zwischen Binnen-
häfen Ober See mit Seehäfen ausreichend zu lösen, müsste vor Allem eine
Bauforra gesucht werden, welche einerseits genügend Stabilität und Widerstand
gegen Wellengang besitzt, andererseits aber doch so leicht konstruirt ist, dass
sie in der beschränkten Stromtiefe noch eine lohnende Ladefähigkeit zulässt.
Von diesem Gesichtspunkt aus hat Go u tier den im Bilde 191 ge-
zeichneten Schraubendampfertyp vorgeschlagen, welcher durch entsprechende
Vertheilung der Laderäume Wasserballast aufnehmen und dadurch so tief ge-
taucht werden kann, dass er die zur Seefahrt ausreichende Stabilität erhält.
Bei Einfahrt in den seichteren Fluss wird das Wasser aus den Tanks
wieder ausgepumpt.
Bagger. Zur Binnenflotte mit Dampfbetrieb gehören endlich noch die
Baggerschiffe, welche zur Ausführung der Erdarbeiten unter Wasser
Bild 192. Eimerbagger mit Baggerprahm (Versenkplätte).
A Dampfkessel. С Dampfcylinder, D Auspuff, aj a« Transmissionsrftder, b — bj, C^— C3 Vorrichtungen zum Heben
und Senken des Schöpfwerkes und zum Verstellen des Baggers.
dienen, bei welchen es sich ausser dem Ausheben der Erdmassen, des
Baggergutes, in erster Linie noch darum handelt, das ausgehobene Material
zu verfuhren, auszuschieben. Letzteres geschieht auf längeren Strecken
mittels der Baggerprähme, auf kürzeren Entfernungen mittels eigener
Transportvorrichtungen, welche das Baggergut unmittelbar der Ablade-
stelle zuführen. In den meisten Fällen wird loses Material, Schlick und
Schlamm durch lange Rohrleitungen gepumpt und das ausgehobene Gut
gleichzeitig zur Aufführung von Dämmen und Uferböschungen verwendet.
Die einfachsten Bagger sind die Löffelbagger, welche die Arbeit der
Handschaufel mechanisch nachahmen, indem sie eine an einer Stange be-
festigte, löffelartige Schaufel durch ein Getriebe, unter gleichzeitiger Senkung
und Vorwärtsbewegung in die Hafen-, Fluss- oder Kanalsohle führen und
nach erfolgter Füllung wieder heben und in ein Boot entleeren.
Bei dem Drehschaufelbagger bilden zwei oder mehr um Achsen oder
Zapfen drehbare Schaufeln das Baggergefäss, welches in geöffnetem Zustande
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282
III. Binnenschififahrt.
auf die Sohle gesenkt wird, durch Drehung der Schaufeln in diese eindringt,
die dadurch losgetrennte Erdmasse aufnimmt, hebt und durch Oeffnen der
Schaufeln wieder ausfallen lässt. An Stelle der Schaufeln werden zur Hebung
von Steinen, gesprengten Felsmassen und Felskugeln starke Zangen verwendet,
welche ähnlich wirken. Der P rie stmann' sehe Drehschaufeibagger besteht
aus zwei Schaufeln, welche um ihre Achsen drehbar sind. Im Gestelle trägt
eine starke Achse eine grössere und zwei kleinere Kettentrommeln, an
welchen Ketten angreifen. Erster e geht über die Auslegerolle des Drehkrahnes
zu dessen Winde, die zwei letzteren wirken auf ein im Gestelle senkrecht
verschiebbares Querstück, von welchem Druckstangen ausgehen, die mit den
Schaufeln zwei drehbare Kurbelgetriebe bilden. Eine Kette dient zum Senken
des offenen Gefässes auf den Flussboden, die andere Kette zum Heben des
geschlossenen Gefässes. Durch Drehung des ganzen Krahnes wird das Gefäss
über einen nebenliegenden Prahm gehoben und mittels der Kette gesenkt,
wobei die Schaufeln sich selbstthätig öffnen und entleeren.
^^<^^^^'У<б11?лу/^у;^/б>^^^/^У/<^у^,^
Bild 193. Amerikanischer Saugbagger (M. i : 450) i. HP. = aoo, Leistung 175 cbm in
der Stunde.
Zu grösseren Baggerungen werden die Eimerkettenbagger und
die Pumpen- oder Saugbagger verwendet Einen Eimerbagger sammt
Baggerprahm zeigt Bild 192. Aus letzterem witd das zur Ausladestelle ge-
brachte Baggergut durch Oeffnen der verschliessbaren BodenstQcke entleert.
Mit den Pumpenbaggern wird das Material, wenn es lose ist und keinen
nennenswerthen Widerstand leistet, entweder mittels Pumpen durch Rohre
angesaugt, oder aber, wenn der Boden fester ist, mittels besonderer Zer-
kleinerungsvorrichtung zuerst losgetrennt und dann durch die Pumpen aus-
gehoben. Die Rohrleitung wird oft auf grosse Entfernungen unmittelbar bis
zur Abladesteile geführt. Bei dem im Bilde 193 dargestellten Pumpenbag^ger
ist am Buge die um die Achse а drehbare dreieckige Leiter gelagert, welche
an ihrer Spitze . die Zerkleinerungsvorrichtung trägt. Dieselbe besteht aus
einem Blockcylinder, der einarmige Schneideschaufeln trägt, welche sich durch
Umdrehung der Cylinder in die Sohle einbohren und diese ausschneiden. Den
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Dampfscbififahrt. 283
Antrieb der Schneidevorrichtung bewirkt die Welle W^ , welche mittels Zahnrad-
gestänges durch die Dampfmaschine bei M gedreht wird. Wj ist die Stopfbuchse,
in welcher sich die Achse des Blockcylinders bewegt. Das gelockerte Material
wird durch das Saugrohr, welches durch die in die Achse a eingeschalteten
Krümmer mit dem zur Pumpe führenden Hauptsaugrohre verbunden ist, befördert.
Die Druckleitung ist von einer Kreiselpumpe aus senkrecht in die Höhe ge-
führt und an eine 50 bis 70 m lange, seitlich . abzweigende Rohrleitung zur
Weiterbeförderung des Baggergutes angeschlossen. Soll letzteres noch auf
weitere Entfernungen, etwa 1000 m und mehr, befördert werden, so wird die
Leitung mit langen Schwimmröhren verbunden. Die Stangen S und S,
dienen zur Feststellung des Baggers.
Bei den neueren amerikanischen Pumpenbaggern hängt das Saugrohr
senkrecht vom Schiffsbuge herab. Dasselbe kann, der jeweiligen Arbeitstiefe
entsprechend, teleskopartig verlängert oder zusammengeschoben werden.
Die Schneidevorrichtung am Ende des Rohres besteht aus einer Anzahl ge-
krümmter Pflugscharen, welche während ihrer Umkreisung das abgetrennte
Material dem Saugrohre zuschieben.
Endlich sind noch die Spülbagger zu erwähnen, welche die Sohle
durch Wasser abspülen. Das gelockerte Material wird dabei von der Fluss-
strömung in tiefere Stellen abgeschwemmt. Zur Vertiefung des New-Yorker
Hafens wurde mit Erfolg die Wirkung zahlreicher dünner Wasserstrahlen,
welche unter Druck aus einem mit kleinen Löchern versehenem Rohre aus-
getrieben wurden, angewendet.
Zu den grossartigsten Baggereinrichtungen gehören jene am Mississippi,
dessen mächtige Geschiebeablagerungen ununterbrochen entfernt werden
müssen. Manche Saugbagger am Mississippi haben eine stündliche Leistung
von 4500 cbm.
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lo. Abschnitt.
Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf
seichten Flüssen.
Der Donaustrom. In Folgendem wird der derzeitige Stand der Schiff-
fahrt auf der Donau, dem Rhein, der Elbe, Oder, Seine und Rhône,
sowie die Bestrebungen, die Schiffahrt auf den seichten Wasserläufen der
Kolonialländer auszugestalten, behandelt.*)
Die Donau ist nächst der Wolga der mächtigste Strom Europas. Ihre
beiden Quellbäche, die Brege und Brigach entspringen am südöstlichen
Abhang des Schwarzwaldes und vereinigen sich in dem 678 m über dem
Meeresspiegel gelegenen Becken von Donaueschingen.
Die Donau strömt anfangs in südöstlicher Richtung, durchbricht dann
den Jura, dessen Südrand sie bis Regensburg begleitet. Ihr oberster Strom'-
lauf, von den beiden Quellen bis Ulm (649 m ü. M.), hat eine Länge von
269 km. Die Zuflüsse auf dieser Strecke sind links die Schmiech, Lauchart,
Lauter und Blau, rechts die Ablach, Ostrach und Kanzach. Nach dem ersten
grösseren Zuflüsse aus den Alpen, der Hier, erweitert sich das Donauthal
und wird flössbar, während es mit Dampfschiffen erst ab Regensburg befahren
werden kann.
Der gleichmässig breite Flusslauf von Ulm abwärts wird nur unterhalb
Stepperg und im Juradurch bruche oberhalb Kelheim verengt. Bei Regens-
burg (330 m ü. M.) erreicht der Strom seinen nördlichsten Vorsprung und fliesst
dann in einer sich bis Pleinting ausdehnenden grossen Thalebene nach Süd-
osten. Von da bis Pas s au bildet das Donauthal die erste Stromenge, das
Hofkirchener-Kachlet. Auf der Strecke von Ulm bis Passau (287 m û.
M.) münden in die Donau links die Brenz, Wörnitz, Altmühl, Nah, Regen und
Hz; rechts die drei grossen AlpenflOsse Lech, Isar und Inn, sowie die Günz,
Mündel, Zusam, Paar, Um, Abens, Laber und Vils.
Nachdem die Donau bei Engelhartszell das österreichische Gebiet betreten,
bildet sie bei Asch ach abermals eine Stromschnelle, welcher das breite Becken
von Eferding und das Durch bruchsthal von Linz (264 m ü. M.) folgen. Unter-
halb Linz verzweigt sich der Strom und bildet einige Inseln bis zur Strom-
enge Strudel, welchem sich dann das grosse TuUner- und das Wiener-
Becken mit dem Marchfeld anschliessen. Bei Wien hat die Donau eine
Meereshöhe von 155 m. Innerhalb Oesterreichs Grenzen münden in die Donau
links die Mühl, Krems, Kamp und der Grenzfluss March, rechts die Alpenflüsse
*) Die Schiffahrt auf der Wolga und dem Mississippi siehe VI. Theil.
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Schiffahrt ^auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen. 285
Traun, Enns, Ibbs, Erlaf, Pielach, Traisen, sowie die Wien, Schwechat
uncf Fischa.
Nachdem der Strom durch die Porta Hungarica, zwischen dem Leitha-
gebirge'und den Kleinen Karpathen, in Ungarn eingetreten, breitet er sich unter-
halb Pozsony (Pressburg) in das weite Strombecken der oberungarischen
Tiefebene aus und bildet die zwei ausgedehnten Inseln, die Grosse- und
die Kleine-Schütt. In diesem Becken fUessen rechts die Alpenflusse Leitha
und Raab, links die Karpathenflüsse Waag, Nyitra, Garam und Ipoly
zu. Bis zur Raabmündung führt der Strom groben Kies und hat das Be-
streben, seinen Stromstrich zu ändern.
Nach Esztergom erweitert sich das Donauthal und wendet sich von
Waitzen ab in südlicher Richtung, die Insel Szt. Endre umschliessend, in eine
grosse Ebene, welche nur bis unterhalb Budapest (iio m ü. M.) am rechten
Ufer von kleinen Bergzügen begleitet wird. Das Bett besteht dann aus
breiten regelmässigen Krümmungen, in welchen sich der Strom in massiger
Geschwindigkeit, zwischen Sandufern, Moorflächen und Sumpfwaldungen, bis
zu der rechts einmündenden Drau bewegt und durch Stromtheilungen viele
Inseln bildet, unter welchen die Csepel und Margita die grössten sind. In
diesem Abschnitte ist das Strombett bis zum Beginne der grossen Fluss-
krümmungen unterhalb Paks ein beständiges. Nach Paks verliert sich aber
der Kies und der Strom führt nur noch Sand und Schlamm, welche auch die
Ufer bilden, woraus sich die stellenweise grossen Tiefen und mächtigen Krüm-
mungen erklären, welche sich in fortwährender Bewegung befinden und deren
Uferschutz ausserordentlich schwierig und kostspielig ist.
Unterhalb der Draumündung wird der Stromlauf rechts von dem sich
annäherndem Gebirgszuge Fruska Gora begleitet, während das linke Ufer ein
weit ausgedehntes flaches Ueberschwemmungsgebiet bildet, aus welchem die
Theiss mit der Temes zufliessen. Bei Zimony-Belgrad empfängt die Donau
ihren grössten Nebenfluss, die Save, wird dann von den serbischen Balkan-
höhen in südöstliche Richtung gedrängt, nimmt am serbischen Ufer die
M or a va auf, worauf das nun mächtige Strombett unterhalb Bazias links von
den Ausläufern der Karpathen und rechts vom Balkan begrenzt wird und
die grossen Donaukatarakte und das Eiserne Thor (siehe Seite 89) bildet.
Bei Turn-Severin erreicht die Donau Rumänien und wälzt nun ihre
grossen Wassermassen in einem gleichmässig breiten und tiefen Bette träge
in einer grossen Tiefebene fort. In dem linksseitigen, ununterbrochen gleich-
förmigen Flachlande haben sich grosse Nebenarme des Hauptstromes mit
überbreiten Wasserstauungen, Seen und Sümpfen ausgebildet. An das rechte
Ufer nähern sich stellenweise massige Höhenzüge, wie bei Widdin, Rustzuk
und Sili'stria. Bei Rustzuk beträgt die Strombreite 1300, bei Silistria 3600 m
und reicht mit den Nebenarmen oberhalb Braila bis auf 3600 m. Am linken
Ufer fliessen dem Strome die Jidositza, Topolnitza, Schyl und die Aluta,
am rechten der Timok, die Arcer, der Lom, die Cibra, Ogost, Skit, der
Isker, die Vid und Osma zu. Unterhalb Silistria hat die Donau einen nord-
östlichen Lauf, nimmt links die Arcic sowie die Oltenica, rechts die Jantra
und die untere Lom auf, worauf das Donauthal bei Cernavoda eine nördliche
Richtung annimmt. Bei Cernavoda ist die Donau vom Schwarzen Meere
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286
III. Binnenschiffahrt.
60 km entfernt und wird von diesem nur durch einen niederen Bergsattel der
Dobrudscha getrennt, in welchem eine Kanalverbindung des Stromes mit der
am Meere liegenden Hafenstadt Constanza unschwer hergestellt werden könnte.
Nachdem der Strom links die Jalomniza und den Sereth mit der Buzeu
aufgenommen, verzweigt er in zahlreichen Armen, deren sumpfige Ufer ein
weites Ueberschwemmungsgebiet bilden. Der Hauptstrom ist stellenweise bis
I V2 km breit und bis 40 m tief. Die grösste der vielen Inselbildungen ist die
Maciner Insel bei der Hafenstadt Galaz, wo die Donau noch den von Norden
kommenden Pruth empfängt und dann in östlicher Richtung, unterhalb Tulcia
das grosse Delta bildend (siehe Seite 48), dem Schwarzen Meere zufliesst. Das
Deltagebiet hat eine Fläche von 3000 km*, die äussersten Mündungsarme
desselben liegen 96 km von einander entfernt.
FRANZ I.
Bild 194. Der erste Donaudampfer im Jahre 1830.
Die Stromlänge der Donau von Donaueschingen bis zur Sulinamündung
beträgt 2901 km. Von diesen sind 209 km von Ulm bis Regensburg nur für
kleine Holzfahrzeuge und Flösse fahrbar, während von Regensburg bis Sulina
auf 2432 km Dampfschiffahrt betrieben wird. Den ersten Donaudampfer
zeigt Bild 194. Das Stromgebiet der Donau umfasst 817 000 km*. Das Cie-
fälle, die Stromgeschwindigkeiten, die hauptsächlichsten Abmessungen des
Strombettes und die bestehenden Schiffahrtshindernisse der Donau sind im
I, Theile behandelt (siehe auch Seite 68 bis 75).
Schiffbarkeit der Donaustreeken. Bezüglich seiner Schiffbarkeit lässt
sich der Stromlauf in 6 Strecken theilen:
Oberlauf, i. Regensburg-Passau 153 km. Geringste Strombreite
80 m, geringste Fahrtiefe 1,10 m. Das Gefälle beträgt bis zur Stromschnelle
bei Hofkirchen auf je 1000 m im Mittel 0,210 m mit einer Stromgeschwindig-
keit von 1,00 m in der Sekunde, in der felsigen Stromschnelle 0,390 m mit
Stromgeschwindigkeiten von 1,30 bis 2,00 m in der Sekunde. Der Schlepp-
zug wird von Seitenraddampfern mit 300 bis 400 i. HP besorgt. Die
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen. 287
650 Tonnenschleppe verkehren meist mit halber Ladung. Die Schiffahrt durch
das Felsengehächel bei Hofkirchen ist schwierig.
2. Passau- Wien, 301 km. Geringste Strombreite 100 m, geringste
Fahrtiefe 1,00 m im Felsengehächel unterhalb Aschach. Gefälle 0,300 bis
0,550 m auf 1000 m, Stromgeschwindigkeit 1,80 bis 2,50 m in der Sekunde.
Der Betrieb geschieht durch Seitenraddampfer mit 400 bis 600 i. HP. Die
650 Tonnenschleppe fahren mit kaum Zweidrittel ihrer Ladefähigkeit. Die
SchiSahrt auf einzelnen Abschnitten ist schwierig.
3. Wien-Gönyö, 147 km. Geringste Strombreite 150 m, geringste
Tiefe 1,40 m. Gefälle von 0,250 bis 0,500 m auf 1000 m. Stromgeschwindig-
keit 1,50 bis 2,20 m in der Sekunde. Die Zugdampfer haben 400 bis
700 i. HP., die 650 Tonnenschleppe verkehren mit Zweidrittel Ladung.
Mittellauf. 4. Gönyö-Drencova, 808 km. Gleichmässig grosse
Strombreiten von wenigstens 190 m mit 1,80 m geringster Tiefe. Gefälle
0,021 bis 0,100 m auf 1000 m. Geschwindigkeit 0,65 bis 1,20 m. In Betrieb
sind alle Arten Zugdampfer von 200 bis 800 i. HP, sowie Schraubendampfer
von 100 bis 400 i. HP. Die Eisenschleppe von 650 bis 800 Tonnen und die
hölzernen Ruderschilfe von 300 bis 500 Tonnen Tragfähigkeit verkehren
zumeist mit voller Ladung.
■5. Drencova-Turn-Severin, 84km. Es ist dies die regulirte Katarakten-
strecke mit dem Eisernen Thor-Kanale, mit Stromgeschwindigkeiten von 2,50 bis
Ober 5,00 m in der Sekunde. Der Betrieb ist nur mit sehr starken Dampfern
möglich. Um einen vollbeladenen 650 Tonnenschlepp durch den Eisernen
Tliorkanal ziehen zu können, ist die Maschinenkraft zweier Zugdampfer mit
zusammen 1600 i. HP noth wendig.
Unterlauf. 6. Turn-Severin-Sulina, 939 km. Die grossen Strom-
breiten, die immer genügenden Fahrtiefen, sowie die geringen Stromgeschwindig-
keiten lassen die Verwendung aller Gattungen und Grössen von Fahrzeugen
zu. Hauptsächlich sind Schraubenboote im Betrieb. Die Schleppe haben bis
2000 Tonnen Tragvermögen. Ab Braïla besteht Seeschiffahrt.
Betriebswerth der einzelnen Donaustrecken. Entsprechend diesen ver-
schiedenartigen Stromverfassungen der einzelnen Strecken sind auch die
Betriebsleistungen auf denselben verschieden. Während ein Zugdampfer
von 600 bis 700 i. HP zwischen Gönyö-Drencova und T. Severin-Sulina,
in gleichmässigem Gefälle geringer Stromgeschwindigkeit, in Tiefen von nie
unter 1,80 m, in grossen Strombreiten und bei kaum nennenswerthen Schift-
fahrtshindemissen keinen Schwierigkeiten begegnet, zu Thal mit beliebigem
Anhange, zu Berg aber mit 8 vollbeladenen 650 Tonnenschleppen, eine
Nutzlast von 5200 Tonnen oder eine Gesammtlast von 6240 Tonnen mit 5 km
Fahrgeschwindigkeit in der Fahrstunde zurücklegt, kann derselbe auf den
Strecken Wien-Gönyö und Passau-Wien, wegen der grossen Strom-
geschwindigkeiten, der oft beengten, in jähen Krümmungen gehenden Fahr-
bahn, den Untiefen und Wechselströmungen, nur bei günstigem Wasserstande
zu Berg 3 voUbeladene 650 Tonnenschleppe mit einer Nutzlast von 1950 oder
einer Gesammtlast von 2280 Tonnen mit 5 km Fortgangsgeschwindigkeit ziehen
und zu Thal nur 4 halbbeladene Schleppe nehmen. Die Leistung des Zug-
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288 Ш- Binnenschifiahrt.
dampfers wird demnach auf diesen Strecken fast auf ein Drittheil ver-
ringert.
Nur um weniges günstiger stellt sich der Schiffahrtsbetrieb auf der
Strecke Regensburg-Passau, während derselbe auf der Katarakten-
strecke und am Eisernen Thor trotz der dort vorgenommenen Regulirungs-
arbeiten ganz besonderen Schwierigkeiten begegnet und man mit einem
gleich starken Dampfer unter den günstigten Verhältnissen nur ein beladenes
600 Tonnenschiff aufschleppen kann. Die beste Leistung durch den Kanal
beim Eisernen Thore hatte bisher der Dampfer „Vindobona", welcher am
12. Dezember 1900 einen 650 Tonnenschlepp mit 500 Tonnen Ladung,
1,74 m Tauchung, bei + 320 Pegelstand in Orsova in i Stunde 12 Minuten
durch den 1700 m langen offenen Kanal schleppte.
Diese durch die Stromverhältnisse und Fahrwassertiefen der einzelnen
Strecken bedingten Unterschiede in der Verwendung und Ausnutzung der
Fahrbetriebsmittel kommen am klarsten in den Zugskosten auf den einzelnen
Strecken zum Ausdruck. Wenn man diese für ein Tonnenkilometer im
Mittellaufe des Stromes zwischen Gönyö und Drencova und im Unterlaufe
desselben zwischen T. Severin und Sulina als gleich gross annimmt und mit
1 bezeichnet, so berechnen sich die vergleichenden Zugskosten für
ein Tonnenkilometer im Oberlaufe zwischen Passau und Gönyö auf das
2V2&cbe und für die Kataraktenstrecke, einschliesslich des Eisernen Thores,
auf das SYs^AChe.
AusgeAhrte Regulirungswerke. In den letzten Jahrzehnten ist für die
Regulirung des Donaustromes viel geschehen und hat dieselbe schon bedeutende
Kosten erfordert. Die Arbeiten werden jedoch nicht einheitlich durchgeführt,
weil der Strom durch viele Staaten hindurchzieht, in diesen wieder der
Wasserbau nicht immer einheitlich geleitet
wird, wodurch verschiedenartige Baupläne
und Bauweisen zur Ausführung kommen,
welche die Verfassung des Stromes oft
ungünstig beeinflussen. Es liegt im
Interesse der Donauschiffahrt, dass ein
Bild 195. Uferdeckwerk in der gememsames Vorgehen angebahnt werde,
bayerischen Donaustrecke. ^on den Reguhrungswerken der Donau
sind folgende Typen die häufigsten:
In Bayern sind als Normalbreite der Regulirungswerke von Regensburg
bis zur Innmündung bei Passau 175 m und von da bis zur österreichischen
Grenze 230 m angenommen. Die meist aus Stein hergestellten Leitwerke
haben eine Kronenbreite von 1,50 m und eine vom Flussgrunde bis zur
Niederwasserhöhe reichende feste Steinunterlage. Sie sind bis zur Höhe des
Mittelwassers angelegt und besitzen eine unter i : iVj geneigte Pflasterung.
Im Bilde 195 ist ein in Bayern übliches Leitwerk, welches nach Massgabe der
eintretenden Verlandung stufenweise aufgeführt wird, dargestellt.
In Oesterreich wurden als Normalprofile von der Grenze bis Wien
350 m und von da bis Ungarn 380 m angenommen. Der 13,3 km lange Durch-
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen. 2Ö9
stich bei Wien hat bei gewöhnlichem Wasserstande eine Breite von 285 m.
Dessen Hochwasserbett ist 475 m breit, so dass sich eine äusserste Breite von
760 m ergiebt (Bild 196).
Von den durch die Donau-Regulirungs-Koramission für die nieder-
österreichische Donaustrecke hergestellten Werken sind im Bilde 197 ein Leit-
werksprofil und im Bilde 198 ein Querschnitt durch einen Hochwasserdamm
zur Anschauung gebracht.
In Ungarn ist der Wasserbau einheitlich geregelt und, die Katarakten-
strecke ausgenommen, einem Fachministerium unterstellt. Die Normalbreite
beträgt von der ungarischen Grenze bei Dévény bis Poszony 300 m (um 80 m
weniger als bis Dévény), von Poszony bis zur Raabmûndung bei Gönyö von
320 m ansteigend bis 400 m, von Gönyö bis zur Waagmundung bei Kömorn
Mechles
Ufer
Bild 196. Donaudurchstich bei Wien, (i : 8500)
450 m; bis Neusatz sind im allgemeinen 450 bis 500 m, bis zur SavemOndung
600 m und von da bis oberhalb der Kataraktenstrecke 700 m angenommen.
Die wichtigsten Arbeiten wurden auf dem verwilderten Strom abschnitte
zwischen Dévény bis oberhalb Gönyö ausgeführt, von welchem ein aus Stein
ausgeführtes Absperr werk im Bilde 199 dargestellt ist. Die auf der mitt-
leren ungarischen Donaustrecke ausgeführten Werke werden wegen Stein-
mangel und weil es die dortige geringe Strömung zuiässt, als Faschinenbauten
Bild 197. Parallelwerk auf der niederösterreichischen Donaustrecl^e. .
und aus mit Erde gefüllten Korbcylindern, welche mit Steinen belegt werden,
hergestellt. Die Arbeiten auf der Kataraktstrecke siehe Abschnitt 3.
Angestrebte Donau-Fahrtiefen. Durch die derzeit in Aussicht genom-
mene Regulirung der oberen Donau für Niederwasser wird beabsichtigt,
bei einem Pegelstande von — i ,67 m Rudolfsbrücke in Wien eine geringste
Fahrtiefe von 2 m zu schaffen, was nach dem Urtheile massgebender Fach-
männer auch einwandfrei zu erreichen ist. Dieses Tiefenmass ist schon mit
Rücksicht auf das herzustellende österreichische Kanalnetz unbedingt noth-
wendig und müsste wegen der Einmündung des Oderkanales vorerst bis Wien
und dann wegen der weiteren Verbindung der Donau mit der Moldau bis
Linz erfolgen.
Das Wesen dieser Regulirungsbauweise ist im Abschnitt 3 beschrieben.
Sappan, Wasserstrassen und BinnenschiiTabrt I9
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290 in. Binnenschiffahrt.
Es war in seinen Grundzügen zuerst in Deutschland bekannt, wo Grund-
schwellen am Rhein bei Koblenz, an der Elbe, Oder und an der Weichsel zur
Verbauung von Auskolkungen und zur Ausbildung eines Niederwasserproffles
dienten und wurde dann von Girardon an der Rhône einheitlich angewendet
und systematisch ausgebildet.
Es soll übrigens hier ausdrücklich hervorgehoben werden, dass auch
schon die bisherigen Regulirungsarbeiten für Mittelwasser, welche die
zahlreichen Donauarme in ein Strombett vereinigten und in erster Linie vom
Standpunkte des Schutzes gegen Hochwasser ausgeführt wurden, auch für die
Schiffahrt, insbesondere auf der Donaustrecke von Gönyö bis unterhalb Wien
von bedeutendem Vortheil waren.
• Der Erfolg dieser Regulirungsarbeiten wird durch die folgenden Tabellen
klar zum Ausdrucke gebracht. In diesen sind unter der Annahme, dass eine
ùanda^iée
Bild 198. Profil der Hochwasserdftmme in Niederösterreich.
Flusstiefe von 1,50 m, welche eine Schlepptauchung von 1,30 m zulässt, einen
noch wirthschaftlich lohnenden Schleppzug ermöglicht, die auf den einzelnen
Donaustrecken während der Schiffahrtsdauer eines Jahres sich täglich er-
gebenden Fahrtiefen in Gruppen von 15 dm und mehr und unter 14% dm
zusammengestellt. Werden nun die einzelnen Stromtiefengruppen mit dem
auf das betreffende Jahr entfallenden gemittelten Wasserstande ver-
glichen, so ist aus der Zunahme der Tagesanzahl der für die Schiffahrt
Bild 199. Absperrwerk auf der oberungarischen Donaustrecke unterhalb
Pozsony (Pressburg).
günstigen Tiefen von und über 1,50 m eine Schlussfolgerung auf den Erfolg
der auf der bezüglichen Strecke durchgeführten Stromregulirung ohne weiteres
zulässig.
Fahrtiefen von Regensburg bis OtnyS. Aus den Tabellen I und II sieht
man, dass auf den Strecken Regensburg bis Passau und Passau bis
Wien die Anzahl der Tage mit für die Schiffahrt günstigen Wasserständen
von 15 dm und mehr bei nahezu gleichgebliebener Wasserführung des Stromes
nicht zugenommen hat, daher eine Stromvertiefung nicht nachgewiesen werden
kann. Die Tabelle Ш der Strecke Wien- Gönyö zeigt dagegen eme auf-
fallend e Zunahme der Tage mit für die Schiffahrt günstigen Tiefen
von 15 dm und mehr.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
295
Fahrtiefen der Donau-Katarakte. Die Tabelle IV über die täglichen
Stromtiefen auf der Kataraktenstrecke und dem Eisernen Thore vor und
nach den Regulirungsarbeiten zeigt, dass die Regulirung dort wesentlich
grössere Fahrtiefen geschaffen hat. (Siehe auch Seite 89.)
Donauschiffahrt und Flotte. Der Umstand, dass die Donau in ihrem
Oberlaufe mit keinem anderen Wasserstrassengebiete in Verbindung steht,
ausserdem als Gebirgsfluss, trotz der bisher ausgeführten Regulirungsarbeiten,
noch vielfache Erschwernisse bietet, hat es mit sich gebracht, däss der
Schiffahrt auf der österreichischen Strecke keine massgebende Rolle
zufällt, während sie für Ungarn, Rumänien, Serbien und Bulgarien
von grosser wirthschaftlicher Bedeutung ist. Aus diesem Grunde hat auch
die Schiffahrt im Oberlaufe keine namhafte Entwicklung genommen, "während
dieselbe in dem für sie viel günstigeren Mittellaufe und Unterlaufe in leb-
haftem Aufschwünge begriffen ist.
Die wichtigste Rolle fällt der Donau in Rumänien und Bulgarien zu, wo
sie ab Braüa unmittelbar mit der Seeschiffahrt in Verbindung steht und den
grössten Theil des Gesammtverkehrs dieser Länder sowohl in der Ausfuhr
von Getreide und Rohstoffen, als auch in der Einfuhr von Industrieerzeugnissen
und Kohle vermittelt.
Während auf der österreichischen Donaustrecke die Ruderschiffahrt in
stetem Rückschritt begriffen ist und nur einige grössere Gesellschaften den
Verkehr mit beiläufig 40 Dampfern von 20 ooo i. HP und mit 250 Schleppen
von 100 000 Tonnen Trag vermögen aufrecht erhalten, wird auf dem ungarischen
Donaugebiete eine von Jahr zu Jahr an Ausdehnung gewinnende lebhafte
Dampf- und Ruderschiffahrt betrieben und der Verkehr durch beiläufig
200 Schiffseigner mitnahezu 230 Dampfern von 60000 i.HPj sowie 1400 Schleppen
und Ruderschiffen von nahezu 500000 Tonnen Tragvermögen unterhalten,
und im Unterlaufe der Donau die Schiffahrt von 540 Schiffseignern mit
130 Dampfern von 40000 i. HP, sowie 1200 Schleppen und Seglern mit
400 000 Tonnen Tragfähigkeit ausgeübt
Den Schiffspark der Ersten k. k. priv. Donau -Dampfschiffahrts- Gesell-
schaft nicht einbezogen, verkehren auf der bayerischen und österreichischen
Donaustrecke etwa 14 Dampfer mit 4000 i. HP, 70 eiserne Schleppe mit
27000 Tonnen und 80 Ruderschiffe und Plätten mit 8000 Tonnen Trag-
fähigkeit, auf den ungarischen und serbischen Strecken
60 Raddampfer mit 23000 i. HP
50 Schraubenboote „ 5000 i. HP-
300 eiserne Schleppe „ 130000 Tonnen
und 600 Ruderschifle und hölzerne Boote . „ 132000 „
Tragfähigkeit,
auf den bulgarischen, rumänischen und russischen Strecken.
25 Raddampfer mit 7000 i. HP
70 Schraubenboote „ 10000 i. HP
400 eiserne Schleppe „ 160000 Tonnen
und 600 hölzerne Schiffe und Segler . . . „ 160000 „
Tragfähigkeit.
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асб ^П. Binnenschiffahrt.
Wenn man zu dieser Flotte den auf allen Donaustrecken verkehrenden
Schiflspark der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft*)
von 164 Raddampfern .... mit 71000 i. HP
14 Schraubenbooten . . . „ 4000 i. HP
und 867 eiserne Schleppen . . . von 375000 Tonnen
Tragvermögen hinzurechnet,
*) Die 1830 gegründete Erste k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrts-Gesell-
schaft stellt die grösste derzeit bestehende Schiffahrtsuntemehmung dar. Deren
Leistung beträgt alljährlich eine Milliarde Tonnenkilometer und nahezu 100 Millionen
Personenkilometer. Der Tonnengehalt ihrer Flotte ist grösser als jener der ge-
sammten übrigen österreichischen Binnen- und Seeschiffahrt. Während
das Tragvermögen ihrer Flotte 1898 3g45ft0 Tonnen betrug, und zwar: 164 Rad-
dampfer und i4 Schraubenboote mit zusammen 75000 i. HP und 9367 Tonnengehalt,
femer 867 Eisenschleppe mit zusammen 375183 Tonnen Tragvermögen, bestand die
österreichische Seeschiffahrtsflotte 1898 aus:
Lloyd mit 64 Dampfern mit 143000 Tonnen
Uebrige Seeschiffahrten weiter Fahrt ... 41 Schiffe „ 51800 „
Kastendampfschiffahrt 14 Dampfer t, 3000 „
Kastensegelschiffahrt . . 1436 Seglern „ 17 100 „
zusammen 1545 Dampfern und Seglern mit 214900 Tonnen
und die österreichische Binnenschiffahrtsflotte aus:
Dampfer Schleppe mit Tonnen
Donau Allgemeine österr. Baugesellschaft 3 20 1800
Donau-Regulirungs-Untemehmung 7 34 1800
A. Poschacher i 26 7800
Antheile der auf der österr. Strecke
verkehrenden Flotte der Sad-
deutschen Dampfschiffahrt und
Ungar. Fluss- und Seeschiffahrt
beiläufig mit 8 50 26000
Binnenseen Alle österr. Binnenseen und die
Gmundener Salzhandlungs-Ge-
sellschaft 26 150 8000
Elbe U.Moldau Antheile der auf der österr. Strecke
verkehrenden Nordwestdampf-
schiffahrt 15
der Elbeschiffahrt „Kette** ... 10
der Sächsisch-böhmischen ... 18
der Prager Moldau- und Elbedampf-
schiffahrt 16 — 2000
Bodensee К к. Boden Seeschiffahrt .... 6 6 2500
Ruderschiffahrt
Oesterr. Ruderschiffahrt auf der
Donau, Elbe, Moldau, Weichsel,
Przemsza , dem Sanflusse,
Dniester u. s. w. beiläufig ... ~ 800 27000
HO 1191
80
20
6000
5
2000
zusammen 1301 Dampfern und Schleppen mit 110900
daher die See- und Binnenschiffahrt aus 2149004-^^0900 = 825800
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen. 297
80 ergiebt sich eine gesammte Donauflotte von:
263 Raddampfer . , mit 105000 i. HP
134 Schraubenboote „ 19000 i. HP
1637 eiserne Schleppe „ 692000 Tonnen
und 1280 hölzerne Boote, Ruderschiffe, Segler
und Platten „ 300000 „
Tragvermögen.
In nachstehender Tabelle sind die Abmessungen und Tonnengehalte
der auf den einzelnen Donaustrecken üblichen Fahrbetriebsmittel zusammen-
gestellt:
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298
m. Binnenschiffahrt.
Gattung der Fahrzeuge
Grösste
Länge
Grösste
Breite
in Metern
Regensbnrg-Passan.
1. Platten und Thab-uderschiffe aus Holz
2. Bretter- und Baumflösse
3. Raddampfer*)
4. Eiserne Schleppe
25—34
57—65
bis 52
25-58
4-6
3—4
14
^-8
Fassau-GtnjrS.
1. Verschiedene kleinere Holzfahrzeuge
Trauner
Tirolerplätten ....
Kehlheimerzillen . . .
Sechserinnen . . . .
2. Flösse aller Gattungen
3. Raddampfer*)
4. Eiserne Schleppe
Plätten
'.
4-42
14—29
25—30
42 - 44
27-41
47—57
bis 60
25-58
1-7
2 — 6
4-6
5-6
3—4
II
16
4-8
GtnyS-Tani-Severm.
Verschiedene Holzfahrzeuge
Hölzerne Frucht- und Ruderschiffe (Privatschiffe)
„ Razinen
Flösse, meist oberhalb Budapest verkehrend . . .
Raddampfer und Schraubendampfer*)
Eiserne Schleppe
bis 47
44-55
44—57
bis 67
45-68
3-8
7—9
5—10
bis 17
5—9
Tarn-Severin-Brüla.
Der Verkehr wird ausser durch Dampfer und
Schleppe verschiedener Gattungen auch durch Segelschiffe
vermittelt, jedoch ist die Segelschiffahrt ohne Bedeutung
1 . Ausser verschiedenen hölzernen Barken verkehren
von den Segelschiffen hauptsächlich:
Girlaschen
Seeschiffe: Brigantinen, Schooner . . . .
2. Ueberwiegend Schraubendampfer*)
3. Eiserne Schleppe
8^38
19-36
16—25
48-76
48—70
3-8
6— II
4—7
bis 17
6 IG
BraUa-Galaz-Snlina.
Unbehinderte Schiffahrt für alle Gattungen Fahr-
zeuge, Dampfer, Schleppe, Segelschiffe und Seedampfer.
Tiefe und Breite des Flussbettes bei jedem Wasser-
stande für Seeschiffe ausreichend.
Alle Arten von Fluss-
und Segel-
*) Die Breite versteht sich einschliesslich der Schaufelräder.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
299
Höhe
Tiefgang
mit Ladung
Trag-
fähigkeit
in Tonnen
Anmerkung
in Metern
0,8—1,5
0,6-0,5
2,3
1,1—2,5
0,6—1,3
0,4—0,8
bis 1,0
0,9—1,8
56—106
67 — 100
90—650 Ï)
*) Die Tragfähigkeit der Schleppe kann auf
der bayerischen Donau bei grösseren Fahr-
zeugen wegen der ungünstigen Wasserstände
und des seichten, felsigen Flussbettes zwischen
Hof kirchen und Passau (Kachlet) nicht voll
ausgenützt werden, weshalb die Fahrzeuge
nicht über 16 dm Tiefgang getaucht werden,
die mittlere Schlepptauchung beträgt la dm
0,1—1,9
0,6—1,5
0,8-1,6
1,3—1,9
0,6—1,1
0,3—1,0
2,7
3,5
0,2—1,1
0,6—1,3
0,8—1,4
1,7
0,4—0,9
0,8
bis 1,1
0,9—2,1
I — 196
5 — 112
56—112
168-196
17—56
67-150
bis 600*)
Die Verwendung der Dampfer auf den ein-
zelnen Strecken wechselt mit den Wasser-
stands- und Stromverhältnissen.
■) Auch auf dieser Strecke können die
Schleppe in ihrem Tragvermögen nicht voll
ausgenützt werden. Bei sehr gutem Wasser-
stande beträgt deren Tauchung in seltenen
Fällen 18 dm und im Mittel 14 dm.
1,0—3,5
3,5—5,1
2,2—3,2
bis 3,2
2,2 2,7
0,5—1,9
1,3—1,9
1,9—2,4
bis 1,4
1,2—2,1
bis 168
280 — 450
350-560
bis 8008)
Der grösste Verkehr nebenstehender Gattun-
gen von Plätten, Ruderschiffen etc., sammelt
sich zwischen Budapest und Zimony; unter-
halb Zimony bis Bazias kommen dieselben
weniger vor und verkehren auf den Katarakten
überhaupt nicht.
•) Bei çutem Wasserstande wird die Trag-
fähigkeit Ш der Strecke von Tum-Severin bis
Budapest und Gönyö voll ausgenützt und ver-
kehren die Schleppe auch mit 800 t Die
mittlere Tauchung beträgt, die Katarakten-
strecke ausgenommen, 19 dm.
0,8-1,9
1,9—2,6
2,2—3,8
bis 2,9
2,3- 4,0
0,6—1,3
1,6—2,2 ,
ï,6— 3,3
bis 1,5
1,8—3,0
7—380
50—355
28 — 210
bis 2000*)
Der Verkehr der Segelschiffe dehnt sich
von Braïla bis Silistria-Rustschuk aus, bis T.
Mogurello und Calafat hinauf seltener. Die
grossen Seeschiffe fahren in der Regel nur
bis Bralla.
*)Das Tragvermögen kann auf dieser Strecke
zumeist voll ausgenützt werden.
und Seedî
schiffen.
ampfern, Sc
hleppkähnen
Strom- und Seeschiffahrt.
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Зоо
III. Binnenschiffahrt.
Ausser diesem Parke sind auf der Donau zur Aufrechterhaltung der
Schiffahrt noch verschiedene Hilfsfahrzeuge in Verwendung wie schwimmende
Dampf auslader und Dampf krahne zur Leichterung der Schleppe bei Nieder-
wasser, Rettungsdampfer mit Dampfpumpen zur Bergung der Schleppe bei
Havarien, ferner Einrichtungen zur Hebung gesunkener Schiffe, Eimerbagger-
schiffe. Rechenbaggerdampfer und endlich Stockwinde- und Steinhebevorrich-
tungen, sowie Wasserschauboote zur Erhaltung und Vermalung der Fahrstrasse.
Schleppsag auf der Donau. Im Donaugebiete wird der Schleppzug
derzeit ausschliesslich durch freifahrende Dampfer besorgt. Im oberen
Laufe sind nur Raddampfer und hauptsächlich eiserne Schleppe, im Mittel-
aufe auch Schraubendampfer und Holzschiffe in Verwendung, während im
Unterlaufe jede Gattung von Frachtbooten und Seglern und vorwiegend
Schraubenboote in Betrieb sind.
Ein Tauerzug besteht auf der Donau nur im Kanäle beim Eisernen
Thore mit Rücksicht auf die in diesem herrschende ausserordentliche
Bild aoo. Seilschiff am Eisern-Thor*Kanal.
A KommandobrQcke. В Seibrdaer. С SetltrommeL D Antrtebemaecbine fOr die SefltrommeL F Schraub«n-
muchine. G Elektrische Lichtmaschine. H Kabestan zam Verholen der Schlepptaue. J Seilf Ohnrng. К Wohn-
rftome. M Kohlenbunker.
Strömung, für jene Schiffahrtsgesellschaften, deren Zugdampfer dieselbe allein
nicht überwinden können. Dieser Schleppzug wird mit einem den Lombard-
Gérin*schen Rhönetauern nachgebildeten Seilschiffe (Bild 200) besorgt, welches
das Drahtseil mit seiner in der Schiffsmitte befindlichen Haspelvorrichtung
aufwindet. Der Schiffskörper ist 53,7 m lang, im Hauptspant 7,5 m breit,
im Hintersteven, um den Schrauben einen entsprechenden Durchmesser geben
zu können 2,1 m, sonst aber 1,5 m tief. Der Körper ist für die grossen
Beanspruchungen, denen er ausgesetzt ist, mit besonders starken Längs- und
Queriundamenten versteift, hat im Mittelschiff einen Doppelboden und ist der
Länge nach durch 7 Schotten in 8 wasserdichte Räume getheilt. Die 2,7 m
lange Seiltrommel hat einen äusseren Durchmesser von 2,5 m und wird von
einer Compound-Maschine mit 300 i. HP. mittels ZahnradObersetzung ange-
trieben. Das aus 123 Stahldrähtcn geschlagene Seil hat bei einem Durch-
messer von 31,5 mm eine Bruchfestigkeit von 84,3 Tonnen. Zur selbst-
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen. 301
ständigen Bewegung des Tauers dienen zwei Schraubendampfmaschinen mit
zusammen 500 i. HP. In einer gemessenen Stromgeschwindigkeit von 4,7 m
in der Sekunde hat dieses Seilschiff bei einer mittleren Fortgangsgeschwindig-
keit von 0,58 m zwei voUbeladene 650 Tonnenschleppe bergwärts durch den
Kanal gezogen, wobei die Trommelantriebsmaschine 260 i. HP. leistete und
für jeden Schlepp im obersten Kanalabschnitte eine Zugkraft von 8,5 Tonnen
erforderlich war. Nachdem der Tauereigenwiderstand 6 Tonnen beträgt, so
war das Seil insgesammt mit 23 Tonnen auf Zug beansprucht
Der Schleppzug auf der Donau, besonders in der Strecke oberhalb
Wien und auf den Katarakten gestaltet sich schwierig, doch gerade diese
Schwierigkeiten sind vom Standpunkte des Schiffahrtsbetriebes anregend und
i^eben einen fortwährenden Ansporn, den Erschwernissen durch technische
Ausbildung und Verbesserung der Fahrbetriebsmittel zu begegnen, um die
Schiffahrt auch unter den ungünstigsten Verhältnissen aufrecht erhalten zu
können. Diese Umstände im Vereine mit den fortschreitenden Regulirungs-
arbeiten brachten es mit sich, dass in der Donauschiffahrt heute eine grosse
Anzahl zeitgemäss gebauter, eiserner Schleppe mit 650 Tonnen Tragvermögen
und wirthschaftliche Dampfer mit Maschinenstärken bis 1000 i. HP. in Betrieb
stehen, während noch vor 14 Jahren keine grösseren Schleppe als solche mît
400 Tonnen und eine Reihe unwirthschaftlicher und schwacher Dampfer den
Verkehr vermittelten.
Durch die Einführung solcher leistungsfähiger Betriebsmittel wurde die
WirthschaflUchkeit der Donauschiffahrt sehr gehoben. In auffälliger Weise
wird dieses durch die Betriebsleistungen der Donau-Dampfschiffahrts-
Gesellschaft erwiesen. Im Jahre 1887 benöthigte dieselbe zur Fortbewegung
ihres damaligen Parkes von 735 Schleppen mit 236 400 Tonnen Tragfähigkeit
140 Zugdampfer mit 53 000 i. HP. und leistete mit dieser Flotte 817 Millionen
Tonnenkilometer. Auf ein Schlepp entfiel im Mittel ein Tragvermögen von
321,6 Tonnen und für den Zug von einer Tonne waren 0,2242 i. HP. erforderlich.
Im Jahre 1900 leisteten dagegen 114 Zugdampfer mit 49000 i. HP. und 820
Schleppe mit 380 000 Tonnen Tragvermögen 1000 Millionen Tonnenkilometer.
Auf einen Schlepp entfiel demnach ein Tragvermögen von 463,4 und für den
Zug von einer Tonne Tragvermögen waren nur mehr 0,1289 i. HP. noth-
wendig. Es wurde somit innerhalb 14 Jahren der Zug von einer Tonne um
die Kosten von 0,0953 î- ^P- verbilligt. Die Leistung der Zug- und Fracht-
dampfer ist für eine Fahrstunde von 2966 auf 4966 Tonnenkilometer gestiegen.
Die 817 000 000 Tonnenkilometer benöthigten 1887 219 687 Tonnen Kohle, die
Milliarde des Jahres 1900 dagegen nur 178 881 Tonnen.
NormalscMeppe der Donau. Durch die Verschiedenheit der nutzbaren
Fahrtiefen ' auf den einzelnen Strecken ist es nicht möglich, für den durch-
laufenden Donaubetrieb grössere Schleppe als mit 600 Tonnen Tragfähigkeit
zu verwenden. Der übliche Typ ist derzeit der 650 Tonnenschlepp, welcher
1887 von der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft in Betrieb gebracht wurde
und derart gebaut ist, das er bei voller Tauchung noch günstige Wasser-
linien hat, wodurch er einerseits den starken Strömungen keinen übergrossen
Widerstand bietet, andererseits aber eine möglichst grosse Ladefähigkeit auch
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302 in. Binnenschiffahrt.
bei Niederwasser zulässt. Der Körper ist 58,00 m lang, 7,97 m breit, 2,60 m
hoch, hat bei einem Leertiefgang von 0,40 m einen Völligkeitsgrad von 69 pCt.,
mit 420 Tonnen einen solchen von 77 pCt und mit voller Ladung 84 pCt.
Bei seiner grössten zulässigen Tauchung von 2,10 m nimmt er 650, bei
mittlerem Wasserstande mit 1,80 m 530, bei Niederwasser mit 1,40 m 380 und
unter den ungünstigsten Verhältnissen bei einer Tauchung von 1,00 m noch
immer 219 Tonnen.
Auf Grundlage der im Donaubetriebe durchgeführten Zugswiderstands-
versuche wurde im Jahre 1900 ein neuer Schlepptyp, der 670 Tonnenschlepp,
in Betrieb gesetzt, welcher ein sehr befriedigendes Ergebnis liefert. Derselbe
(Bild 201) hat 63,00 m Länge, 8,20 m Breite und 2,40 m Höhe, einen Leer-
tiefgang- von 0,35 m, vollbeladen einen Völligkeitsgrad von 86 pCt., nimmt bei
seiner grössten zulässigen Tauchung von 1,90 m 675, bei 1,80 m 630, bei
1,40 m 453 und bei 1,00 m 277 Tonnen. Der hauptsächlichste Vortheil dieser
Bauform gegenüber der früheren liegt darin, dass sie ein möglichst geringes
Eigengewicht hat, wodurch sie bei einer Tauchung von 1,80 m um 100 Tonnen
mehr Ladung nehmen kann als der 650 Tonnenschlepp.
Die Tauchungsverhältnisse sowie die baulichen Einzelheiten des 670 Tonnen-
schleppes sind:
Trägt mit jedem Decimeter Mehrtauchung:
im leeren Zustande: 42 Tonnen,
bei über 10 dm Tauchung: 44 „
Laderäume: 4.
Länge derselben: L 12,00 m,
U. 14,40 „
Ш. 14,40 „
IV. 12,00 „
4 Ladeluken bei 2,20 m Breite: I. 7,20 m lang,
П. 10,20 „ „
Ш. 10,20 „ „
IV. 7,20 „ „
2 Drehkrahne.
Nutzbare Deckfläche ohne Lukendeckel 240 m*.
Registertonnen-Gehalt 287,71.
Der Vordersteven ist von der Wasserfläche an rund gebogen und
sowie der Achtersteven aus Winkeleisen und Blech zusammengesetzt, damit
beide, bei grosser Widerstandsfähigkeit möglichst leicht werden. Das Heck
ist eine einfache Plattform, welche, durch Winkel unterstützt, nur so gross
an den Schiffskörper angebaut ist, dass die Steuervorrichtung und die Büffel
darauf untergebracht werden können.
Die aus einem Stücke gebildeten Spanten liegen von der Kiellinie bis
zur Schandecklinie in Entfernungen von je 600 mm. Im Vor- und Achter-
schiff sind dieselben aus Winkeleisen zusammengefügt. Die Laderäume lagern
auf starken Rahmenspanten.
Tragfähigkeit
dm
Tonnen
4
20,7
5
62,4
6
104,8
7
H7.5
8
190,5
9
233.7
10
2-;7,2
II
320,8
12
364,6
13
408,5
14
452,5
15
496,8
16
54I.I
17
585.6
18
630,1
19
674.9
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen
6
I
3
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а
с
а
•О
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304
III. Binnenschiffahrt.
Die Bodenwrangen sind 415 mm hoch und 6 mm dick. Auf den
Spanten sind zwei Längsfundamente aus U-Eisen, 300 X 65 X 65 mm, auf
1400 mm Entfernung voneinander angenietet. Die obere Flansche wird mit
dem Bodenstreuwinkel durch kurze Winkeleisen verbunden. Die Längs-
fundamente streichen von der Achterschotte durch die mittleren Schotten bis
zur Bugschotte. Es sind 5 ganze und 2 halbe Schottwände vorhanden.
Die Deckbalken sind aus U-Eisen und mit Rücksicht auf die Deck-
ladung so stark) dass sie, mittschiffs unterstützt, eine Belastung von wenigstens
500 kg auf den m^ aufnehmen können. Unter den Balken ist ein Durch-
zug aus Winkeleisen angebracht. Die Aussenbeplattung der senkrecht
stehenden Schiffswände ist überlappt, an der Ueberlappung einfach genietet.
Die Bodenplatten sind 47» mm, die Kimmungsplatten 5 mm, die Seiten-
gänge 5V2 nim und die Scheergänge 5 bis 7 mm stark. Die Deck-
beplattung besteht aus 5 bis 6 mm starkem Riffelblech. Die DeckstQtzen
werden aus U-Eisen gebildet und mit den Bodenwrangen vernietet, unter
Deck aber mit Knieblechen versehen. Die Scheerstöcke der Laderaum-
luken sind 6 mm stark und mit dem Deck durch Winkel versteift. Die
Bodenstreuwinkel liegen in den Laderäumen in einer Höhe von 415 mm
und tragen 40 mm dicke Fussbodenverschalungen.
Die ganze Bauart ist derart gewählt, dass ein möglichst leichter und
seichter, aber dennoch genügend steifer und tragfähiger Schiffsrumpf erzielt
wird. Dessen Betriebssicherheit wird ferner dadurch erhöht, dass 6 Ab-
theilungen vorhanden sind, von welchen die 4 mittleren die Laderäume,
die 2 äusseren die Wohnräume bilden. Wenn einer dieser durch
Schotten wasserdicht gegen die übrigen abgeschlossenen Räume leck
wird und sich auch ganz mit Wasser füllt, so hat der Körper dennoch ge-
nügende Schwimmfähigkeit, um nicht unterzusinken. Diese Reserve-
schwimmfähigkeit beträgt bei vollkommen ausgenützter Tauchung 25 Vt
des ganzen Schiffskörpers.
Die Festigkeit des Schiffskörpers ist unter Annahme der verschiedenen
Belastungen der einzelnen Laderäume aus folgender Derstellung ersichtlich :
Belastungen der
einzelnen Lade-
räume
De- .
placement
Grösstes
Biegungs-
moment in
Metertonnen
Sicherheits-
Koefficient
gegen
Durch- .
biegung
Grösste
Bean-
spruchung
auf einen
1.
II.
III.
IV.
Cm»
■
■
■
■
130
160
19,40
205
■
■
780
• 190
24,60
162
■
■
■
623
.894
4,12
970
■
451
971
3,70
1053
■
t
280
1009
3,65
1094
■
■ !
287
1045
3»52
1133
■
■
437
ii6i
3,17
1259
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und anf seichten Flüssen.
305
вао Tonnensdilepp mit Eiaendeck. бх.10 m LAnge, ^fio m Breite, 9,76 m Bordhöhe, Tiefi^an^ s,io m = 890 t.
Г^
(^■суГЛ
JLU
■Й ^
650 Toimenschlepp mit Eiaendeck. 50,io • 7^ • а,бо. Tieffang a,io := 650 t
.fa .^"»^
-7 r-
•flQ-F^
450 Tonnenschlepp ohne Deck, offen. 58,19 • S^oo • 9.9a. Tiefgang 1,60 = ф^ t
Г^г^Л
Э0О Tonnenachlepp, löffelfOrmig, mit abnehmbarem Holzdach. 45,70 • 7,90 • 1,60. Tiefgang 1,40=395 t
•Д] ' ■ ■ ' ^ ' ■ ■ ■ ■ ■ '
Uli- r^\^^^^
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'
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•
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^ — .^i-
Bild 202. Eiserne Donauschlepptypen. (M. i : 500)
SnppAn, Wasserstrasscn nnd Binnenachiffahrt
20
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зоб
m. Binnenschiffahrt.
Die Biegungsmomente bewegen sich von i6o bis 1161 Metertonnen und
ergiebt sich aus der Berechnung, dass auch bei den ungünstigen Gleich-
gewichtslagen diese Schiffsform unter jeder Beanspruchung genügende Festig-
keit besitzt.
Banformen der Eisernen Donauschleppe. Einschliesslich der im Bilde 201
beschriebenen Bauform bestehen im Donaubetriebe hauptsächlich folgende
Eisentjj'pen:
Tiefgang in m
Länge
Breite
bei voller
m
m
Tauchung von
Der
1800
Tonnenschlepp mit Deck
87,00
10,20
2,50 = 1800 t
V
820
и n n
61,10
9,20
2,10 = 820 t
n
670
n n n
63,00
8,20
1,90= 675 t
n
650
n n n
581IO
7,97
2,10 = 650 t
n
500
„ offen ohne „
61,00
9,20
1,60 = 587 t
n
450
n n n n
58,12
8,00
1,60 = 465 t
n
400
mit „
56,00
8,00
1,60= 400 t
n
300
„ Löffelform
Dachverschluss 45,70 7,90 1,40= 325 t
Den 820, 650, 450 und 300 Tonnentyp zeigt Bild 202.
Ausserdem sind noch ältere Schlepptypen von 350 Tonnen, ferner
kleine Schleppe» sogenannte Plätten mit 150 bis 200 Tonnen Tragver-
mögen für den Begakanal, die Seitenflüsse und den örtlichen Verkehr und
endlich kleine Leichterboote vorhanden. Die dem Donau verkehr eigen-
artigen Ruderschiffe, sowie die aus Holz erbauten kleineren Typen sind
im Abschnitt 8 behandelt.
Eine besondere Art der Donaufahrzeuge bilden noch die Tankschleppe,
welche zum Transporte von Petroleum, das über See von Batum und
Baku nach Sulina kommt, dienen. Die durch Querschotten gebildeten ein-
zelnen Laderäume werden mit Erdöl gefüllt und weil dieses, wenn es der
Sonnenwärme längere Zeit ausgesetzt ist, sich stark ausdehnt und verflüchtigt, so
stehen die Laderäume durch über denselben angeordnete kleine Expansionstanks
miteinander in Verbindung. Durch den ganzen Schlepp gehen ferner umfangreiche
Pumpenleitungen, mit welchen man jeden Laderaum leicht füllen und lenzen
kann. Auch am Rhein und der Elbe sind derartige Tankschleppe in Betrieb.
Unter den Seetankdampfern ist einer der grössten, der Hamburg anlaufende
„August Korff", welcher 108 m lang, 13,9 m breit und bei 7 m Tiefgang eine
Gesammtladung von 5500 Tonnen, darunter in x6 Oelräumen 4900 Tonnen
Petroleum aufnehmen kann.
Banformen der Donanzngdampfer. Die Abbildung 203 zeigt die haupt-
sächlichsten Bauformen der Donauzugdampfer. Von diesen verkehrt die
Form A, eine Dreicylindermaschine mit 700 i. HP auf allen Strecken bis
Wien; die Form B, eine Zweicylindermaschine, Compound, mit 600 i. HP,
hauptsächlich auf der oberen Donaustrecke von Gönyö bis Passau ; der leicht-
gebaute Dampfer C, mit 400 i. HP auf der Strecke Wien bis Regensburg. Bild 204
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
307
A. ВИНешишп. Drei - Cylindermaschine mit
700 i. HP. Länge бвуоо m, Breite 8^ m.
Tiefgang 1^5 m.
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Bild 203. Donauzugdaropfer. (M. i : 500)
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3o8
III. Binnenschiffahrt.
zeigt einen mit einem Baggerrechen ausgerüsteten Dampfertyp der oberen
Donau. Der im Bilde 171 Seite 254 gezeichnete Schraubendampfer, mit einer
Zweicylinderhammermaschine von 400 i. ЫР fährt auf der Strecke oberhalb der
Katarakte bis Budapest, vermittelt den dortigen StOckgQterdienst, nimmt eine
LAnge 45,7a m, Breite ohne Rtder 7,01 m, Tiefffang 0,75 m.
Bild 204. Donauzugdampfer mit Baggerrechen für seichte Stromstrecken, 350 i. HP.
(M. 1:500)
Ladung von 500 Tonnen am Körper und schleppt gleichzeitig 4 Schleppe mit
600 Tonnen zu Berg. Ein auf der untersten Donau den Schleppzug ver-
mittelnder Schraubenbugser ist im Bilde 186 Seite 27a dargestellt. Dieselben
haben 120 bis 400 i. HP und tauchen 1,80 m bis 2,50 m tief.
Bild 205. Donauzugdampfer ^Thommen". Drei- Cy lind ermaschine, 650 i. HP.
Normalzngdampfer. Von den neueren Donauzugdampfem sind die in den
Bildern 205 und 206 gezeichneten deshalb besonders hervorzuheben, weil sie
trotz ihrer Grösse auf allen Donaustrecken bis Passau verwendet werden
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
309
können. Besonders die Maschine des Typ „Pécs" (Bild 207) ist sehr leicht,
für die beim Schaufelrad grösstmögliche Zahl von 50 Umdrehungen in der
Minute konstruirt. Um hierbei die zulässige Radumfangsgeschwindigkeit nicht
zu überschreiten, haben die Räder nur einen Durchmesser von 2500 mm Ober
die Drehungspunkte der Schaufeln. Jedes Rad hat 6 starke bewegliche ge-
krümmte Eisenschaufeln von 900 mm Höhe und 3650 mm Länge. Dieser
Grösse wegen ruhen die Schaufeln auf 3 Trägern und innenbord auf einer
festen Radlagerung. Die durchgehende Radwelle ist am äusseren Ende des
Radkastens unterstützt.
Bild 206. Donauzugdampfer „Pécs**, Zwei-Cylindermaschine, 650 i, HP.
(Bei dieser grossen Schaufellänge ist es übrigens angezeigt, die Schaufel nicht aus
einem Stücke herzustellen, sondern in zwei getrennte Flächen zu theilen, deren
jede dann durch einen eigenen Excenter bewegt wird). Die Compoundmaschine
der „Pécs*S für 8,5 Atmosphären Kesseldruck, liegt geneigt auf einem Framewerk
aus Stahlguss. Der Hochdruckcylinder hat 690 mm, der Niederdruckcylinder
1200 mm Durchmesser. Der Hub beträgt 1550 mm. Die Maschine leistet im
Zuge mit ganzem Anhange und 3opCt Cylinder-Einlass rund 650 i. HP, die
Leistung kann jedoch mit grösserem Füllungsgrade auf 1000 i. HP gesteigert
werden.
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m. Binnenschiffahrt.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
Probefahrten der „Pecs'*.
3"
Dampf-
druck
kg
Ei n las S
Um-
drehungen
des
Schaufel-
rades
i. HP
Anh
ang
Hoch-
druck
Vo
Nieder-
druck
Anzahl
der
Schleppe
Ladung
in
Tonnen
Leerfahrten an der gemessenen Meile:
8.3
8.0
8,2
32
4°
63
38,0
49,5
67,0
50
52
57
725.0
828.8
1008,7
Fahrten mit Anhang auf der mittleren Donau:
8.5
8.5
8.5
74
37
40 •
78,0
45.5
49,5
52,0
35,5
38,0
"45,2
615,0
747,9
10
10
12
3094
3336
4233
1 L U.
._!
Die Arbeitsleistung der Dampfc^linder zeigt das Diagramm Bild 208.
Das obere Diagramm entspricht den beiden Seiten des Hochdruck-, das
untere den beiden Seiten des Nieder-
druck-Cylinders.
Der mittlere Dampfdruck aus einem
Diagramme wird so berechnet, dass man
die Fläche des Diagramms bestimmt (am
besten mittels Planimeters) und diese <4^J
durch die Länge des Diagramms dividirt.
Die indizirte Leistung berechnet sich der- ^
art nach der Formel: ^
, HP, = 2_pAiiAA,
75.60
worin О die Kolbenfläche in cm^, p h
den mittleren Dampfdruck im Hochdruck-
Cylinder in Kilogramm auf einen cm*, ^^
H den Hub in Meter und n die Um-
drehungszahl der Maschine in einer Minute
bedeutet, für den
Hochdruck-Cylinder i. НРь= 361,6,
Niederdruck-Cylinder i. HP^ = 386,3,
somit für die ganze Maschine = 747,9 i. HP.
Das Gewicht der Maschine der „Pécs*
sammt Rädern beträgt 65 t, jenes der
beiden Kessel mit Wasser 71 t. Der
Cylinderkörper und der Schieber sind
aus Gusseisen, alle übrigen Maschinen-
theile aus Stahlguss und geschmiedetem
Flusseisen, die zwei dreifeuerigen cylindrischen Kessel mit Siederöhren aus
Martins Flusseisen hergestellt.
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WM 208.
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312
Ш. Binnenschiffahrt
Kessel, Rohrleitung und Cylinder sind, um die Wârmeverluste auf das
Aeusserste einzuschränken, mit blauem Asbest verideidet. Die Kamine haben
Gegengewichte, welche ein rasches und leichtes Umlegen ermöglichen.
Das Vorderschiff hat, um die Bugwellen zu verringern, schlanke Wasser-
linien, während der Achter voll ist. Die durch den leicht gebauten Schiffs-
körper gehenden Längsverbände machen denselben stark, verhindern die
Längsschwingungen desselben während der Fahrt und seine Durchbiegung.
Der Rumpf ist, durch 7 eiserne Schotten in 8 wasserdichte Räume getheilt,
wodurch bei nicht allgemeiner Leckage ein vollständiges Sinken unmöglich
wird. Kessel, Maschine und die Eingänge zu den Räumlichkeiten sind in
einem gemeinschafüichen Aufbau untergebracht, auf dessen Deck die Rollen-
bremsen und Winden fQr die Schlepptaue, sowie das im Abschnitte 12 beschriebene
Patentsteuer stehen. Durch diese Einrichtungen wird Bemannung erspart
Bild 209. Donauschifiswerfte in Budapest (Ôbuda).
und es spielen sich alle Manöver unter unmittelbarer Aufsicht des SchiffsfQhrers
oder Steuermannes ab.
Der Dampfer zieht zu Berg auf der mittleren oder unteren Donaustrecke
gewöhnlich 8 eiserne Schleppkähne mit je 650 Tonnen Nutzlast mit einer
Geschwindigkeit von 5 km gegen Land. Er legt eine Strecke von 100 km
somit in 20 Fahrstunden zurück. Die Fahrstunde mit 52 Kronen Betriebs-
kosten gerechnet, stellen sich die Zugskosten für den Tonnenkilometer auf
0,20 Heller.
Zugskosten zeitgemässer Douaudampfer. Auch die übrigen in den
letzten Jahren gebauten Donauzugdampfer ergeben eine wirthschaftlich günstige
Leistung. In nachstehender Tafel sind verschiedene Leistungen derselben
auf der mittleren, unteren und auf der oberen Donaustrecke, sowie die
sich für die jeweilige Reise durch die zurückgelegten Fahrstunden ergebenden
reinen Zugskosten (Traktion) zusammengestellt:
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
313
Leistiuigeii der neuen Zagdampfer der I. k. k. priv. Donan-Dampfschiffahrts-
eesellschaft in der Bergfahrt im Jahre 1901.
Dampfer
Kilo-
meter
in der
Fahr-
stunde
Nutzlast
in
Tonnen
Tonnenkilometer in
der Fahrstunde aus
der
Ladung,
Nutzlast
den
Schlepp-
kOrpemund
der Ladung
Zugs-
kosten •)
für den
Tonnen-
kilometer
Heller
Maschinen-
Anlage
Ange-
wandte
Ma-
schinen-
stärken
in i. HP
ßanhans
Thommen
Daniel
Europa
Banhans
Glanz
Europa
Daniel
Europa
Pécs**)
Millennium
Millennium
Europa
Magyar
Vindobona
4,53
Mitttere Jahresleistungen.
I. Wien bis Passau.
896 I 4056 I 7100 I 1,38
Zwei Cylinder | 600—700
(Compound) I
2. Gönyö bis Wien.
4,B7
997
4856
7789
0,92
5,15
1099
5661
9427
0,83
5,00
1088
5450
8722
0,81
3
Drencova bis Gönyö.
Magyar
5.46
2294
12549
20061
0,33
Vindobona
4,58
2771
12729
20468
0,32
Europa
5,25
2790
14669
22747
0,29
Millennium
4,98
3204
15965
24897
0,28
Drei Cylinder
Zwei „
Drei Cylinder
Zwei Cylinder
Drei Cylinder
600—650
700 — 800
700—900
700
700—800
700
700
4,22 I
4,68
5*76
4,36
4,"
Einzelne grössere Zugsleistungen.
1. Wien bis Passau.
Ï173 I 4 955 I 7203 j 1,12 j Zwei Cylinder j 600— 700
2. Gönyö bis Wien.
1560 I 7306 10906
1318 I 7403 II 281
Drencova bis Gönyö.
0,73 j Zwei Cylinder j 700— 800
0,70 |Drei Cylinder) 700
3.
4451
4715
19436
19423
29620
29561
0,26 I Zwei Cylinder | 700
0,24 I Drei Cylinder | 700
Bisherige grösste Zugsleistungen.
1. Wien bis Passau.
4,15 j 1252 I 5 200 I 7 818 I 1,00 j Zwei Cylinder 1 600—750
2. Gönyö bis Wien.
4,71 I 1585 I 7476 I II 546 I 0,67 |Drei Cylinder I 700— 900
3. Drencova bis Gönyö.
3,70
4,21
1,54
1,41
6139
4958
22740
20899
31 518
29916
0^21
0,20
Drei Cylinder!
700
700
4. Durch den Eisernen Thor-Kanal.
430
500
664
708
988
1008
6,14
5,80
Zwei Cylinderl 900—1050
„ 1 900-1100
*) Die Zugskosten setzen sich zusammen aus den Kosten für die Löhne und Bord-
gebühren (Tonnenkilometergelder), Kohle und Fettverbrauch, Ausbesserung und Ab-
schreibung des Schiffskörpers, Maschine, Kessel und der Ausrüstung, aus den Verlusten
an Ausrüstungsgegenständen und aus verschiedenen kleineren Schiffsunkosten.
**) Gleichzeitig bisherige grösste Zugsleistung durch den Struden.
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3Ï4
III. Binnenschiffahrt.
Alle diese Typen wurden auf den Schiffswerften der Donau-Dampf-
schiffahrts- Gesellschaft erbaut, von welchen Bild 209 einen Hafentheil der
Werfte Budapest (Obuda) darstellt.
Der Rhein. Den Ursprung des Rheins bilden Gletscherbäche des
Gotthardmassives, von denen der Vorderrhein dem 2340 m hochgelegenen
Tomasee entspringt, sich nach einem 60 km langen Laufe durch den von
Medels kommenden Mittelrhein, sowie andere starke Zuflüsse verstärkt,
bei Reich en au (586 m ü. M.) mit dem in der Adulargruppe in einer
Höhe von 2216 m entspringenden Hinterrhein vereinigt und, nach Aufnahme
der Plessur, als Hochgebirgsfluss in nördlicher Richtung in einem sich bis
an den Bodensee erstreckenden Thale fliesst, in welchem er die Lanquart, 111
und Tamina aufnimmt.
Nachdem der Rhein in dem 395 m hochgelegenen Boden see sein Ge-
schiebe abgelagert und den Untersee durchquert hat, fliesst er bis SchafFhausen
zwischen hohen Ufern in einer Breite von 60 bis 130 m, auf dieser Strecke
schon Kähne und kleinere Dampfboote befördernd. Nach S chaff hausen
wird sein Gefälle stärker, es zeigen sich immer bedeutendere Wirbel, bis der
Strom endlich, in einer Breite von 170 m über eine Felswand in einen 24 ra
tiefgelegenen Kessel hinunterstürzt. Unterhalb dieses Rheinfalles, welcher
natürlich die Schiffahrt unterbricht, mässigt sich das Gefälle bis zu dem
zweiten Rheinkatarakt bei der Mündung der Aare, in dessen Felsen-
barre eine 6 m breite Lücke bei niedrigem Wasser den Schiffen eine
Durchfahrt bietet, während bei hohem Wasserstand der Strom über die
Felsen braust und dann die Schiffahrt unmöglich macht. Zum drittenmale
wird die Schiffahrt bei Laufenburg unterbrochen, wo ein starker Gefällsbruch,
der Grosse Laufen, einen Wassersturz verursacht. Oberhalb Rheinfelden
liegt endlich die vierte Stromschnelle, das Gewild, welches die Schiffe nur
mit grösster Vorsicht überfahren können. Der Oberlauf des Rheins bis
Basel (252 m ü. M.) ist 456 km lang; in denselben münden: rechts die
Wutach, Alb, Wehra und Wiese, links die Thur, Glatt, Aare und Birs.
Unterhalb Basel fliesst der Strom in nördlicher Richtung zwischen
niederen Ufern in Krümmungen bis zum Gebirgsthale des Rheinlandes
Er durchströmt dann die Oberrheinische Tiefebene, in der er durch Strom-
theilungen zahlreiche Werder und Kiesbänke bildet. Bei Mainz beträgt die
Rheinhöhe 80 m über dem Meere. Durch die im Jahre 18 y 2 beendete Regu-
lirung wurde auf dieser Strecke der Flusslauf durch Geradestreckung um
72 km abgekürzt.
Unterhalb Germersheim bildet der Rhein grosse Krümmungen (Bild 210)
und bis Bingen in ansehnlicher Strombreite mehrere Inseln. Bei Bingen be-
ginnt der Stromdurchbruch durch das rheinische Schiefergebirge. Das Strom-
thal ist von steilen Bergen eingeengt, in welchem die regulirten Katarakte,
das Binger Loch, die Felserigruppe zwischen Bacharach und Kaub, das
Wilde Gefahre und die Bank bei St. Goar, eine vorsichtige Schiffahrt
erfordern. Unterhalb Boppard liegen in einer Stromkrümmung noch einige
Felsenbarren. Bei Koblenz verlässt der Rhein das Schiefergebirge und strömt
nun, nachdem er die Mosel aufgenommen, als Tieflandstrom ruhig und
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
315
mächtig dahin. In dem 450 km langen Mittellaufe fliessen dem 'Rhein zu:
die Elz, Kinzig, Rench, Murg, Alb, Pfinz und der Neckar, ferner die Ш,
Moder und Sauer, die Lauter und der Queich, sowie der Main, die Nahe>
Lahn, Wied, Mosel, Nette und Ahn Im Unterlaufe geht das Stromgebiet
nach und nach in ein bis zum Mündungsgebiete reichendes Flachland
über. Unterhalb der Grenzstadt Emmerich (11 m Q. M.) theilt sich der Rhein
in zwei Arme. Der links abzweigende, der Waal, vereinigt sich in seinem
Stromlaufe zweimal; er fahrt bis Dortrecht den Namen M er we de und
mündet als Maas in die Nordsee. Der rechte, kleinere Arm heisst zuerst
Niederrhein, theilt sich oberhalb Arnheim in zwei Arme, von denen der
eine nach abermaliger Gabelung unter dem Namen Yssel in den Zuidersee
mündet, während der linke Arm unter dem Namen Neuer Rhein bis Wyck,
parallel mit dem Waal fliesst und sich hier vielfach theilt Links führt er untei
dem Namen Lek die grössere Wassermenge, rechts geht der Krumme Rhein
nach Utrecht, wo dieser sich abermals in die Vecht, welche in den Zuidersee
bei Muiden mündet und in den Alten Rhein, der über Leiden zur Nordsee
fliesst, gabelt. Letzterem wurde durch einen Kanal ein künstlicher Ausweg
zur See geschafien. Das niedergelegene Uferland des Unterrheines ist durch
grosse Deichanlagen gegen Ueberschwemmung gesichert. Im Unterlaufe
münden in den Strom die Sieg, Wupper, Ruhr, Emscher, Lippe und Erft.
Das Gebiet des Oberrh eines reicht demnach von den Quellen bis Basd,
jenes des Mittelrheines bis zum Austritte des Stromes aus dem rheinischen
Schiefer gebirge in die Kölner Tieflandbucht bis Koblenz, jenes des Unterrheines
bis zur niederländischen Grenze. Letzterem schliesst sich dann das Mündungs-
gebiet an. Die ganze Stromlänge beträgt 1225 km, von welchen 886 km
schifibar sind. Die Breite des Stromes ist bei Reichenau 50, an der Mündung
in den Bodensee 65, bei Basel 200, bei Mannheim 330, bei Mainz 620, bei
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3i6
Ш. Binnenschifiahrt.
Koblenz 430, bei Köln 520, bei Wesel 620 und bei Emmerich 990 m. Das
Stromgebiet umfasst von den Rheinquellen bis zum Beginne des Mûndungs-
deltas 159540 km*.
Der Rhein durchströmt die bevölkertsten Gebiete mit grossen Industrien.
Er steht durch schiffbare Nebenflüsse, sowie durch den Rhein-Rhöne- und
• Rhein -Marne -Kanal und durch
3007^0115. -^ J4<j •% • « *S den Ludwigskanal mit dem Innern
Deutschlands, Frankreichs, Bel-
giens, der Niederlande und der
Donau in Verbindung.
Blieinschiffabrt und Rhein-
flotte. Das erste Dampfschifl be-
fuhr den Rhein im Jahre 1817.
Im Jahre 1901 verkehrten am
Rheinstrome 185 Raddampfer
und 904 Schraubenboote. Von
dieser Flotte bedienten etwa
200 die Personenbeförderung
und 889 den Schleppzug und
Frachtendienst. Die Schleppflotte bestand aus 3874 eisernen und 4307
hölzernen Schleppen und Segelschiffen mit zusammen 2633500 Tonnen
Tragfähigkeit. (Tabelle Seite 317.)
Bild 211 zeigt einen .alten und einen modernen Rheintyp. Die
eisernen Rheinschleppe tragen zumeist 400 Tonnen, beiläufig 750 Schleppe
500 bis 700 Tonnen und einzelne Kohlenschleppe 1050 bis 1500
Tonnen. Letztere haben 85,00 m Länge, 10,50 m Breite und mit
Bild 211. Rheinschlepp aus den Jahren 1750
und 1893.
Bild 212. Rheinschlepp mit 1050 Tonnen Tragfähigkeit.
grösster Ladung 2,60 m Tauch ung. In neuester Zeit wurden einige
eiserne Schleppe mit 2070 Tonnen in Dienst gestellt, welche bei 94 m Länge
eine grösste Tauchung von 2,70 m haben. Die grossen Schleppe über
1000 Tonnen befahren hauptsächlich die Strecke Mannheim— Ruhrort —
Rotterdam. Der grösste Theil der Flotte verkehrt am Niederrhein bis Ruhrort.
Die Seitenansicht, den Grundriss und Deckplan eines typischen Rhein-
kahnes zeigt Bild 212. In einer Bordseitenhöhe von 2,00 m wird der Schiffs-
körper durch eine starke Stringerplatte in einer Breite von 0,60 m ab-
geschlossen, auf welcher die 0,50 m hohen senkrechten Wände der Lade-
luken aufgesetzt sind. Diese Kähne werden oft so tief beladen, dass die
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
317
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31 8 ni. Binnenschiffahrt.
mittschiffs liegenden Stringerplatten vom Wasser überspült werden und nur
das die Büffel tragende Vorschiff und das das Steuerrad tragende Hinter-
schiff etwa 0,40 m über Wasser ragen.
Im Stromgebiete des oberen Rheines wird der Schleppzug grössten-
theils durch Raddampfer, nur zwischen Bingen und Bonn, auf 124 km mit
einem Gefälle von i : 3900 auch durch Tauerei, am Niederrheine vorwiegend
durch Schraubendampfer ausgeübt. Die Tauerei mit Kette und Drahtseil hat
am Rheine keinen Aufschwung genommen, während der Schlep^zug mittels
freifahrender Zugdampfer in fortwährender Entwicklung begrifïen ist. Die
Raddampfer haben 200 bis 600 i. HP, in neuerer Zeit wurden solche mit
800 und 1000 i. HP erbaut. Ihre Längen bewegen sich zwischen 40 — 70 m,
die grösste Dampferbreite einschliesslich der Schaufelräder beträgt 16,00 m.
Die schwächeren Raddampfer schleppen zu Berg je nach dem Strom-
gefälle 600 bis 1200 Tonnen Nutzlast, die Kettendampfer und stärkeren Rad-
dampfer bis 1600 Tonnen und die grossen Raddampfer mit und über 600 i. HP
<Bild 213), 2000 bis 2500 Tonnen Nutzlast. In den oberen Strecken mit
Bild 213. Rheinzugdampfer „J. Faber У mit 600 i. HP.
Längte 67.6 m, Breite 7.7 m, Tiefgangs mit 10 t Kohle uoo m.
grösserer Strömung werden 3 bis 4 km, in den unteren Stromabschnitten
4 bis 5 km in der Stunde zurückgelegt. Am Unterrhein werden BergzOge
bis 5000 Tonnen Nutzlast geschleppt. Ein solcher legt die Strecke von
Rotterdam nach Mannheim,. 671 km, in 10 Tagen zurück, wobei die Zugs-
kosten bei einer Nutzlast von 4500 Tonnen bis auf 0,25 Heller für i tkm.
fallen. Zu Thal fahren die Zugdampfer mit 8 bis 10 km Geschwindigkeit.
Die Personendampfer (siehe Seite 249) fahren stromauf 10 bis 15 km,
stromab 15 bis 18 km in der Stunde. Die beladenen Segelschiffe erreichen
bei gutem Winde in der unteren Stromstrecke bergwärts 9 km, thalwärts
12 km.
Schiffbarkeit der Rheinstrecken. Die Fahrtiefen des Rheines betragen
bei gewöhnlichem, mittlerem Niederwasser (-|- 1,50 Kölner Pegel) zwischen
Strassburg und Mannheim 1,20 m
Mannheim „ St. Goar 1,80 „
St. Goar „ Köln 2,40 „
Köln „ Rotterdam 3,00 „
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Schiffahrt auf verschiedeuen Strömen und auf seichten Flüssen
319
Die schwierigste Strecke ist der mittels Sprengungen und Eindämmung
regulirte 90 ra breite Stromabschnitt zwischen Bingen und St. Goar, in
-welchem das- Bingerloch mit einem Gefalle von i : 550 und das „wilde Gefahre"
oberhalb Kaub mit einem Gefalle von i : 600, femer zwei starke Stromkrum-
mungen mit 350 m Halbmessern, darunter die Loreley, liegen.
Die Normalbreite des Rheins ist nirgends geringer als 200 m, von
Koblenz bis Emmerich beträgt sie 300, 360 und 400 m. Die geringste Fahr-
•wasserbreite beginnt auf der oberen Stromstrecke mit 90 m und steigt im
Verhältnis zur Abnahme des Gefälles und Zunahme der Wassermenge bis
^50 m.
Im Allgemeinen ist der Schiffahrtsbetrieb am Rhein leichter als auf
der Donau, die Hochwässer sind geringer und die Wasserstände haben
eine längere Beharrungsdauer. Die Schifïahrt kann durchschnittlich im Jahre
während 320 Tagen ausgeübt werden, durch Eisstand und Eisgang ist sie
22 Tage unterbrochen, durch Hochwasser (+ 7,80 m Kölner Pegel) 3 Tage
und durch Nieder wasser ( — 1,5 m Kölner Pegel) 20 Tage behindert. Die
Bild 214. Regulirte Elbe unterhalb Pirna, (i : 20000)
Schleppe können während ipo Tagen mit beliebiger Tauchung, während
150 Tagen mit einer Tauchung bis 2,30, 50 Tage mit einer Tauchung bis
1,60 und 20 Tage mit einer solchen von 1,20 m verkehren.
Die Elbe. Die Hanptquellen der Elbe sind das auf der Schneekoppe
{1396 m u.M.) entspringende Weisswasser und der von diesem 15 km ent-
fernt auf dem Hohen Rade (1350 m ü. M.) zu Tage tretende Eibbach.
Letzterer stürzt als El b fall 50 m tief in den Eibgrund, in welchen sich auch
das Weisswasser nebst anderen Quellbächen ergiessen. Der nun vereinigte
Gebirgsfluss durchbricht in steiler Schlucht den südlichen Gebirgsabhang des
Riesengebirges und wird abHohenelbe (484 m Q. M.) flössbar. Der Elbe fliessen
nun die Aupa, Mettau, Adler und ber, sowie beiMelnik (156,4 m ü. M.) die
Moldau zu, wodurch sie dann schiflbar wird.
Nach Einmündung der Eger steigen die bisher flachen Ufer an, worauf
der Fluss in einem engen Thallaufe ein Mittelgebirge durchbricht, welches mit
dem sächsischen Berglande bei Meissen endigt. Auf dieser Strecke münden
links bei Aussig die Biela, rechts bei Tetschen der Pölzen. Nach dem
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320
III Binnenschiffahrt.
Durchbruche des Eibsandsteingebirges bei Herrnskretschen erreicht die Elbe
eine Breite von 130 m , durchströmt in oft gewundenem und schmalem Thal-
wege die Sächsische Schweiz, worauf sie in einer Breite von 220 m das
Becken von Dresden betritt. Auf dieser Strecke fliessen rechts die Sebnitz^
und Wesenitz, links die Müglitz und Weisseritz zu. Nachdem die Elbe unter-
halb Meissen noch die Triebisch aufgenommen, strömt sie in nordwestlicher
Richtung bis gegen Wittenberg in einer Breite bis 350 m. Oberhalb Witten-
berg mündet die Schwarze Elster. Bis zur Havelmundung fliesst der Strom
in nordwestlicher Richtung und bildet verschiedene Inseln. Auf der Strecke
von Wittenberg bis zur HavelmQndung vereinigen sich mit der ЕЛЬе links die
Mulde, Saale und Ohre, rechts die Ehle, Ihle und Havel mit dem Plaue-
schen Kanäle.
Bild 215. Elbezugdampfer „Berolina* der Berliner Schnelldampfer - Gesellschaft
Hamburg- Wien, mit 220 i. HP.
Länge 45. m, Breite 3.90, Tiefg^ang 0.80 m.
Nach der 22 m Ober Meereshöhe gelegenen Havelmündung strömt die
Elbe im Flachland in gewundenem Laufe mit einer mittleren Breite von 500 m.
Die Thalhöhe des Stromes fällt bis Lauenburg auf 5 und bei Hamburg auf
I m Ober dem Meeresspiegel. Oberhalb Harburg beginnt die Stromspaltung^
der Elbe in die Soderelbe und Norderelbe. Das Mündungsgebiet
zwischen Harburg und Hamburg ist in zahlreiche Flussarme getheilt,
die sich erst wieder bei Blankenese zu einem 3 km breiten Strome
vereinigen, der sich immer mehr erweitert und unterhalb Brunsbüttel eine
Breite von 7 km und an der Mündung bei Cuxhaven eine solche von
15 km erreicht. Auf dieser Strecke lagern sich beträchtliche Sinkstoffe ab^
wodurch das tiefe Fahrwasser oft auf nur 20 m eingeengt wird und fort-
währende sorgsame Bezeichnung erfordert. In ihrem Unterlaufe nimmt die
Elbe rechts die Stegnitz, Eide, Bille, Alster und Stör, links die Aland, Jezzel^
Ilmenau und Oste auf. Die Stromlänge der Elbe vom Eibbrunnen bis zur
Mündung beträgt 1140 km, die schifl bare Strecke von Melnik abwärts 833 km^
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
321
Das Stromgebiet umfasst 143327 km*. Eine regulirte Stromstrecke zeigt
Bild 214.
Bild 216. Zugdampfer der oberen Elbe „Prinzess Luisa" mit 300 i. HP.
Lflnge 52.0 m, Breite 6.25 m, Tiefgang 0.75 m.
Elbeschiffahrt und Flotte. Auf der Elbe wird eine lebhafte Schiffahrt
betrieben. Auf 725 km Stromlänge, von Hamburg bis Melnik, wird der
Bild 217. Zugdampfer der unteren Elbe „Vereinigte Elbe- und Saale -Schiffer N0. i"
mit 800 i. HP.
Lange 67.3 Ю, Breite 8.8 m, Tiefgang z.io m.
Scbleppzug hauptsächlich mittels freifahrender Zugdampfer ausgeübt,
welthe den früher bevorzugten Tauereibetrieb immer mehr verdrängen. Letzterer
Suppàn, Waeserstrassen und Binnenschiffahrt 21
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322
m. Binnenschiffahrt.
wird hauptsächlich auf der oberen Elbestrecke des dort stärkeren Gefälles w^en
unterhalten, während sich auf der mittleren Elbe der Schleppzug mittels Rad-
Bild 218. Elbezugdampfer ^jHabsburg" der Nordwest-Dampfschiffahrt, zwischen
Magdeburg und Hamburg, mit 650 i. HP.
^^^K^ 67^ m, Breite 8,0 m, Tiefgang x»xo m
Bild 219. Elbe-Schraubenbugser nächst Hamburg.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
323
<lampfer, auf der unteren Elbe auch mittels Schraubenbooten ganz ausser-
^ewöhnlich entwickelt, obwohl die Kette 1874 von Hamburg bis Aussig auf
^55 km Länge gelegt wurde.
Im Jahre 1897 betrug die Anzahl der auf der Elbe verkehrenden
Dampfer 470, darunter 30 Ketten- und Seildampfer, jene der Schleppe, Kähne
und Segelschiffe Ober 10 200. Die meisten Kähne sind aus Holz erbaut
oder haben auf Holzböden aufgesetzte eiserne Bordwände, und nur die in
<ien letzten Jahren in Betrieb gestellten sind ganz aus Eisen. Von den
Schleppen haben etwa 700 festes Deck, 3000 ein abnehmbares Dach und 6500
sind ohne Deck, offen. Die Anzahl und allgemeine Bauart der Elbedampfer
ist in folgendem Verzeichnisse zusammengestellt:
Bauart
Bau-
5
Hiervon Dampfer
Schiffsboden
Deck
material
mit
Gattung
der
Schiffe
Zahl
der Schiffe
2аЫ
der Schiffe
Holz Eisen
0.
Û
и
1
Jb4
E
î
indicirten
Pferdekräften
e
II
E
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E
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Zahl
der
и
8
M
§
l
и
1
0
■i
■tä
E
•il
1
Schiffe
N
ë
2
2
•J
%
Personendampfer
60
14
184
173
4
ai
9
189
198
9581
126
49
ao
3
.Frachtdampfer. . .
38
—
I
20
17
a
II
a8
39
2513
ao
10
9
—
—
Zugdampfer
64
6
133
195
4
4
3
aoo
аоз
22622
65
70
34
23
13
Tauer
30
30
—
•^
—
30
30
6248
—
4
19
7
—
Die typischen Raddampfer für den Schleppzug, sowie die Schrauben-
Ъugser des Mündungsgebietes der Elbe werden durch die Abbildungen 215,
9x6, 217, 2x8 und 2x9 veranschaulicht.
Nach der Tragfähigkeit geordnet, war der Stand der Elbeschlepp-
ilotte X897 folgender:
Tragfähigkeit
Schlepp- und
Segelschiffe
von xo bis unter 20 Tonnen
„ 20
»
It
30
p 30
M
if
40
» 40
>9
)»
50
» 50
If
fj
75
M 75
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„ xoo
it
M
150
» 150
»»
M
200
„ 200
>»
»
250
M 250
It
и
300
1» 300
Л
ff
350
M 350
M
M
400
„ 400
Tonnen und di
irûb
ohne Angabe der Tragfähigkeit
1082
1032
1277
670
708
977
2907
376
443
157
156
130
195
90
21'
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324
III. Binnenschiffahrt.
Die grossen Elbeschleppe haben eine Tragfähigkeit von 400 bis
750 Tonnen, mit Längen von 56,0 bis 75,0 m, Breiten von 8,0 bis
10,0 m und Tauchungen von 1,40 bis 1,85 m, die kleineren Schleppe
aus den Elbe-, Finow-Plaue-Kanälen und aus der Saale haben 75 bis
300 Tonnen Tragfähigkeit. Zahlreich sind die sogenannten Stevenkähne,.
welche kunstlos geformt, mit nach vorne etwas ausgelegtem Vorsteven und
hinten, um das innere Blatt des Balanceruders aufzunehmen, mit einem ein-
gebogenen Achter versehen sind. Sie haben eine Länge bis 80 m, meist eine
Breite von 8 m und eine Tiefe von 1,85 m. In Folge ihres kurzen Vorder-
und Hinterbuges besitzen sie einen grossen VöUigkeitsgrad bis 0,91 und eine
nicht ausreichende Steuer-
fähigkeit, welche sie durch das
sog. Balanceruder
bessern suchen.
zu ver-
Bild 220. (M. 1 : 100)
Balancernder. Das Balance-
ruder (Bild 220) unterscheidet
sich vom gewöhnlichen Steuer-
ruder dadurch, dass sein
Ruderblatt nicht wie letzteres
einen einarmigen, sondern
einen zweiarmigen Hebel darstellt. Während das gewöhnliche Ruder sich mit
zwei Fingerlingen in zwei Oesen am Achter thorartig hin und her bewegt,
hängt das Balanceruder nur oben im Hintersteven und dreht sich um einen
durch Steuer und Hinterkaffe geführten Bolzen, den Steuernagel. Das Balance-
ruder hat den Vortheil, dass der Widerstand an beiden Hebelarmen nach einer
Knielatte zur
Nacbmessnng
der Schiffs-
taachung^.
Bild 221. Querschnitt durch einen hölzernen Elbekahn.
Richtung wirkt, sich also in Bezug auf die in der Ruderpinne wirkende Kraft
gegenseitig zum Theil ausgleicht, wodurch es leichter umgelegt werden kann.
Dagegen hat es den Nachtheil, dass es leicht ausgehoben und havarirt, sowie
durch einrinnende Baumstöcke verzwängt werden kann.
Bauart der Eibkähne. Den Querschnitt eines gebräuchlichen Elbekahnes
zeigt Bild 221. Die Bodenlänge desselben beträgt 60 m, die Decklänge bis zum
Steuer 64,50 m, die Bodenbreite 7, die obere Deckbreite 7,70 m. Derselbe
hat ein abnehmbares Dach, dessen First 3,35 m, während das Deck 2,55 m
hoch ist. Mit einem Freibord von 0,26 m bei voller Ladung mit 510 Tonnen
taucht er 1,85 m; sein Leertiefgang beträgt 0,33 m, sein VöUigkeitsgrad 88 7o'
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
325
Die Nordwest-Dampfschiffahrt hat einen Typ mit 680 Tonnen Trag-
fähigkeit, bei nur 1,50 m Tauchung in Betrieb gestellt, jedoch die Erfahrung
gemacht, dass sein Widerstand gegen den Zug nicht genügend wirthschaftlich
ausfällt. Die Abmessungen dieses Schleppes sind: Bodenlänge 67 m, Körper-
länge in der Wasserlinie bei 1,50 m Tauchung 70 m, Bodenbreite 9,70 m,
Körperbreite bei 1,50 m Tauchung 10,30 m, Höhe 1,85 m, Leertiefgang 0,35 m,
Eigengewicht 180 Tonnen.
Die Elbschleppe führen je nach den in die Elbe mündenden Schiffahrts-
strassen die verschiedensten Namen:
Die Elbekähne, auch Oberländer genannt, verkehren durch die
Havel und Spree bis Berlin und nehmen 350 Tonnen. Sie sind aus Holz
tu it flachem Boden gebaut, vorne und hinten mit breiten Kasten und starkem
Holzdeck.
Bild 222. Böhmische Zillen und Obereibische im Moldauhafen Karolinenthal bei Prag.
(350 bis 400 t.)
Die Schleppkähne, auch Obereibische genannt, sind entweder aus
Holz oder aus Eisen mit Holzboden, haben 62 m Länge, 8 m Breite und
nehmen bei 1,4 m Tiefgang 400 Tonnen. (Bild 222.)
Einige dieser Kähne haben 76 m Länge, 11 m Breite und nehmen
750 Tonnen Ladung. (Bild 223.)
Die böhmischen Zillen, welche in Aussig und Tetschen aus Roth-
tannenholz gezimmert werden, erreichen bis 50 m Länge, 6 m Breite und
nehmen bei 1,50 m Tiefgang 300 Tonnen. Ihre Lebensdauer beträgt nur
3 — 4 Jahre und werden sie dann in Hamburg zumeist zu Brennholz zer-
schlagen. Eine andere Form sind die aus Kiefernholz gezimmerten Spitz-
kähne von 150 Tonnen Tragfähigkeit, welche von der Elbe bis in das Weichsel-
gebiet verkehren.
Ausser diesen Haupttypen verkehren noch auf der Elbe die aus der Saale
und aus dem Havelgebiete kommenden eichenen Kähne, ferner die
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32б
III. Binnenschiffahrt.
Stecknîtzschiffe, die Lauenburger und endlich die viereckigen, oflfenen
Butzer mit loo Tonnen, welche auf der oberen Spree und den Kanälen
laufen, sowie die nur zu einmaliger Thalfahrt geeigneten Prahme.
Von Segelschiffen verkehren auf der Unterelbe nach Hamburg die
Fluss-Ewer mit umlegbarem Mast und Gaffelsegel, welche 30 — 50 Tonnen
nehmen, während die seetüchtigen auf Kiel gebauten grossen Ewe/ mit
2 Masten und seeschiffartiger Takelung bis in die Nordsee gehen.
Die Tragfähigkeit der Elbeschleppe ist infolge Verbesserung des Fahr-
wassers innerhalb 50 Jahren um das fünffache und zwar von 1850 mit
150 Tonnen bis 1900 mit 750 Tonnen gestiegen. Von der Anwendung
des Holzbodens wollen jedoch die Elbeschiffer, sowie auch die Oderr
Bild 223. Schleppkähne der unteren Elbe im Segelhafen bei Hamburg. (750 L)
Schiffer nicht abgehen, weil sie der Ansicht sind, dass die hölzernen
Schleppböden beim Ländfahren angeblich weniger schwer beschädigt werden
und leichtere Leckagen bekommen als Schleppe mit Eisenböden. Wurden
dagegen die Rheder den grösseren Reibungswiderstand der Holzböden
gegenüber glatten Eisenböden, die leichtere und festere Bauart des Eisen-
schleppes, seine günstigere Steuerfähigkeit und längere Lebensdauer in
Rechnung ziehen, so wären sie, sowie jene der Donau und des Rheines
schon lange auf den reinen Eisenbau übergegangen.
Schiffbarkeit der Elbestrecken« Der Schiffahrtsbetrieb auf der Elbe ist,
obwohl derselbe mit keinen übergrossen Strömungen zu kämpfen hat, bei
Niederwasser dennoch ein schwieriger, weil dann die Elbe sehr wasserarm
ist. Bei niederstem Wasserstand führt sie bei Tetschen nur 60 cbm, bei
Magdeburg 120 und erst 50 km oberhalb Hamburg 160 cbm in der Sekunde,
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
327
ivährend die bisher beobachtete geringste Wassermenge der Donau bei Wien
( — a88 Pegel der Reichsbrûcke) noch immer 245 cbm beträgt. Die Folge
dieser Wasserarmut ist, dass in trockener Zeit, bei einem Pegelstande von
— 1,40 in Dresden zwischen Aussig und Tatschen nur mit Tauchtiefen von
0,60, zwischen Tetschen und Dresden mit 0,70, zwischen Dresden und
Magdeburg mit 1,00 und erst ab der Havelmundung mit 1,20 m gefahreu
werden kann. In der Unterelbe bei Hamburg ist jedoch zu allen Zeiten
4,00 m tiefes Fahrwasser vorhanden.
Bei niederen Wasserständen schlängelt sich der Stromstrich in Fahr-
breiten von 30 bis 50 m und ist der Betrieb nur dadurch möglich, dass
verhältnismässig nicht grosse und gleichmässige Strömungen vorhanden sind
und die Vermalung des Fahrweges, sowie dessen Reinigung sorgfältig durch-
geführt wird. Nahe der böhmisch -sächsichen Grenze sind die engsten
Krümmungen und starke Versandungen.
Auf der Strecke Tetschen-Barby können bis zu einem Wasserstande
von — 0,50 m in Dresden die Elbekähne noch mit 1,50 m Tauchung verkehren.
Bei — 1,40 wird aber die Schiffahrt beschwerlich und wirft Keinen Nutzen ab,
weil die Schleppe mit kaum halber Ladung fahren können. In der zwischen
flachen Ufern mit geringem Gefälle fallenden Stromstrecke von der sächsischen
Grenze bis Magdeburg wechselt der Thalweg des Stromes in den Krümmungen
auf je' I bis 2 km Entfernung einmal rechts und einmal links. Zwischen
diesen breiten sich die Sandbänke aus, über deren mittlere Schwellen die
Schiffahrt geht. Diese Fuhrtschwellen werden am meisten fühlbar, wenn das
Wasser rasch abfällt, aber noch über das ganze Strombett ausgebreitet ist.
Kommt jedoch ein niederer Wasserstand zur Beharrung, so bilden sich in
demselben, bald wieder tiefere Rinnen. Diese Geschiebe und Stromgestaltungen
rücken immer stromabwärts, so dass jede der einzelnen Krümmungen jährlich
um etwa 400 m nach abwärts schreitet.
In den unteren Strecken ist diese der Schiffahrt nachtheilige Ver-
schiebung des Thalweges nicht mehr fühlbar. Unterhalb der Havelmündung
folgt der Thalweg zumeist den natürlichen Krümmungen der Ufer und
entspricht fast ausnahmslos der Gestaltung der Sandbänke, welche ziemlich
regelmässig geformt und in nahezu gleichen Abständen auf einander folgen.
Die Veränderungen in der Lage und Richtung des Fahrwassers bei Nieder-
und Hochwasser sind insbesondere für die Kettenschiffahrt von Einfluss, weil die
Kette bei niedrigen Wasserständen vollständig in den Krümmungen des Fahr-
wassers liegt, bei höherem Wasser aber mehr nach der Mitte des Stromes
verschoben wird. Bei Hochwasser wird die Kette deshalb zu lang und muss
gekürzt, um umgekehrt bei abfallendem Wasser wieder durch die mitgeführten
Reserveketten auf die den Windungen des Fahrwassers entsprechende Länge
gebracht zu werden. Die Anschwellungen steigen im allgemeinen im obern
Theile der Elbe höher an als weiter abwärts. Dadurch wird das Gefälle des
Stromes bei Hochwasser etwas vergrössert.
Die Gefälls- und Stromverhältnisse, sowie die Fahrtiefen der Elbe bei
Niederwasser siehe Seite 29. Während der durchschnittlichen jährlichen
Betriebsdauer von 300 Tagen, entfallen auf den besseren Fiussabschnitt
unterhalb Dresden 75 Tage mit voller Ladung von über 1,50 m Tauchtiefe,
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328
IIL Binnenschiffahrt.
135 Tage mit Tauchtiefen von weniger als 1,50 m, 70 Tage mit weniger als
I m und 20 Tage mit weniger als 0,90 m. Bis Hamburg und Harburg kommen
die grössten Seeschiffe mit der Fluth, die von Cuxhaven bis Geesthacht
ansteigt und bei Cuxhaven 2,83 m, bei Hamburg 1,89 m mittlere Höhe erreicht.
Das Grundeistreiben tritt auf der Elbe gewöhnlich Mitte Dezember
ein und bildet sich der Eisstand zumeist an der Grenze des Fluth- und Ebben-
wechsels, daher in der Regel allmählig von unten nach oben. Die Schiffer
MasMtab i : 25 000
^^
I
Bild 224. Regulirte Oderstrecke (Oderbruch) und Oderbahnen.
pflegen wegen des gesteigerten Wettbewerbes die Fahrt so lange fortzusetzen,
bis sie durch zu starken Frost behindert und gezwungen werden, den nächsten
Winterhafen aufzusuchen, den sie aber, sobald das Eistreiben nachlässt oder
der dem Eisstand folgende Eisgang vorüber ist, ohne Verzug wieder verlassen.
Uebrigens kommen auch Winter vor, in denen die Schiffahrt wegen der milden
Witterung und des günstigen Wasserstandes überhaupt nicht ganz unter-
brochen ^rd.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen upd auf seichten Flüssen.
329
Die Oder. Die Oder entspringt in einer Höhe von 627 m in einem
südöstlichen Ausläufer der Sudeten und scheidet zwischen Prerau und Oderberg
diese von den Karpathen. Links nimmt sie die Oppa, rechts den Grenzfluss
Ostraviza und die Olsa auf und betritt unterhalb Oderberg das preussische
Staatsgebiet. Von Kosel bis zur Neissemündung ist die Oder kanalisirt,
der Oberlauf besteht sonst aus grossen Krümmungen.
Das Oderthal selbst hat innerhalb der Grenzen seines Ueberschwemmungs-
gebietes eine mittlere Breite von 5 — 6 km und erreicht nur unterhalb der
Warthemundung im Oderbruch eine Ueberbreite von 20 km. Beim Oderbruch
(Bild 224) bildete die Oder ehemals die grösste Krümmung, welche aber durch
einen grossen Durchstich, die Neue Oder, beseitigt wurde, während die Alte
Oder vollständig abgedämmt ist. Die ferneren Nebenflüsse der Oder sind
rechts die Ruda, Birawka, Klodnitz, Malapane, Brinitze, Stober, Weida,
Bild 225. Oderzugdampfer „Herzog von Ratibor*, 400 i. HP.
Bartsch, die War the mit der Netze, die Miezel, Schlibbe, ROrike, Thur, Plöne
und Ihna; links die Zinna, Ossa, Glatzer Neisse, Ohlau, Lohe, Weistritz,
Katzbach, Bober mit dem Queis, die Lausitzer Neisse, Finow und Welse.
Mit der Spree ist die Oder durch den Oder-Spree-Kanal und mit der
Havel durch den Finow-Kaiial verbunden. >
Der Friedrich Wilhelms-Kanal bildet eine weitere Verbindung mit
dem Spree-Kanal. Unmittelbar darauf bricht die Oder durch den pommerischen
Landrücken, oberhalb Garz, und theilt sich in zwei Arme, von welchen der
östliche, die Grosse Reglitz, sich nach Greifenhagen wendet und in den
Dammschen See fliesst, während der westliche auf seinem Laufe nach Stettin
durch mehrere kleinere Arme mit der Reglitz in Verbindung steht. Der
oberhalb Stettin aus der eigentiichen Oder abzweigende Arm heisst die Kleine
RegJitz, wçlche sich nebst anderen Abzweigungen der Oder, wie; die Parnitz
und die Schwante, gleichfalls in den Dammschen See ergiesst. Der Abfluss
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ЗЗО
III. Binnenschiffahrt
dieses Sees, die Damansch, vereinigt sich wieder mit dem Hauptstrome. Dieser
mündet schliesslich als Jasenitzsche Fahrt, Grosse und Kleine Strewe in das
Stettiner oder Pommersche Haff und verzweigt sich hier in die drei starken,
in die Ostsee mündenden Stromarme Dievenow, Swine und Peene, welche
die Inseln Usedom und Wollin umschliessen.
Die Stromlänge der Oder beträgt 905 km, von Oderberg bis Stettin
'juo km. Flössbar ist sie ab Ratibor und schißbar ab Kosel. Ihr Flussgebiet
umfasst 118 000 km ^.
OderscMffahrt uud Flotte. Auf der Oder wird der Schleppzug grössten-
theils durch Raddampfer ausgeübt, nur im Mündungsgebiete verkehren Schrau-
benboote. Ohne diese Bugser beträgt die Anzahl der Dampfer 120 und
jene der Schleppe rund 4СЮ.
Bild 226. Oderkahn mit 320 Tonnen Tragfähigkeit.
Nicht wenige der Dampfer sind alte Bauwerke mit unwirthschaftlichen
Maschinenanlagen; insbesondere viele Heckraddampfer haben eine ungünstige
Leistung. Starke, zeitgemäss gebaute Dampfer (Bild 225) wurden erst in
neuerer Zeit in Betrieb gebracht.
Die Schleppe sind grösstentheils Holzkähne oder haben auf einem
hölzernen Boden aufgesetzte eiserne Schiffswände. Die Längen derselben
schwanken zwischen 35 und 55 m, deren Breiten zwischen 3 und 8 m, sie
haben einen Leertiefgang von 0,37 bis 0,45 m und fassen bei i bis 1,50 m
Tauchung 200 bis 430 Tonnen. (Bild 226.)
In den letzten Jahren wurden leichte eiserne Schleppe in Betrieb
gebracht, welche bei einem Tiefgange von 1,50 m 470 Tonnen Tragvermögen
besitzen. (Bild 227.) Diese sind in der Weise gebaut, dass einfache Spanten
in kurzen Entfernungen von einander gelagert und auf diesen die Boden- und
Seitenbleche aufgenietet werden. Durchzüge oder Längsversteifungen sind
nicht vorhanden. Seite 237 ist einer der preisgekrönten Oderschlepptypen mit
hölzernem Boden und eisernen Wänden dargestellt.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
331
Scliiffbarkeit der Oderstrecken. Die Oder wird von Ratibor bis Swine-
niQnde als schiffbar bezeichnet, jedoch besteht derzeit nur ab Kosel ein Schiffs-
verkehr.
Das Gefälle und die Stromgeschwindigkeit auf der Oderstrecke sind gleich-
massig und gering, im Unterlaufe sehr schwach. Der Rückstau der See
reicht bis Schwedt. In Folge des sehr geringen Gef^Ues, mit welchem die
Oder in die Ostsee mündet, wird die Schiffahrt auf dem Unterlaufe derselben
durch starke Sinkstoffablagerungen zeitweise behindert. Die Geschiebefuhrung
der Oder ist übrigens allgemein eine ziemlich starke. Insbesondere führen
die Hochfluthen der Nebenflüsse viel Schlamm und Sand in den Hauptstrom.
Im Oberlaufe bis Ratibor besteht das Geschiebe aus Gerolle und grobem Kies,
welcher bei Oppeln schon feiner, bei Breslau aber bereits nur Sand ist.
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Bild 227. Oderkahn mit 470 Tonnen Tragfähigkeit.
Nach jedem grösseren Hochwasser ist in der Oder soviel Sand abgelagert,
dass der Fluss sich seine Fahrrinne erst wieder nach einem, mehrere Wochen
andauernden niederen Wasserstande durchwaschen kann, nachdem er schon
vorher die Sinkstoffe allmählig in den Buhnenfeldern abgelagert hat. Darunter
leidet die Oderschiffahrt ganz ausserordentlich, weil der Schiffsverkehr immer
wieder unterbrochen wird und sich in gewisse Zeiträume zusammendrängt.
Ist dann wieder genügende Fahrtiefe vorhanden, so haben sich strecken-
weise vor den Führten so viele Schleppe gesammelt, dass diese ihre Ablade-
steile auf einmal erreichen, diese überfüllt finden und nun wieder, oft bis
2 Wochen, auf ihre Entladung warten müssen. Der grösste Uebelstand der
Oderschiffahrt liegt demnach in der Unmöglichkeit, den Verkehr regelmässig
abzuwickeln.
Die für die Schiffahrt in Betracht kommende Oderstrecke zerfällt in drei
Theile :
I. Die kanalisirte Oder von Kosel bis zur NeissemOndung von km 97 bis
km 181, auf welcher Länge der Strom unabhängig von seiner Wasserführung
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332 Ш. Binnenschiffahrt.
eine geringste Wassertiefe von 1,50 m noch in jedem obersten Theüe einer
Haltung hat. Die ursprünglich 84,5 km lange Strecke wurde durch 5 Durch-
stiche auf 78 km verkürzt. Die Kanalisirung wurde mittels 12 Staustufen bei
Kosel, Januschkowitz, Krempa, Krappitz, Rogau, Konty, Groschowitz, Oppeln,
Frauendorf, Döbern, Oderhof, Sowade, Neissemündung hergestellt. Die durch
Nadelwehre gebildeten Stauhöhen dieser einzelnen Stufen schwanken zwischen
1,75 m und 2,60 m und die entsprechenden Kanalhaltungen zwischen 4,3 und
8,5 km Länge.
Die Schiffsdurchlässe in den Wehren liegen im Zuge des Stromstriches.
Die Kammerschleusen haben 55 m Nutzlänge, 9,6 m Breite und bei kleinstem
aufgestautem Wasser 2,00 m Wassertiefe Ober den Drempeln. Dieselben
gewähren Raum für den grössten Oderschlepp mit 470 Tonnen Tragfähigkeit,
oder 2 kleinere Schleppe der Finowkanalgruppe. Die zeichnerische Darstellung
dieser Kanalisirungsanlagen siehe Seite 126.
2. Die durch Schleusen und feste Wehre bei Brieg, Ohlau und Breslau
unterbrochene Strecke von der Neissemündung bis Breslau von km 181 bis
km 255. Durch das Bestehen dieser Jahrhunderte alten Wehranlagen
ist diese Strecke oberhalb der Wehre stark verlandet und es ergeben sich
auf derselben durch die hieraus eingetretene Gefällsverminderung, durch die
unregelmässige Gestaltung des Hochwasserprofiles und endlich durch die ver-
hältnismässig unbedeutende Wasserführung bei Niederwasser oft nur Tiefen von
0,70 m. Das wichtigste Regulirungswerk ist der bei Breslau geschaffene Gross-
schiffahrtsweg, ein oberhalb der Stadt aus der Oder abzweigender Umgehungs-
kanal, welcher theilweise ein altes Oderbett benutzend, eine Gesammtlänge
von 7 km hat.
3. Die freie Oderstrecke unterhalb Breslau, welche bei Niederwasser
auch ungünstige Fahrwassertiefen von zeitweise nur 0,80 m, bei gutem
Wasserstande solche von 1,80 m zeigt.
Die Schleppe fahren daher auf der kanalisirten Strecke wohl mit voller
Ladung, auf den übrigen jedoch nur während der hohen Wasserstände im
Frühjahr mit ganzer Tauchung, sonst aber mit 7» und ^/4 Ladung =150
bis 300 Tonnen, bei mittleren Tauchungen von 0,90 bis 1,20 m. Bis Stettin
fahren Seeschiffe in einer Wassertiefe bis 7 m.
Im Vergleiche zur SchleppausnOtzung, welche sich auf der Donau, am
Rhein und auf der Elbe ergiebt, ist jene der Oder als gering zu bezeichnen.
D
onau.
Rhein,
Elbe
Oder
1896
1896
1897 1898
1900
Tage
Tage
'
'
bei voller Ladung . .
160
194
195 38
124 68
HO
„ 8/4 Ladung . . .
80
82
38 117
65 67
36
„ Y2 ^^^ darunter .
40
52
46 48
24 29
38
n 4t n n
10
19
23 44
19 142
55
Das Gefälle und die Fahrtiefen der Oder siehe auch Seite 30.
SeineschiiTahrt. Nach der Veröffentlichung der „Administration des
Travaux publics" betrug 1896 die Schleppflotte aller Binnengewässer
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen. 333
Frankreichs 15,793 Boote mit einem Gesammttragvermögen von 3442,250
Tonnen und die Anzahl der Dampfer 611. Letztere bestanden aus;
214 Personendampfern, zumeist Schraubenschiffen,
98 Frachtdampfern mit 13000 i. HP,
222 Zugdampfern mit 26000 i. HP und
77 Kettenschiffen.
Die lebhafteste Flussschiffahrt wird auf der Seine ausgeübt. Die Seine
entspringt 471 m ü. M. auf dem Plateau von Langres bei Chanceaux, strömt
in nordwestlicher Hauptrichtung, beschreibt in ihrem Unterlauf weite Krümmungen
und mündet nach 776 km Stromlânge zwischen Le Havre und Honfleur mit
einer 10 km breiten Mündungsbucht in den Kanal La Manche. Auf der Strecke
von Troyes bis Marcilly wird der Fluss von dem Kanal der oberen Seine
(44 km) begleitet; von Marcilly an ist er 547 km lang schiffbar und von
Rouen an wird er mit Seeschiffen befahren. Von Toucarville führt ein
21 km langer Schiffahrtskanal unmittelbar in den Hafen von Havre. (Die
Kanalisirung der Seine siehe Abschnitt 4.) Das Stromgebiet der Seine
umfasst 77,769 km^. Den natürlichen Mittelpunkt des ganzen Seinebeckens
bildet Paris. Die bedeutendsten Nebenflüsse sind rechts: die Aube,.
Marne, Oise und Epte, links: die Yonne, Loing, Essonne, Eure und Rille.
Mit der Somme, Scheide, Maas, dem Rhein, der Rhône, Saône und Loire ist
die Seine durch ein grosses Kanalsystem verbunden.
Der Verkehr auf der Seine ist von Montereau an sehr lebhaft; 1893.
betrug er in Paris 4,8 Millionen Tonnen. Den Fluss befahren etwa 15 Tauer-
Schiffe, 130 Schraubenbugser und 100 Radfrachtdaropfer. Die Tauer (siehe auch
Bild 182) mit 150 bis 300 i. HP ziehen zu Berg bei Hochwasser 4 bis
5 Schleppe mit 1000 bis 1500 Tonnen Nutzlast, bei Mittelwasser 2000 und
bei Niederwasser selbst 8 Boote mit 2500 Tonnen Nutzlast mit 3 bis 4 km
Fahrgeschwindigkeit in der Stunde. Die grössten Schleppe bis 1000 Tonnen
Tragfähigkeit fahren auf der Seine zwischen Paris und Rouen. Die Schrauben-
bugser haben 100 bis 300 i. HP. Im Mündungsgebiete verkehren auch
grössere Schraubendampfer, welche den Seeverkehr bedienen, mit 4 bis 5 km
Geschwindigkeit fahren und im Mittel 2000 Tonnen Nutzlast leisten. Die
Radfrachtschiffe vermitteln mit ihren Körperladungen den Eilgutdienst miV
einer Fahrgeschwindigkeit einschliesslich der Schleusenaufenthalte von 7 km
in der Stünde.
RhönescMffalirt. Der zweitgrösste Fluss Frankreichs, die Rhône, ist der
Abfluss eines sich zwischen dem Grimsel- und Furkapass aus einer Höhe
von 1753 m herabziehenden, 10 km langen Gletschers. Der Fluss durch-
strömt zunächst das ganze Längenthal des oberen Wallis, nimmt zahlreiche
wasserreiche Gletscherbäche auf und wird unterhalb des Gebirgsdurchbruches
bei St. Maurice für kleine Kähne schiffbar. Nachdem er im Genfer See
sein Geschiebe abgelagert, nimmt er bei seinem Austritt die Arve auf und
fliesst nun durch ein immer enger werdendes Thal zwischen dem Jura und
den savoyischen Vorbergen, die Felsschluchten und Katarakte bei Forts
TEcluse, Porte du Rhône und Mal pertuis bildend. Bei Le Pare wird dann
die Rhône aufs neue schiffbar und erreicht, nachdem sie das Gebirge ver-
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034 ^^- Binnenschififahrt.
lassen und den Ain aufgenommen, eine von vielen Inseln und Kiesbänken
durchquerte Breite bis 2 km.
Nach Lyon (155 m Û..M.) nimmt der Rhônefluss die Saône auf und mündet
nach einem 335 km langen Laufe nach Süden in das Mittelländische Meer.
Unterhalb Pont St. Esprit bei Avignon ist das Rhônethal eine breite Ebene;
bei Arles erfolgt eine Stromtheilung in einen westlichen und einen östlichen
Hauptarm. Der westliche ist der Petit Rhône, von dem sich wieder westlich
der Rhône Vif abzweigt. Der östliche grosse Arm, Grand Rhône, ist bis
zu seiner Mündung von starken Dämmen begleitet und hat einige unbedeutende
Auszweigungen.
Die Rhône führt dem Meere jährlich 21 Mill, cbm Sinkstoffe zu, wo-
durch ihr Delta jährlich um 50 m vorwärts rückt. Die durch eine Barre
mit kaum 2 m Wassertiefe geschlossene, veränderliche Hauptmündung wurde
durch einen 6 m tiefen Kanal umgangen, welcher 7 km oberhalb der Mündung
südöstlich in den Golf von Fos führt, so dass der Rhônefluss von Le Parc,
154 km oberhalb Lyon, bis ins Mittelmeer auf eine Länge von 489 km schiff-
bar ist.
Die Rhône nimmt in der Schweiz den Abfluss von über 200 Gletschern
und auf ihrem ganzen Laufe gegen 100 Zuflüsse auf, unter denen die be-
deutenderen die Arve, Isère, Drôme, Eygnes und Durance, sowie die Ain,
Saône, Ardéche, Céze und Gard sind. Der gesammte Stromlauf ist 800 km
lang, das ganze Stromgebiet umfasst 98885 km'. Das Rhönegebiet ist
durch den Kanal von Burgund mit der Seine, durch den Kanal du Centre
mit der Loire und durch den Rhein-Rhone-Kanal mit dem Rhein verbunden.
Am Unterlauf bestehen ausser dem Kanal von St. Louis noch die Schiffahrts-
kanäle von Arles nach Port de Bone und von Beaucaire nach Aigues-Mortes.
Nach Marseille ist die Herstellung einer Kanallinie geplant.
Die Schiffahrtsbewegung zwischen Lyon und Arles, der verkehrsreichsten
Strecke, umfasste 1893 6929 Fahrzeuge mit 556800 Tonnen.
Die Rhöneschiffahrt ist bei der grossen Strömung und dem engen Thal-
wege eine schwierige. Ausser Zugdampfern verkehren auch noch einige
der dort früher allgemein üblich gewesenen langgebauten Frachtdampfer,
. welche 800 bis 900 i. HP, eine Länge von 120 bis 135 m und 7,50 bis 8,00 m
Breite haben und bei einer Tauchung von 1,30 m 500 Tonnen Körperladung
nehmen. Sie werden mit 8 m langen, an beiden Körperenden angebrachten
Steuerrudern gesteuert und sind an den Bordwänden mit senkrecht stehenden
Bäumen versehen, welche, wenn der Dampfer in der grossen Strömung über-
fällig wird, in die Flusssohle gestossen werden, um dadurch den Dampfer
rascher zum Stillstande zu bringen, als dieses mittels Ankers geschehen
könnte.
Orappins. Eine besondere Bauform waren die Grappins, welche derzeit
jedoch ausser Betrieb gestellt sind. Die Grappins hatten als Fortbeweger
lange Eisenstangen, welche abwechselnd in die Flusssohle einhackten und den
Schiffskörper krabbenartig vorwärts bewegten. Diese Eisenarme traten in
einer Länge von 0,50 m aus dem Felgenkranze eines starken eisernen Rades
von 6 m Durchmesser. Konnten die Dampfer mit ihren gewöhnlichen
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
335
Schaufelrädern gegen die Strömung nicht mehr aufkommen, so wurde dieses
Rad, welches sich in einem in der Längenachse des Schifïskorpers aus-
genommenen Schlitz bewegte, auf den Boden des Flusses hinabgelassen, durch •
Kettenräder mit der Maschinenwelle zusammengekuppelt und in Drehung gesetzt.
Die vortretenden Eisenarme griffen in den Flussgrund ein und bewegten den
Dampfer sammt seinem Anhang Ober die stärksten Stromschnellen. Infolge
des Ausweichens und Abrollens der am Flussgrunde liegenden Kiesel ergab diese
Zugsart jedoch eine nur geringe Nutzleistung.
Batean-éclnse. Ein wunderlicher Betrieb wurde am Rhôneflusse mit jedoch
ungünstigem Ergebnisse zur Weiterbeförderung der von Marseille anschwim-
menden 2 m tief tauchenden Schleppe versucht. Um diese 35 m langen und
7,15m breiten Schleppe bei Niederwasser ungeleichtert auch oberhalb Arles bringen
zu können, wurden sie in ein von einer Schaufelradmaschine betriebenes
Dockschiff eingeschleusst und von diesem weiterbefördert. Dieses 83 m lange
und 8,50 m breite bateau-écluse hatte dann mit dem aufgenommenen Boot
einen Tiefgang von nur 1,30 m. Die Einschleusung geschah derart, dass das
Doçkschiflf durch Einlassen von Wasserballast bis auf die Tiefe des auf-
zunehmenden Bootes gesenkt und mit diesem dann durch Auspumpen des
Wassers aus den Tanks wieder gehoben wurde.
Rhônetauerei. Um die Rhöneschiffahrt wirthschaftlicher zu gestalten,
hat man in letzter Zeit auf der schwierigsten Strecke einen eigenartigen
Kabelbetrieb eingerichtet und den Stromlauf von Lyon bis Saint Louis in
4 Betriebsstrecken getheilt:
1. von Lyon bis Serves .... 82 km
2. „ Serves bis Pont Saint Esprit m „
3. „ Pont Saint Esprit bis Arles 90 „
und 4. „ Arles bis Saint Louis ... 40 „
In der I. und 3. Strecke mit einem Gefälle von im Mittel 0,50 m auf i km,
verkehren Zugdampfer von 750 i. HP., welche eine Länge von 60 m, eine
Breite von 8 m (einschliesslich der Radkasten 15,80 m) und einen Tiefgang
mit voller Kohle von 1,10 m haben. In dem geringen mittleren Gefälle von
0,023 ™ ^^^ ^ bm des Unterlaufes bis Saint Louis ver-
mitteln kleine Zugdampfer und Schraubenboote den Schlepp-
dienst.
Im zweiten Stromabschnitte zwischen Serves und Pont
Saint Esprit wurden aber auf 104 km Stromlänge, auf welcher
eine sehr starke Strömung in scharfen und engen Krümmungen
bei geringen Wassertiefen herrscht, von Lombard Gérin
JdiIq 220.
8 Tauer in Dienst gestellt. Die dazu gehörigen Drahtseile von
je 10 bis 13 km Länge sind im Strombette verankert. Auf jedem Drahtseil
zieht sich ein Tauçr derart auf und ab, dass sich das betreflfende Seil um
eine in der Körpermitte des Schiffes befindliche grosse Trommel С (siehe
Bild 229) haspelartig auf- und abwickelt. Es bewegt sich daher jeder Tauer
nur auf einer Stromlänge von 10 — 13 km. Um ein Kabel von 13 km an Bord
nehmen zu können, war es nothwendig, dasselbe so leicht als nur zulässig zu
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ЗЗб
Hi. Binnenschiffahrt.
erzeugen. Das Kabel (Bild 228) ist deshalb aus Stahldraht geschlagen und
wiegt nur 2,75 kg auf den laufenden Meter. Es hat einen Durchmesser von
0,0228 m und eine Bruchfestigkeit von 36 Tonnen.
Der Schleppzug geschieht in der Weise, dass sich der Tauer, mit der
Thalströmung am Kabel hängend, abrinnen lässt, den aus zwei Schleppen
bestehenden Anhang von dem unteren Tauer übernimmt und sich wieder
zu Berg aufwindet. Die Fahrgeschwindigkeit beim Herablassen beträgt
zu
Berg
Bild 229. Rhônetauer.
9 bis 10 km, beim Aufwärtsziehen 4 bis 5 km in der Stunde. Zur Führung
des Tauerseiles dienen am Schiffsbuge angebrachte Fohrungsschlitten d und
damit sich das Seil regelmässig auf- und abwickle, ist vor der Trommel С eine
ähnliche Vorrichtung e angebracht, durch welche auch die Umschaltung der
Gangrichtung besorgt wird.
Der Rhônetauer, Bild 229, hat eine Länge von 50 m, eine Breite von
7,50 m, eine Höhe von 2,40 m
und einen Tiefgang von
0,90 m. Die Seiltrommel^
welche eine Länge von 3,50 m
und einen Durchmesser von
1,50 m besitzt, wird von
einer Zwillingsmaschine mit
120 L HP. angetrieben.
Damit der Tauer im Falle
eines Seilbruches selbständig-
manövriren könne, wird in
einem in der Schiffsmitte ein-
gebauten wasserdicht abge-
schloss^nen Kasten f ein Schaufelrad mit Schaufeln von 2 m Länge und
0,20 m Breite durch eine Hilfsmaschine angetrieben. Diese Anordnung hat
sich jedoch nicht bewährt, weil der Wirkungsgrad des kleinen Schaufelrades
zu gering ist.
Bild 230 zeigt den Rhönetauerzug. In der Bergfahrt werden zumeist
zwei Schleppe ganz kurz in Kreuztau genommen ; zu Thal werden die Schleppe
Zugekuppelt. Die Schlepptaue werden auf zwei wagerecht liegenden Seil-
Tkal
^ —
Bild 230. Rhônetauer mit Schleppanhang.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
337
trommeln a und b (siehe Bild 229;, die durch kleine unter ihnen liegende Hilfs-
maschinen gedreht werden, befestigt, eingeholt und nachgelassen. Diese
Seiltrommeln arbeiten rasch und verlässlich.
FranzSsische Sehleppformen. Die neuen Rhôneschleppe sind aus Stahl
gebaut und weisen zwei Typen auf. Die altere, vorne und hinten löffeiförmig
gebaute Form mit 57,30 m Länge, 7,38 m Breite und 2,54 m Höhe in der
Schiffsmitte, hat einen Leertiefgang von 0,30 m und taucht mit voller Ladung
von 400 Tonnen 1,40 m. Der neueste Typ hat die im Bilde 231 dargestellte
schärfere Form, welche der grossen Strömung der Rhône besser als die
Löffelform entspricht und bei 57,68 m Länge, 8,08 m Breite und 2,54 m Höhe
folgende Tauchungsverhältnisse ergiebt:
0,30 m Leertiefgang
1,00 „ Tauchung mit 239 Tonnen
1,20 „ , ^„ n 313 n
1,40 „ grösste „ „ 388 „
Die Völligkeit beträgt 0,88.
Die. übrigen Schleppe auf den französischen Flüssen und Kanälen sind
vorwiegend aus Holz erbaut, haben verschiedene, jedoch immer sehr volle
Bild 231. Eiserner Rh^neschlepp.
Körper. Die üblichen Kanaltypen sind Seite 236 dargestellt. Viele Kanalboote
sind noch den alten, kleinen Schleusenabmessungen angepasst, haben nicht
wirthschaftliche Bauformen und geringe Tragfähigkeiten. Seit 1879 werden
jedoch die Boote den neuen Kanalabmessungen entsprechend mit 38,50 m Länge,
5 m Breite und 1,80 m Tauchung für Ladungen von 300 Tonnen gebaut. Die
Hauptform ist die Péniche .flamande mit einem fast viereckigen Querschnitt,
99 pCt. Völligkeit und demgemäss einem grossen Zugswiderstand. Das
Eigengewicht einer Péniche beträgt bei 300 Tonnen Nutzlast 50 Tonnen.
Unter den neueren Eisenbooten der Seine haben manche 62,70 m Länge,
8,10 m Breite, 2,64 m Höhe und nehmen bei 2,50 Tauchung 977 Tonnen.
Auf der unteren Seine verkehren auch Typen mit 5:^,60 m Länge, 8,12 m
Breite, welche bei 3,20 m Tauchung 1030 Tonnen Tragfähigkeit haben. .
Die Ergebnisse der in letzterer Zeit durchgeführten Zugs- und Wider-
standsversuche haben dazu geführt, dass auch auf Kanälen schon sorgfältig
gebaute Stahlschleppe in Betrieb gesetzt wurden. In Frankreich wird übrigens
Suppân, Wasserstrassen und Binnensehiffahrt.
22
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338 1П- Binnenschififahrt.
dem Schleppzuge eîne grosse Aufmerksamkeit zugewendet. Der Staat làsst
diese wichtige Frage eingehend untersuchen und giebt jederzeit bedeutende
Zuschüsse zu Erprobungen und zur Errichtung von Versuchsstrecken. Die
auf den französischen Kanälen versuchsweise eingeführten elektrischen Zugs-
arten sind im Abschnitte 12 beschrieben.
Schiffahrt auf seichten Flüssen. Am schwierigsten gestaltet sich die
Schiffahrt auf den seichten unregulirten Flüssen, wenn diese bei starker und
wechselnder Strömung reich an Geschiebefûhrung sind und ein verwildertes,
zum Theil vermurtes Strombett haben. Eine derartige Verfassung haben
zumeist die FlQsse in den Kolonialländern, unter welchen sich die afri-
kanischen Flüsse noch ausserdem durch eine ausserordentliche Wasser-
armut in der heissen Zeit und durch grosse Hochwässer in der Regenzeit
auszeichnen. Auf solchen Flüssen muss der Dampfer bei entsprechend starker
Maschine einen sehr geringen Tiefgang besitzen, um auch bei starker Strömung
in der schmalen und scharfgekrümmten Thalrinne noch fortkommen zu
können. Er muss deshalb einen möglichst seichttauchenden Schiffs-
treiber mit gutem Wirkungsgrade und gleichzeitig eine sehr gute Steuer-
und Manövrirfähigkeit erhalten.
Die Seitenschaufelräder sind wegen der durch sie bedingten ver-
hältnismässig grossen Schiffsbreite nicht verwendbar, die Heckraddampfer
haben wieder eine zu geringe Nutz-
leistung und in gekrümmten Strom-
seichten eine schlechte Steuerfähigkeit.
Die meisten Kolonialflüsse führen
ausserdem eine Menge schwimmender
Baumstöcke, Wurzeln und Geäste,
welche die Heckräder leicht havariren
oder zeitweilig unbrauchbar machen.
Die gewöhnliche Schraube müsste,
„., , um wirksame Flächen zu erhalten.
Bild 332. *
einen entsprechenden Durchmesser,
daher eine grössere Eintauchung erhalten, welche die Stromseichten selbst
bei Anwendung von Doppelschrauben in nur seltenen Fällen zulassen.
Tnrbinendampfer. Thornycroft in England hat deshalb eine Turbinen-
schraube konstruirt, welche in einer trichterförmigen Röhre im Schifisrumpfe
läuft. Dieselbe hat einen Durchmesser von nur 40 cm und wird von einer
Hochdruckmaschine mit Rohrkessel angetrieben. Hierdurch wird eine Dampfer-
tauchung von 0,50 m erreicht. Die Turbinenschraube besteht aus zwei Haupt-
theilen. In einem wagerecht liegenden Blechcylinder befindet sich das Laufrad
der Turbine und hinter diesem liegt fest eingebaut das Leitschaufelrad. Die
Nabe der Turbine ragt, damit das Wasser günstig abfliesse, ziemlich weit
nach hinten hinaus (Bild 232). Die Turbinenschrauben sind an beiden Bord-
seiten angebracht. Sie haben eine günstige Geschwindigkeit ergeben, jedoch
arbeiten sie beim Rückwärtsgang der Maschine schlecht; ferner haben sie den
Nachtheil, dass sie die auf der Wasserfläche schwimmenden Gegenstände,
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen.
339
Holzstucke und Schmutz ansaugen und dann, wenn sie nicht vollständig
unwirksam werden, zumindest eine umständliche Reinigung erfordern.
Heckraddampfer. Smit in Rotterdam hat für Afrika ein Heckradboot,
mit zwei CSreschützen ausgerüstet, von 33,5 m Länge und 7,3 m Breite, mit
;guter Leistungsfähigkeit gebaut, welches in neun Stücken dahin befördert und
an Ort und Stelle zusammengesetzt wurde. Sein Tiefgang von 0,80 m ist
jedoch zu gross. Die von Cockerill gelieferten belgischen С on go damp fer
<Bild 233) haben gleichfalls Heckräder und gehen 0,60 m tief. 1890 hat die
Werft Meyer für Kamerun die Heckradboote „Soden** und „Ulanga" gebaut,
welche, in Theile zerlegt, über Land befördert werden können. Diese Fahr-
zeuge sind 26,70 m, mit den Rädern 36,55 m lang, 6,75 m breit und haben
einen Tiefgang von 0,60 m. Heckraddampfer sind auch auf der Oder, der
Spree und der Havel in Betrieb. Das die schmale Temes und den Begakanal
in Ungarn befahrende Heckradboot ist im Abschnitte 13 dargestellt
Aluminiamboote. Escher-Wyss in Zürich hat für Sumatra eine
Kolonialschaluppe aus Aluminium 11 m lang und 2 m breit mit einem
Bild 333. Congodampfer mit Heckrad.
Tiefgang von 0,45 m gebaut, welche mit zwei kleinen Schrauben 14 km
Fahrgeschwindigkeit erreichen soll.
Schrauben in Aii8w9lbttngeii. Die Schiffswerft D üb ig eon in Nantes
konstruirte Personendampfer von 30 m Länge, und Frachtdampfer für 40 Tonnen
Ladung von 50 m Länge, welche von zwei Schrauben getrieben werden, die
sich in Auswölbungen des Schiffsbodens bewegen. In der Ruhelage
tauchen die oberen Schraubenflügel aus dem Wasser, wenn die Schraube
jedoch in Umdrehung gesetzt wird, so füllt sich die Wölbung und alle
Schraubenflügel arbeiten dann in vollem Wasser. Hierdurch war es möglich,
leichtgebaute, einfache .Schraubenmaschinen anzuwenden und bei entsprechender
Maschinenstärke von 300 i. HP und einem Schraubendurchmesser von 1,10 m,
keine grössere Tauchung als 0,70 m zu erreichen. Die Dampfer haben
17 km Fahrgeschwindigkeit in der Stunde.
Der Achter dieser Schifie ist derart ausgeführt, dass in der höchsten
Stelle einer allmählig ansteigenden, über die Wasserlinie ragenden Aus-
wölbung sich die Schraube befindet. Von diesem höchsten Punkt führt die
Wölbung wieder nach rückwärts, sanft absteigend bis zur Wasserlinie. Fährt
22»
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340
III. Binnenschiffahrt.
nun das Schiff, so saugt sich diese tunnelartige Auswölbung mit Wasser voll
und die Schraube treibt dasselbe nach hinten hinaus.
Auf der seichten Loire zwischen Nantes und Orleans wurden mit einem
Dampfer, dessen Schrauben in einer Wölbung der Schiffsmitte gehen.
Schlepp versuche gemacht, welche befriedigend ausgefallen sein sollen. Dieser
Dampfer, „Fram" (Bild 234), ist 40 m lang, 5,50 m breit, hat einen Leer-
tiefgang von 0,30 m und taucht mit 80 Tonnen beladen 0,70 m. Mit 160 i. HP
erreicht er eine Fahrgeschwindigkeit von 16 km.
Bild 234. Le Fram.
Ein leistungsfähiges Doppelschraubenboot für Neu-Seeland ist im
Bilde 235 dargestellt Das Boot kann in einzelne Abtheile, welche durch
Bolzen und Nieten zusammengehalten werden, zerlegt werden. Das Material
ist galvanisirter Stahl. Die Länge beträgt 27,73 ^y ^^^ Breite 4,26 m, die
Höhe 1,06 m und der Tiefgang bei 8 Tonnen Ladung an Bord 0,36 m. Je
2 Triplexmaschinen arbeiten mit 500 Umdrehungen ; die Kessel sind Wasserrohr-
kessel, der Kondensator ist aus Kupfer. Das Kahlwasser wird durch eine
ш^а«.к^=^
■*'У«^'*'^'^-^'*'
1^??^мтптг.1
J-
Bild 235. Dampfer mit 2 Schrauben in Auswölbungen.
mittels einer kleinen unabhängigen Maschine angetriebene [Centrifugalpümpe
im Kreislauf erhalten. Bei der Probefahrt erreichte das Boot eine Ge-
schwindigkeit von 22 km in der Stunde an der gemessenen Meile. Nach dem
Versuche wurde das Schiff zerlegt und in 14 Eisenbahnwagen weiter befördert,
Schraubenrad für seichte Flfisse. Die Betriebsstörungen, welche sich
jedoch dadurch ergeben können, dass in die Auswölbungen der Schiffskörper
die im Strome treibenden Aeste während der Schraubenumdrehungen hinein-
gezogen werden, wodurch auch ein Bruch der Schraubenflügel erfolgen kann,,
machen dieses System nicht einwandfrei.
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Schiffahrt auf verschiedenen Strömen und auf seichten Flüssen. 3^.1
Für den Betrieb auf seichten Flüssen wären deshalb die Seite 276 be-
schriebenen Schraubenräder sehr geeignet. Dieselben haben bei grossen
Druckflächen und geringer Tauchung einen günstigen Wirkungsgrad, sind
einfache und starke Propeller, welche nicht brechen und dem Dampfer eine
gute SteuerfïLhigkeit gewähren.
Für seichte KolonialflQsse würde am besten ein aus Stahl- gebautes
niederes Flachboot mit einfacher Zwillingsschrauben-Maschine von 150 bis
«oo i. HP., welche ein nebeneinanderliegendes Schraubenräderpaar (siehe
Bild 187) antreibt, entsprechen. Statt des Ankers könnte das Boot eine Dampf-
winde mit Baggerrechen erhalten (Bild 44), um sich gegebenen Falles mittels
desselben die Fahrrinne zu vertiefen.
Die Maschinenstärke von 200 i. HP. genügt unter allen Umständen, um
in grösserer Strömung auch einen beladenen Eisenkahn mit entsprechender
Zugsgeschwindigkeit bergwärts schleppen zu können.
Das Boot kann, um es über Land befördern zu können, aus trogartig
zerlegbaren Theilen hergestellt werden. Die einzelnen Theile werden sodann
im Wasser durch Verschraubung ihrer Schottwände miteinander verbunden.
Ein kleineres Boot baut man etwa in drei Theilen. Der Vordertheil würde
die Dampfwinde mit dem schmiedeeisernen Baggerrechen, der mittlere Theil
den Kessel und der hintere Theil die Maschine tragen. Jeder Schiffstheü
hat seine Dampfleckpumpe, um das Boot im Falle, von Leckage über Wasser
zu erhalten. Die Räume für die Bemannung sind mittschiffs am Deck, für
die Reisenden im Vordertheile gedacht. Das Oberdeck des Mittelbaues wäre
dachartig über das flache Schiffsdeck ragend, herzustellen. Unter dieses Dach
können dann Güter gelagert werden. Mit einem derart ausgerüsteten Schrauben-
raddampfer liesse sich bei einem Tiefgang von 0,40 — 0,50, m noch immer ein
guter Wirkungsgrad erzielen.
Kolonialdampfer. Die derzeit bestehenden leistungsfähigsten Dampfer für
seichte Kolonialflüsse zeigt folgende Zusammenstellung :
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342
Ш. Binnenschiffahrt.
Länge
Breite
Tief-
gang
in Metern
4)
t:
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с •**
!■!
со V
V ^
О
Gewöhnliche Schraubendampfer.
„Brière de ГЫе« (Sénégal —
2 Schrauben)
Schaluppe für die Lagune der
Elfenbeinkaste (i Schraube) . .
Dampfer mit Schrauben in
Hinterwölbung.
^Bassac*, Schlepper der Messageries
fluviales in Cochinchina (zwei
Schrauben)
Für den Niger erbaute Doppel-
schraubendaropfer
Schaluppe „Bigor" mit i Schraube,
erbaut von der Marine in
HaTphong
Dampfer mit Schrauben in
Mittelwölbung.
Kanonenboot. „Capitaine Flayelle**
(2 Schrauben zu 6 Flügeln) . .
„Fram", Guterschleppdarapfer der
Navigation de la Loire mit
2 Schrauben
Hinterraddampfer.
GQterschleppdampfer mit 2 Hinter-
rädern für den Kongo . . .
Kanonenboot mit i Hinterrad für
Madagaskar ...;...
Dampfer „Sikasso" mit 2 Hinter-
rädern für den Senegal . . .
Kanonenboot für Madagaskar mit
I Hinterrad
Kanonenboot „Bossant" mit zwei
verbundenen, durch Zahnräder
bewegten Hinterrädern, Tonking
34.5°
5.40
16,90
3,50
50
7
25
4
14,25
3
24
4.70
40
5.50
40
5.50
«5
5.50
30
5
25
5.50
32,10
II
0,80
0,75
184
50
300
307
1,00
0,75
18,00
14,50
0,65
0,40
0,40
450
105
30
241
417
318
1,385
0,65
0,70
18,00
15,00
14,50
0,71
0,30
0,65
0,52
0,38
0,40
0,48
145
160
240
130
100
50
290
281
296
40
34
50
55
44
0,79
0,80
3,70
З105
2,80
3,05
15,50
16,00
15,00
14,50
14,220
12,00
15,10
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IV. Theü.
Schiffswiderstand und Schleppzug.
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II. Abschnitt.
Schiffswiderstand.
Wesen, Entstehnng nnd Arten des Sehiffswiderstandes. Ueber den
Widerstand, welchen das Wasser infolge der ihm eigenthümlichen Trägheit
einem in dasselbe ganz oder theilweise eingetauchten und sich darin be-
wegenden Körper entgegensetzt, sind von hervorragenden Gelehrten und
Fachmännern wiederholt Versuche angestellt worden. D'Alerabert, Bossuet,
Condorcet und Bo.urgois, Euler, Woltmann und Eytelwein, sowie
Stokes und Rankine haben darüber werthvolle Gesetze und Unter-
lagen zur weiteren Forschung ermittelt, jedoch war es erst dem Master of
Arts, Proud e, vorbehalten, die praktischen Grundlagen für die Bewegungs-
widerstähde* der Schiffe festzulegen.
An der Hand dieser ErfahrUiigen wurden in neuester Zeit rucksichtlich
der Wichtigkeit dieser Frage iu Bezug auf die Zugskosten zahlreiche Wider-
standsversuche in der Natur und mit Modellen sowohl bezüglich des Zugs-
widefstandes im Strome, als auch in Kanälen durchgeführt, von welchen ins-
besondere die in Frankreich von de Mas*), die von der Ersten k. k. priv.
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft und die von der preussischen
Regierung 1898 am Dortmund-Emskanal ausgeführten Zugsversuche anzu-
führen sind, während von den theoretischen Erforschungen die von Riehn
und Rauchfuss deshalb werthvoU sind, weil in denselben alle im praktischen
Betrieb sich ergebenden Erscheinungen mit Fachkenntnis aufgenommen sind.
Bevor jedoch die Ergebnisse dieser Versuche besprochen werden, ist es
nothwendig, das Wesen der Bewegungswiderstände der Schiffe näher
zu erläutern:
Die älteren Formeln zur Berechnung des Bewegungswiderstandes
eines Schiffes gründeten sich hauptsächlich auf den Einfluss, den die
grösste eingetauchte Querschnittsfläche des Schiffskörpers äussert.
Die Untersuchungen hierüber erstreckten sich durchaus auf in Fahrt befind-
liche Dampfer und erst Fr ou de hat im Jahre 187 1 den Widerstand des
englischen Kriegsschiffes Greyhound dadurch ermittelt, dass er dasselbe in
stromlosem Wasser durch einen anderen Dampfer in der Richtung einer
am Lande abgesteckten Meile mit verschiedenen Geschwindigkeiten vofbei-
schleppte und den dabei auf die Schlepptaue ausgeübten Zug mittels eines in
das Schlepptau eingeschalteten Federkraftmessers (Dynamometer) ermittelte
und auf Grundlage dieser Erfahrungsziffern dann zahlreiche Versuche mit in
einem Bassin gezogenen Modellen anstellte. . Bei diesen Modellversuchen ging
*) „RecheF<:hes expérimentales sur le matériel de la batellerie. Paris."
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346 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Froude von der Ansicht aus, dass die beim Zuge der Modelle durch das Bassin-
wasser entstehenden Wellen und Wirbel, dem vom wirklichen Schiffe erzengten
gegenüber, in demselben Masse verkleinert auftreten wie dieses das Mass-
stabsverhältnis zwischem dem Modell und dem Schiffe angiebt, welche Voraus-
setzung jedoch nicht ganz zutreffend ist.
Versuche, den Schiffswiderstand aus den Widerständen von in ver-
kleinertem Masstabe hergestellten Modellen derselben abzuleiten, sind schon
deshalb schwierig, weil es bisher nicht gelang, eine einwandfreie, gesetz-
mässige Beziehung zwischen den Ergebnissen mit Modellen und denen mit
darnach gebauten Schiffen zu ermitteln. Schon Reech, der frühere
Direktor der Schiffbauschule der französischen Marine hat darauf hin-
gewiesen, dass man die Widerstände von Modell und Schiff nicht für ein
und dieselbe Geschwindigkeit beider mit einander vergleichen darf, wie
es früher geschah, sondern dass einer bestimmten Modellgeschwindigkeit
eine bestimmte andere Schiffsgeschwindigkeit entspricht. Die zusammen-
gehörigen Geschwindigkeiten von Modell und Schiff bezeichnet er deshalb
als „korrespondirende Geschwindigkeiten'*.
Froude hat übrigens in dieser Beziehung auch nur ausgesprochen: „Wena
die Abmessungen des Schiffes das D-fache der Abmessungen des Modells
sind, und wenn bei den Modellgeschwindigkeiten Vj, Vg, Vg . . . . die ge-
messenen Modellwiderstände R^, Rj, R3 . . . betragen, so sind für die Schiffs-
geschwindigkeiten Vj j/d, Vj 1/d, V3 j/d, .... die SchifFswiderstände
D^^ Rj, D^ Rg, D^ Rj . . . ." Und selbst diese Beziehungen sind nach Tullinger
(Mittheilungen aus dem Gebiete des Seewesens, 1881) nur soweit richtig, als es
sich um den Formwiderstand handelt (siehe auch Stokes und Rankine
„Stromlinientheorie").
In welcher Weise aber auch die Zugswiderstände beobachtet wurden^
haben sie doch immer zu dem Ergebnisse geführt, dass der Widerstand keines-
falls, wie dieses die alten Formeln lehrten, nur von dem im Wasser ein-
getauchten grössten Querschnitte des Schiffes bedingt und nicht nur bei
wechselnden Geschwindigkeiten verschieden ist, sondern, dass auch bei
gleicher Geschwindigkeit und Schiffen von gleichen benetzten Querschnitten
und ähnlichen Längen durch die abweichenden Bauformen des Schiffs-
körpers verschieden grosse Widerstände entstehen.
Betrachtet man einen im Wasser mit entsprechender Geschwindigkeit
fortbewegten Schiffskörper (Bild 236), so bemerkt man vor allem beim Vorder-
theile ein Erhöhung des Wassers über die Oberfläche, die Bugwelle, deren
Grösse und Umfang in erster Linie von der Grösse der Geschwindigkeit,
jedoch auch von der Form des Buges abhängt. Diese Erhöhung entsteht
dadurch, dass die einzelnen Stromfäden, wenn der Schiffsbug in dieselben
eindringt, eine Verzögerung in ihrer gleichmässigen Bewegung erfahren, wo-
durch sie in ihrer Geschwindigkeit gehemmt werden und sich nun durch die
Druckvermehrung zur Bugwelle aufstauen. Von dieser Erhöhung der Wasser-
oberfläche wird gegen die Mitte des Schiffskörpers zu unter entsprechender
Wellenbildung eine Senkung des Wasserspiegels eintreten, weil hier die Strom-
fäden nun mit erhöhter Geschwindigkeit abfliessen, also eine Druckabnahme
erleiden und sich daher zu einem Well en th ale vertiefen. Gegen das Ende
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Schiffswiderstand.
347
des Schiffskörpers bemerkt man endlich wieder eine Erhöhung des Wasser-
spiegels, weil dort der Abfluss der Stromfäden, sowie am Buge, abermals
eine Verzögerung, daher einen grösseren Druck erfährt, gestaut wird und nun
die Achterwelle bildet. Diese Stauwellen strömen knapp hinter den beiden
Achterseiten des Schiffes, je nachdem die Wasserfäden durch die Form des
Hintertheiles geführt werden, mehr oder weniger glatt, oft unter wahrnehm-
barer Wirbelbildung wieder zusammen.
Auf Grund aller dieser Erscheinungen ist nun in neuerer Zeit festgestellt
worden, dass der Widerstand eines Schiffes gegen den Zug aus mehreren
zusammenwirkenden Einflüssen besteht, von denen ein jeder für sich
berechnet werden muss und welche dann zusammen den Gesammt-
widerstand des Schiffes ausmachen. Man hat deshalb den Widerstand
zerlegt in:
1. den Oberflächenwiderstand oder Reibungswiderstand,
2. den Formwiderstand und
3. den durch die Wellen und die Wirbelbildung entstehenden Wider-
stand.
Achterwelle.
Bild 236. Wellcnbildung.
Bugwelle.
Oberflächen- oder Reibangswiderstand. Unter * Oberflächenwider-
stand versteht man den Widerstand, welcher durch die Reibung der
Stromfäden längs der eingetauchten Aussen flächen des Schiffskörpers
entsteht.
Derselbe ist abhängig von der Grösse und dem Zustande der ein-
getauchten Schiffsfläche, sowie der Geschwindigkeit, mit welcher die Strom-
fäden an derselben vorbeigleiten. Der Oberflächenwiderstand wird demnach
umso grösser sein, je rauher die benetzten Aussenflächen und umso geringer,
je glatter dieselben sind.
Derselbe wurde früher, besonders bei den vollen Schiffskörpern, unter-
schätzt und erst Rank ine hat darauf hingewiesen, dass der Widerstand
eines Schiffes überhaupt grössten Theiles durch die Reibung der einzelnen
Wassertheilchen längs der eingetauchten Schiffsflächen entstehe.
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348 IV. Schifr:iwiderstand und Schleppzug.
Auch nach den von der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft durch-
geführten Zugsversuchen beträgt der Oberflächenwiderstand bei den in der
Donauschiffahrt üblichen Schleppformen und Fortgangsgeschwindigkeiten den
bei weitem überwiegenden Theil des Gesammtwiderstandes.
Formwiderstand. Unter Formwiderstand versteht man die Ver-
drängung des Wassers bei der F.ortbewegung des Schiffskörpers durch
dasselbe. Er ist am Buge am stärksten, wo zum Durchgange des Körpers
das Wasser entzweigespalten wird. Je grösser die Fortgangsgeschwindigkeit
des SchifTes und je voller der Bug gebaut ist, umso grösser wird der Form-
widerstand und umgekehrt verringert sich derselbe, je schiefer die Baulinien
der Endtheile gehalten sind und je schlanker die Bug- und Mitteltheile ver-
laufen. Als massgebend für den Formwiderstand nimmt man immer die
grösste benetzte Querschnittsfläche des Schiffskörpers.
Wellen- imd Wirbelwideretand« Unter Wellen- und Wirbel wider-
stand versteht man jene Widerstände, welche durch die Wellenbildung
am Buge des Schiflskörpers und durch die Wirbelbildung am Achter
desselben entstehen.
Der den Wirbel erzeugende Widerstand ist im Verhältnisse zum
Gesammtwiderstand k№in zu nennen und hängt hauptsächlich von der mehr
oder weniger vollen Form des Hinterschiffes ab. Je voller dieses ist, umso
mehr wird es die Vergrösserung des Wirbels befördern. Der Widerstand
durch die Bugwellenbildung kann unter Umständen durch eine entsprechende
Wellenbildung am Achter zum Theile aufgehoben werden. Die Wellen- und
Wirbelwiderstände entstehen, wie beim Bilde 236 nachgewiesen, durch die
Erhöhungen der Wasseroberfläche am Vorder- und Hintertheile des Schiffes,
und durch die hierdurch eintretenden Senkungen der zwischen diesen liegen-
den Wassermassen. Die hieraus sich ergebenden Veränderungen der Wasser-
fläche veranlassen in ihrer Gesammtwirkung eigentlich eine Vergrösserung
des Formwiderstandes, welcher sich durch das Aufstauen des Wassers am
Vorder- und Hintertheile des Schiffes ergiebt. Nachdem bei den geringen
Fortgangsgeschwindigkeiten beim Schleppzuge auf Flüssen und Kanälen der
Wellen und Wirbel bildende Widerstand sehr gering ist, derselbe sich in
seinen Einzelheiten auch ^ kaum bestimmen lässt, wird er in den Formwider-
stand miteinbezogen. Bei den grossen Fortgangsgeschwindigkeiten der See-
dampfer, deren Grössenverhältnissen und Bauformen, sowie bei den natür-
lichen Wellenbildungen der See ist derselbe jedoch von grösserer Bedeutung.
Wellenbildnng an Flnssseiehten. Ausser diesen, bei der Fortbewegung
eines Schiffes auftretenden Erscheinungen ist bei einem Flussschiffe,
welches mit grösserer Geschwindigkeit fährt, wahrzunehmen, dass ausser der
Bug- und Achterwelle noch an beiden Seiten desselben, hinter dem Achter
Wellen entstehen, welche, wenn das Schiff an eine seichtere Stelle gelangt,
zu beiden Bordseiten und hinter dem Schiffe miüaufen und sich an den Fluss-
seichten oder am Ufer brechen. Diese nachlaufenden Wellen, welche
oft bis vor das Schiff rollen, werden hauptsächlich von dem Schaufelrade
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Schiffs widerstand .
349
oder der Schraube erzeugt, stehen aber auch mit der Form des Schiffes in
irgend einem Zusammenhange. Obwohl dieselben auch beim Schleppzuge
wahrnehmbar sind, konnte jedoch ihr Eiöfluss auf den Gesammtwiderstand
bisher nicht ermittelt werden.
Widerstände im Ranale. Naturgemäss werden die Erscheinungen der
Bewegungswiderstände in der See, im Flusse und im Kanäle die gleichen sein
müssen. Bei der Kanalschiffahrt treten jedoch zu diesen Erscheinungen noch
andere hinzu, welche sich durch das Verhältnis des Wasserquerschnittes
des Kanales zum eingetauchten Schiffsquerschnitte ergeben und
welche im unbegrenzten Querschnitte der See oder in dem annähernd als
solcher anzusehenden Flussquerschnitte nicht bestehen.
Es muss deshalb, um den Widerstand eines Schiffes im Kanal zu
bestimmen, zu dem im Flusse gefundenen Zugswiderstande noch eine Er-
fahrungsziffer för die durch den Wasserquerschnitt des Kanales sich er-
gebenden Widerstände hinzugerechnet werden. Wenn somit der Eigenwider-
stand eines Fahrzeuges r ist, so wird sein Widerstand im Kanäle R = С • r
betragen.
-e - 9
Bild 237.
Die im Kanal auftretenden Widerstände entstehen dadurch; dass in dem
engbegrenzten Kanalquerschnitte durch die Fortbewegung des Schiffes eine
Strömung entsteht, welche kurz vor der Bugwelle des Schiffes beginnt und
gegen die Schiffsmitte zunimmt, um bei der Achterwelle des Schiffes wider
abzunehmen. Zwischen den Schiffsseiten und den Kanalböschungen, sowie
offenbar Ober die Kanalsohle fliesst das Wasser gegen die Bewegungsrichtung
des Schiffes, in der Mitte am stärksten, und wird dieser Abfluss ausser durch
die Reibung an den Schiffsflächen auch noch durch die Reibungen an den
Böschungen und der Kanalsohle verzögert.
Im Bilde 237 deuten die Pfeile die Richtung der durch die Fortbewegung
des Schiffes entstehenden Kanalströmungen an. Vor dem Schiffe bei а
strömt das Wasser stark ab, der Wasserspiegel senkt sich bei der* Schiffs-
mitte, um sich bei b wieder zu erhöhen, die Strömungen vereinigen - sich inl
Kielwasser des Schiffes bei К und fliessen dort am stärksten zusammen
Die Strömung des Kielwassers nimmt nach rückwärts stetig ab und wird erst
dort Null, wo der Wasserspiegel im Kanal wieder die Höhe angenommen hat,
welche er vor Durchfahrt des Schiffes hatte. Das Abfallen dès Kanal-
wassers an den Böschungen von с bis d und das Ansteigen desselben bei f,
g und h in Form von Uferwellen wiederholt sich hinter dem Schiffe noch
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o^o ^V* Schififswlderstand und Schleppzug.
einige Mâle. Diese nachlaufenden Wellen werden aber immer kleiner und
schliesslich nicht mehr wahrnehmbar.
Für die Kanalböschungen sind diese nachrollenden Wellen am schäd-
lichsten. Sie haben bei grösseren Geschwindigkeiten eine ziemliche Gewalt,
deren Grösse übrigens weniger von der durch die Wasserverdrängung des
gezogenen Schleppes gebildeten Wellenbewegung, als vielmehr von den durch
die Schraube in Bewegung gebrachten und über die Sohle nach hinten ge-
schleuderten Wassermassen herrührt.
Einsinken der Schiffe. In Folge dieser Wasserverdrängung sinken
die gezogenen Schleppe in die Wasserfläche ein und beträgt die Ein-
scnkung des Schiffskörpers oft bis 30 cm, so dass in einem Kanäle,
wenn die Zugsgeschwindigkeit während der Fahrt nicht fortwährend über-
wacht und zu rechter Zeit nicht verringert wird, der Schlepp auch dann auf
Grund kommen kann, wenn das Fahrwasser noch genügende Tiefe besitzt.
Die Erscheinung des Einsinkens der gezogenen Schleppe ist übrigens
auch in der Flussschiffahrt wohlbekannt. Durch eine lange schmale Fuhrt
kann man einen Schlepp mit verminderter Maschinenkraft, wenn er nur um
5 oder 10 cm seichter als die Fuhrttiefe taucht, ohne Anstand durchschleppen.
Wird jedoch mit zu grosser Maschinenkraft gefahren, so kommt der Schlepp,
wenn er zwischen seinem Schiffsboden und dem Flussgrunde auch 20 cm
Spielraum hat, infolge der eintretenden Einsenkung dennoch auf Grund.
Durch die Einsenkung des Körpers während des Zuges verliert der
Schlepp gleichzeitig seine Steuerfähigkeit, weshalb in seichtem Wasser und
schmaler Fahrbahn stets mit verminderter Geschwindigkeit gefahren werden
muss. Die sich ergebende Ablenkung der Schiffe aus ihrem Kurse hat schon
oft zu Zusammenstössen, Ländfahren und Havarien geführt, ohne dass man
sich die Ursache dieser Unfälle, das Einsinken der Schiffe, zu erklären wusste.
Die Schiffer sprechen immer nur von einem, auf seichten Stellen auftretenden,
von dem Schiffe selbst erzeugten „Davontauchen", welchem übrigens durch
die, im Abschnitte 12 beschriebene neuartige Steuerungsvorrichtung (Patent-
steuer) wirksam entgegengearbeitet werden kann.
Dass durch jedes Einsinken der Schleppe deren Eigenwiderstand ver-
grössert wird, ist klar, denn durch dieselbe wird nicht nur der eingetauchte
Schiffsquerschnitt vergrössert, wodurch der Formwiderstand wächst, sondern
es nimmt auch durch die hierdurch entstehende grössere benetzte Oberfläche
der Reibungswiderstand zu. Jede Einsenkung ist somit einer Vergrösserung
des Deplacements gleichzustellen.
Die Erscheinung des Einsinkens eines Schiffskörpers lässt sich am besten
bei einem schnejlfahrenden Personendampfer beobachten. Wenn dieser ein
enges und seichtes Fahrbett mit voller Kraft durchfährt, bilden sich immer grösser
werdende Stauwellen, wodurch die Fortgangsgeschwindigkeit abnimmt und der
Dampfer plötzlich, oft mit einem bedeutenden Stoss und Geräusch auf Grund
geräth, trotzdem sein Tiefgang etwa nur 1,30 m und die Fahrtiefe 1,50 m beträgt
Wird die Maschinenkraft nun verringert oder zum Stillstande gebracht, so
hebt sich der Dampfer wieder vom Grunde ab und wird flott. Hierdurch
erklärt sich die praktische Erfahrung in der Donauschiffahrt, dass die grossen
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Schiflswiderstand. 35 1
Personendampfer bei Niederwasser und an Flussseichten schneller vorwärts-
kommen, wenn sie mit etwas verminderter, als wenn sie mit voller Maschinen-
kraft fahren.
Haack theilt einen Bericht der Zeitschrift „Le Yacht" vom 8. September
und 6. Oktober 1900 mit:
Das russische Panzerschiff „Sevastopol" von 10900 t Deplacement,
10300 i. HP, 17 Knoten Geschwndigkeit, hat verschiedene Havarien erlitten,
welche umfangreicher Reparatur bedürfen. Das Fundament eines der grossen
Thürme wurde beschädigt und ein Cylinder der Maschine zerbrochen. Bei
Untersuchung des Panzerschiffes „Sevastopol" im Dock hat man auf Grund
verschiedener Reparaturen festgestellt, dass das Schiff den Grund berührte,
ohne dass es bemerkt wurde. Infolge davon hat der russische Marineminister
ein Rundschreiben erlassen, in welchem er bestimmt, dass die Schiffe, welche
bei 7 m mittlerem Tiefgang nicht mehr als 0,90 m Wasser unter dem Kiel
haben, mit ihrer geringsten Geschwindigkeit fahren sollen." Es ist wohl
zweifellos, dass diese Havarie der „Sevastopol" auch dadurch entstand, dass
das Schiff infolge seiner grossen Geschwindigkeit von 17 Knoten in der
Meeresseichte eine bedeutende Einsenkung erhielt und schliesslich den Grund
berührte, welcher Stoss die Havarien obiger Bautheile verursachte.
Lnftwiderstaad. Zu den Bewegungswiderständen ist endlich noch der
Widerstand zu rechnen, den der Luftdruck der Vorwärtsbewegung ent-
gegensetzt und welcher bei starkem Gegenwind, grosser Fahrgeschwindigkeit,
hohen Schiffsflächen und breiten Deckaufbauten nicht unbedeutend ist.
Während eines Schleppzuges ist jedoch der Luftwiderstand mit Rücksicht
auf die geringe Fortgangsgeschwindigkeit in der Regel so massig, dass er aus
dem sich ergebenden Gesammtwiderstande rechnerisch schwer zu ermitteln
wäre. Es ergeben sich jedoch auch in der Binnenschiffahrt Umstände, welche
die Kenntnis der Grösse des von einem starken Gegenwinde auf den
Fortgang eines Dampfers oder Schleppzuges ausgeübten Widerstandes fordern,
umsomehr als auf den Einfluss starker Luftwiderstände schon viele Unfälle
zurückzuführen sind. So hatte beispielsweise der 700 i. HP starke Zugdampfer
„Kübeck" mit 6 eisernen Schleppen und 2 hölzernen Ruderschiffen in Tau
unterhalb Budapest, also in geringer Strömung, während einer stürmischen
Nacht in starkem Gegenwinde seine Fortgangsgeschwindigkeit von 4V2 km
in der Stunde gänzlich verloren und musste, weil eine Ankerung seines
Anhanges unmöglich war, die ganze Nacht hindurch seine Maschine mit
vollster Kraft arbeiten lassen, um mit dem Strome nicht anzurinnen und
dadurch eine grössere Havarie zu erleiden. Der Luftdruck gegen die hohen
Deckbauten des Kübeck und die Dachaufbauten der Ruderschiffe erzeugten
diesen ausserordentlichen Widerstand.
Die entsprechendste Formel für den Luftwiderstand ist:
Wi = 0,16. 0.v»,
in welcher Wi sich in Kilogramm ausdrückt, О die Querschnittsflächen der
über Wasser befindlichen Aufbauten sammt dem Schornsteine, und v die
Geschwindigkeit des Windes in Meter in der Sekunde bedeutet, welche
nach der Seite 8 angegebenen Windtafel zu berechnen ist.
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3^2 ^V. Schiflswiderstand und Schleppzag.
Widerstandsformeln. Die vielen Einzelbeträge, aus welchen der Gesammt-
widerstand eines Schiffes zusammengesetzt ist, haben zur Folge, dass die
mannigfaltigen zur Berechnung des Widerstandes aufgestellten Formeln zwar
in gegebenen Fallen der Wirklichkeit mehr oder weniger nahe kommen, jedoch
auf allgemeine Verlässlichkeit und Anwendbarkeit keinen Anspruch erheben
können. Es giebt nämlich bezüglich der Schiffswiderstände auch nicht eine
Versuchsreihe, welche alle, den Widerstand des Schiffes beeinflussenden
Umstände in mathematisch genauer Weise hätte berücksichtigen können.
Aus diesem Grunde sind alle Versuchsergebnisse auch nur für jene Fälle an-
wendbar, in welchen die gegebenen Voraussetzungen gleich oder ähnlich sind
wie sie bei den Versuchen waren.
Die alte Formel zur Berechnung des Widerstandes stützte sich, wie
schon erwähnt, nur auf den Widerstand des grössten benetzten Querschnittes
gegen die Fortbewegung im Wasser. Sie wurde, wenn die Fläche des
grössten Querschnittes mit F, die Geschwindigkeit mit v bezeichnet wird,
durch die Formel:
Widerstand W = F . v« . к
ausgedrückt, worin к eine Erfahrungsziffer bedeutet, welche der Formel an-
gefügt wurde, um die Rechnungsergebnnisse mit den vorhandenen Erfahrungen
in Einklang bringen zu können. Diese Formel kam der Wirklichkeit insolange
nahe, als in der Seeschiffahrt geringere Fortgangsgeschwindigkeiten auftraten
und die Schiffe annähernd gleiche Bauformen hatten, bei welchen die Länge
nicht mehr als etwa das sechsfache der Breite betrug.
Formel топ Rankine. Im späteren Schiffsbau konnte man jedoch diese
Formel nicht mehr anwenden und Rankine*), welcher von der Annahme
ausging, dass bei einem gut geformten Schiffe der Widerstand fast aus-
schliesslich aus der Reibung der einzelnen Stromfäden längs der Schiffs-
aussenfläche bestehe und dass dem Wellen und Wirbel bildenden Wider-
stände nur eine geringe Bedeutung zukomme, stellte die Formel
у2
W = U.f.w.--
2g
auf, in welcher U die benetzte Fläche der Aussenwand des eingetauchten
Schiffskörpers, f eine Erfahrungsziffer für die Reibung^ w das Gewicht einer
Volumeinheit des Wassers und v die Schiffsgeschwindigkeit darstellt.
Formel von Riehn. Nach zahlreichen Versuchen wendete sodann
Riehn**), unter der richtigen Voraussetzung, dass der Gesammtwiderstand
in seinen Haupttheilen nur aus einem Form- und einem Reibungswiderstande
bestehe, die Formel an
W = Wf -h Wr
in welcher Wf den ersteren und Wr den letzteren darstellt. Jeder dieser
Werthe ist einzeln zu berechnen und hat für Seedampfer und diesen in der
Form ähnliche Flussschiffe, femer für Binnenschiffe mit abgerundeten und
*) W. J. Rankine. Shipbuilding theoretical and practical. London 1866.
**) W. Riehn. Die Berechnung des Schiffswiderstandes. Hannover 1882.
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Schiffswiderstand. 3^3
endlich für solche mit eckigen Endtheilen seine entsprechenden Erfahrungs-
ziffem.
Die Riehn'sche Formel ist deshalb verlasslich, weil sie den Erfahrungen
des praktischen Betriebes Rechnung trägt. In ihrem ersten Gliede Wf be-
rücksichtigt sie, soweit als nothwendig, den Wirbel- und Wellenwiderstand,
in ihrem zweiten Gliede Wr jedoch nur den Reibungswiderstand. Die Haupt-
abmessungen und Völligkeitsgrade der Schiffe werden dabei immer als be-
kannt vorausgesetzt. Nachdem in der Formel die Völligkeit des Vorder- und
Hinterschiffes in besondere Rücksicht gezogen wird, so ist Wf zu theilen für
das Vorderschiff
w
П
W'r = ^ у»(7-)*В2ТЛС.-1)С,
und für das Hinterschiff
während die Formel des Reibungswiderstandes immer Wr = f v*" (2LT1 -|- aBL)
bleibt.*)
Für die praktische Anwendung der Formel erscheint es noth-
wendig, die Entwickelung derselben zu erläutern:
Für die Berechnung des Formwiderstandes wird vor allem darauf
Werth gelegt, den Weg zu bestimmen, auf dem die einzelnen Wassertheilchen
an der Aussenfläche des Schiffes hingleiten. Dieselben nehmen den
kürzesten Weg längs der Krümmungslinien des Schiffskörpers. Sie werden
'^) In diesen und den folgenden Formeln ist:
L die Lfinge des Schiffes in der oberen Wasserlinie
Lj „ „ „ Vorderschiffes „ „ „ „ bis zum HaupUpant
L, „ „ „ Hinterschiffes „ „ „ „
В die grOsste Breite des Hauptspantes in der oberen Wasserlinie
Ti der Tiefgang, gemessen auf dem Hauptspant von der oberen Wasserlinie bis Oberkante Kiel
А die Flftche des dem Hauptspante umschriebenen u^ der VöШgkeitsgrad des Hinterschiffes in der obersten
Rechteckes Wasserlinie
W der Gesammtwiderstand des Schiffes fi der VoUigkeitsgrad des Hauptspantes
Wf der Formwiderstand des Schiffes ßi der VoUigkeitsgrad des Hilfsspantes
Wr der Reibungswiderstand des Schiffes v die Geschwindigkeit des Schiffes
u« (a) der VoUigkeitsgrad in der obersten Wasserlinie w das Gewicht einer Cubikeinheit Wasser
tt, der VoUigkeitsgrad des Vorderschiffes in der obersten g die Beschleunigung der Schwere
WasserUnie
Ferner ist Q = — - — • — ; — ^^a-rr, i ^2 =
/B_\* '""зПа-2 i+па^ /В \«
n, = — Dj =
I — «i 1 — «a
m+i 2m+i зт+i
-^i_i9 ^ I 3 1.62 3_,.._3_._
3 3*m+i'^2m+-i зт + 1^т + а^3т + а m+з 2т+з
m =
I -Л
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt ^3
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354
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
sowohl von den im wagerechten Sinne gehenden Wasserplanlinien, als auch
von den in senkrechtem Sinne ansteigenden Spantenlinien geleitet, demnach
in Linien mit doppelter Krümmungsrichtung geführt werden. Nachdem
diese Krümmungslinien schwer darstellbar sind, so wird statt derselben
aus allen Spanten ein mittlerer Hilfsspant berechnet und gezeichnet,
welcher die Bestimmung des wahrscheinlichen Weges ermöglicht, den die
einzelnen Wassertheilchen in ihrem Verlaufe um den Schiffskörper nehmen.
Die Ermittlung des Hilfsspantes aus dem Hauptspante zeigt Bild 238.
Links von der Mittellinie sind die Spanten des Vorderschiffes dargestellt.
Die Mittellinie, sowie die Spantenumfänge bis zur Tiefe der Eintauchung
werden in vier gleiche Theile getheilt. Die Verbindungslinien der Theilungs-
punkte aA, bB, с С und dD (links von der Mittellinie) zeigen den Weg, den
die einzelnen Wassertheilchen um
^ den Schiffskörper als Stromlinien
nehmen. Verbindet man die
Theilungspunkte der Mittellinie a,
(^/^ ^b b, c, d mit den Theilungspunkten A,
^^ B, C, D des Hauptspants (rechts
von der Mittellinie( und übertragt
die Linien bB, cC, dD in die ent-
sprechenden Wasserlinien, so erhält
ß^^^ 238. ^^^ die Punkte Bi, C^ und Dj,
welche mit А und dem tiefsten
Punkte des Spants verbunden, den Hilfsspant geben. In diesem ist
bB = bBi,cC = cCj und dD = dD^, und um denselben denkt man sich
die Wassertheilchen bewegt.
In entsprechender Weise wurde nun aus dem Flächeninhalte des Haupt-
spantes die Beziehung zu diesem Hilfsspant berechnet, wobei die Vor-
aussetzung galt, dass es nicht viel darauf ankommt, ob die später in die
Berechnung einzuführende Linie des Hilfsspantes ganz genau mit dem durch
die obige Konstruktion gewonnenen Hilfsspant übereinstimme, weil der Form-
widerstand in den unteren scharfen Theilen des Schiffes doch nur sehr ge-
ringe ist und sein Hauptbestand in den oberen Wasserlinien liegt. Nach
einer Reihe verschiedenartig geformter Hauptspanten wurde diese Beziehung
der Völligkeitsgrade des Hilfsspants ß^ und des Hauptspants ß durch
^=i„ - (0,125. /ï.A^
abgeleitet, w^orin В die grösste Breite des Hauptspantes in der oberen Wasser-
linie und Ti den Tiefgang des Schiffes, gemessen auf dem Hauptspant von
der oberen Wasserlinie bis Oberkante Kiel, bedeutet.
w
v^ muss je nach der Geschwindigkeit
Der Ausdruck in der Formel
2g
der Schiffe eine Richtigstellung erfahren, weil durch verschiedene Fahr-
geschwindigkeiten eine Beeinflussung des Widerstandes am Vorderschiff und
der Druckverhältnisse am Hinterschiffe durch die Wellenbildung stattfindet.
Als mittlere Geschwindigkeit der Dampfer nimmt Riehn 18,5 bis 22 km in
der Stunde an und als für diese Geschwindigkeiten passende Erfahrungs-
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Schiif s wi derstand.
355
Ziffer stellt er 0,405 v^»* statt v* in Rechnung. Weil ferner w das Gewicht
«Ines Kubikmeters Seewasser = 1026 kg und g die Beschleunigung der
Schwerkraft = 9,81 bedeutet, so ergiebt sich für
w 1026
. v^ = 0,405 • — ^- • v^ = 21,18 v^»5 oder abgerundet 20 • v^'S
2 g 2 • 9,81
welcher Werth in die Formel für den Formwiderstand einzusetzen ist.
Nachdem der in der Formel vorhandene Ausdruck B^ • 2T1, worin B^ = —,
auch gleich der Fläche eines um den Hauptspant umschriebenen Rechteckes А
angesehen werden kann, so ist in die Formel der Werth А eingefügt worden.
Zum Zwecke der Berechnung der in der Formel enthaltenen Werthe
Cj und Cj wird der Schiffskörper der Länge nach durch eine unendliche
Menge Wasserlinien in dünne Schichten getheilt gedacht, aus welchen dann
eine einer Parabel ähnliche Krümmungslinie abgeleitet wird, deren oberste
Ordinate C^ und C, der obersten und grössten Wasserlinie des Vorder- bezw.
Hinterschiffes entspricht. Ihre Gleichungen wurden für das Vorderschiff mit
С = ^^ ^''
^ 3П1 — 2 * I +
und für das Hinterschif! mit
-■ • (&r
3nj — 2 I + nj
^i = „„ ' „ • . , _'8— ТрТГ gefunden.
И
Durch die Bestimmung der Werthe von Cj und Cg wurden sodann jene
von Gl und Gj berechnet mit:
Gl = «0 + ^
G, = ao + -TT- , worin wieder
Cg — 1
к = I ? — + ? 1 und
m+i 2m + 1 3m + 1
I 19 I -^ I 6 2
3 3 m-f-i 2m + 1 3m + 1 m + 2 3m 4-2
- -^ + -^— ist.
m + 3 2m + 3
Des weiteren ergiebt sich die Berechnung der Werthe m, n, n, und ш aus
ßi ^0 ^i л а« •
m = ^-'^-^-, n = ^ , n, = ^- und n, = , worin
i — A I — «0 I — «1 " I — «2
«0 den VöUigkeitsgrad der obersten Wasserlinie,
«1 „ „ des Vorderschiffes und
«2 » » n Hinterschiffes in der obersten Wasserlinie bedeutet.
Endlich ist für Flussdampfer mit Flachboden für G^ und G^
2 2C^ — I und
t
I2 = - - +
3 3C2 — I einzusetzen.
23*
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35б IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Hiermit sind alle in der Formel vorkommenden Werthe bestimmt und
gestaltet sich die Formel für den Formwiderstand bei Flussdampfern:
-j' . (Q _ I) . i, + |-?-j' . (C, - I) . i, J . v^
Wf = 2oA . ( I ~| . (Q - I) . i, + (-;^| . (Q - I) . i, ) . v^^.
Bei Berechnung des Reibungswiderstandes ist zu bemerken, dass
die Geschwindigkeit, mit welcher die einzelnen Wassertheilchen an der Schiffs-
wand vorüber gleiten, nicht überall die gleiche, sondern vorne am Schiffe
und in der Nähe der Wasseroberfläche etwas grösser, in der Mitte etwas
geringer ist und hinten mit der Geschwindigkeit des Schiffes übereinstimmt.
Im Mittel kann somit diese Fortbewegung als nahezu gleich, also = v an-
genommen werden.
Nach der ursprünglichen Formel ist der Reibungswiderstand für das
ganze Schiff
Wr = f . v«^ . (2 LT, + aBL),
worin f, der sogenannte Reibungs-Koeffizient, für die verschiedenen Gattungen
von Schiffen erst näher festgestellt werden muss und der Exponent r eine
Erfahrungszahl bedeutet, welche =: 1,83 zu nehmen ist.
Für ganz flache Flussdampfer mit ebenem Boden und fast viereckigem
Querschnitte ist für den Reibungs-Koeffizient f zu setzen: 0,17 • v*»®^ und
für Flussdampfer mit flachem Boden aber abgerundeter Kimm muss dieser
Werth noch mit 0,90 multiplizirt werden.
Für Flussschiffe mit flachem Boden und abgerundeter Kimm ist
demnach der Reibungswiderstand:
Wr = 0,17 • 0,90 • L • (гТ, + аВ) • v*»^'
oder
T / oR\
(Cg — !)• is
Wr = 0,153 • в * "^
-h^!
und
somit
der Gesammtwiderstand
W
= 20A
L ^
+ 0,153 • в ' ^ *
у h
],S3
Anwendung der Formel Riehn auf die DonaascMffsformen. Nachdem
bei den im Donaubetriebe vorhandenen Schleppformen Vorder- und Hinter-
schiff nahezu gleiche Wasserlinien haben , daher «^ = «, =r «^ und
n^ = П2 = По, also C, = C2 = Cq angenommen werden und eine Ziffer als
Völligkeitsgrad, sowohl für das Vorder- als auch für das HinterschiflF giltigr
eingesetzt werden kann, so vereinfacht sich die Riehn'sche Formel noch
wesentlich und stellt sich für die Eisenschleppe der Donau wie folgt:
Gesammtwiderstand in kg =: W = 20 AC^ • \\j-\ • (ii + 12) • ^
[(?)■•"■
;«,5
+ 0,153. gA. [a + '^-^^j.vbss.
А = BTj ist die Fläche des dem eingetauchten Hauptspante umschriebenen
Rechteckes,
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Schiffswîderstand.
В die Breite dieses Hauptspantes,
L die Länge des Schleppes in der Wasserlinie,
«0 der VölHgkeitsgrad der obersten Wasserlinie,
357
По =
I — «>
^ _ Пп» 1,1
^0 — —
3n0 — 2
I +
<r
I 2
3 3^0
V ist die Todtwassergeschwindigkeit in Meter in der Sekunde und
Tj der Tiefgang in Meter.
Der Zugswiderstand des Seite 302 (Bild 201) beschriebenen 670 Tonnen-
schleppes berechnet sich dann nach dieser Formel bei einer Tauchung von
1,80 m und einer Todtwassergeschwindigkeit von 5 km in der Stunde (Fahr-
geschwindigkeit in stromlosem Wasser):
A = Schleppbreite 8,20 m X 1,80 m Tauchung = 14,75 ^^
В = 8,20 m
L = 63,00 m
«0 = beträgt im Mittel bei 1,80 m Tauchung 0,82
"0 = 7:1.-^ = 4,55, daher ^3 ^ ^^^^^
Co = -^"^^'^ '-^ = 6,564
13,65—2 I + 20,702 X 0,017161
i, = 0,5761 und
Ч = 0,4349
V = 5 km Todtwassergeschwindigkeit in der Stunde = 1,389 m in der Sekunde
T, = 1,80 m
В /В\*
L
3 = 7,6363
/B\«
Formwiderstand = Wf = 20 • A • C^ - • (ij + i^) • v^'5 = ^S kg
Reibungswiderstand = Wr = 0,153 • ъ • -^ ' P + т 1 * ^^^ ~ *^4 ^^'
somit der Gesammtwiderstand für einen beladenen 670 Tonnenschlepp
bei 5 km Todtwassergeschwindigkeit auf 262 kg.
Für die der mittleren und unteren Donaustrecke entsprechende Todt-
wassergeschwindigkeit von 9 km in der Stunde (5 km Fahrgeschwindigkeit
-!- 4 km Stromgeschwindigkeit) berechnet sich der Gesammtwiderstand auf
741 kg, für die bei der grösseren Stromgeschwindigkeit der oberen Donaustrecke
sich ergebende Todtwassergeschwindigkeit von 13 km in der Stunde auf 1713 kg
und endlich für die auf der Katarak tens trecke auftretende grösste Todtwasser-
geschwindigkeit von 18 km in der Stunde auf 3428 kg.
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358 IV. Schiff s widerstand und ScMeppzug.
Formel von Rauchfass. Die von Rauchfuss*) aufgestellte Formel für
den Widerstand der Schiffe gegen den Zug lautet:
W = Wr + Wi + Ww + Ws
in welcher Wr den Reibungswiderstand, Wi den Luftwiderstand, W^ den
Wellen und Wirbel bildenden und W» den Widerstand der Bugwelle, des
Stauwassers, ausdrückt und deren Werthe einzeln bestimmt werden müssen.
Für Wr kommt die einfache Gleichung
Wr =: 0,0471 • и • v^»^
einzusetzen, in welcher U die eingetauchte Schiffsaussenfläche und v die Ge-
schwindigkeit des Schifïes in Meter in der Sekunde ausdrückt.
Der Erfahrungskoeffizient 0,0471 gilt nur für Schiffe mittlerer Länge,
etwa von 90 bis 100 m ; für Schiffe von geringerer Länge muss der Koeffizient
vergrössert, für solche von grösserer Länge verringert werden, und zwar
derart, dass für ganz kleine Schiffe von 30 m Länge 0,0812, für grössere von
70 m 0,0665, und für sehr lange von über 120 m Länge 0,0400 in Rechnung
gestellt wird.
Für Wi gilt die Gleichung
Wi = 0,0215 . О • v^,
worin unter О die grösste Durchschnittsfläche des über Wasser befindlichen
Schiffskörpers sammt Deckaufbauten und der über diese herausragenden
Schornsteinfläche darstellt, und da v nur die Eigengeschwindigkeit des
Schiffes ausdrückt, so ist bei starkem Gegenwinde die Geschwindigkeit des
Windes in der Stunde (siehe Windtafel Seite 8) der Schiffsgeschwindigkeit
hinzuzurechnen.
Für W^ und Wg werden Gleichungen mit zahlreichen Berechnungs-
ziffern**), welche ähnlich wie die auf Seite 354 dargestellte Berechnung des
Hilfsspantes von den Stromlinien abgeleitet werden, eingesetzt, welche jedoch
in der in der Formel berechneten Grösse nur in der Seeschiffahrt auftreten,
während sie für die geringen Fortgangsgeschwindigkeiten und Wellenbildungen
der FlussschifTahrt nur sehr geringe Werthe ergeben.
So berechnen sich beispielsweise Ww und Ws für ein auf Kiel ge-
bautes See- oder Flussschiff von einer Länge
in der Wasserlinie L = 69,50 m
grösste Breite В = ii,oo „
Tiefe von Deck bis zur Oberkante des Kiels an
der Seite gemessen T = 7,68 „
mittlerem Tiefgang ohne Kiel T^ = 4,72 „
Völligkeitsgrad der obersten Wasserlinie . . «(a) = 0,83 „
„ des Vordertheiles dieser Linie . a^ = 0,80 „
„ „ Hintertheiles „ „ . , a^ =z 0,86 „
*) E. Rauchfuss. Widerstand und Maschinenleistung der Dampfschiffe —
Kiel 1896.
**) Ww = 1,410 . v* . Ids . sin'a, worin der Werth Ids . sin'a die Grösse und
Form der benetzten Ausseniläche des Schiffskörpers für den Wellen und Wirbel
bildenden Widerstand darstellt. Ws =0,00268 . v» . / Г dl . sin'a) '*'
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Schiffswiderstand.
359
VölHgkeitsgrad des Hauptspantes «з = 0,85 „
ganze benetzte Umfangsfläche sammt Steuerblatt-
fläche и = iioo,7 m'
Windfangfläche О = 71,5 m*
für eine Geschwindigkeit von 18,52 km in der Stunde auf:
Wr = 6044 kg
Wi = 153 „
Ww= 587 n
W, = 516 „
daher der Gesammtwiderstand W = 7300 kg, während sich diese Werthe
für den 670 Tonnenschlepp der Donauschiffahrt bei 18 km Todtwasser-
geschwindigkeit und bei Gegenwind auf:
Wr = 2950 kg
Wi = 30 „
Ww = 150 „
Ws = 100 „
und W = 3230 kg berechnen.
Nach einer Reihe durchgeführter Berechnungen können für die Donau-
schif!ahrt W^ 4- W^ zusammen, bei Todtwassergeschwindigkeiten von
13 bis 15 km mit 6 bis 7 pCt. von Wr und bei solchen von
i6^i8„ „ S „ 9 ^ „ Wr angenommen werden.
Widerstandsversucbe von de Mas auf Flüssen und Kanälen. Im Auf-
trage der französischen Regierung hat de Mas eine Reihe sorgfältiger prak-
tischer Versuche und Untersuchungen über den Eigenwiderstand der Schiffe
durchgeführt und insbesondere bezüglich der im Kanäle auftretenden Zugs-
widerstände werthvoUe Grundlagen erforscht.
Die auf der Seine ausgeführten Zugs versuche erstreckten sich auf die
Eigenwiderstände für verschiedene Schiffsformen und für Todtwasser-
geschwindigkeiten von 0,25 m, immer um 0,25 m ansteigend, bis 2,50 m in
der Sekunde, sowie für verschiedene Tauchungen von 0,60 bis 1,80 m und
wurden in folgende Formel gebracht:
r Eigenwiderstand des Schiffes = Kwv',
in welcher v die Todtwassergeschwindigkeit, w den grössten benetzten Haupt-
spant und К eine für ein Schiff von bestimmter Form anzuwendende Er-
fahrungszahl bedeutet.
De Mas bemerkt zu dieser Formel:
Dass der Widerstand nicht gleichmässig mit der Grösse von w zunimmt,
sondern in etwas geringerem Verhältnisse,
dass der Widerstand nicht mit dem Quadrate der Geschwindigkeit v,
sondern mit einem um etwas grösseren Werth zunimmt und endlich
dass bei einem gegebenen Schiffe das Verhältnis ^ kein fest-
wv^
stehendes ist.
Während die Ergebnisse de Mas* bezüglich der Gesammtwiderstände
mit jenen im Donaubetriebe gefundenen übereinstimmen, sind die von ihm
gemachten Schlussfolgerungen von jenen aus den Donauversuchen gezogenen
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Збо IV. Schilfswiderstand und Schleppzug.
abweichend. Dies liegt darin, dass die Zugs versuche de Mas' sich nur auf
geringe То dtwassergesch windigkeiten bis 2,50 m in der Sekunde, die Donau-
zugsversuche jedoch von dieser Grösse aufwärts bis 5 m in dei Sekunde
ansteigend gründen. Während solcherart de Mas findet, dass der Ober-
flächen- oder Reibungswiderstand ungefähr nur 33 pCt. des Gesammt-
widerstandes beträgt, wurde derselbe in der DonauschiflFahrt mit 70 pCt. des
Gesammt Widerstandes bestimmt. Es ist dies auch ganz erklärlich, wenn man
bedenkt, dass die mit einer bedeutend grösseren Geschwindigkeit längs der
Aussenflächen des Schiffskörpers abfliessenden Wassertheilchen auch einen be-
deutend grösseren Reibungswiderstand erzeugen müssen.
Demgemäss stimmen auch die übrigen, aus dem Formwiderstand ge-
zogenen Folgerungen mit jenen der Donau nicht überein. Während de Mas
die Schiflfsform als den auf den Zugswiderstand massgebendst einwirkenden
Theilbetrag ansieht und beispielsweise die Löffelform als die günstigste vor-
schlägt, ergeben die Erfahrungen im Donaubetrieb, dass zwischen der Löffel-
form und den senkrechten Schleppformen bei Zugsgeschwindigkeiten bis 9 km
in der Stunde fast kein Unterschied besteht, bei grösserer Zugsgeschwindigkeit
aber die Löffelform infolge ihrer unruhigen Steuerung sogar grössere Wider-
stände erzeugt (siehe Tabelle Seite 371).
Endlich zieht de Mas die übrigens mit dem Vorhandensein des Ober-
flächen Widerstandes im Widerspruche stehende Folgerung, dass innerhalb
gewisser Schiffslängengrenzen die Länge des Schiffes von keinem Einflüsse
auf den Gesammtwiderstand sei. Er fand nämlich, dass bei drei Holzschiffen
mit gleichen Breiten im Hauptspant und mit möglichst gleichen Vorder- und
Hintersteven, jedoch mit verschiedenen Längen von 37,99 m, 30,03 m und
20>55 ^ bei Geschwindigkeiten von 0,50 m bis 2,50 m in der Sekunde, ganz
gleiche Widerstände auftraten.
Die Donauversuchc haben dagegen beim Vergleiche der Widerstände
ganz gleich geformter Schleppe mit gleichen Hauptspantgrössen und mit gleich
grossen benetzten Flächen ergeben, dass der längere Schlepp auch einen
grösseren Widerstand als der kürzere ausübt.
Ein Schlepp von 53,9 m Länge hatte im unbeladenen Zustande bei
18 km Todtwassergesch windigkeit einen Widerstand von 1240 kg, während
ein gleich gebauter Schlepp derselben Klasse von 64 m Länge bei gleicher
Eintauchung und gleicher benetzter Fläche einen Widerstand von 1340 kg
aufwies. Vollbeladen, auf 18 dm getaucht, zeigte der 53,9 m lange Schlepp
1940 kg, der 64 m lange Schlepp unter gleichen Verhältnissen dagegen
2260 kg.
Die von de Mas am Kanal von Burgund ausgeführten Zugsversuche
haben das erste Mal ein klares Bild über die im Kanalquerschnitte auftretenden
Widerstände gegeben und sind deshalb von ganz besonderer Bedeutung.
Beim Uebergange eines Schiffes aus einem Flusse in das beschränkte
Profil eines Kanales nimmt der Zugswiderstand, wie dieses bereits Seite 349
nachgewiesen, beträchtlich zu. Diese von de Mas das erste Mal ziffermässig
Jestgestellten Vergrösserungen der Widerstände sind in folgender Tabelle dar-
gestellt :
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Schififswiderstand.
361
R bedeutet den Gesammtwiderstand îm Kanal
г „ „ „ „ Flusse
Die Abmessungen der eingetauchten Theile dieser Schiffe sind bei 1,30 m
Tauchung (siehe auch die Bilder Seite 236):
Länge in m
Breite im Hauptspant . „ „
Tiefgang „
Völligkeitsgrad
Raumgehalt .... in cbm
L
Verhältnis der Länge zur Breite
В
Péniche
38,50
5,00
1,30
0,990
247
7,60
Flûte
Toue
Margotat
•fi «2
i
37.90
37.96
38,25
5.08
5.05
5.00
1,30
1,30
1.30
0,954
0,979
0.903
238
244
225
7,62
7,62
7.65
34,50
4,93
1,30
0,940
230
7.70
Die Abmessungen der 1600 m langen Versuchsstrecke des Kanales
waren :
Sohlenbreite 8,30 m
Wasserspiegelbreite . . 18,70 ,,
Wassertiefe 2,19 „
wonach die durchschnittlich benetzte Fläche des Kanalqtierprofiles 29,53 m^
betrug.
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362 ^V. Schifiswiderstand und Schleppzug.
Aus der Tabelle ist zu ersehen, dass bei geringen Zugsgeschwindigkeiten
und geringer Tauchung der Widerstand im Kanäle nicht bedeutend grösser als
jener im Flusse ist, bei grösseren Zugsgeschwindigkeiten und grösseren
Tauchungen aber sehr stark zunimmt. Bei 1,00 m Tauchung hatte die
Holzform Flûte bei 0,50 m Geschwindigkeit im Flusse einen Eigen-
widerstand von 39 kg, im Kanäle dagegen 48 kg, bei 1,60 m Tauchung
und derselben Geschwindigkeit hatte dieselbe im Flusse 54 kg, im Kanäle
112 kg Widerstand und bei dieser Tauchung jedoch 1,00 Geschwindigkeit,
im Flusse 162 kg, im Kanäle jedoch schon 481 kg. Das löff eiförmige preussische
Kanalschiff ergab bei 1,30 m Tauchung bei beiden Zugsgeschwindigfceiten im
Kanäle fast den 2 Y2 dachen Widerstand.
Donanzugsversuche. Damit die Erste k.k.pr.Donau-Dampfschiffahrts-
Gesellschaft die Zugswiderstände der verschiedenen in ihrem Betriebe ver-
wendeten Schleppformen auf den einzelnen Donaustrecken, bei allen Tauch-
ungen und den im Donaubetriebe üblichen Zugsgeschwindigkeiten erkenne und
an der Hand dieser Erfahrung eine einheitliche wirthschaftliche Schleppform
für alle Strecken bauen könne, hat sie im Jahre 1895 Zugswiderstandsproben
in grossem Massstabe ausführen lassen. Dieselben erstreckten sich auf fast
alle im Donauverkehre in Verwendung stehenden Schleppformen von 200, 320,
350, 380, 420, 450, 580, 650, 700 und 820 t Tragfähigkeit.
Zu den Versuchen wurden die von de Mas angewendeten Instrumente
von Richard Frères in Paris und zwar zwei hydraulische Dynamometer für 3
und 10 t Beanspruchung, drei selbstzeichnende Manometer für i, 3 und
10 t, sowie ein Stromflügel mit elektrischer Selbstzeichnungsvorrichtung benutzt,
welche den Verhältnissen der Donauschiffahrt entsprechend, auf einem Rad-
dampfer von 600 i. HP., 62,00 m Länge, 7,30 m Schiffskörperbreite, 2,70 m
Höhe und 1,10 m Tiefgang angebracht wurden. Die Drei - Cylindermaschine
des Dampfers mit drei Kurbeln unter je 120 Grad, ermöglichte bei geringster
und bei grösster Maschinenleistung einen stets gleich massigen und ruhigen Zug.
Die Versuche wurden auf einer 5 km langen geraden, mit Kilometer-
zeichen ausgesteckten Stromstrecke oberhalb Budapest während einer Zeit
vorgenommen, in welcher der Wasserstand nahezu unveränderlich, im
Beharrungszustande war, daher sich auf der Versuchsstrecke annähernd gleich-
bleibende Querprofile von einer mittleren Breite von 200 m und einer mitt-
leren Tiefe von 3 m ergaben.
Die Zahl der derart mit 27 eisernen und 2 hölzernen Schleppformen
durchgeführten Versuche belief sich auf 286. Bei jedem Schleppe wurde
der Zug gewöhnlich mit grösster Eintauchung begonnen, die Ladung sodann
auf die Hälfte oder ein Drittel vermindert und schliesslich der Schlepp
in nicht beladenem Zustande gezogen. In allen diesen Zuständen wurden
verschiedene Geschwindigkeiten von 7 bis 18 km Todtwassergesch windigkeit
in der Stunde angewendet. Die Stromgeschwindigkeit und mit dieser die Todt-
wassergeschwindigkeit des Schiflfes bestimmte und überwachte man fortlaufend
und ergab sich auf der Versuchsstrecke eine mittlere Strom gesch windigkeit von
3,8 km in der Stunde. Endlich wurde die Maschinenleistung für jeden Zug
durch Indicirung bestimmt, der Einfluss des Windes berücksichtigt, bei
starkem Winde die Versuche aber gänzlich unterbrochen.
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Schififswîderstand. 363
Donanformel. Nachdem fQr jede Schleppform bei gleicher Tauchung vier
bis sechs Zugsversuche durchgeführt wurden, konnte aus diesen ein genauer
mittlerer Widerstandswerth berechnet werden, mit welchem sodann für jede
Schleppform eine Widerstands-Parabel ermittelt wurde.
Der Widerstand wurde bei der Berechnung als parabolische Funktion
der Todtwassergeschwindigkeit angenommen, nach der Formel
W = — • V °, worin
W den Widerstand in kg,
p den Parameter der Parabel,
V die Todtwassergeschwindigkeit und
n den Grad der Parabel bedeutet,
n wurde nacheinander ^eich 2, 2,25, 2,50, 2,75 und 3,00 gesetzt und
damit die Konstante — nach der Theorie der kleinsten Quadrate berechnet,
2p
wobei es zeigte sich, dass der Werth
n = 2,25
den Versuchsergebnissen am besten entspricht, d. h. dass innerhalb der
Grenzen von 8 bis 18 km Todtwassergeschwindigkeit in der Stunde der
Zugswiderstand am entsprechendsten durch die Formel
I
W :
2p
ausgedruckt werden kann.
Für einen 350 Tonnenschlepp (siehe Tabelle Seite
365)
berechnet
sich
die Grösse —
2p
bei
1,80 m
Tauch ung =
2,90
n
1,40 »
» ^-^
2,50
»
1,00 „
n ^—
2,09
und unbeladen „
0,40 »
}} —
1,80
und hiernach die Widerstandswerthe beispielsweise für die grösste Todt-
wassergeschwindigkeit auf der Kataraktenstrecke von 18 km in der Stunde
bei 1,80 m Tauchung mit W = 1900 kg
» i»4o „ n n » = 1700 „
n 1,00 n » w » = 1450 »
und unbeladen „ 0,40 „ „ „ ^ = 1220 „
Die gleiche Rechnung wurde für alle in Erprobung gestandenen Schlepp-
formen durchgeführt und hat das Ergebnis geliefert, dass bei den im Donau-
betriebe üblichen Schleppformen und den in demselben auftretenden Todt-
wassergeschwindigkeiten die oben angeführte einfache Donauformel den in
der Wirklichkeit ermittelten Eigenwiderständen entspricht.
Wenn zum Zwecke der Werthprüfung dieser Donauformel die Er-
gebnisse derselben mit den nach den Formeln von Riehn und Rauchfuss be-
rechneten verglichen werden, so ergeben sich keine wesentlichen Unter-
schiede:
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364 IV. SchiÔ'swiderstand und Schleppzug.
Zugswiderstand in kg des 670 Tonnenschleppes bei
9kmi3kmi8km Todtwassergeschwindigkeit
nach Riehn 741 17 13 3428
„ Rauch fuss — — 3230
„ der Donauformel 658 1505 3130
Die Formeln von Riehn und Rauchfuss geben offenbar deshalb höhere
Werthe, weil in denselben die durch Wellen und Wirbelbildungen auftretenden
Widerstandswerthe enthalten sind, welche bei den Zugsproben der Donau-
schiffahrt nur in sehr geringem Masse in den ermittelten Zugswiderständen
zum Ausdrucke gelangten.
Widerstände einiger Donanschleppe. Folgende Tabelle enthält die Zugs-
widerstände einiger im Betriebe der Ersten k. k. priv. Donau -Dampf schifFahrts-
Gesellschaft verwendeten Schlepptypen. Bild 239 zeigt deren Widerstandskurven.
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366
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Widerstands
(^Parabeln der
Шг die 820, 670, 650 und 350 Tonnenschleppe, in unbeladenem
oZO ^ЛУУ10^У1\лл^
670
650
350
i^b X^cz^e/Yw ^лл^о^лл^Э^
5 6 7 8 9 <0 t1 12 13 1^ '5 16 17 18Km
5'^Эк^[л7<^^ съа^/?с1км1?'л/^\^1аЛе9лХ
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6H0
9-20
2 76
-»8 00
666-5
670 -
6300
8-20
2 ^0
-18 00
630 1
650 '
58-10
7-97
2 60
18-00
532 A
350 .
53-90
650
2 60
<8 00
332 Ч
>6^ l^^^nv ^Уалл/СГ1ллл^1^
18Km
Bild
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Schiffswiderstand.
367
Kurven
2.25 Potenz)
Zustande und bei l.oo m, I.40 m und I.80 m Tauchung.
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Ol 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 1^ 15 16 17 18Кт1г
3 800 Kg
ß^ i 8 d/nV JctAAXAVK^AbA^
0 1 2 3 Ч 5 б 7 8 9 10 « 12 13 <4 15 16 17 18Km
239-
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366
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Widerstands-
(Parabeln der
Шг die 820, 670, 650 und 350 Tonnenschleppe, in unbeladenem
oZO Золп1огл\лл^_
670 - .
650
350
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332 Ч
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400
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18Km
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5
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Schiffswiderstand.
367
Kurven
2.25 Potenz)
Zustande und bei l.oo m, I.40 m und I.80 m Tauchung.
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239-
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Зб8 IV. Schifiswiderstand und Schleppzug.
Wirthschaftlicbster Donauschlepptyp. Diese Widerstandswerthe zeigen,
dass der vor zwei Jahren im Donaubetriebe eingeführte 670 Tonnenschlepp,
gegenüber allen übrigen Typen, bei gleichen Tauchungen sich pro Tonne
Ladung am wirthschaftlichsten stellt.
Während zum Zuge einer Tonne Ladung mit dem 670 Tonnenschlepp,
wenn derselbe auf 1,80 getaucht ist,
bei 9 km Todtwassergeschwindigkeit 1,04 kg
» 13 » n 2,39 „
» lÖ » » 4i97 n
nothwendig sind, erfordert unter den gleichen Tauchungsverhältnissen der
Zug einer Tonne
beim 820 Tonnenschlepp bei 9 km Todtwassergeschwindigkeit 1,15 kg
»» Ï3 if n 2,64 „
beim 650 Tonnenschlepp „ 9 ,, ,, 1,10 „
n ^3 )> M 2,52 ,,
und beim 350 Tonnenschlepp „9 „ „ 1,16 „
»» 13 П n 2,66 „
n lö „ „ 5,52 „
Noch günstiger stellen sich die Zugswiderstände des 670 Tonnenschleppes
bei den übrigen Tauchungsgrössen, wie dieses die umstehende Zusammenstellung
zeigt.
Der ausserordentlich günstige Einfluss entsprechender Schiffsformen aut
den Schleppzug bezw. auf die Zugskosten geht aus obigen Darstellungen klar
hervor. Wenn ein Schiflfahrtsbetrieb über Schleppe verfügt, welche bei
ungünstigen Wasserständen noch eine Ladung von 400 Tonnen zulassen,
und dabei einen verhältnismässig geringen Zugswiderstand ergeben, so
erscheint dessen Wirthschaftlichkeit vom betriebstechnischen Stand-
punkte aus gesichert.
Einfluss der Sehiifsform auf den (lesammtwiderstand. Aus den auf der
Donau durchgeführten Zugsversuchen ergeben sich folgende auf den Zug
mit Donauschlepptypen anzuwendende Schlüsse:
Der Einfluss der Schiffsform auf den Gesammtwiderstand ist im
Verhältnis zum Zugswiderstand, welcher sich durch die Reibung des Wassers
an der benetzten Schiffsoberfläche ergiebt, ein geringer. Den Gesammt-
widerstand mit 100 pCt. angenommen, beträgt der Zugswiderstand, welcher
durch die Schiffsform entsteht, je nach dem der Schlepp schärfer oder voller
gebaut ist, 7 pCt. bis 30 pCt. des Gesammtwiderstandes.
Dabei ist ausdrücklich zu bemerken, dass hier nur jener Widerstand
der Schiffsform in Rechnung gezogen ist, welcher sich bei vollständig geradem
Zuge gegen die Strömung ergiebt, mithin bei einem Zuge, während welchem
die Stromfäden parallel der Längsrichtung des gezogenen Schleppes abfliessen.
Kommt aber der Schlepp während des Zuges in eine Querlage zum Strom-
strich, so tritt ein anderer und grösserer Formwiderstand auf. Es muss in
diesem Falle ausser dem ursprünglichen Formwiderstand auch noch jener Wider-
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Schiffswiderstand.
369
с
Zugswiderstand (W= —
.V3,25) in
Kilogramm bei
и
а
Ladung
Tonnen .
Tau-
chung
in dm
9
13
j
8
а
Kilometer Todtwassergeschwindigkeit
(Л
zu-
sammen
für eine
Tonne
Ladung;
zu-
sammen
für eine
Tonne
Ladung
zu-
sammen
für eine
Tonne
Ladung
leer
3,80
490
—
H20
—
2329
820 t|
283,4
473,3
10,00
14,00
608
699
2,15
1,48
1390
1598
4,90
3,38
2889
3323
10,19
7,02
666,5
18,00
769
1,15
1759
2,64
3655
5.48
leer
3,50
316
—
722
—
1500
—
670 t
277,2
452,5
10,00
14,00
484
540
1,75
1,19
1107
1236
3,99
2,73
2300
2570
8,30
5,68
630,1
18,00
658
1,04
1505
2,39
3130
4.97
leer
4,00
290
—
615
—
1280
—
650 t
222,0
10,00
418
1,88
956
4,31
1989
8,96
375,6
14,00
474
1,26
1085
2,89
2256
6,01
532,4
18,00
586
1,10
1341
2,52
2790
5.24
leer
4,00
261
—
597
—
124 1
—
350 t
120,3
224,8
10,00
14,00
313
365
2,60
1,62
716
834
5,95
3,71
1488
1735
12,37
7,72
332,4
18,00
386
1,16
883
2,66
1835
5.52
stand Oberwunden werden, welcher gleich ist dem Drucke des Wassers auf
die Projektion der Langseite des Schleppes und auf die Fläche des Steuerruders.
Der Einfluss der Schiffsform auf den Zugswiderstand ist demnach nur
insolange als gering zu bezeichnen, als man im Stande ist, den gezogenen
Schlepp parallel zum Stromstriche zu erhalten, was bei Schleppen mit guter
Steuerfähigkeit und entsprechender Steuerungsvorrichtung innerhalb gewisser
Geschwindigkeitsgrenzen immer erreichbar ist. Schleppe, welche sich jedoch
schwer steuern lassen, verlieren bei grösserer Todtwassergeschwindigkeit
ihre Steuerfähigkeit, können parallel zum Stromstriche nicht erhalten werden
und ergeben sodann den erwähnten höheren Formwiderstand.
Bei vielen im Donauverkehre üblichen Schleppen ist deshalb wahrzunehmen,
dass bei wachsender Todtwassergeschwindigkeit der Widerstand derselben sehr
stark zunimmt. Diese Erscheinung ist zum grossen Theil der mit wachsender
Geschwindigkeit abnehmenden Steuerfähigkeit zuzuschreiben.
So wurde ein 650 Tonnenschlepp mit 57,65 m Länge, 8,00 m
Breite und 0,81 Völligkeit mit zwei anderen Formen von gleich-
falls je 600 Tonnen Tragfähigkeit, welche die gleich grosse benetzte Fläche
Sappen, Wasserstrassen und Binnenschifiahrt. 24
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370 IV. Schiffswiderstand und ScЫeppzug.
wie der 650- Tonnenschlepp hatten, auf den Zugswiderstand geprüft und ge-
funden, dass einer dieser Schleppe, mit 53,00 m Länge 8,40 m Breite und
0,82 Völligkeit,
bei 9 km in der Stunde Geschwindigkeit um 12.3 pCt.
n '■^ n n n n n я ^5>7 »
» ^5 » » » » n n 27 13 »
der zweite etwas voller gebaute Schlepp, mit 51,80 m Länge, 8,40 ra Breite
und 0,85 Völligkeit,
bei 9 km in der Stunde Geschwindigkeit um 15,3 pCt.
» ^2 „ „ „ „ „ „ ^3»^ »
w^5»»n» » n 5*>3 »
mehr Widerstand als der 650 Tonnenschlepp boten.
Diese plötzliche Zunahme des Widerstandes war nicht allein dem
Formenunterschied dieser beiden Schleppe gegenüber dem 650 Tonnenschlepp,
sondern hauptsächlich der ungünstigeren Steuerfähigkeit derselben zuzu-
schreiben.
Zu berücksichtigen ist auch, dass beim Zug mittels Raddampfer die
von den Schaufeln erzeugten Wellen einen, zwar nicht bedeutenden, Einfluss
auf den gegen diese Wellen gezogenen Schlepp ausüben.
Im Allgemeinen sind die Unterschiede der Zugswiderstände der ver-
schiedenen Donauformen bei gleich grosser benetzter Oberfläche nicht be-
deutend.
Wenn grundverschieden geformte Typen, beispielsweise ein mit
senkrechten Bordflächen gebauter 350 Tonnenschlepp mit einem löffei-
förmig gebauten 320 Tonnenschlepp (siehe Bild 202, Seite 305) bei Tauchungen,
in welchen die benetzten Aussenflächen beider gleich sind, miteinander
verglichen werden (siehe nebenstehende Tabelle), so ergiebt sich bis zu
einer Geschwindigkeit von 7 bis 9 km in der Stunde nur ein geringer und
erst bei Geschwindigkeiten von über 9 km ein erheblicher Unterschied.
Die Tabellenziffern zeigen auch, dass die „Löffelform", welche von vielen
Fachleuten als eine besonders günstige, den geringsten Widerstand bietende
Schiffsform empfohlen wird, bei grösseren Geschwindigkeiten einen grösseren
Widerstand, als der nicht löffeiförmig gebaute Schlepptyp aufweist. Bei
den 18 km Todtwassergeschwindigkeit der Kataraktenstrecke der Donau
beträgt dieser Mehrwiderstand des voUbeladenen Löffelschleppes 520 kg,
welcher aber zum grossen Theile auf den Mangel an Steuerfähigkeit des Löffel-
schleppes bei dieser grossen Geschwindigkeit zurückzuführen ist.
Bei Geschwindigkeiten von unter 5 km, wie solche in Kanälen an-
gewendet werden, mag sich der Widerstand der Löffelform übrigens immerhin
günstiger stellen und deren Anwendung in Kanälen daher wirtschaftlich sein.
Einfluss der benetzten Sehiffsoberfläche auf den Gesammtwiderstand.
Die Beschaffenheit der Oberfläche eines Schiffes ist von weit
grösserem Einfluss auf den Gesammtwiderstand als der Einfluss der Schiffsform
auf denselben, und vergrössert bei den in der Donauschiffahrt üblichen Typen
und Geschwindigkeiten den Gesammtwiderstand des Schifies ganz be-
deutend.
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Schiffswiderstand.
371
Todtwasser-
geschwindigkeit in
der Stunde
Benetzte Fläche
in m"
7 km
260
unbeladen
400
vollbeladen
9 km
260
unbeladen
400
vollbeladen
13 km
260
unbeladen
400
vollbeladen
18 km
260
unbeladen
400
vollbeladen
Zugswiderstand in Kilogramm
des 350 Tonnen-
schleppes mit vom
Bug und Achter
senkrecht ansteigen-
den Flachen
140
230
260
420
590
930
1220
1900
des 320 Tonnen-
schleppes mit löfifel-
förmigen Bug- und
Achlerenden
150
230
280
490
620
1080
1340
2420*)
Zur Feststellung dieses Einflusses wurden zwei 650 Tonnenschleppe ganz
gleicher Bauart, jedoch von verschiedenem Alter erprobt und wurde bei dem
nur um 5 Jahre älteren Schleppe
bei 4 dm. Tiefgang ein um 14.0 pCt.
I» 9i5 n
12,2
n 14*5 n n n n ^Л n
grösserer Widerstand gefunden.
Weitere Versuche wurden mit Schleppen von 220 Tonnen Tragvermögen
mit glatten Oberflächen und mit künstlich durch Anstreichen mit Pech und
Anwurf von Schotter rauh gemachten Oberflächen gemacht und gefunden, dass
letztere einen um 27 pCt. grösseren Zugwiderstand als die glatten Aussen-
flächen erzeugen.
Desgleichen wurden mit hölzernen und eisernen Schiffen von gleicher
Tragfähigkeit Zugversuche gemacht, welche ergaben, dass die Verwendung
von hölzernen Fahrzeugen für den Schiffahrtsbetrieb höchst unwirthschaftlich ist.
So wurde ein neuerbautes hölzernes Ruderschiff von 40,7 m Länge und 7,8 m
Breite mit einem gleich grossen eisernen Schlepp verglichen und gefunden,
dass das Holzschiff unbeladen bei 4,5 dm Tiefgang, obwohl die benetzte Ober-
*) Unruhige Steuerung.
24*
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372 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
fläche desselben um lo pCt. kleiner als die des Eisenschleppes war, dennoch
einen Mehrwiderstand von 33 pCt. ergab und dass im beladenen Zustande
bei 16 dm Tiefgang der Widerstand sogar um SçpCt. grösser war, als beim
Eisenschlepp mit 18 dm Tauchung.
Ein grösseres Holzschiff von 53 m Länge und 8,36 m Breite wurde mit
einer Ladung von 450 Tonnen und einem Tiefgange von 18 dm mit einem
Eisenschleppe mit gleicher Ladung und 16 dm Tiefgang verglichen und
lieferte einen um 94 pCt. grösseren Zugwiderstand.
Man kann somit für den praktischen Betrieb annehmen, dass ein Holz-
schiff nahezu den doppelten Widerstand wie ein Eisenschiff bei
gleicher Tragfähigkeit hat, dass somit die Zugskosten für ein Tonnen-
kilometer bei einem Holzschiff fast zweimal so gross, als beim Eisen-
schiffe sind. Eine dringende Warnung, die hölzernen Schiffe aus der Binnen-
schiffahrt sobald als nur möglich zu entfernen. Dabei ist es ziemlich neben-
sächlich, welche Gattung und welche Formen von Holzschiffen verwendet
werden, weil der Einfluss der Form auf den Gesammtwiderstand, wie oben
nachgewiesen, bei den in der Fluss- und Kanalschißahrt üblichen geringen
Zugsgeschwindigkeiten nicht bedeutend ist. Von diesem Standpunkte aus ist
auch die Verwendung von Eisenschleppen mit Holzboden unwirthschaftlich.
Durch zweckmässige Bauformen wird bei einem oder dem anderen Holz-
schiff der Formwiderstand verringert werden können, immerhin wird man
aber bei dem bestgebauten Holzschiff noch immer mit einem weit grösseren
Oberflächenwiderstand als beim Eisenschiffe mit gleicher Tragfähigkeit zu
rechnen haben.
Dieses Ergebnis der Zugsproben der hölzernen Schiffe wird übrigens
im Donaubetriebe durch die Eriahrung seit Jahren bestätigt. Es ist ein alter
Erfahrungssatz, dass ein Zugdampfer mit 4 grossen Holzschiffen die gleiche
Zeit und die gleiche Kohle wie mit 7 eisernen Schleppen braucht und mit
letzteren viel mehr Nutzlast befördert.
Einen besonders grossen Oberflächenwiderstand gegen den Zug üben
die alten, am Boden bürstenartig ausgefaserten Holzschiffe aus.
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12. Abschnitt.
Schleppzug: auf Flüssen und Strömen.
a) Allgemeine Erfordernisse für einen wirthschaftlichen Schleppzug
auf Flüssen.
Wirthschaftliche Fahrmittel. Die Wirthschaftlichkeit eines
Schleppzuges auf Flüssen und Strömen hängt in erster Linie von der
Verfassung des Wasserlaufes, der S troirigesch windigkeit und den Abmessungen
der Fahrstrasse ab. Letztere gestalten sich zwar zeitweilig, mit zunehmendem
Wasserstande für die Schiffahrt günstiger, jedoch müssen die Fahrmittel^ um
einen ungestörten Betrieb unter allen Umstanden zu ermöglichen, nahezu den
Abmessungen des Niederwasserbettes angepasst werden, was zur Folge hat,
dass die Betriebsmittel der Binnenschiffahrt die vom wirthschaftlichen
Standpunkte aus nothwendige Grösse nur in seltenen Fällen erhalten können.
In der unbegrenzten Fahrstrasse der Seeschiffahrt sind dagegen die
Abmessungen der Betriebsmittel nur von schiffbaulichen Umständen abhängig,
können daher entsprechend gross genommen werden, wodurch die Seeschiffe
mit ihren oft gewaltigen Tonnengehalten, sowie ihren weiten Beförderungs-
entfernungen in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Billigkeit die Binnenschiff-
fahrtsgefässe weit überragen und die wirthschaftlichsten aller bestehenden
Verkehrsmittel darstellen. Die hohe Wirthschaftlichkeit der Seeschiff-
fahrt druckt sich in den Selbstkosten derselben aus. Während die Seeschiff-
fahrt noch mit unter 0,10 Heller für das Tonnenkilometer ihr Auslangen findet,
kann der bestgeregelte, billigste Schleppzug einer Binnenwasserstrasse das
Tonnenkilometer nicht unter 0,20 Heller leisten.
Der Flussschiffahrtsbetrieb ist im Allgemeinen auch schwieriger als der
Betrieb zur See, welcher nur durch zwei, allerdings schwerwiegende Um-
stände, die Folgen von Sturm und Wellenschlag, sowie die Erschwernisse,
die sich oft durch die grossen Beförderungsentfemungen ergeben, nachtheilig
beeinflusst werden kann.
Die ungünstigeren Verhältnisse der Flussschiffahrt können durch ent-
sprechende Stromverbesserungen, insbesondere durch die Regulirung für
Niederwasser wesentlich gebessert werden, jedoch hat es der Schiffer auch
selbst in der Hand, seinen Betrieb wirthschaftlich zu gestalten. Der Binnen-
schiffer hat in dieser Richtung bisher nicht alles gethan. Er erwartet eine
Besserung seiner Verhältnisse zumeist nur von der Regulirung der Flüsse
oder mit anderem Worte vom Flussbau und der Staatsverwaltung, er selbst
aber trägt im grossen Ganzen wenig dazu bei, seine Betriebskosten durch
zweckentsprechende Ausgestaltung der Fahrmittel und des Betriebes herabzu-
mindern. Man findet heute noch in der Flussschiffahrt Fahrmittel, wie sie in
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374 ^^* Schiffswiderstand und Schleppzug.
den ersten Anfängen der Dampfschiffahrt üblich waren. Es genügt der Hin-
weis auf die altehrwürdigen hölzernen Ruderschiffe der Donau mit ihren
plumpen Formen, auf die zahlreichen hölzernen Elbe- und Oderkahne mit ihren
schwerfälligen Steuerungen, auf die breiten Lastschiffe der Wolga und auf
die grosse Anzahl unwirthschaftlicher Flussdampfer auf fast allen Strömen.
Die Ursache, warum besonders im Schleppbau allgemein noch keine
durchgreifende Verbesserung wahrzunehmen ist, findet ihre Erklärung da-
durch, dass mit Rücksicht auf die verhältnismässig geringen Beanspruchungen,
denen die Schleppe ausgesetzt sind, es oft glückt, dass auch schlecht und
durchaus unkonstruktiv gebaute Fahrzeuge längere Zeit hindurch doch eine
gewisse Lebensdauer erreichen und dem kleinen Rheder einen Nutzen abwerfen.
Ein durchgreifender Fortschritt in der Bauweise der Frachtkähne wird erst dann
eintreten, wenn von den Dampferbesitzern für den Schleppzug die Gebühren
nicht, wie heute üblich, nach der Grösse oder nach der Tonne Ladung, son-
dern nach dem ermittelten Schlepp widerstand bei den verschiedenen
Eintauchungen gefordert werden würden.
Erst in neuerer Zeit macht sich in den Betriebsmitteln der Binnenschiff-
fahrt ein grösserer technischer Fortschritt bemerkbar. Durch eine technische Ver-
vollkommnung derselben und deren Anpassung an die vorhandenen Abmessungen
der Fahrbahn kann aber der Betrieb um vieles wirthschaftlicher gestaltet werden.
Von welchem Einflüsse zeitgemäss gebaute Fahrmittel auf die
Betriebskosten sind, wird schlagend durch die Erfahrungen der Donau-
schiffahrt nachgewiesen. Man kann annehmen, dass sich in den letzten zehn
Jahren die Zugskosten derselben durch Erbauung neuer, mit allen betriebs-
technischen Behelfen ausgerüsteter Zugdampfer und eiserner Schleppe mit
grossem Tragvermögen bei verhältnismässig geringem Eigengewichte und
geringem Widerstände gegen den Zug um ^/g gegen früher verringert haben.
Dabei ist die unterste Grenze der Zugskosten noch nicht erreicht. Durch
Einführung entsprechender mechanischer Steuerungsvorrichtungen auf den
Schleppen, durch Ausscheidung der noch vorhandenen kleineren Schlepptypen
und aller Holzschiffe, durch Auflassung älterer Maschinenanlagen und endlich
durch Ausgestaltung der Propeller können die Zugskosten noch weiter herab-
gemindert werden.
Leichte Bauart der SchiffsgefSsse. Von ganz besonderer Bedeutung ist aber
eine streng nach den Grundzügen der Festigkeitslehre vorgenommene richtige
Materialvertheilung im Körper für Fluss- und Kanalschleppe. Gerade bei den
Binnenschiffen kommt es darauf an, innerhalb noch wirthschaftlicher Bauformen,
in allerschärfster Weise die vorhandenen Abmessungen voll auszunutzen und
das Schiffsgefäss so leicht wie nur möglich zu bauen, um auf diese
Weise die grösste Ladefähigkeit bei geringstem Eigengewichte zu erhalten.
Die Grenze für die Leichtigkeit ist allerdings durch die Festigkeit des Schiffes
bedingt. Welcher Fortschritt jedoch aut diesem Gebiete noch möglich ist,
beweisen die grossen neuen Eisenbahnbrücken, deren Bau die möglichste
Leichtigkeit bei grösster Spannweite aufweist. Diese Gesichtspunkte, welche
sich beim Brückenbau in so hervorragender Weise bemerkbar machen, müssen
daher auch auf den Flussschiffbau übertragen werden.
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Schleppzag auf Flüssen und Stiömen.
375
Im Seeschiffbau ist man in dieser Beziehung sehr vorgeschritten,
obwohl beim Seeschiffe, besonders in den Längs verbänden, sehr starke Be-
anspruchungen dadurch eintreten, dass bei bewegter See einmal der Schiffs-
körper mit seinen Enden auf den Wellenbergen liegt und in der Mitte über
dem Wellenthal fast frei schwebt und umgekehrt wieder in seiner Mitte am
Wellenberge zu ruhen kommt und seine Enden frei schweben (Bild 240). Ein
Flussschiff wird dagegen in der Fahrt unwesentlich und bezüglich seiner
Längsverbände nur dann stärker in Anspruch genommen, wenn die Ein- und
Ausladung nicht gleichmässig in oder aus allen seinen Abtheilungen geschieht,
sondern die einzelnen Ladeabtheilungen nacheinander voll beladen oder
entleert werden.
Die neueren eisernen Donauschleppe und Dampfer haben, um den
Körper gegen Biegungen der Länge nach unempfindlicher zu machen, einen
oder zwei von vorne bis rückwärts im Boden durchlaufende Längsträger.
Bei längeren Dampferkörpern
sind diese Längsversteifungen
schon deshalb nothwendig, weil
der Schiffskörper durch die von
der Maschine während der Fahrt
in Bewegung gesetzten Massen
in Schwingungen gebracht
wird. Bei jeder Umdrehung der
Maschine erfährt nämlich das
dieselbe tragende Fundament
einen Stoss, wodurch dieses
und der ganze Körper der Länge nach wie ein elastischer Stab in Schwingungen
geräth und eine Reihe von Schwingungsknoten entstehen. Wenn nun die
Maschine nicht gerade über einem dieser Knotenpunkte liegt und deren Um-
drehungszahl und Stösse mit der Schwingungszahl des Schiffskörpers nicht
zusammenfallen, so entstehen je nach dem Gange der Maschine stärkere oder
schwächere Längsbewegungen im Körper, welche denselben unter Umständen
ungünstig beanspruchen. Ausser der Körperlängsversteifung müssen deshalb
bestimmte Maschinenbestandtheile noch durch Gegengewichte ausgeglichen
werden, welche die Stösse der Maschine zum Theile aufzunehmen haben.
Vorzug des Eisens und Nachtheil des Hohes im Schiffbau. Das gross te
Uebel im Bau der Flussschleppe liegt jedoch, wie schon erwähnt, in
der althergebrachten Verwendung des Holzes, wodurch ein wesentlicher Fort-
schritt in demselben von vornherein ausgeschlossen ist und die Zugskosten
eine unwirthschaftliche Höhe erreichen, weil die Holzkörper nahezu den
doppelten Zugswiderstand wie Eisenkörper gleichen Tonnengehaltes geben
(siehe Abschnitt 11).
Der Vorzug des Eisens im Schiffbau ist unzweifelhaft. Dessen
Ueberlegenheit gegenüber dem Holze ergiebt sich schon dadurch, dass die
Festigkeit des Eisens nach jeder Richtung hin nahezu gleich ist, wogegen
das Holz nur in der Längsrichtung der Faser eine grössere Festigkeit besitzt.
Dieser Vorzug, sowie die Biegsamkeit und Dehnbarkeit des Eisens gestattet,
Bild 240.
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376 IV. Schiffs widerstand und Schleppzug.
dasselbe in solche Formen zu bringen, wie sie zur Erzielung einer möglichst
starken Verbindung der einzelnen Theile am zweckmässigsten sind.
Auf diese Art ergeben sich Bauweisen, welche eine viel vortheilhaftere
Ausnutzung der Festigkeit des Materials zulassen, als dies bei Holz der Fall
ist. Die Verbindung der einzelnen Theile eines eisernen Schiöes durch Nieten
kann derart hergestellt werden, dass die Festigkeit der Verbindungsstelle
nahezu derjenigen der verbundenen Theile selbst entspricht, was bei einem
hölzernen Schiffe auch nicht annähernd erreichbar ist. In diesem Umstände
liegt in erster Linie die Ursache, dass eiserne Schiffe ein geringeres Eigen-
gewicht besitzen als hölzerne von gleichen Abmessungen, obgleich ein Stab
aus Eichenholz im Vergleich mit einem gleich geformten aus Eisen von gleicher
Festigkeit ein wesentlich geringeres Gewicht besitzt. Wenn man sich weiters
vergegenwärtigt, dass die einzelnen Planken in der Aussenhaut eines hölzernen
Schiffes in ihren Stossfugen gar nicht miteinander verbunden sind, an diesen
Stellen also auch gar keine Widerstandsfähigkeit gegen Zug haben, so wird
man begreifen, wie sehr ein eisernes Schiff, bei dem alle Stösse der Platten
fest durch Nietung miteinander verbunden sind, einem hölzernen über-
legen ist.
Das Mindergewicht eines eisernen Schiffskörpers betragt ungefähr
bis 25 pCt. von dem Gewicht eines gleich grossen hölzernen Schiffes. Diese
erhebliche Ersparnis am Eigengewicht kommt der Tragfähigkeit zu gute.
In kaufmännischer Beziehung ist dieser Umstand von so grosser Bedeutung,
dass er allein schon für die Wahl des Eisens an Stelle des Holzes mass-
gebend sein sollte.
Endlich muss die grössere Dauerhaftigkeit der Eisenschiffe
gegenüber den hölzernen in Betracht gezogen werden. Die eisernen Schiffe
sind bei entsprechender Behandlung* im Dienste während langer Zeit nur
einer geringen Abnützung ausgesetzt, dagegen unterliegen die hölzernen, selbst
wenn sie aus ausgesuchtem und trockenstem Holze erbaut sind, in der Regel
einem schnellen Verfalle. Ausser in der Festigkeit der Eisenverbände liegt
dieses darin, dass Holz leicht zur Fäulnis kommt, wodurch ein allmähliges
Lockern der Verbindungen eintritt. Besonders schädlich ist die Schwamm-
bildung zwischen den aufeinander liegenden Bauhölzern.
Für den Bau grosser Seedampfer kommt übrigens das Holz als Bau-
material gar nicht mehr in Verwendung, weil es unmöglich sein würde, einem
hölzernen Schiffe von grossen Abmessungen die erforderliche Längsfestigkeit
zu geben, und nur in der Binnenschiffahrt sieht man noch vielfach Holz-
bauten entstehen.
Das Verrosten der Bestandtheile eiserner Schiffe ist die einzige Gefahr,
gegen welche man dieselben zu schützen hat, weil sie sowohl von innen als
auch von aussen immerwährend solchen Einflüssen ausgesetzt sind, welche
ein Verrosten befördern. Durch einen sorgfältigen Innenanstrich lässt sich
jedoch das Verrosten auf ein sehr geringes Mass beschränken , während
eine oftmalige Erneuerung des äusseren Anstriches der eingetauchten Eisen-
haut, insbesondere wenn derselbe sehr glatt gestrichen, den grossen Vortheil
hat, dass hierdurch der Reibungswiderstand des Schiffes bedeutend ver-
ringert wird.
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen. Зу-у
Betriebserfordernisse far einen wirthsehaftlichen SeMeppzng. In den
folgenden Absätzen werden nun jene Bedingungen und Erfordernisse auf-
gestellt, welche der Schiffer selbst zu erfüllen hat, um seine Zugs-
kosten und den Betrieb wirthschaftlich gestalten zu können. Die-
selben lassen sich wie folgt zusammenfassen:
b) Volle Ausnutzung der Schiffsmaschine,
c) Vortheilhafte Schleppzugsmanöver,
d) Gute Steuerfähigkeit der Schleppzuge und
e) Richtige Vertauung der Schleppzuge.
Dabei wird nach den bisherigen Ausführungen bedingt, dass mit Rück-
sicht auf den Oberflächenwiderstand gegen den Zug nur eiserne Schlepp-
körper im Schleppzuge verwendet werden und dass deren Abmessungen bei
geringstem Tiefgange noch ein grosses Tragvermögen zulassen, ferner, dass
die Schleppe derart ausgerüstet sind, dass sie auch bei grossen Gehalten von
600 bis 1000 Tonnen noch durch zwei Mann, einen am Steuer und einen
für die Anker- und Seilmanöver, bedient werden können und endlich, dass
der Zugdampfer den Strom Verhältnissen entsprechend eine einfache und
kräftige Maschinenanlage und alle technischen Behelfe hat, welche einen
geringen Kohlen- und AusrOstungsverbrauch , sowie einen massigen Be-
mannungsstand zulassen.
b) Ausnutzung der SchifTsmaschine.
Leistung der Dampfinaschine. Vor allem wird die volle Ausnutzung
der Maschinenkraft des Zugdampfers verlangt, wodurch die Zugskosten
am wesentlichsten beeinflusst werden.
Die Leistung jeder Maschine wird bekanntlich mit HP = horse power
= 75 mkg, d. i. diejenige Arbeit, welche zum Heben von 75 Kilogramm auf
die Höhe von i m in einer Sekunde erforderlich ist, ausgedrückt Nach
dieser Einheit werden die nominellen Pferdestärken berechnet, welche Zahl
ausser über die Leistung auch noch einen Aufschluss über die Gewichte der
Maschine giebt.
Die früheren einfachen Maschinen indizirten ebensoviel als sie nominell
leisteten. Durch die Anwendung des hohen Dampfdruckes und durch die
Ausnutzung der Expansion des Dampfes in mehreren Cylindern beträgt aber
bei einer zeitgemässen Maschinenanlage die Anzahl der indizirten HP viel
mehr als die nominelle Leistung, in der Regel das fünffache, weshalb die
Maschinenleistung in neuerer Zeit nur durch die indizirten Pferdestärken
= i. HP ausgedrückt wird, zu deren Bestimmung der Indikator dient.
Derselbe ist ein Instrument mit einem kleinen Dampfcylinder, welcher, mit
dem Cylinder der Maschine verbunden, selbstthätig ein Bild, Diagramm,
aufzeichnet, das den Dampfdruck im Cylinder im Beginne und am Ende jeder
Dampfeinströmung, sowie in jedem Augenblicke des Hubes, ferner die Aus-
dehnung des Dampfes, die Expansion, die Zusammenpressung des
Dampfes im Cylinder, die Kompression und endlich den Austritt des
Dampfes zur Anschauung bringt. (Siehe Bild 208, Seite 311.) Die indizirte
Leistung stellt somit die Arbeit des Dampfes im Cylinder während
jedes Einströmungs- und Expansionszeitraumes weniger des Druckes auf der
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378 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
anderen Seite deâ Kolbens dar. Diese Arbeit wird durch die Kolben-Pleuel-
stange und Kurbel auf die Maschinenwelle und auf die auf dieser befestigten
Schaufelräder oder Schraube übertragen.
Werden von der indizirten Leistung die Verluste in Folge der Reibungs-
widerstände im Dampfcylinder, Stopfbuchsen, Lagern, Steuerung, sowie die
Arbeits Verluste der Schaufeln oder der Schraubenflachen, welche je nach dem
Maschinensysteme und seiner Ausführung 55 bis 70 pCt. der i. HP betragen,
abgezogen, so erhält man die eigentliche Nutzarbeit oder die effektive
Leistung der Maschine.
üeberlastung der Schiffsmaschine. Die Ansicht mancher Rheder und
Schiffer ist es nun, dass die Maschine eines Zugdampfers durch einen sehr
grossen Schleppanhang aberlastet, daher gefährdet werden könne.
Dieses ist ein Irrthum. Eine Ueberlastung einer Dampfmaschine tritt selbst
durch den grösstmöglichen Anhang, also auch bei grösster Belastung derselben,
sei es im stromlosen Wasser, sei es mit oder gegen den Strom nicht ein.
Die Belastung der Schiffsmaschine hängt ab von dem Widerstände des
Anhanges, welcher wieder abhängig ist von der Anzahl und der Ladung der
geschleppten Fahrzeuge, sowie im höchsten Grade von oer Stromgeschwindig-
keit und von der Geschwindigkeit der Fortbewegung.
Zwischen der Arbeitsleistung einer Schiffsmaschine und jener der meisten
anderen Dampfmaschinen ist nun ein wesentlicher Unterschied. Bei letzteren
ist der mittlere Widerstand meist im vorhinein gegeben und nur wenig ver-
änderlich; er richtet sich nicht nach dem im Cylinder herrschenden mittleren
Druck, letzterer muss sich vielmehr nach ihm richten. Bei den Schiffsmaschinen
ist es umgekehrt. Nach dem im Cylinder vorkommenden mittleren Druck
richtet sich die Widerstandskraft oder Last und es herrscht stets im Be-
harrung szustand dynamisches Gleichgewicht. Der Schleppanhang geht eben
nicht schneller als es der Kolbendruck, die mittlere Spannung im Dampf-
cylinder, zulässt.
Wird somit eine bestimmte Schlepplast durch Anhängen eines weiteren
Schleppes vergrössert, so nimmt, normale Dampfeinströmung vorausgesetzt,
bei der vorhandenen, bereits geringen Kolbengeschwindigkeit die Um-
drehungsschnelligkeit noch um weniges ab, was jedoch auf die Maschine
von sehr geringem Einflüsse ist. Man kann sagen, dass wenn Kessel-
spannung, Einströmung und Vacuum gegeben sind, die Indikator-Diagramme
einer Schiffsmaschine gleich ausfallen, ob das Schiff einen mittleren oder
grossen Schleppanhang in Tau hat. Der mittlere Druck für einen Hub
wird gleich bleiben und mit ihm nahezu die relative Geschwindigkeit der
Schaufeln gegen Wasser. Dabei wird der sich ergebende horizontale Druck
in den Achsenlagern des Schiffes auch nicht viel zunehmen. Es tritt eben
das ein, was man thatsächlich immer beobachten kann, dass ein grosser
Schleppzug langsamer als ein kleiner geht. Die beförderte Last ist wohl
grösser, der gesammte Widerstand jedoch dagegen sehr wenig verschieden,
weil eben die Geschwindigkeit der Fortbewegung entsprechend abgenommen hat.
Wenn nun bei grösserer Last der Zug entsprechend langsamer geht,
so muss, weil wegen des konstant bleibenden mittleren Kolbendruckes auch
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen. 379
die Geschwindigkeit der Schaufeln relativ gegen Wasser ziemlich konstant
bleibt, die Schaufelgeschwindigkeit und damit die Umdrehungszahl in der
Minute abnehmen. Dies ist die einzige Ursache, warum bei grösserem Schlepp-
anhang die Kurbelumdrehungen in der Minute geringer sind, als bei kleinerem.
MaschineBleistung in stromlosem Wasser. Wenn man die Leistung eines
Zugdampfers in stromlosem Wasser verfolgt, so ergiebt sich Folgendes:
Ein Dampfer mit 4 Schleppen macht 20 Umdrehungen in der Minute.
Die Schaufeln haben daher bei einem Radumfange von 15,24 m an ihrem
tiefsten Punkte eine horizontale Geschwindigkeit von 20X15,24 = 304,80 m
in der Minute = 5,08 in der Sekunde, nach rückwärts gegen den Schiffs-
körper zu gerechnet. Bewegt sich nun der Dampfer sammt seinen Rädern
mit 2,83 m in der Sekunde nach vorwärts, so werden die Schaufeln mit
5,08 — 2,83 = 2,25 m gegen das Wasser schlagen.
Hat nun der Zugdampfer 8 Schleppe im Tau, so bewegt er sich nur
mit 2,23 m in der Sekunde durch das Wasser. Sollen also die Schaufeln
wieder mit 2,25 m in der Sekunde gegen Wasser arbeiten, so dürfen sie
nicht schneller nach rückwärts schlagen als 2,25 + 2,23 = 4,48 m gegen den
Schiffskörper gerechnet. Dieses entspricht einer Geschwindigkeit von 268,80 m,
daher einer Tourenzahl von 268,80 : 15,24 = 17,6 in der Minute.
Wenn also die Umdrehungszahl des Dampfers von 20 bei 4 Schleppen,
auf 176 bei 8 Schleppen herabgeht, so ist dies nicht eine Folge der grösseren
Belastung der Maschine, sondern einfach die Folge der langsameren
Bewegung des ganzen Systems durch das Wasser. In beiden Fällen
schlagen die Schaufeln mit 2,25 m gegen Wasser, weil sie eben ein stets
gleichbleibender mittlerer Dampfbetrieb im Cylinder dazu zwingt.
Maschinenleistnng in strSmendem Wasser. Ist bei obigem Beispiel eine
entgegenwirkende Strömung von 0,91 m in der Sekunde vorhanden, so ändert
sich im ganzen Bilde nichts anderes, als dass das Schiff von seiner absoluten
Geschwindigkeit gegen die Ufer um die Grösse der Stromgeschwindigkeit
verliert. Das Schiff" wird also mit 4 Schleppen 2,83 — 0,91 = 1,92 m und
mit 8 Schleppen 2,23 — 0,91 ==1,32 m in der Sekunde gegen Land machen.
Die absolute Geschwindigkeit der tiefstgetauchten Schaufel gegen Land
steigt dadurch allerdings, sie wird mit 4 Schleppen 5,08 — 1,92 = 3,16 m, mit
8 Schleppen 4,48 — 1,32 = 3,16 m betragen. Nachdem jedoch die Wasser-
theilchen auch mit ihrer absoluten Geschwindigkeit von 0,91 m nach thalwärts
ausweichen, so schlagen die Schaufeln wieder nur mit 3,16 — 0,91 = 2,25 m
gegen Wasser ein.
Es ist demnach in Bezug auf die Beanspruchung der Maschine gleich-
gütig, ob ein Zugdampfer im stromlosen Wasser oder in Strömung fährt,
ja die gleiche Rechnung ergiebt sich sogar für die Thalfahrt. Das Gefälle,
ungleichmässige Geschwindigkeit der Wasserfäden, die Beschränktheit des
Flussprofiles machen hier die einzigen Unterschiede aus. Es ist daher auch
die Ansicht falsch, dass ein bergwärts schleppender Dampfer um vieles mehr
angestrengt werde, als ein thalwärts fahrender. Es wird nur mehr Leistung,
mehr mechanische Arbeit bergwärts aufgewendet, um Lasten auf dieselbe
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38о IV. Schiffswidersland und Schleppzug.
Wegeinheit bei gleichem Kesseldruck und gleicher Einströmung zu befördern.
Die Kraftanstrengung bleibt jedoch gleich und die Zustände im Innern der
Maschine werden durch Stärke und Richtung der Strömung so viel wie gar
nicht beeinflusst, nur die Nutzleistung gegen Land wird eine vollständig andere.
Das Gleiche gilt für den Fall, als Kursänderungen in Flusskrümmungen,
plötzliche Aenderungen in der Stromschnelligkeit die Maschine aus ihrem
Beharrungszustand bringen. Das Einzige, was sich dabei verändert, sind
die Wirkungen der trägen Massen.
Selbst die Stösse in der Maschine auf Stromschnellen, sind zumeist
nicht die Folge der grossen Aenderungen in der Stromschnelligkeit, als viel-
mehr der Spielräume in den Verbindungen der Maschinentheile, besonders
wenn in diesen Lockerungen stattgefunden haben. Dabei ist es wohl klar,
dass diese, wenn die Maschine sich schneller umdreht, heftiger auftreten
müssen, als wenn sie langsamer geht. Nachdem bei schwerem Anhange
letzteres der Fall ist, so wird die Maschine eines Zugdampfers schon aus
diesem Grunde, wenn sie durch eine Stromschnelle schleppt, geringer beansprucht
werden, als wenn sie dieselbe mit gleicher Kraft ohne Anhang durchfährt.
Kesseldruck und Cylinderfnllung. Massgebend für die Beanspruchung
einer Schiffsmaschine ist daher einzig der Kesseldruck und die Cylinder-
fallung. Die Kesselspannung kann nie über ihr äusserstes Mass steigen,
weil dieses begrenzt ist, der mittlere Druck in den Cylindem bleibt sich
aber in der Regel nahezu gleich und damit auch die Beanspruchung der
Maschine. Der schwere Schleppanhang setzt sich damit ins dynamische
Gleichgewicht, geht folglich langsamer als der leichtere. Die Schaufeln
müssen in Folge des gleich gebliebenen Kolbendruckes mit derselben Kraft
gegen Wasser schlagen; damit dies geschieht, muss das Rad sich langsamer
umdrehen. Als Folge dieser Verringerung der Kolbenumdrehungen bei
einem grösseren Schleppanhang kann daher keine grössere Menge Kohle,
als bei einem leichten Anhang verbrannt werden. Wenn der Dampfer mit
4 Schleppen 20 Umdrehungen in der Minute = 1200 in der Stunde, mit
8 Schleppen 18 Umdrehungen = 1080 in der Stunde macht und für den
Hub die gleiche Dampfmenge verbraucht, so wird der stündliche Kohlen-
verbrauch sogar ein geringerer und nur der zurückgelegte Weg bei dem
grösseren Schleppanhange kürzer sein.
Für die wirthschaftliche Anlage einer Schiffsmaschine ist daher nur die
Erzielung eines hohen Kesseldruckes bei möglichst geringer
Cylinderfüllung massgebend und als Norm für die Ausnutzung der
Maschine eines Dampfers muss gelten, stets die grösstmöglichste
Last anzuhängen, diese Belastung aber derart zu regeln, dass eine zur
Steuerung und Führung des Dampfers und Schleppzuges noch genügende
Fortgangsgeschwindigkeit rücksichtlich aller eintretenden Umstände vorhanden
sei. Die Fortgangsgeschwindigkeit ist aber so zu regeln, dass sie den mög-
lichst geringsten Kohlenverbrauch für die Fahrstunde ergebe. Letzterer kann
daher bei keinem Dampfer von vornherein bestimmt, sondern muss auf den
jeweiligen Stromstrecken, aus den praktischen Fahrversuchen im Betriebe er-
mittelt werden.
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen. 381
Wirkuog der trägen Massen. Schädlich auf die Maschine können nur
die obenerwähnten Masseneinwirkungen d. h. das Bestreben der be-
wegten Maschin entheile die angenommene Bewegung beizubehalten, also ihr
Beharrungsvermögen sein. Bei diesen ist zu unterscheiden:
1. Die Schiffsmasse selbst, wobei die Masse des Schleppanhanges,
weil diese mit der Maschine nicht starr verbunden ist, ausser
Betracht kommt.
2. Die sich umdrehenden Massen, wie Schaufelräder, Kurbel u. s. w.
3. Die hin- und hergehenden Massen, wie Kolben, Treibstangen u. s. w.
Alle diese zusammengenommen haben übrigens im Allgemeinen das Be-
streben, grössere Veränderungen des Dampfdruckes bei der Kolben-
bewegung während eines Doppelhubes auszugleichen, wodurch im Beharrungs-
zustande eine leidlich gleichmässige Bewegung eintritt.
c) Vortheilhafte Schleppzugsmanöver.
DampfermanSver. Die Grundlagen der Manöver, welche zur sicheren
Führung eines Schiffes erforderlich sind, wurden bereits in den Abschnitten 2
und 8 behandelt.
Alle Manöver der Flussschiffahrt gründen sich in erster Linie auf die
Beobachtug der Verfassung und aller Erscheinungen des Stromlaufes. Sie
werden durch die Steuerfähigkeit der Fahrmittel und durch die Strömung
und Fahrrichtung bedingt, müssen sich den örtlichen Verhältnissen anpassen
und werden vom Wind, Wetter und der Zeit beeinflusst.
Die Führung eines Dampfers und Schleppzuges erfordert ganz besondere
Manöver, welche, wenn sie richtig und mit dem geringsten Zeitaufwande
ausgeführt werden, die Wirthschaftlichkeit eines Schiffahrtsbetriebes sehr
heben und viele unnöthige Betriebsaufenthalte sowie Havarien ersparen.
Bei dem beschränkten Räume, mit dem der Flussschiffer zu rechnen hat,
bei der verschiedenen Strömungsgeschwindigkeit in einem und demselben
Stromquerschnitte, bei der durch Krümmungen und sonstige Einflüsse be-
dingten wechselnden Richtung der Strömung und schliesslich bei der im
Oberlaufe jedes Stromes, insbesondere bei Hochwässern herrschenden scharfen
Strömung, erheischt jedes Manöver volle Beherrschung der Sachlage, genaue
Kenntnis der zu treffenden Massnahmen und ruhige Durchführung jedes ein-
zelnen Theiles des Manövers. Entschlussfassung und Ausführung des
Manövers müssen rasch und stets der Stromgeschwindigkeit angepasst sein.
Zu langes Ueberlegén muss vermieden werden, denn die Strom Verhältnisse
ändern sich mit jeder Schiffslänge und infolgedessen findet ein verspäteter
Entschluss eine andere Sachlage vor, in die dann der ursprünglich gefasste
Plan nicht hineinpasst und ein Fehlmanöver verursachen kann.
Ihrem Zwecke nach unterscheiden sich die Manöver in solche zum
Wegfahren vom Ankerplatze oder vom Landungsstege: in Abfahrtsmanöver;
in solche zum Zusammenstellen und Intaunahme, sowie Austaulassen des An-
hanges: in Seilmanöver; ferner in Wende- und Landungsmanöver;
und endlich in Flottmachungsmanöver.
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382
IV. Schifiswiderstand und Schleppzug.
AbfahrtsmanSver. Das Hauptmanöver der Abfahrt vom Ankerplatze
besteht im Lichten des Ankers. Dabei lässt man die Maschine langsam
vorwärts arbeiten, wodurch die Ankerkette leichter eingeholt und ein Reissen
derselben oder ein Geradebiegen der in dem Flussgrund eingegrabenen
Ankerarme vermieden wird. Abgefahren darf erst dann werden, wenn der
Anker ausgebrochen und oberhalb der Wasserfläche so hoch gehoben ist,
dass er an Bord geborgen werden kann.
Das Manöver zur Abfahrt von einer Landungsbrucke bei Windstille
oder bei einem vom Lande abwehenden Winde erfordert nur das Auslassen
und Hereinnehmen der Haftseile, um die Maschine ungehindert in Gang
setzen zu können. Weht jedoch ein heftiger, anlehnender Wind aus der
Richtung der Wasserseite, oder ist die Landungs-
brücke vorne durch Fahrzeuge verstellt, so dass
die Wirkung des Steuers nicht ausreichen würde,
den Dampfer aus dem Bereiche derselben heraus-
zubringen, so giebt man vom Achter des Schiffes
ein Seil auf die Landungsbrücke und lässt die
Maschine so lange langsam rückwärts arbeiten,
bis sich der Achter hinter die Landungsbrücke
gelegt und das Vorderschiff gegen die Strom-
mitte hinausgewendet hat (Bild 241). Ist diese
Wendung soweit erfolgt, dass ein Abtreiben
durch den Wind an die vor der Landungsbrücke
liegenden SchiflFe nicht mehr zu befürchten ist,
so lässt man die Maschine wieder nach vorne
arbeiten und nimmt das „Wendeseil" an Bord.
Reicht auch dieses Manöver nicht aus, um vom
Landungsplatze wegzukommen, so wird mit dem
Boote ein leichter Anker in den freien Strom
geführt und das Schiff auf einem mit dem Anker
verbundenen Seile, mit Hilfe des Ruders, durch die Strömung von seinem
Platze abtreiben gelassen, worauf der Anker wieder eingeholt wird.
Bild 241. Abfahrtsmanöver in
enger Stromstrecke.
Seilmauöver. Die Manöver zum Intaunehmen sind je nach der Strecke,
der Grösse des Schleppanhanges und der Maschinenkraft des Dampfers ver-
schieden.
Will der Zugdampfer einen Schlepp an seine Bordseite zukuppeln,
(Bild 242) so legt er sich langsei ts an denselben an, giebt von seinem
Buge ein kurzes Schlepptau und mittschiffs quer ein Seil nach vorne und
rückwärts auf das zu schleppende Fahrzeug und löst dessen Vertauung oder
Anker. Das Schlepptau, die „Strupfe", übt den Zug aus und wird so lang
genommen, dass die Steuerruder des Dampfers und Schleppes womöglich
nebeneinander in gleicher Höhe zu liegen kommen. Die übrigen zwei Quer-
seile haben die Aufgabe, das Vorlaufen des geschleppten Schiffes beim
Langsamgehen oder Halten der Maschine zu vermeiden, sowie während der
Fahrt ein seitliches Abweichen des Schleppes vom Dampfer zu verhüten.
Will der Dampfer die Schleppe rückwärts in Tau nehmen, so fährt
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
383
er den Bug des Schleppes so nahe als möglich an, um auf diesen die Schlepp-
taue leicht geben zu können. Ist das Schlepptau beiderseits gut befestigt, so
wird der Gang der Maschine so geregelt, dass sich das Seil sachte anspannt,
worauf die Verheftung des Schleppes gelöst wird. Besteht der Anhang aus
einer grösseren Anzahl von Schleppen, so ordnet man diese in mehreren
Reihen an zwei bis drei Schlepptauen an.
Die Verbindung einzelner Schleppe untereinander geschieht dadurch,
dass man die nebeneinander zu kuppelnden mittschiffs mit einem Seile zu-
sammenschliesst, „zuschwabbelt", welches den Zug ausübt, während das
Vorwärtslaufen der beiden aneinander gekuppelten Schleppe durch Haftseile
am Bug und Achter verhindert wird.
(Baggcn-echen)
Bild 242 Dampfer mit zugekuppeltem Schlepp.
Hintereinander werden die Schleppe je nach ihrer Grösse, ihrem Tief-
gange und der Strömung an ein und zwei „Aufklampfseilen" geführt, welche
von der Mitte der Bordseite des vorderen, auf dem Buge des rückwärtigen
Schleppes befestigt werden.
Die Intaunahme ist für die Bergfahrt die gleiche, als für die Thalfahrt.
Um aber den Zugs widerstand in der Bergfahrt möglichst gering zu gestalten,
müssen die Schlepptaue lang genommen und das Zusammenkuppeln von
Fahrzeugen vermieden werden. Nur in Ausnahmsfällen dürfen zu Berg
Schleppe an die Seite des Zugdampfers genommen werden.
Die Art und Weise wie auf den verschiedenen Stromstrecken der
Donau zu Berg und zu Thal geschleppt wird, ist Seite 399 bis 405 be-
schrieben. Bild 243 zeigt einen grossen Schleppzug zu Thal durch eine Fluss-
krOmmung der mittleren Donaustrecke.
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384
IV. Schififswiderstand und Schleppzug.
A-
Das Austaulassen eines Fahrzeuges unterwegs richtet sich nach der
Lage des Abheftplatzes und nach der dort herrschenden Strömung. Wenn
in starker Strömung der Anker allein den Schlepp nicht halten wQrde,
verheftet man denselben noch mit Seilen an das Ufer. Um dabei eine Be-
rührung des Schiffes mit dem Ufer zu vermeiden, setzt man vorne und
rückwärts je einen Schorrbaum, mit welchen man das Schiff gegen
das Ufer zu abstützt. Ein vorne angebrachtes, stromabwärts befestigtes Seil,
der Spannhaft, und ein den
Hintertheil haltendes Querseil,
der Achterhaft, geben dann
der Vertauung die erforder-
liche Steifigkeit und verhüten,
'- <lass die Schorrbäume aus
U' ihrer Lagerung am Lande aus-
-^, brechen (Bild 244).
*-
kr WendemanSvep.DieWende-
manö ver sind, je nachdem der
Dampfer bergfahrend oder
i^ ■ thalfahrend, mit oder ohne
;■ Schleppe, in breiter Fahrt-
strasse oder in enger Durch-
fahrt, in grosser Strömung
oder ruhigem Wasser, mit
oder gegen den Wind wenden
V muss, verschieden.
V,. : ' Will ein thalfahrender
Dampfer, welcher seinen An-
hang an der Seite führt,
wenden, so muss er sich, um
genügenden Raum zu ge-
Bild 243. Thalschleppzug mit Bremstau zur sicheren winnen, möglichst nahe an
Passirung der Schiffsmühlen. jenesUferhalten, längs welchem
die schwere Strömung zieht,
hat sodann seine Maschine mit verminderter Kraft arbeiten zu lassen und sein
Ruder nach der Wendungsrichtung, in diesem Falle die Flussseite mit der
schwachen Strömung, aufzustellen. Ob nach erfolgtem Ausdrehen des Ruders
die Maschine wieder in vollen Gang zu setzen oder weiterhin noch langsam
arbeiten zu lassen oder aber ganz zum Stillstande zu bringen ist, hängt von
dem Fortschreiten der Drehung und dem vorhandenen Wenderaume ab.
Je grösser der Unterschied zwischen der Strömung der einen und der
Strömung der anderen Stromhälfte ist, umso rascher erfolgt die Wendung.
Man muss demzufolge immer bestrebt sein, den Bug so weit als möglich in
die schwache Strömung oder, wenn eine Gegenströmung vorhanden ist, in
diese hineinzubringen, den hinteren Theil aber in der scharfen Strömung
zu erhalten.
Die verschiedene Stärke der auf das Schift einwirkenden Strömung
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
385
Bild 244. Sichere
bringt es mit sich, dass der SchiflFsachter rascher mit dem Strome treibt,
als der Schiifsbug und demzufolge im Laufe des Manövers die Längenachse
des Schiffes und die Stromrichtung keinen rechten, sondern einen spitzen
Winkel bilden, der um so spitzer wird, je länger die starke Strömung ein-
wirkt. Dauert diese zu lange, so treibt das Schiff im Strome weit ab
und kann dann an ein Hindernis stossen oder aber in eine Stromstrich-
richtung kommen, welche die schon erzielte Drehung des Schiffes
wieder aufhebt. Ist sonach die richtige Wendelage eingetreten,
dann muss man Maschine und Ruder so zusammen wirken
lassen, dass die volle Wendung noch im günstigen Wenderaume
vollendet werden kann.
Zeigt sich, dass trotz Ausnutzung von Steuer, Strömung
und Maschinenkraft eine Wendung nicht gelingen würde, so hat
man, um einer Berührung mit dem Ufer auszuweichen, die
Maschine zurückarbeiten zu lassen. Das Schiff fährt nun mit
umgelegtem Ruder so lange nach rückwärts, bis es vor seinem
Buge wieder genügenden Wenderaum gewonnen hat, um dann mit
wieder vorwärts arbeitender Maschine und nachdem das Ruder
in seine frühere Lage gebracht worden war, die Wendung be-
enden zu können.
Hat der Dampfer Schleppe rückwärts in Tau, so muss das auung.
Wendemanöver mit umso grösserer Vorsicht eingeleitet werden, weil ein Zurück-
arbeiten der Maschine nicht möglich ist. Mit Rücksicht auf diesen Umstand
hat man alle Möglichkeiten des Wendens schon früher sorgfäUtig zu erwägen
und stets einen ausreichend grossen
Wenderaum, wenn derselbe auch weitab
liegt, zu wählen. Die am Tau hängenden
Schleppe dürfen ihre Wendung immer
erst dann beginnen, wenn sie den Achter
des im Wenden begriffenen Zugdampfers
passirt haben, sonst gerathen Dampfer
und Schleppe aneinander. An engen
Stromstellen, thalfahrend kann man
zu einer Wendung auch die rückwärts
hängenden Schleppe nutzbar machen,
indem man die Schleppseile am Dampfer-
achter festhält und solcherart der Masse
des in Vorwärtsbewegung begriffenen
Anhanges am Hinterschiffe einen An-
griffspunkt bietet , um dieses rascher
stromabwärts zu schieben und in Folge
dessen den Bug nach stromaufwärts zu
drehen. Oft hilft auch ein an der Wendeseite gekuppelter Schlepp dem Zug-
|chiflFe, sich leichter zu drehen.
Endlich kann in der Thalfahrt zum Wenden vortheilhaft die Anker-
vlrirkung ausgenützt werden. In diesem Falle wird die Wendung, wie vorhin
»eschildert, eiageleitet, nur Jässt man in dem Augenblicke, wo der Zugdampfer
Bild 245.
Wendemanöver mit Hilfe
des Ankers.
s up pan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt
25
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386
IV. Schitfswiderstand und Schleppzug,
quer über den Strom zu liegen kommt und der Anhang seine Wendung zu
machen beginnt, den Anker bei gestoppter Maschine fallen. Hierdurch wird
der Vordertheil des Zugdampfers festgehalten, während der Hintertheil, durch
die Strömung abgetrieben, sich ruhig herumdreht, wobei der Bug gegen den
Strom zu stehen kommt (Bild 245.)
Die Wendemanöver aus der Berglage in die Thalfahrt sind ähnliche.
Des Ankers als Hilfsmittel kann man sich allerdings nicht bedienen, wohl
aber können zweckentsprechende Seil-
manöver (Bild 246 und 247) die Wendung
auch bergfahrend wesentlich unter-
stützen.
In ähnlicher Weise wird auch vom
Achter des Dampfers oder von dem
an ihm zugekuppelten Schlepp an
seinen verankerten oder in Fahrt be-
griflFenen Anhang ein langes Tau ge-
geben, welches den Achter des Dampfers
festhält, während das Vorderschiff durch
die Strömung gewendet wird (Bild 248).
Vorsicht im Gebrauche von Ruder,
Seil und Maschine muss bei beschränktem
Wenderaume immer obwalten, weil
Wendemanövers bedeutende Havarien im Gefolge
W
Bild 246. Wendemanöver mit
gebremstem Söhlepptau.
ein Misslingen
haben kann.
eines
Landungsmanöver« Die Landung eines Dampfers und Schleppzuges
erfolgt entweder an einer Landungsstelle,
welche mit Ha ft stocken versehen ist, an
denen die Schleppe sich vertäuen oder aber
an geeigneten Ankerplätzen mittels der
Anker. Ist die Strömung nicht stark und
eine Vertauung des Schiffes mit dem Lande
nicht beabsichtigt, so genügt in den meisten
Fällen der Anker allein, um das Schiff
festzuhalten. Reicht jedoch dieser nicht aus,
so vertaut man das Schiff ausserdem noch mit
Landseilen, Spannhaft, Achterhaft und
Schorrbäumen (siehe Bild 244).
In der Auswahl der Ankerplätze muss
immer Vorsicht walten, dieselben dürfen bei
fallendem Wasserstande nicht zu seicht ge-
wählt werden, weil sonst der Anhang, oft
über Nacht, festsitzen kann, ferner müssen
Stellen mit Wechsel- oder Gegenströmungen
vermieden werden, weil sich sonst die unruhig
vor Anker liegenden Schleppe gegenseitig beschädigen können, immer ab^
muss ein guter fester Ankergrund gewählt und die Anker von »nebeneinande]
Bild 247. Wende-
manöver mit Hilfe
eines Bruthseiles/
WY^rV
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Googft
Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
387
liegenden Schleppen so geworfen werden, dass dieselben nicht ineinander
gerathen und sich verwirren.
Flottmachnngsmanöver. Die Flottmachiung ländgefahrener SchifTe bildet
das schwierigste Manöver der Flussschiff a!hrt. Jede Flottmachung muss mit
Umsicht eingeleitet und immer darauf Bedacht genommen werden, dass das
von einer Untiefe herabgezogene Fahrzeug leck geworden sein kann, weshalb
schon vor Ausführung dieses Manövers stets eine günstig gelegene Fluss-
seichte, womöglich in Ufernähe, auszuwählen ist, um den flottgemachten
Schlepp, wenn er etwa havarirt sein sollte, wieder land stellen und hier-
durch sein Sinken hintanhalten zu können. Es ist übrigens immer vortheil-
hafter, einen aufgefahrenen Schlepp nicht gewaltsam flott, sondern ihn da-
Bild 248. Wendemanöver in enger Stromstrecke.
durch schwimmend zu machen, dass man seine Ladung theil weise oder ganz
auf ein anderes nebenzustellendes Fahrzeug überladet. Nur wenn der fest-
gefahrene Schlepp etwa durch Eisrinnen gefährdet ist (Bild 249), muss dessen
Bergung so rasch als möglich und mit allen Mitteln erfolgen.
d) Steuerfähigkeit der Schleppzüge.
Oieren der Schleppe während des Zuges. Die Art und Weise, wie ein
Schleppzug geführt und den Flussströmungen entsprechend gesteuert wird,
ist von weiterem Einflüsse auf die Zugskosten. Der Schleppzug wird
bei weitem noch nicht mit der nothwendigen Fachkenntnis und Aufmerksamkeit
ausgeübt. Er wird im Allgemeinen noch grossen Theiles so betrieben, wie
ihn die Erfahrungen der alten Schiffer gelehrt. Diese Erfahrungea
25*
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3ÔÔ
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
haben sich von Geschlecht auf Geschlecht vererbt, auf wissenschaftliche!'
Grundlage werden sie aber selten überprüft.
Der Führer des Dampfers hängt die Schleppe je nach deren Grösse,
einen hinter den anderen, in i, 2 oder 3 Reihen und fährt nun lustig'
darauf los. Ob die Schleppkähne ruhig oder unruhig dem Kurse des Dampfers
folgen, ob sie während der Fahrt stets den möglichst geringsten Widerstand
gegen den Zug bieten oder nicht, beurtheilt Niemand. Nur wenn die Schleppe
durch zu starkes Gieren aus dem Kurs gerathen und Gefahr laufen, auf
einer in der Nähe befindlichen Untiefe aufzufahren, geräth der Führer des
Dampfers in Aufregung und regelt durch Signalpfiffe oder Zurufe den un-
ruhigen Fortgang seines Anhanges, vermindert hierbei aber sehr oft die
Bild 249. Flottmachung eines vom Eisgang abgetriebenen und landgefahrenen
Donauschleppes.
Maschinenkraft und verliert hierdurch wesentlich an Fortgangsgeschwindigkeit/
Dieses Spiel wiederholt sich während eines Schleppzuges in der Bergfahrt
fortwährend. Eine Zeit lang geht der Anhang ruhig nach, zumeist aber
pendelt er in Folge der schwerfälligen Steuereinrichtungen der Schleppe oder
wegen ungenügender Muskelkraft am Steuerruder hin und her und es machen
die einzelnen Schleppe Gierschläge nach rechts und nach links.
Das unruhige Nachfahren der Schleppe ist besonders in grösserer
Strömung von ungünstigem Einfluss auf den Zug, weil die Formwiderstände
der Fahrzeuge wesentlich vermehrt werden und hierdurch ein ganz bedeutender
Verlust an Zugkraft eintritt. Denn, wenn der Schlepp dem Kurs des Dampfers
ruhig folgt und womöglich parallel mit dem Stromstrich gezogen wird, hat
derselbe nur jenen Formwiderstand zu überwinden, welcher sich durch den
Querschnitt des grössten benetzten Spantes ergiebt. Wenn jedoch die Schleppe
ins Gieren kommen, wird nicht nur dieser Widerstand, sondern auch noch
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
389
//
//
//
i-t
^/
J*n.
jener zu überwinden sein, welcher durch die quer zur Strömung gezogenen
Breitseiten der Schleppe und durch die aufgestellten Steuerruderflächen
entsteht (siehe auch Abschnitt 11)
Im Bilde 250 ist diese Erscheinung im Schleppzuge dargestellt.
Wenn die Schleppe A, B, С in geradem Kurs hinter dem Zug-
dampfer, parallel zum Stromstrich X gegen den Strom gezogen werden, so
wird der Gesammtwiderstand -j j-
des Schleppanhanges aus dem ^ /
Oberflächenwiderstand der drei
Schleppe und dem Formwider-
stand derselben bestehen,
Ersterer bleibt in jeder Lage
des Schleppkörpers nahezu
gleich, letzterer druckt sich
durch die grössten benetzten
Querschnitte der drei Schlepp-
körper aus. In dieser Lage
sind für letzteren die Quer-
schnitte m n, mi П) und m2 ng
in Rechhung zu stellen.
In dem auf der Zeichnung
veranschaulichten ruhigen Kurs
können aber die Schleppe nur
-dann erhalten werden, wenn
sie eine derartige Steuerfähig-
keit haben, dass sie beispiels-
weise durch den Wasserdruck
an einer seichten Stelle, etwa
durch die Kiesbank K, nicht in
der Richtung der Pfeile у aus-
getaucht werden können.
TJngenttgende Steuerfähigkeit
Лег ScMeppe. Thatsächlich ge-
schieht aber letzteres, bei den
heutigen schwergehenden
Steuervorrichtungen fast
bei allen Schleppen, weil die
Muskelkraft der Leute am Ruder
in der Regel nicht ausreicht,
dem Seitendruck an seichter
Stelle genügend rasch entgegen steuern zu können.
Der Schlepp А ändert deshalb, wie er in die Nähe der seichten Stelle К
gelangt, seine Richtung von а nach b, kommt quer zur Strömung zu liegen,
diese Richtungsänderung überträgt sich auf die Schleppe В und С in der auf dem
Bilde angedeuteten Weise und nun muss der Dampfer die viel grösseren
Formwiderstände, und auch noch jene Widerstände bewältigen, welche gleich
Bild 250.
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ooo IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
sind dem Drucke des Wassers auf die Projektion der Langseiten der
3 Schleppe und auf die Flächen der 3 Ruderblätter r, r^ und r^.
Dies ist immer ein Verlust an Zugkraft und unter Umständen, besonders
in grösseren Strömungen, ein bedeutender, und hierdurch unterscheidet sich
der Wasserwiderstand eines Flussschiffes von jenem eines Seeschiffes gznz
wesentlich. Während letzteres nur in der Richtung der Längenachse einen Wider-
stand erfährt, hat das Flussschiff fast beständig zwei Widerstände zu über-
winden, einen, den es durch seinen Vorwärtsgang, also sowie das Seeschiff,
in seiner Längenachsenrichtung erleidet, und einen, durch die Flussströmung
erzeugten, der das Fahrzeug unter einem Winkel, nicht selten sogar recht-
winkelig zur Längenachse trifft Letzteres tritt besonders stark auf, wenn
der Zugdampfer seinen Anhang bergfahrend von einem Ufer zum anderen
führen muss, ferner bei Umfahrung von Sandbänken und Buhnen, sowie
beim Begegnen oder Ueberholen eines anderen Dampfers, in welchen Fällen
der Anhang zumeist eine quer zum Stromstriche gelegene Richtung einnimmt.
Wenn ein Zugdampfer zu Berg, beispielsweise entlang dem linken Ufer,
um an Fortgangsgeschwindigkeit zu gewinnen, in dem hinter einer Buhne
oder Sandbank schwächer strömenden Wasser fährt, so wird er im Augen-
blicke, als er die Buhne umfahren will und nun nach dem offenen Strome
^ausbrechen" muss, an seiner rechten Vorderschiffseite von der starken
Strömung nahezu senkrecht getroffen werden und in der Fahrrichtung nach
links einen weiten Bogen beschreibend, oft bis zur Mitte des Stromes quer
abtreiben. Das Ruder muss nun in entgegengesetzter Richtung nach Steuer-
bord voll überlegt, dabei die Maschine nicht selten zur äussersten Kraft
angespannt werden, um den Dampfer wieder in geraden Kurs aufrichten zu
können. Der nachfolgende Schlepp wird in ähnlicher Weise in der Richtung
der Resultirenden der beiden nun auf ihn einwirkenden Kräfte, der seine
rechte Bugseite senkrecht treffenden Strömung und des schrägen Zuges der
Schlepptaue, abtreiben und das Gleiche wird sich bei allen, ihm folgenden
Fahrzeugen wiederholen, wobei der Nachkommende immer dem Vorderschlepp
durch die Spannung der Schlepptaue hilft, sich wieder im geraden Kurse auf-
zurichten. Der letzte Schlepp, welcher diese Hilfe nicht erfährt, kann sich
aus diesem Grunde oft trotz energischester Ruderausdrehung nicht mehr auf-
richten, fährt in der abgetriebenen Richtung in seine Aufklampfseile scharf
hinein, wodurch diese nicht selten brechen. Der letzte Schlepp ist daher bei
einenî solchen Zuge immer der am meisten gefährdete.
Einflass der Steuerfähigkeit auf die Zugskosten. Obwohl diese Er-
scheinungen dem Schiffer im praktischen Betriebe immer wieder auffallen und be-
kannt sind, unterschätzt er dennoch ihren schädlichen Einfluss auf die Zugskosten.
Man hat indessen im Donaubetriebe durch Zugsversuche nachgewiesen,
dass der durch ungünstige Steuerfähigkeit oder durch unrichtiges Nachfahren
der Schleppe hervorgerufene Mehrwiderstand gegen den Zug mit zunehmender
Tod twassergesch windigkeit*) 20 bis 4opCt. beträgt. So wurde beispielsweise.
*) Todtwassergeschwindigkeit ist die Fortgangsgeschwindigkeit des Schiffes in
stromlosem Wasser. Für einen Strom bestimmt man sie, indem man die Fortgangs-
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Scbleppzug auf Flüssen und Strömen. 391
gelegentlich eines Schleppzuges durch die Stromenge am Struden , die
Leistung eines Zugdampfers von 600 i. HP durch ruhiges gerades Nachfahren
seines Schleppanhanges um 25 pCt. erhöht
Eine empfindliche und gleichzeitig ruhige Steuerfähigkeit
sowohl des ziehenden Dampfers , als auch der geschleppten Fahrzeuge
ist demnach die erste Bedingung für einen wirthschaftlichen
Schleppzug.
Steneriing eines Schiffes. Um dieses richtig beurtheilen zu können, er-
scheint es no th wendig, das Wesen der Steuerung eines Schifies eingehend
zu beschreiben.
Jeder Wechsel in der Fahrrichtung eines Schiffes wird bekanntlich mit
dem Ausdrucke „Steuern" bezeichnet. Das Steuern kann entweder durch
Drehung des Steuerruders allein oder durch verschiedene Stellungen der Segel
zu einander oder durch mittels Dampfkraft bewegter Propeller oder aber
endlich durch entsprechendes Zusammenwirken dieser Mittel mit dem Steuer
erfolgen.
Jedes Schiffsteuer besteht aus dem beständig im Wasser eingetauchten
„Ruder" und aus der zur Bewegung desselben dienenden „Steuervor-
richtung". Das Steuerruder ist zumeist ein flaches Rahmen werk, das mit
dünnen Platten bekleidet und mittels Haken in den an der Hinterstevenkante
befindlichen Fingerlingen derart eingehängt ist, dass es um seine senkrechte
Achse, gleich einer Thür, in verschiedene Winkelstellungen nach rechts und links
gedreht werden kann. (Die Konstruktion des Balanceruders siehe Seite 324).
Die Tiefe des Steuerruders ist vom Tiefgang des Schiffes am Hinter-
steven abhängig, es sollte immer etwas oberhalb des tiefsten Punktes des-
selben angebracht sein, damit es beim Aufgrundfahren des Schiffes nicht
beschädigt werde. Die Breite des Ruders hängt vom Tiefgange, der Völlig-
keit des Schiffes und der Art des Propellers desselben ab. Als übliche Breite
nimmt man bei tiefgehenden Seeschraubendampfern
von 30 bis 50 m Länge in der Wasserlinie Yjq
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der betreffenden Schiffslänge an.
Bei Seedampfern ist das Steuerruder oben und unten derart abgerundet,
dass seine grösste Breite in der Linie der höchsten zulässigen Tauchung des
Schiffes liegt. Bei Flussschiffen nimmt man die nothwendige Ruderfläche mehr
der Länge nach und giebt ihr zumeist die Form eines länglichen Rechteckes,
dessen Fläche bei Dampfern von 40 bis 60 m Länge 4 bis 5 m^, bei
Schleppen von derselben Länge 5 bis 7 m* beträgt.
Wenn das Steuerruder genau in der Fortsetzung der senkrechten Ebene
der Kiellinie liegt, so ist es auf die seitliche Drehung des Schiffes von keiner
geschwindigkeiten auf einer gemessenen Stromläoge zu Thal und zu Berg ermittelt,
diese summirt und von der Summe die Hälfte nimmt. Z. B. Thalgeschwindigkeit
20 km, Berggeschwindigkeit 14 km, daher Todtwassergeschwindigkeit — 7—— =^ 17 km.
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392 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Wirkung. Wird jedoch das Steueruder nur um einen geringen Winkel zu
dieser Ebene gebracht, sa wird das auf das Ruder zuströmende Wasser von
diesem abgelenkt und übt gleichzeitig einen Druck auf dasselbe nach jener
Seite aus, nach welcher es gedreht wurde. Dieser Druck des Wassers ist
um so grösser, je schneller die Stromfäden auf das Steuerruder anprallen.
Demgemäss ist die Ruderwirkung um so grösser, je schneller die Fahr-
geschwindigkeit des Schiffes ist.
Damit ein Schiff Oberhaupt steuere, ist es nothwendig, dass dasselbe
einen gewissen Fortgang habe, oder aber dass auf dasselbe eine gewisse Strom-
geschwindigkeit einwirke. Dieser Fortgang des Schiffes muss so gross
sein, dass die zufliessenden Wasserfäden mit einem noch genügenden Drucke
das Steuerruder treffen. Die Grösse des Wasserdruckes auf das Steuerruder
wächst daher proportional mit der Todtwassergeschwindigkeit des SchiflFes.
Der Wasserdruck auf das Steuerruder wird in zwei Komponenten
zerlegt, von denen eine parallel und entgegengesetzt der Richtung der Kiel-
linie, die andere senkrecht auf die jeweilige Lage des Ruders wirkt. Erstere
verursacht nur eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit des Schiffes,
letztere leitet das Schiff seitwärts von der innegehabten Richtung ab.
Diese Ableitung äussert ihre Wirkung wieder auf jenen Punkt des
Schiffskörpers, wo derselbe seinen
^Ä \^ ^ s s t grössten benetzten Querschnitt hat,
also dort, wo die Angriffsstelle
des grössten Widerstandes gegen
die Fortbewegung im Wasser ist.
Aus der Wirkung dieser beiden
Komponenten entsteht dann ein
Kräftepaar, welches veranlasst, dass das Schiff sich um den oben bezeich-
neten Punkt dreht.
Wird bei einem in der Richtung x fahrenden Schiffe (Bild 251) das
Steuerruder AB nach links gedreht, so üben die parallel der Kiellinie AC
zufliessenden Wasserfäden s auf dasselbe einen Druck aus, welcher sich in
das Kräftepaar S und R zerlegt. S vermindert die Fahrgeschwindigkeit R
leitet die Richtung des Schiffes um den Drehungspunkt M nach links С ab.
Je grösser die Fortbewegung in der Richtung nach x ist, umso grösser wird
der Druck der Stromfäden s auf das Steuerruder und umso grösser die
Ruderwirkung R sein.
Es ist einleuchtend, dass, je ruhiger und gleichmässiger ein Schiff ge-
steuert wird, umso grösser der Wirkungsgrad in Bezug auf seine Fort-
bewegung ist. Dieser Umstand ist hauptsächlich für die Flussschiffahrt von
Bedeutung, bei welcher der Kurs des Schiffes in den gegebenen, meist ge-
krümmten Fahrbahnen fortwährend gewechselt werden muss, wobei durch
ungeschickte Steuerung oder durch zu schwer gehende Steuervorrichtungen,
besonders im Schleppzuge viel Nutzkraft verloren gehen kann.
Der Druck des auf das Steuerruder zufliessenden Wassers ist jedoch
für eine gute Steuerwirkung allein nicht massgebend. Letztere kann nur
dadurch erzielt werden, dass man diesem Drucke so schnell als möglich
mit dem Ruder entgegenwirkt. Je schneller daher die Ausdrehung
Bild 251.
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen. 393
des Steuerruders erfolgen kann, um so wirkungsvoller wird die
Steuerung sein.
Ein schnelles Ueberlegen des Ruders ist um so nothwendiger, als der
Schiffskörper beim Drehen nach einer Seite mit seiner Breitseite eine kreis-
förmige Bewegung gegen die ganze seitliche Wassermasse macht, wodurch der
Eigenwiderstand des Schifies bedeutend zunimmt.
Um die Steuerfähigkeit eines Schiffes beurtheilen zu können, wird
als Maass der Kreisbogen bestimmt, den das Schiff bei einer vollen Umdrehung
beschreibt und die Zeit, die es zur Beschreibung dieses Kreises benöthigt.
Von zwei Schiffen hat bei gleicher Zeitdauer zu einer vollen Umdrehung
dasjenige eine bessere Steuerfähigkeit , welches einen kleineren Kreis be-
schreibt, oder dasjenige, welches, wenn beide Kreisdurchmesser gleich sind,
zur Beschreibung eines Kreises die kürzere Zeit benöthigt. Für die Steuer-
fähigkeit eines Schilfes sind allerdings noch weitere Umstände massgebend,
wie die Form des Schiffskörpers, insbesondere des Hinterstevens, ferner die
angewendete Ruderfläche. Immer ist aber für eine gute Steuerwirkung in
erster Linie ausschlaggebend, bis zu welchem Winkel die Ueberlegung des
Steuerruders in kürzester Zeit erfolgen kann. Dieser letztere Umstand hängt
von der auf dem Schiffe verwendeten Steuervorrichtung ab.
Die Steuerungen sind entweder für Hand- oder für mechanischen Be-
trieb eingerichtet:
Die Handsteuerung ist in ihrer einfachsten Anwendung ein am Ruder-
kopf aufgekeilter Hebel, welcher unmittelbar mit der Hand nach rechts und
links gedreht wird (Schwengelruder), oder ein oder mehrere Steuerräder,
welche durch Zahnräder, Spindel oder Ketten die Bewegung auf die Ruder-
pinne übertragen. (Quadrant-, Spindel- oder Kettensteuerung.)
Die mechanischen Steuerungen wurden bis jetzt mittels Dampf -
kraft, Wasserdruck oder Elektrizität betrieben und sind, weil sie eine
schnelle Ueberlegung des Steuers ermöglichen und dadurch die Wirkung des-
selben ausserordentlich erhöhen, der Handsteuerung vorzuziehen. Sie haben
auch überall, wo eine motorische Kraft vorhanden ist, letztere verdrängt.
Obgleich theoretisch der äusserste Winkel, bis zu welchem das Ruder
eine Wirkung hat, 45 Grad beträgt, so wird dieser Ausschlagwinkel bei
Dampfsteuerungen dennoch nicht angewendet, weil das Steuerruder, wenn es
rasch und energisch überlegt werden kann, schon bevor es diesen Winkel
mit der Kielebene bildet , seine höchste Wirksamkeit erreicht. Durch
die mechanischen Steuerungen kann man deshalb die Ausschlagwinkel
bis auf 30 Grad vermindern. 35 bis höchstens 40 Grade sind die bei den-
selben üblichen Winkelstellungen.
Ein kleiner Ausschlagwinkel ist schon darum von Wichtigkeit, weil
der Wasserdruck auf das Ruder mit zunehmender Ausdrehung ganz bedeutend
zunimmt und daher durch einen grossen Ausschlagwinkel alle Theile der
Steuervorrichtung sehr stark in Anspruch genommen werden. Bei Hand-
steuerungen wird durch die bei diesen nothwendigen grossen Ausschlag-
winkel manches Unglück und Havarie herbeigeführt. Die Steuerräder sind
von den Männern am Ruder oft nicht zu halten, wirbeln zurück, verletzen
diese, oder werfen sie über Bord.
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394 ^^- Schiffswiderstand und Schleppzug.
Zu einer geringeren seitlichen Ablenkung des Schilfes von seiner Rich-
tung, wie dies in der regelmässigen Fahrt vorkommt, soll das Steuer nur
eine ganz geringe Drehung erfahren, damit das Schilf nicht ins Gieren komme,
Bei Handsteuerungen ist dieses Gieren, besonders in schmäleren, gekrümmten
Fahrbahnen gar nicht zu vermeiden, weil der Steuermann, damit er eine ent-
sprechende Steuerwirkung hervorbringe, das Steuerrad unwillkürlich immer
mehr als nothwendig ausdreht. Die mechanische Steuerung, welche ein
energisches, daher geringes Ausdrehen des Ruders ermöglicht, vermindert
deshalb das Gieren des Schilfes wesentlich und giebt demselben einen ruhi-
gen Kurs.
Einflnss der Schiffsform anf die Steuerfähigkeit. Die Körper der Zug-
dampfer, welche gewöhnlich schärfere Baulinien erhalten, steuern im All-
gemeinen besser als die vollen Schleppkörper.
Schleppe, welche gegen den Bug und gegen den Achter zu senkrecht auf-
steigende Flächen haben, steuern sich schwerer als solche, welche vorne und
achter volle runde Formen haben, gehen aber dafür im Zuge dem ziehenden
Dampfer ruhiger nach. In der Völligkeit des Achterschiffes darf man jedoch
nicht zu weit gehen, weil durch eine zu plumpe Form desselben der Zufluss
des Wassers zum Ruderblatt gehemmt wird. Schleppkörper mît runden löffel-
artigen Formen am Bug und Achter, deren Wasserlinie und Spanten also
eine parabolische oder elliptische Form haben und sich tangential an das
prismatische Mittelschiff anschliessend haben deshalb eine empfindliche Steuer-
fähigkeit. Bei diesen treffen die Stromfäden unter Wasser keine senkrechten
ebenen Flächen , sondern das Vor - und Hinterschiff unter sehr spitzem
Winkel, daher das Ruder immer volles lebendiges Wasser findet.
Diese Empfindlichkeit erzeugt aber wieder einen unruhigen Gang des
Fahrzeuges. Die gerade Fortbewegung solcher Schleppe im Zuge kann schon
durch die eigene Bugwelle oder durch unruhige Schwingungen der Schlepptaue
beeinträchtigt werden, an seichten Flussstellen aber werden sie sofort heftige
Gierschläge machen. Einen ins Gieren gerathenen Schlepp aber wieder in
ruhigen Gang zu bringen, ist schwierig und geht stets auf Kosten der
Zugkraft.
In der Flussschiffahrt ist es daher am zweckmässigsten, grösseren
Schleppen keine runden Formen vorne und achter zu geben, dabei aber den
Achter nicht zu voll auszubauen, damit dem Ruderblatte der Wasserzufluss
nicht entzogen werde. Den Donauschleppen giebt man deshalb zumeist eine
Völligkeit von etwa 80 pCt., erbaut sie vorne nicht rund, sondern mit senk-
rechten Flächen und am Achter etwas geschmeidiger.
Steuervorrichtnng mit Gegengewicht Patentschiffsteuer. Die sich hier-
durch ergebende geringere Steuerfähigkeit sucht man durch ein in jüngster
Zeit in der Donauschiffahrt eingeführtes „Patentschiff Steuer" zu erhöhen,
welches eine wirkungsvolle Steuerung der Schleppe ermöglicht.
Das Wesen dieser neuartigen Steuerung liegt darin, dass der Druck,
den das Wasser auf das Ruderblatt ausübt, in jeder Ruderlage durch ein
Gegengewicht aufgehoben wird, wodurch selbst bei grosser Fahrgeschwin-
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SchleppzuK auf Flüssen und Strömen.
395
digkeit und starkem Wellenschlage das Steuerruder leicht nach rechts oder
nach links überlegt werden kann.
Weil aber während der Fahrt der Wasserdruck aut das Ruderblatt ein
stets wechselnder ist und, je nachdem das Ruder mehr oder weniger nach
einer Seite hin überlegt, „ausgedreht" wird, grösser oder geringer ist, wird
diese Entlastung des Ruderdruckes mittels Zahnrädern in der Weise auf das
Gegengewicht übertragen, dass dieses das Steuerruder genau im Verhältnisse
zum jeweiligen Wasserdrucke ausgleicht oder mit anderen Worten den Ruder-
druck in jedem Augenblicke nahezu aufhebt.
Diese Steuervorrichtung, in den Bildern 252 bis 254 dargestellt, besteht
aus zwei Kurvenzahnrädern, einer Welle, einem Hebel mit einem auf diesem
verschiebbaren Gewichte und einer Führung
zur Ein- und Ausschaltung in die vorhandene
Steuereinrichtung.
Im Bild 252 ist zwischen zwei Ständern
die übliche Schneckentrommel für die Steuer-
kette gelagert, welche, mit ihren Enden mit
der Ruderpinne verbunden, diese nach rechts
oder nach links bewegt.
Die Trommel wird mittels einer auf den
Keltenrädern В und B^ laufenden Kette durch
das Steuerrad R angetrieben. Es ist dies die in
der Donauschiffahrt allgemein übliche, in der
Schiffsmitte zwischen den Radkästen ange-
brachte Handsteuervorrichtung.
Der Patentsteuerapparat wird nun an
diese Steuerung in der Weise angebracht,
dass auf die Welle ein Zahnrad e^ aufge-
setzt wird, welches mittels der Zwischen-
gelege e, und €3 das Kurvenräderpaar e^
und €5 und durch diese eine Welle antreibt,
auf welcher ein Hebel L mit dem Gegen-
gewichte P aufgekeilt ist. Wenn das Steuer-
ruder in der Kielebene des Schifies liegt, be-
findet sich der Hebel in seiner senkrechten
Todtpunktlage und übt auf die Welle keine Verdrehung aus. Wird jedoch das
Steuerruder mittels des Handrades gegen die eine oder die andere Bordseite ge-
dreht, so neigt sich der Gewichtshebel nach der entgegengesetzten Richtung und
übt auf das Getriebe und die Steuerräder ein Drehungsmoment aus, welches
demjenigen des Ruderdruckes entgegengesetzt ist und gleichzeitig mit Letzterem
wächst oder abnimmt. Hierdurch wird die ganze Steuerung nahezu vom jeweiligen
Ruderdrucke entlastet und kann das Steuerrad mit einem geringen Kraftauf-
wand gedreht oder festgehalten werden. Das Gewicht am Hebel wird für
grosse Unterschiede in der Fahrgeschwindigkeit des Schiffes entsprechend
verstellt.
Bild 253 zeigt die Anbringung der Vorrichtung an einer am Achter des
Dampfers oder Schleppes befindlichen Quadrantsteuereinrichtung und Bild 254
Bild 252.
Patentschiffsteuer in
Bordmitte.
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39б
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Gr|^ enge Wicht :^: 35Û kg für КЩС
Schiflfsi^escKwiDdig'keit von 6^ cn in
der Sekunde und für einr: eia^ttauchtc
RaderfiAche von 5 m^.
die Form des Kurvenräderpaares, sowie verschiedene, durch die Drehung
des Steuerrades sich ergebende Stellungen des Gewichtshebels u. zw. in der
Todtpunktlage bei о Grad, ferner bei 7, 14, 21 und 28 Graden, sowie wenn
das Ruder ganz bis 37 Grade Obergelegt ist. Im Bilde ist ferner die Krummungs-
linie des Wasserdruckes auf die Ruderfläche bei den Ruderstellungen von
о bis 37 Graden veranschaulicht.
Schleppzng mit dem Patentschiffsteuer. Aus den bisherigen Aus-
führungen geht klar hervor, dass gerade im Schleppzug, welcher eine stete
Aenderung der Fahrrichtung,
daher ein fortwährendes
Steuern erfordert, rasch wir-
kende Steuervorrichtungen,
also mechanische Steuerungen
anzuwenden sind, weil hier-
durch das Gieren der Schleppe
vermieden werden kann, wo-
durch die Zugswiderstände
derselben geringer, daher der
Zug wesentlich wirthschaft-
licher wird.
Diesem Erfordernisse ent-
spricht das Patentschiffsteuer.
Zur Bedienung desselben
genügt auf den grössten
Schleppen die Kraft eines
Mannes. Ein Ruderblatt mit
7 bis 10 Quadratmeter Fläche,
kann in 10 Sekunden um
37 Grad übergelegt werden, zu
welch er Leistung auf Schleppen
Bild 253. Patentschiffsteuer und Dampfern mit den alten
am Schiffsachtcr
f
(des Dampfers „Fiume", siehe
Seite 047).
Steuereinrichtungen die Mus-
kelkraft von 3 und 4 Männern
während 15 Sekunden er-
forderlich ist. Die Steuerung
während der Fahrt geht daher leicht und die Schleppe fuhren sich ruhig und
gieren nicht. Die Steuerung ist empfindlich und macht dem Steuermann bei
verständiger Handhabung seichte Flussstellen fühlbar, wodurch er in der Lage
ist, rechtzeitig jedem Seitendrucke des Wassers (siehe Bild 250) durch das
Ruder entgegenwirken zu können.
e) Vertauung der Schleppzüge.
Lange und kurze Schlepptaue. Die Anordnung der Fahrzeuge im Schlepp-
zuge an den Schlepptauen und untereinander ist von ebeilso massgebendem
Einflüsse auf die Wirthschaftlichkeit eines Schleppzugbetriebes als die gute
Steuerfähigkeit derselben.
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
397
In stromlosem Wasser oder in geringer Strömung werden die Schleppe
immer mit gleicher Schlepptaulânge geführt. In Flussstrecken mit wechselnden
und grösseren Strömungen müssen aber technische Einrichtungen geschafien
werden, welche es dem Zugdampfer ermöglichen, während der Fahrt die
Schlepptaue entsprechend den stärkeren und schwächeren Sturzgefällen rasch
und zuverlässig länger oder kürzer zu machen, „nachhängen" oder „ein-
holen" zu können, weil er dadurch in der Lage ist, starke Sturzgefälle mit
viel grösserer Nutzleistung zu überwinden (siehe S. 267).
Nach den bisherigen Erfahrungen der Donauschiffahrt führt man
einen Schleppzug in der Bergfahrt am leichtesten, wenn die Schlepptaue
lang und freibeweglich zwischen dem gezogenen Anhang und dem Dampfer
sind und wenn dieselben
am Dampfer und am
ersten Anhangschlepp in
möglichst hoher Lage,
immer über der
Wasserfläche schwe-
bend, angebracht sind.
Eine noch grössere
Nutzleistung zu Berg er-
giebt sich, wenn die
Schleppe ganz kurz
hintereinander und im
Kielwasser hinter dem
ziehenden Raddampfer
genommen werden. Die-
ses ist jedoch nur für
eine Schleppanhangs-
länge durchführbar und
bedingt eine tadellose
Steuerfähigkeit der
Schleppe.*) Diese Zugs-
weise ist daher mit den
gewöhnlichen Steuervor-
richtungen der Schleppe nur in geraden Flussstrecken durchführbar, weil in ge-
krümmter Fahrbahn die Schleppe im Kielwasser nicht erhalten werden können,
unruhig nachfahren, dadurch ihren Kurs gegenseitig beeinflussen und dann ihre
Breitseiten der Strömung und den Dampferwellen aussetzen, wodurch besonders
in grösserer Strömung ein erhöhter Widerstand entsteht.
Zweckmässige and unzweckmässige Vertaniiiig. Beim Auflegen der
Schlepptaue auf die Schleppe muss in erster Linie auf deren Steuer-
fähigkeit und Bestreben [zum Gieren während des Zuges Rücksicht ge-
nommen werden.
Denkt man sich einen Schlepp in seiner Mitte a (Bild 255, 1) an einem
Bild 254.
a = Kurve des Maximal-Raderdruckes (Wasserdruck auf das Ruderblatt)
bei 6p m Schiffseeschwindii^li eit in der Sekunde,
b =: Kurve des Druckes des Gegfengewichtes von 350 kg bei 1,10 m
Hebclböhe.
*) Die diesbezüglichen Zugproben sind übrigens derzeit im Zuge.
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398
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
IL
UI.
IV.
BUd
Tau befestigt, so wäre diese Befestigung geradezu
gefährlich, weil sich der Schlepp bei geringster
Drehung des Steuerruders und schon durch geringe
Richtungsänderung der Strom föden quer gegen den
Strom stellen und umdrehen würde. Der Schlepp
hat in dieser Lage seine grösste Giersucht, er wird,
wie der Donauschiffer sich ausdrückt, sofort über-
fällig und kann daher mit dieser Intaunahme nicht
geführt werden.
Wird dagegen das Tau ganz am Bugende des
Schleppes befestigt, so erhält derselbe zwar die
ruhigste Hängelage, verliert aber die zur Fahrt durch
seichte Stellen und Krümmungen notwendige nütz-
liche Gier- und Steuerfähigkeit.
Aus diesen zwei Extremen folgt, dass der vom
Standpunkte der Steuerfähigkeit für den Zug
günstigste Befestigungspunkt des Schlepptaues in der
Mitte zwischen diesen Stellen liegt; weil dieses aber
aus baulichen Rücksichten nicht immer möglich ist, so
giebt man dem Tau im Vordertheil einen Auflauf-
punkt с und einen Fixpunkt d, welcher obigem Be-
festigungspunkte möglichst nahe kommt. (Bild 255, III
Ein Drehen des Steuerruders s nach rechts genügt in
diesem Falle , um einen schräggelaufenen Schlepp
sofort wieder parallel zum Stromstriche aufstellen zu
können.
Wenn man nun die übrigen Schleppe eines
Anhanges an den ersten Schlepp in der Weise be-
festigt, dass jeder für sich die gleiche Beweglichkeit
wie der erste Schlepp in Bezug auf den Dampfer hat,
so erreicht man einen gut zu führenden, wenig und
nur nützlich gierenden Schleppzug (Bild 255, Ш), mit
welchem auch kritische Flussstellen sicher durchfahren
werden können, während es keiner weiteren Erläute-
rung bedarf, dass die im Bilde 255, IV dargestellte
Intaunahme eine unzweckmässige ist, weil bei dieser
auch bei starker Aufstellung des Ruders s nach rechts,
der zweite Schlepp dem ersten eine Geradestellung
in den geraden Kurs, parallel zu den Stromfäden
ausserordentlich erschwert.
Alle Schleppe eines Anhanges sollen daher, so
wie es III veranschaulicht, freibeweglich und ohne
dass sie ihre Steuerfähigkeit gegenseitig behindern,
aneinandergereiht werden und der erste, der führende
Schlepp soll, soweit es die Stromverhältnisse nur
zulassen, an einem langen Schlepptaue geführt
werden.
Hierdurch wird es dem Schleppanhang ermöglicht,
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen. 399
ausserhalb der schädlichen Dampferwellen zu fahren und sich eine freie Steuer-
fähigkeit zu erhalten. Im Donaubetriebe werden deshalb die Drahtschlepptaue
in der Bergfahrt derart befestigt, dass zwischen dem vordersten Schleppe des
Anhanges und dem Zugdampfer ein Abstand von mindestens 150 m ist. Nur
in kritischen engen Stromstrecken werden die Taue kurzer genommen, oft
auch mittels eines zweiten Taues niedergebremst, wodurch jedoch die Fort-
gangsgeschwindigkeit des Zuges vermindert wird.
In der Thalfahrt beträgt der Abstand zwischen Schlepp und Dampfer
50 m und auf schwierigen Strecken werden die Schlepptaue in Kreuzform
gelegt.
Die Reihenfolge, in welcher die Schleppkähne geführt werden,
richtet sich nach ihrem Tiefgang und Grösse. Der am tiefsten getauchte
wird am Schlepptau geführt, die übrigen nach Massgabe ihrer Tauchung und
Grösse einer hinter dem anderen angehängt. Der Abstand zwischen den
einzelnen Schleppkähnen muss so gross sein, dass der Achter des vorderen
und der Bug des rückwärtigen, ohne sich zu beschädigen, leicht an einander
vorüber können (siehe Bild 255, III). Dabei ist darauf zu achten, dass ebenso
wie die Schlepptaue, auch die übrigen Anhähgetaue möglichst hoch befestigt
und mit ihren Mittelbögen nicht unter Wasser kommen, weil jeder
unter Wasser befindliche Seilbogen, besonders wenn er schräg zur Strömung
gezogen wird, einen Widerstand erzeugt.
Das Zukuppeln von Schleppen an die Dampferseiten und untereinander
ist eine Intaunahme, welche in der Bergfahrt unter allen Umstanden ver-
mieden werden muss, weil sich hierdurch der Widerstand des Schleppzuges
sehr vergrössert. Man darf deshalb Zukuppelungen nur dort anwenden, wo
sie durch die Stromverhältnisse, beispielsweise durch eine enge kritische
Durchfahrt nicht zu vermeiden sind.
Berg- und thalfahrende Donauschleppzfige. Im Donaubetriebe werden nur
in scharfer Strömung oder bei grösserem Anhange im Bergzuge zwei
Schlepptaue, zumeist Drahttaue von 80 mm Umfang, sonst aber nur eines
für jede Schleppanhangslänge verwendet. Das Fahrzeug, welches am Schlepp-
tau geführt wird, bezeichnet man als „Seilschlepp", die an diesem an-
gehängten Fahrzeuge als „Aufgeklampfte**. Die Taue, mit welchen die
Aufgeklampften untereinander und mit den Seilschleppen verbunden sind,
heissen „Aufklampfseile" und haben eine Länge von iio m bei einem Um-
fang von 70 mm. Je nach Bedarf wird das Schlepptau „eingelegt* oder „auf-
gelegt", d. h. vom Dampfer und vom Schleppe auf denselben oder auf den ent-
gegengesetzten Bordseiten befestigt.
Um einen Bergzug bei Niederwasser in engen und steilgekrümmten
Thalwegen leichter in der Fahrrichtung erhalten zu können oder um der
Wendung des Dampfers nachzuhelfen, werden die Schlepptaue mittels Seil-
bögen, die an den Achterbüffeln des Dampfers befestigt und angezogen werden,
niedergebremst. (Siehe Bild 246.)
Im Thalzuge werden die Anhänge an kurzen Seilen geführt und auch
längs der Borde des Dampfers zugekuppelt. Jeder an der Bordseite des
Dampfers gekuppelte Schlepp bekommt vorne eine „Strupfe", die von den
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400
IV. SchiffswiderstaDd und Schleppzug.
V V
A
^
V
V
V
Schleppzflge in der starken Strömung der oberen
Donau.
A. Schlepptaue mit B. Schlepptau mit C. Backbord-
loo m Länge in i6o m Linfe. schlepptaumitaoom,
„ , Steuerbordtau mit
Kreuzlorm. . .
loo m Lftnge.
Bild 256. Bergschleppzflge.
V
Y
D. Schleppzug auf der
mittleren und unteren
Donaustrecke.
Schlepptaue mit 160 m L&o^.
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
401
vorderen Büffeln (Boller) des Dampfers auf den mittleren Schleppbuffel
eingelegt und mit welcher der Schlepp gezogen wird. (Siehe auch
Seite 382, Bild 242.)
Im Bilde 256 sind 4 Bergschleppzüge im Donaubetriebe dargestellt.
Von den SchleppzOgen A und В liefert der letztere ein verhältnismässig
wirtschaftlicheres Ergebnis, weil seine Schlepptaue langer und freibeweglicher
als jene des ersteren sind. Schleppzug С ermöglicht eine grosse Beweg-
lichkeit der einzelnen Schleppe, erfordert jedoch eine besondere Aufmerksam-
ЛЛ f^
<VwV^
fV^VïV^
A.
In breiteren Fahr-
strecken.
B.
In enger Fahr-
strecke.
D.
Obere Donau. Mittlere und untere Donau.
Bild 257. Thalschleppzüge.
keit in der Führung des Anhanges. D veranschaulicht einen grossen berg-
fahrenden Schleppzug in drei Schlepplängen auf der mittleren und unteren
Donau. Wenn dieser Anhang in zwei Reihen zu je 5 Schleppen hinter-
einander genommen wird, so entsteht ein geringerer Zugs widerstand, als
wenn er, so wie am Bilde, in drei Reihen geführt wird. Die einzelnen Anhangs-
längen sollen immer parallel und nicht zu nahe aneinander fahren. Durch Un-
achtsamkeit des Kapitäns und der Schleppsteuerleute nehmen jedoch die
Anhangslängen bald eine schiefe, keilförmige Lage an, bei welcher die lezten
Schleppe die Keilspitze bilden und nun den Abfluss des vom Dampfer thalwärts-
Suppän, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt. 20
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402
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
strömenden Wassers behindern, welches sich nun zwischen den letzten
Schleppen staut und den Zugswiderstand vergrössert.
Bild 258. Bergwärts schleppender Zugdampfer.
(Czematyp mit schrflgliegender Ein-Cylinder-Maschine von 430 i. IIP und 0.90 m Tiefgang für das
Hofkirchener Kachlet.)
Bild 259. Bergschleppzug auf der oberen Donau mit 3 Schleppen.
Im Bilde 257 zeigt A einen wirthschaftlichen und В einen unwirthschaftlichen
Thalschleppzug der oberen Donaustrecke. С veranschaulicht einen wirth-
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
403
fichaftlichen Thalzug auf der mittleren und unteren Donau und D den denk-
bar ungünstigsten Schleppzug, weil dieser in der dortigen geringen Thal-
atrömung einen sehr grossen Widerstand erzeugt.
Bild 260. Bergschleppzug auf der unteren Donau. (Unwirthschaftiicher Zug.)
Bild 261. Mit der Strömung lavirender Thalschleppzug der oberen Donaustrecke.
In den Bildern 258 bis 264 sind verschiedene Donauschleppzüge
dargestellt.
26*
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404
IV. Schifiswiderstand und Schleppzug.
GrSsse imd Fortgangsgeseh windigkeit der DonanscUeppzfige. Die An-
zahl der in einem Zuge zu Thal oder zu Berg geschleppten Fahrzeuge
ist je nach den schiffahrtlichen Verhältnissen, der Strömung und den jeweiligen
Wasserständen verschieden. In der grossen Strömung der oberen Donau-
strecke werden zu Thal in der Regel 4 Schleppe, hiervon einer oder zwei
Bild 262. Thalschlcppzug auf der mittleren Donau durch einen Schraubendampfer.
am Dampfer zugekuppelt, geführt und muss der Dampfer an schlechten Führten,
und in Stromengen den Anhang th eilen und zweimal fahren. Bei guten Wasser-
ständen werden auch 6 Schleppe, 3 beladene und 3 leere in einem Zuge
Bild 263. Thalschleppzug auf der mittleren Donau. (Schiffsbrücke bei Peterwardein-
Neusatz.)
geschleppt. In der Bergfahrt zieht ein Dampfer von 600 i. HP 3 beladene
600 Tonnenschleppe.
In den gemässigten Strömungen der mittleren und der unteren
Donau nimmt ein Zugdampfer so viel Schleppe zu Thal, als ihm die
jeweiligen Wasserstandsverhältnisse gestatten. Seine Geschwindigkeit darf
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
405
aber unter 7 km in der Stunde nicht sinken, damit er zur Wendung aus-
reichend Zugkraft behält. In der Regel werden von einem starken Dampfer
zu Thal 10 Schleppe genommen, jedoch gehören Thalanhänge von 20 Fahr-
zeugen nicht zu den Seltenheiten. In der Bergfahrt schleppt ein Dampfer
von 600 i. HP 8 bis 10 beladene 600 Tonnenschleppe und leistet damit
6000 bis 6500 Tonnen Nutzlast, was einer Leistung von etwa 20 Eisenbahn-
gûterzûgen oder dem Tonnengehalte eines grossen Seedampfers entspricht.
Die Zugsgeschwindigkeit zu Thal beträgt je nach der Grösse des
Anhanges und der Stromgeschwindigkeit zwischen 7 bis 18 km, jene zu
Berg zwischen 4 bis 5 km in der Stunde. Eine Fortgangsgeschwindig-
keit von mindestens 4 km im Bergzuge muss man besonders auf Strecken
mit starker Strömung dem Zugdampfer belassen, weil derselbe bei Ueber-
Bild 264. Segler im Schlepptau auftder unteren Donau.
setzen des Stromes oder bei Durchfahrt kritischer Flussstellen, überhaupt
immer in dem Falle, wenn die Schleppe quer zum Stromstriche zu liegen
kommen, von seiner Fortgangsgeschwindigkeit oft mehr als die Hälfte verliert.
Bei einem geringeren Fortgange als 2 km verlieren aber die Schleppe ihre
Steuerfähigkeit, kommen in heftiges Gieren und können sich dann in Wechsel-
strömungen gegenseitig beschädigen.
Was die Zusammenstellung von SchleppzQgen auf anderen Flüssen und
auf Kanälen betrifft, so liegen bisher nur wenig Mittheilungen vor.
Rheinschleppzng. (Bild 265 und 266) Am Rhein ist es üblich, in der
Bergfahrt jedem Schleppe ein Schlepptau zu geben. Diese Gewohnheit ist
dadurch entstanden, dass Zugdampfer und Schleppe zumeist verschiedene
Eigner besitzen, erstere gegen einen bestimmten Schlepplohn den Zug ver-
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4o6
IV. Schififswiderstand und Schleppzug.
mittein und fordern, dass jeder Kahn sein Schlepptau habe, was in der
DonauschiflFahrt nicht der Fall ist.
mss-.n
ШУ*Ш1^'
Bild 265. Rheinschleppzug bei Köln.
Bild 266. Thalfabrender Rheinschleppzug.
Die Schleppe fahren gewöhnlich stufenweise hintereinander. Zu Thal
werden die Schleppe zu zweien nebeneinander gekuppelt und bekommen
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ScMeppzug auf Flüssen und Strömen.
407
entweder die ersten zwei Schleppe vom Dampfer das Tau, wahrend sich die
nachfolgenden Paare an die Achter des ersten Paares anhängen, oder aber es
bekommt jedes Schleppaar vom Dampfer ein Tau.
Die Länge der Schleppzüge ist am Rheine nur für die Gebirgsstrecke
St. Goar-Bingen beschrankt, auf welcher zu Berg nicht mehr als drei hinter-
einander und zu Thal nicht mehr als vier Schleppe, je zwei zusammen-
gekuppelt, geführt werden dürfen. Im übrigen dürfen auf der ganzen
Rheinstrecke nicht mehr als zwei Schleppe nebeneinander gekuppelt werden.
In der Bergfahrt werden die einzelnen Kähne in der Regel 40 m hintereinander
geschleppt, in der Thalfahrt jedoch nur 15 bis 20 m lang genommen.
Bild 267. Thalschleppzug auf der unteren Elbe.
Ein Schleppdampfer von 600 ind. HP zieht bei normalem Wasserstande,
-f- 2,50 m Kölner Pegel, zu Berg 2500 Tonnen Nutzlast, von Düsseldorf nach
Köln, 55 km, in 12 Stunden. Auf der Rheinstrecke von Antwerpen oder
Rotterdam nach Mannheim werden jedoch Bergzüge mit 4000 bis 5000 Tonnen
Nutzlast gefahren und legt der Zugdampfer diese 565 bezgw 671 km lange
Strecke in 8 bis 10 Tagen zurück.
Elbesclüeppzag. (Bild 267.) Auf der Elbe ist der Schleppbetrieb zu Berg
von Hamburg bis Aussig-Melnik in 4 Schleppstrecken eingetheilt: Hamburg bis
Magdeburg, Magdeburg bis Dresden, Dresden bis Schandau und Schandau
bis Aussig-Melnik.
Zwischen Aussig-Melnik und Prag besorgen kleine Raddampfer von
250 ind. HP, den Schleppzug.
Von Hamburg nach Magdeburg schleppen die grossen Zugdampfer
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4o8 IV. SchifFswiderstand und Schleppzug.
mit 600 bis 700 i. HP mit einer Fortgangsgeschwindigkeit von 3,5 bis 5 km
in der Stunde, bei gutem Wasserstande 8 Schleppe mit 3000 bis 3400 Tonnen,
bei Niederwasser 10 Schleppe mit 2000 bis 2800 Tonnen. Die kleineren
Dampfer von 450 i. HP ziehen 4 bis 5 Schleppe mit 1500 Tonnen Nutzlast.
Von Magdeburg bis Dresden werden meist kleinere Schleppdampfer
mit 450 i. HP verwendet, welche bei gutem Wasserstande 2 bis 3 beladene und
2 bis 3 leere Schleppe mit 800 bis 1000 Tonnen, bei Niederwasser 4 be-
ladene und 2 bis 3 leere Schleppe mit 700 bis 800 Tonnen Nutzlast ziehen.
Zwischen Dresden und Schandau können wegen der geringen Fahr-
jochbreite der Augustusbrucke bei Dresden und wegen der dortigen scharfen
Strömung, insbesondere bei Hochwasser, die grossen Elbekähne mit
1000 Tonnen Tragfähigkeit von Raddampfern nur mit halber Ladung durch
die Brücke geschleppt und müssen vollbeladen durch Kettendampfer gezogen
werden. Ebenso wird zwischen Schandau und Aussig der dortigen starken
Stromschnellen wegen der Kettenbetrieb vorgezogen.
Auf der oberen Elbe werden Schleppe zu Thal äusserst selten vom
Dampfer gezogen, sie treiben fast immer mit der Strömung. Von Aussig dürfen
nur I beladener, von Magdeburg nur 2 bis 3 beladene Schleppe zu Thal
geführt werden. Von Magdeburg bis Hamburg besteht der Thalanhang je
nach den Wasserständen aus 3 bis 6 Schleppen. Zu Thal werden die
Schleppe jeder einzeln in grossem Abstände, der letzte bis 180 m vom
Dampferachter entfernt, nur mit Hanftauen geführt, während in der Berg-
fahrt auch Drahttaue verwendet werden.
Der Bergschleppzug wird zumeist so angeordnet, dass der erste Schlepp
vom Dampfer das Schlepptau bekommt, welches um einen in der Mitte des
Schleppbuges angebrachten Kloben, Schleppbock, herumgelegt ist, während
sich die übrigen Schleppe einer auf den anderen ganz kurz mittels Kreuzseilen
befestigen. Der erste Schlepp hängt 50 m vom Dampferachter entfernt. In
dieser Weise werden Anhänge aus je 3 bis 5 Schleppen gebildet. Ist ein
grösserer Anhang zu schleppen, so wird dem ersten Schlepp ein zweiter zu-
gekuppelt und mit diesem ein zweiter Schleppzug gebildet.
Odersehleppzug. Auf der Oder werden zu Berg, je nach der Dampfer-
stärke, 3 bis 9 Schleppe mit zusammen 600 bis 2000 Tonnen Nutzlast ge-
schleppt. In der Regel werden je drei Schleppe aneinandergehängt, und in
zwei Längen geführt. Bei Schleppzügen mit mehr als 6 Fahrzeugen, sind
die übrigen den ersten Schleppen zugekuppelt. Jeder erste Schlepp
erhält ein Schlepptau vom Dampfer und hängt 40 bis 50 m vom Dampfer-
achter entfernt. Leere Schleppe werden je nach ihrer Grösse zu 10 bis
15 Stück in einem Zuge geschleppt. Die ersten zwei erhalten vom Dampfer
die Schlepptaue, die übrigen werden zu zweien aneinander gekuppelt und hinter-
einander gehängt.
Oberhalb Breslau beträgt ein Thalzug leerer Schleppe höchstens 8 Stück,
welche in sechsmaligen Schleusungen durchgeschleust werden. Im Thalzuge
hängen die ersten Schleppe bis 100 m vom Dampferachter entfernt, die
übrigen sind an die ersten in 40 m Entfernungen befestigt. Die Thalfahrt-
geschwindigkeit beträgt 8 bis 10 km in der Stunde.
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen.
409
Die Länge eines Bergzuges darf nach strompolizeilicher Vorschrift ins-
gesammt 450 m nicht aberschreiten. Die Fortgangsgeschwindigkeit derselben
schwankt zwischen 3 bis 4 km in der Stunde.
Л
ScUeppzug auf der Rhône und der Seine. Die Zu-
sammenstellung der Schleppzüge im Tauereibetriebe der
Rhône zeigt Bild 230, Seite 336. Auf der Seine
werden die Fahrzeuge in der im Bilde 268 dargestellten
Weise gezogen.
Der Schleppzug C, welcher für geradere Strecken,
gleichmässige und geringe Stromgeschwindigkeiten oder
in stromlosem Kanalwasser praktisch ist, ist deshalb
wirthschaftlich, weil bei dieser Anordnung die Steuer-
ruder herausgenommen sind, wodurch die Widerstände
der Steuerruderflächen entfallen.
De Mas*) weist nach, dass der Gesammtwiderstand
der 3 Kähne bei der Schleppzugsart A gleich ist der
Summe der Widerstände, welche sich ergab, wenn jeder
Kahn einzeln geschleppt wurde, dass die Zugsart В
mit Kreuzseilen, je nach der angewandten Geschwindig-
keit, einen um 10 bis 15 pCt. geringeren Gesammt-
widerstand als die Summe dieser Einzelwiderstände
ergiebt und endlich, dass bei С sich durch die Heraus-
nahme der Ruder 15 bis 24 pCt. weniger Widerstand
ergeben. Es muss jedoch ausdrücklich bemerkt werden,
dass es sich hier nur um Zugsverluste durch entstehende
grössere Formwiderstände infolge ungünstigerer Ver-
tauung oder mangelhafter Steuerung der Schleppe
handelt, und dass es bezüglich der Oberflachen- oder
Reibungswiderstände nahezu gleichgiltig ist, wie die
Schleppe gezogen werden. Bezüglich dieses Oberflächen-
widerstandes ist die Summe der Widerstände von
3 Schleppen, wenn jeder derselben einzeln gezogen wird,
immer gleich dem Widerstände, welcher sich ergiebt, wenn
dieselben in einem Zuge auf einmal geschleppt werden.
л
Î
1
л
Î
V
V
А.
ScMeppzüge am Ohio nnd Mississippi. In eigenartiger
Weise werden oft die Thalschleppzuge am Ohio und
Mississippi ausgeführt. Es werden 20 bis 30 Kähne
mit zusammen 20 000 Tonnen |Kohle in einer Masse
zusammengekuppelt und vom Dampfer von rückwärts in
der im Bilde 269 dargestellten Weise geschoben. Hier-
durch sollen die Zugskosten bei einer Beförderungs-
entfemung von 3100 km bis auf 0,10 Heller für das Tonnenkilometer sinken.
Jedenfalls ist diese Zugsart eine nur unter besonders günstigen Stromver-
hältnissen anwendbare und kann nur in grossen Strombreiten ausgeführt werden.
*) Recherches expérimentales sur le matériel de la batellerie.
Bild 268.
Seineschleppzûge.
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4IO
VI. Schiffswiderstand und Schleppzug.
SeMeppzoge anf den Flossen Aire nnd Calder. Auf den englischen
Flüssen Aire und Calder wird Kohle oder Erz in kleinen, 40 Tonnen
tragenden Holzkästen, von denen je 6 bis 12 zu einem gegliederten
Mecknaddamp/er
Гтгт
]
Bild 269. Zusammenstellung eines Schleppzuges am Mississippi und Ohio.
Schiffszuge vereinigt sind, befördert und deren Inhalt im Hafen von Goole
durch Umstürzen unmittelbar in die Seeschiffe geschüttet.
Diese Gliederschiffe (Bild 270) sind je 6,^ m lang, 4,9 m breit, 2,3 m
Bild 270. Schleppzug am Aire und Calder. (Gliederschiffe.)
hoch und haben 1,6 m Tiefgang. Sie sind an der Vorder- und Rückseite
etwas abgerundet, mit Federpuffern versehen und werden in ihrer Mitte durch
Schlussbolzen und Keile zusammengehalten. Am hinteren Ende des Zuges
befindet sich ein Schraubendampfer, das vordere Ende wird durch ein mit
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Schleppzug auf Flüssen und Strömen. ^.ii
Wasser gefülltes, spitz zulaufendes Kopfstück gebildet. Die Vorrichtung zum
Krümmen des Zuges befindet sich auf dem Dampfer, von welchem Drahtseile
nach rechts und links über den ganzen Zug laufen und auf dem Kopf-
stück mit einer Vorrichtung zur Regelung der Spannung verschen sind. Der
bis 80 m lange Zug bildet einen einzigen, den Krümmungen der Wasser
Strasse sich anschmiegenden Körper zu dessen Bedienung vier Mann
genügen. Grössere Verbreitung hat diese sinnreiche Einrichtung deshalb
nicht gefunden, weil die gegliederten Zuge nur bei ruhigem Wetter ohne
Anstand geführt werden können.
Schleppzüg auf kanalisirten Flüssen. Die Grundsätze, welche für den
Schleppzug auf Flüssen und Strömen massgebend sind, sind auch für den
Schleppzug auf kanalisirten Flüssen giltig. Besonders beachtenswerth ist
in dieser Beziehung der Schleppzug auf der kanalisirten Seine, welcher
durch kleine Schraubendampfer mit sehr wirthschaftlichen Kosten ausgeübt
wird und gegenüber welchem der dortige Tauereibetrieb, obwohl er als der
bestgeregelte dieser Art zu bezeichnen ist, einen schweren Stand hat, weil
die Vortheile des KettenschifFes in der auf einem kanalisirten Flusse zumeist
nur geringen Stromgeschwindigkeit nicht zum Ausdrucke gelangen können.
Nur wenn bei Hochwasser die Wehre niedergelegt werden, ist in der dann
bedeutend stärkeren Strömung der Tauereibetrieb vortheilhafter.
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13. Abschnitt.
Schleppzug: auf Kanälen,
a) Allgemeine Erfordernisse für einen wirthschaf tlichen Schleppzug auf Kanälen.
ScMeppzug in Eanalkrflmmangen niid bei Erenznngen. Die Bedingungen,
welche der Schiffer zu erfüllen hat, um den Schleppzug auf Flüssen und
Strömen wirthschaftlich zu gestalten, müssen sinngemäss auch auf den Kanal-
betrieb Obertragen werden.
Der Kanalschleppzug wird in erster Linie durch die im engbegrenzten
Kanalquerschnitte auftretenden Bewegungswiderstände beeinflusst. |Im All-
gemeinen stellt derselbe jedoch die einfachste Betriebsart dar. Die geschleppten
Fahrzeuge können, wenn sie eine wirksame Steuervorrichtung haben, inner-
halb geringer Zugsgeschwindigkeiten unschwer im geraden Kurse hintereinander
erhalten werden, weil dieser nicht so wie im Flusse von wechselnden
Strömungen beeinträchtigt wird. Besondere Aufmerksamkeit erfordert der
Kanalschleppzug nur bei Kreuzung zweier Züge^ besonders in den Kiüm-
mungen. In jeder Kanalkrummung ist der Zugswiderstand selbstverständlich
grösser, als in gerader Kanalstrecke, und wird derselbe um so grösser, je kleiner
der Krümmungshalbmesser ist, weil die Schleppe durch die steileren Krümmungen
mit grossen Breitseitenflächen gezogen werden müssen.
Ebenso nimmt der Zugswiderstand während der Kreuzungen von
Schleppzügen zu. Nachdem ferner bei jeder Kreuzung der Dampfer seine
Fortgangsgeschwindigkeit mindestens 50 m vor dem ihm entgegenkommenden
Schleppzuge um die Hälfte vermindern muss und die ursprüngliche Ge-
schwindigkeit erst wieder annehmen kann, wenn er den letzten Schlepp des
begegnenden Zuges überfahren hat, so verringert sich durch jede Schiffs-
kreuzung die Fortgangsgeschwindigkeit nicht unwesentlich.
Eanalzugsgeseliwindigkeit. Zugsgeschwindigkeiten von über 4V2 km in
der Stunde sind in der Kanalschiffahrt nicht zulässig, weil die Widerstände
mit zunehmender Geschwindigkeit in dem engen Kanalprofile rasch steigen,
ferner die Schleppe dann in entsprechender Kursrichtung nicht erhalten
werden können.
Die Erscheinung, dass bei grösserer Geschwindigkeit die Schleppe dem
ziehenden Dampfer in geradem Kurse nicht mehr folgen können, tritt im
Kanalquerschnitte um so mehr auf, als mit den derzeitigen Handsteuerungen
den durch die Bugwellen vom Kanalufer aus entstehenden Stauwellen wirksam
nicht entgegengesteuert werden kann, der Schlepp daher während des Zuges
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Schleppzug auf Kanälen. 413
bald in eine Querlage zur Kanalachse geräth und nicht selten Gefahr läuft, an
die gegenüberliegende Kanalböschung aufzulaufen.
Steuerfähigkeit der Kanalechleppzfige« Die im Auftrage der preussischen
Regierung 1899 auf dem Dortmund-Ems -Kanäle durchgeführten Wider-
standsversuche haben diese Erscheinung klargelegt*)
Seite 30 dieses Werkes wird erwähnt, dass im Kanäle bei Zugsge-
schwindigkeiten von über 1,5 m in der Sekunde und bei 2,00 m Schlepp-
tiefgang die Fahrrichtung eines scharf gebauten Lloydkahnes von
600 Tonnen Tragfähigkeit kaum erhalten werden konnte. Bei schnellerer
Fahrt mussten die Ruder fortwährend von Bord zu Bord gelegt werden, um
das stets nach einem oder dem anderen Ufer sich hinwendende Schiff vor
Festlaufen in die Böschungen zu bewahren.
„Die unruhigen Bewegungen des Schiffes machten es schon bald nach
Beginn der Fahrt unmöglich, das Schiff, wenn es unmittelbar vom Ufer ab-
gegangen war, mittels des Ruders in die Mitte des Kanales zu bringen und
darin zu erhalten. Nur durch sehr schnelles Ueberlegen des Ruders von hart
Steuerbord nach hart Backbord oder umgekehrt konnte das Schiff vor Ein-
laufen in die Ufer bewahrt werden."
Seite 76 wird auf die Schwierigkeiten beim Steuern hingewiesen. Es
wird erwähnt, dass selbst bei Geschwindigkeiten von nur i m in der
Sekunde und 1,50 m Tiefgang es Anstrengungen der Rudersleute
erforderte, das gezogene 600 Tonnenschiff „Emden" aus seiner Ruhe-
lage an der Seite des Kanales in die Kanalmitte zu bringen. Während
des Zuges war grosse Aufmerksamkeit nothwendig, um die Mittellage beizu-
behalten. „Diese Erscheinungen steigerten sich mit Zunahme der Geschwindig-
keit sowohl, wie des Tiefganges und machten es nöthig, dass die sämmtlichen
Schiffe des Schleppzuges vor Beginn der Fahrt in die Kanalmitte gelegt wer-
den mussten. Trotzdem gelang es, nur in verhältnismässig wenigen Fällen
bei Durchfahren der Versuchsstrecke die Kanalmitte auch nur annähernd
genau innezuhalten. Die Bemühungen, die Versuchsschiffe durch Steuern in
der Mittellinie des Kanales zu erhalten, waren nicht allein bei Vergrösserung
der Geschwindigkeiten von geringem Erfolge, sondern es wuchs dabei auch
die Schwierigkeit, sie mittels des Ruders wenigstens den Ufern parallel liegend
zu erhalten. Immer grösser wurden die Winkel, welche die Schiffslage mit
ihnen bildete, so dass der Schleppdampfer durch seitliches Abbiegen den
richtigen Kurs wieder herzustellen versuchte, was auch nicht immer gelang."
Seite 78 wird unter der Aufschrift „Wirkung des Ruders wird
ungenügend" ganz richtig nachgewiesen, dass die Ursache der Zusammen-
stösse von Schiffen in der Flussschiffahrt und Kanalschiffahrt nicht selten in
der ungenügenden Steuerfähigkeit der geschleppten Kähne liege, femer erwähnt,
dass es oft unmöglich ist, einen Schleppkahn vom Absetzen vom Ufer zu
bewahren. Endlich wird gefolgert, dass bei einer Fahrgeschwindigkeit von
47г bis höchstens 5 km in der Stunde in einer Kanaltiefe von 2,5 m mit
keiner grösseren Schlepptauchung als 1,80 m gefahren werden kann.
♦) „Schiffswiderstand und Schiffsbetrieb", Baurath R. Haack, Berlin 1900.
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414
IV. Schifiswiderstand und Schleppzug.
Es muss demnach aus den Ausführungen dieses mit grosser Sorgfalt
gearbeiteten Werkes die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die unge-
nügende Steuerfâhigkeit der Fahrzeuge den Kanalschleppzug sehr ungünstig
beeinflusst und dass diese Erscheinungen auch schon bei geringeren Zugs-
geschwindigkeiten, wenn auch nicht so grell, auftreten. Nachdem auch in
der Donauschifiahrt, besonders bei Niederwasser (siehe Abschnitt ii) die
gleichen, durch unwirksame Steuerungen eintretenden Erschwernisse beobachtet
wurden, kann nur nochmals darauf hingewiesen werden, auch im KanalschifT-
fahrtsbetriebe die grösseren Schleppkähne mit wirksamen Steuerungsvorrich-
tungen, welche im gegebenen Falle ein rasches Umlegen des Ruders ermög-
lichen, auszurüsten, wodurch diese auf Rechnung der Zugskosten gehenden
Nachtheile wesentlich gemildert werden.
Einfluss des Kanalquerschnittes und der Kanalform anf den Zugswider-
stand. Wenn die Zugskosten der Flussschiffahrt durch die Verfassung des
Flusslaufes, durch die verwendeten Zugsmittel, sowie durch die Zugsart bedingt
sind, so sind die Zugskosten des Kanalbetriebes nicht nur vom angewendeten
Zugsystem, sondern in erster Linie vom Kanalquerschnitte, und dann
von der Form und dem Zustande des Kanalbettes abhängig.
Je grösser der Kanalquerschnitt im Verhältnisse zum eingetauchten Quer-
schnitte der ihn befahrenden Schiffe ist, umso geringer wird der Zugswiderstand,
umso wirthschaftlicher der Kanalbetrieb, weshalb ein entsprechend grosser Kanal-
bettquerschnitt überall angestrebt wird. Hierdurch steigen aber die Baukosten
des Kanales bedeutend. Es steht demnach das Bestreben, die Baukosten des
Kanales möglichst niedrig zu halten, mit der Forderung nach einem wirth-
schaftlichen Betrieb im Gegensatze, und man kann deshalb über ein bestimmtes
Verhältnis des Kanalquerschnittes zum Schiffsquerschnitte nicht gehen.
Von diesem Grundsatze ausgehend, wurde in folgender Zusammenstellung
Kanalquerschnitt
:= n
versucht, den wirthschaftlich vortheilhaf testen Werth von^ , .^ , .
Schiffsquerschnitt
für einen 600 Tonnenschlepp, dessen grösster benetzter Querschnitt 14,55 m*
beträgt, zu bestimmen:
Benetzter
Ver-
hältnis-
zahl n
W
w
Widerstand des
Schleppes zwischen
4 — 5 km Todtwasser-
gesch windigkeit
Sohlenbreite des
Kanales bei 2,10 m
Tiefe und einer
Böschungsanlage i : 2
Kanal-
querschnitt
W
Schiffs-
querschnitt
w
m«
kg
15
20
25
40
40,32
50,40
61,32
71,82
92,82
14,55
2,77
3,46
4,94
6,37
1800
1000
600
400
260
Nachdem nun die Baukosten des Kanales mit der Zunahme seiner Ab-
messungen in Folge der Kosten für Grunderwerb, Erd- und Dichtungs-
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Schleppzug auf Kanälen. 41g
arbeiten, sowie Wasserbeschaifung ausserordentlich steigen, die Zugskosten
aber, wie die Darstellung zeigt, über n = 4,15 im Verhältnisse zu den
grösseren Werthen von n nicht mehr wesentlich abnehmen, so braucht man
über einen vierfachen Kanalquerschnitt zum Schiifsquerschnitte nicht
zu gehen.
In welcher Weise dieser 4 fache Kanalquerschnitt gegeben wird, ist
jedoch nicht gleichgiltig. Bei 600 Tonnenschleppen muss bei über 4 km Zugs-
gesrhwindigkeit zwischen dem Schiffsboden und der Kanalsohle eine Entfernung
von 40cm, bei unter 4km eine solche von mindestens 30 cm sein. Ueber 472km
Zugsgeschwindigkeit kommen im Kanalbetriebe nicht zur Anwendung. Beim Bau
des Kanales muss man daher bedacht sein, dass diese Mindestschwimmhöhe
des Schleppes unter allen Umständen vorhanden sei und man soll auch deshalb
wegen den eintretenden Verschlemmungen der Kanalsohle diese immer etwas
tiefer, als wie geplant legen.
Nachdem aber die Baukosten weniger mit Zunahme der Tiefe als mit
Zunahme der Wasserspiegelbreite wachsen, so ist man bestrebt den Kanal in der
Sohlenbreite schmal zu machen und dafür in die Tiefe zu gehen. Mit Rück-
sicht auf den Zugswiderstand bei Kreuzungen von Schleppzügen und auf die
Fahrt durch Krümmungen erscheint es dagegen vortheilh after, dennothwendigen
Kanalquerschnitt mehr der Breitenabmessung nach zu nehmen.
Dieses ist besonders dann anzustreben, wenn die mit dem Kanäle in Ver-
bindung zu bringenden Flüsse geringere Fahrtiefen, dagegen wesentlich
grössere Fahrbreiten als der Kanal haben. Die für den Kanal in Aussicht
genommene Tragfähigkeit der Schleppe wird aber dadurch nicht beeinträchtigt,
weil man durch entsprechende Baulinien innerhalb gewisser Grenzen, ohne
dass der Eigenwiderstand erhöht würde, die geforderte Tragfähigkeit auch
dann erreichen kann, wenn man die Schleppkörper in ihren Querschnitten
etwas breiter machen muss.
Diese Verhältnisse müssen beispielsweise bei den zukünftigen öster-
reichischen Kanalanlagen erwogen werden, welche für 600 Tonnenschleppe
mit 1,80 m Tauchtiefe geplant sind, obwohl die derzeitige geringste Donau-
tiefe innerhalb der österreichischen Grenzen bei Niederwasser nicht mehr
als 1,40 m und jene der oberen Elbe und Oder noch weniger beträgt.
Es ist deshalb zu erwägen, ob es nicht günstiger wäre, die Tiefe der
geplanten Kanäle geringer zu bemessen, den nothwendigen vierfachen Kanal-
querschnitt aber dafür durch eine grössere Sohlenbreite herzustellen. Aller-
dings wird dieser Wunsch nur schwer mit der Frage der Baukosten der
Kanäle in Einklang zu bringen sein.
Was den Einfluss der Form des Kanalprofiles auf den Zugs-
widerstand betrifft, so wurden in dieser Richtung bisher zu wenig Versuche
in der Natur gemacht, um einen sicheren Schluss ziehen zu können, Engels
in Dresden hat Modellversuche in verschieden gestalteten Profilen von 0,235 m*
durchgeführt und kommt zu dem Ergebnis, dass von den im Bilde 271 dar-
gestellten Querschnitten das Profil I den geringsten, II mehr als I, III mehr
als II und endlich IV den grössten Widerstand erzeugt.
Engels benutzte zu seinen mit grosser Sorgfalt ausgeführten Versuchen
ein nach dem Odertyp von Kleppsch verkleinertes Modell. Wenn dasselbe
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4i6
IV. Schiflfswiderstand und Schleppzng.
mît I m Zugsgeschwindigkeit in der Sekunde durch den Wassertrog gezogen
wurde, berechnete sich sein Widerstand
für das Kanalprofil Querschnitt
I.
mit 427 kg
П.
» 439 kg
Ш.
n 497 bg
IV.
» 5Ï9 kg
I
und wenn es mit 1,25 m Zugsgeschwindigkeit in der Sekunde gezogen wurde,
für das Kanalprofil I. mit 733 kg
n n n П. „ 803 kg
. n n ni. „ 821 kg
n n , IV. „ 867 kg
Der Odert3rp Юeppsch ist in seiner natürlichen Grösse in der Wasserlinie
62,5 m lang und hat bei einer Tauchung von 2 m eine benetzte Oberflache
von 670 m*. Das Modell war im Mass-
stabe von 7i6 ^"s Holz ausgeführt und
mit Oelfarbe gestrichen. Nachdem aber
bei Modellversuchen verschiedene in der
Natur auftretende Erscheinungen, wie die
Steuerwirkung, die Schleppeinsenkung
während der Fahrt und der Einfluss der
vom Schleppdampfer erzeugten Wellen
auf den Kanalwiderstand nicht zum Aus-
druck gelangen, so dürfen die solcherart
gefundenen Ziffern auf den wirklichen
Kanalbetrieb ohne weiteres nicht ange-
wandt werden.
I
¥"
тг-
W
-^
Bild 271.
Einfluss der KanaloberflSche auf den
Zugswiderstand. Endlich ist von Ein-
fluss auf den Zugswiderstand im Kanäle
der Zustand seiner benetzten Ober-
fläche, ähnlich wie der Zustand der
benetzten Schiffsaussenfläche den
Reibungswiderstand des Schiffes stark beeinflusst (siehe Abschnitt 11).
Wird durch rauhe Kanaloberflächen, Schilf und Pflanzenwuchs der Ab-
fluss der vom gezogenen Schleppkörper erzeugten Stauwellen verzögert, so
wächst der Widerstand unter Umständen ganz bedeutend. Bei den Versuchen
am Dortmund-Emskanal wurde gefunden, dass dieser Einfluss des Schilf-
wuchses auf den Schiffswiderstand bei grösseren Zugsgeschwindigkeiten bis
15 pCt. betragen kann. Es ist demnach rücksichtlich eines wirthschaftlichen
Kanalzuges nothwendig, die Uferwandungen möglichst glatt zu gestalten.
b) Zugsmittel auf Kanälen.
Pferdezng. Wenn auf den natürlichen Wasserstrassen bisher als Zugs-
mittel allgemein nur die Schraube, das Schaufelrad und unter besonderen
Verhältnissen auch die Tauerei üblich sind, so wurden auf den künstlichen
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Schleppzug auf Kanälen.
417
Wasserstrassen ausser diesen und dem üblichen Treidelzuge schon die
verschiedensten Zugsarten mit mehr oder weniger Erfolg erprobt.
Als freifahrende Zugsmittel kommen im Kanalbetriebe nur die Schrau-
benboote in Betracht weil Seitenraddampfer wegen ihrer grossen Breite nur
auf Kanälen mit sehr grossen Abmessungen verwendbar sind, das Heckrad
aber einen geringeren Wirkungsgrad als die Schraube hat.
Die Leistungsfähigkeit des Treideins und des Pferdezuges ist
Seite 239 behandelt. Die Zugskosten dieser Betriebsart werden sehr ver-
schieden angegeben und ändern sich naturgemäss nach dem jeweiligen Werth
des vorhandenen Pferdematerials.
Auf den französischen Kanälen schwanken die Zugskosten des Pferde-
. betriebes zwischen 0,30 bis 0,45 Heller für i Tonnenkilometer. Der Kanalzug
in Frankreich geschieht durch Pferde, Maulthiere oder Esel. Gewöhnlich wird
der Zug durch- i bis 3 Pferde
ausgeübt. Zur Ueberwindung
stärkerer Strömungen, wie auf
kanalisirten Flüssen bei höherem
Wasserstande und geöffneten
Wehren, wird ein weiterer Vor-
spann genommen, so dass bis-
weilen ein Kahn auch von
8 Pferden gezogen werden muss.
Der hohen Kosten wegen zieht
es der Schiffer jedoch vor, lieber
einige Tage still zu liegen und
den Ablauf des Hochwassers
abzuwarten. Zumeist wird das
Zugthier vom Schiffer für jede
Reise gemiethet, weil die Kosten
eigener Pferde sich zu hoch
stellen. Nur die Eigenthümer
mehrerer Schiffe halten sich bei grösserem Kanalverkehre eigene Pferdeställe.
Vor einiger Zeit war an einzelnen Kanälen ein von der Regierung aufgestellter
Pferdebetrieb eingeführt, welcher jedoch die Allgemeinheit nicht befriedigte.
Bild 272.
Elektrische Einzeltauerei. Von den in Erprobung befindlichen oder
geplanten elektrischen Zugsmitteln sind insbesondere folgende hervor-
zuheben :
Die vonBovet, auf einzelnen Schleppen anzubringende Vorrichtung
zum Zuge mittels einer auf der Kanalsohle liegenden Kette. Der Unterschied
zwischen dieser Anordnung eines Kettenbetriebes gegenüber der gewöhnlichen
Tauerei liegt darin, dass bei derselben an jedem Schleppe für die Dauer der
Kanaldurchfahrt eine Kettentrommel angebracht und nach der Durchfahrt
wieder abgenommen wird. Es wird sonach kein Kettenschleppzug gebildet,
sondern jeder einzelne Schlepp läuft mit seinem Apparate für sich an
der Kette.
Die Vorrichtung (Bild 272) wird am Vorderdeck des Schleppes derart
s up pan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt
27
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41 8
IV. Schiffs widerstand und Schleppzug.
befestigt, dass sie, über eine Bordseite hinausragend, die Zugskette aufnehmen
kann. Die Kettenscheibe В wird durch einen Elektromotor А bewegt, welcher
die Stromkraft einer oberirdischen, längs dem Kanalufer auf Säulen laufenden
Leitung abnimmt. С ist die Fuhrungsrolle für die Kette, D eine Vor-
richtung zur Regelung des Kettenlaufes und E eine Windetrommel zum
Auflegen eines Seiles, mit welchem das Schiff in die Schleuse gezogen wird.
Das Auf- und Abnehmen der Kette wird leicht und schnell dadurch bewerk-
stelligt, dass die Kette lediglich durch Magnetisirung des glatten Trommel-
umfanges der elektromagnetischen Kettenscheibe В und ihrer Kettenglieder an
der Trommel festgehalten wird. (Siehe auch Seite 266.) Die Erzeugung des
elektrischen Stromes geschieht in einem gemeinsamen Kraftwerke.
'^:
Bild 273. Elektromagnetische Einzeltauerei.
Diese Einzeltauerei (Bild 273) wurde auf einer Versuchsstrecke des
Kanales von St. Denis bei Paris erprobt und hat vom Standpunkte des Be-
triebes befriedigende Ergebnisse geliefert. Dieselbe, sowie überhaupt jeder
Tauereibetrieb in einem stromlosen Kanäle ist aber schon deshalb nicht wirth-
schaftlich, weil einerseits die grössere Nutzleistung des Tauerzuges gegenüber
einem freifahrenden Propeller doch nur in grosser Strömung zum Ausdrucke
Bild 274. Elektrische Kettenschiffahrt am Bourgogne-Kanal.
gelangen kann, anderseits bei starkem Kanalverkehr zwei Ketten, eine für die
hinfahrenden und die andere für die in entgegengesetzter Kanalrichtung fahrenden
Schleppe, gelegt werden müssen, was grosse Anlagekosten erfordert.
Elektrische Kettenscbiffahrt am Bourgogne-KaDal. Von diesem Stand-
punkte aus ist auch der auf der Wasserscheide des Bourgogne-Kanales,
zwischen Pouilly und Escommes, vom französischen Staate eingerichtete
gewöhnliche Kettenschiffahrtsbetrieb (Bild 274) keine wirthschaftliche
Anlage.
Die für diese Tauerei erforderliche elektrische Kraft liefert eine Wasser-
kraftanlage, welche die Energie einer mit 15000 cbm täglich zur Verfügung
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Schleppzug auf Kanälen.
419
stehenden Wassermenge von 8 m Gefällshöhe, zwischen zwei Schleusen ent-
nimmt. Auf dem Kettenschiffe treibt der Strom einen Elektromotor, der
mittels Riemenübertragung die Kettenrolle dreht. Die zu Gebote stehende
Wasserkraft beträgt bei der neben Pouilly gelegenen Seineschleuse 20,
bei der neben Escommes gelegenen Saôneschleuse 15 Pferdekräfte. Die
Bild 275.
Dynamos der beiden Anlagen entwickeln einen Strom von 30 Ampère»
Stärke mit bis 280 Volt Spannung. Gewöhnlich wird jedoch nur mit
Bild 276. Lamb's Hängebahn am Finow-Kanal
einem Strom von 20 Ampère gearbeitet, wobei in der 12 km langen
Drahtleitung ein Spannungsverlust von ungefähr 80 V. eintritt, so dass zum
Elektromotor des Tauers 16 Pferdestärken gelangen. Auf Grund von Brems-
versuchen wurde festgestellt, dass der Elektromotor des Tauers als grösste
Arbeitsleistung zum Betrieb der Kettentrommel 19 Pferdestärken abgeben kann.
27*
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420
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Der kleine Tauer, welcher vorne und rückwärts mit einem Steuer ver-
sehen ist, hat eine Länge von 15,00 m, eine Breite von 3,20 m und einen
Tiefgang von 0,50 m, die Kettenscheibe einen Durchmesser von 650 mm.
Die Kettenglieder sind 16 mm stark, die Zugsgeschwindigkeit beträgt je nach
der Grösse des Anhanges 27^ bis 4 km in der Stunde. Von der 6,6 km
langen Versuchsstrecke liegen 3,3 km in
einem Tunnel.
Die Anlagekosten der seit 1893 im
Betriebe stehenden Einrichtung belaufen
sich für ein Kilometer Kanallänge auf
23,000 K. Die Betriebskosten sollen sich
um 25 pCt. billiger als die des früher be-
standenen Dampftauers stellen.
Bild 277.
Trägerbahn von Thwaite-
Cawley.
Drahtseilhängebahn von Lamb. Eine
'Weitere Schleppzugsart ist die Drahtseil-
hängebahn vom Lamb, welche, ähnlich
wie eine Seilbahn für Materialbeförderung,
auf eisernen Masten angebracht ist, die
längs des Kanalufers stehen und auf deren
Drahtseilen elektrische Lokomotiven laufen.
Deren Elektromotoren treiben kleine Winde-
trommeln, auf welchen das Drahtzugseil, damit die zur Zugkraft nothwendige
Reibung hergestellt werde, zweimal umgelegt wird. Die Stromzuführung
geschieht gleichfalls durch eine oberirdische Leitung.
Eine derartige Hängebahn wurde am Erie- und am Finowkanale erprobt
(Bild 275 und 276). Im oberen Seile a mit 32 mm Durchmesser hängt der
Motorwagen^A, der eine auf seiner Achse angebrachte Seilscheibe, über welche
das untere 16 mm starke Zugseil b zweimal geschlungen ist,
dreht, wodurch sich der Hängewagen und damit die Zug-
leine с mit dem Kanalschiff fortbewegt. Die Fortgangs-
geschwindigkeit wird von dem Manne am Wagen geregelt,
welcher von seiner hohen Sitzstelle aus die Fahrstrasse gut
übersieht^ daher den Betrieb zu-
verlässig überwachen kann.
Trägerbahn von Thwaite-
Cawley. Der Lamb'schen An-
ordnung ähnlich wurde von
Thwaite und Cawley eine
Trägerscbienenbahn kon-
struirt, die aus 2 senkrechten Trägerschienen а а besteht, welche längs dem
Kanalufer an eisernen, 10 m voneinander entfernt stehenden, 5 m hohen
Säulen befestigt sind (Bild 277). Auf dieser durch die Träger gebildeten Bahn
laufen zwei Schlepplokomotiven b und c, welche den Schlepp ziehen. Die
Bedienung der Lokomotiven soll mittels einer Leine, die vom Schiffe aus zu
d^n Motoren führt, durch die Schiffsbemannung möglich sein.
Bild 278. Elektrisches Dreirad.
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Schleppzug auf Kanälen. 421
Nachdem die auf den Trägerschienen rollenden Schlepplokomotiven ihre
Zugkräfte lediglich durch die Reibung ihrer Räder ausüben können, müssen
letztere so dicht aneinander angebracht sein, dass unter Berücksichtigung der
sich ergebenden Hebelarme das Gewicht der Lokomotive für den Anpressungs-
druck an die Schienen ungefähr verdreifacht wird.
Schleppdreirad. Die französischen Ingenieure Galliot, Dene fié und
Gerard haben einen Treidelzug mittels eines elektrischen Dreiradwagens
erdacht, welcher ohne Vermittlung einer Schiene unmittelbar auf dem
gewöhnlichen Treppelwege des Kanales sich fortbewegt. Dieses Dreirad
Bild 279. Elektrische Lokomotive.
{Bild 278) besteht aus einem eisernen Rahmen r, der rückwärts auf den zwei
Treibrädern t und t^ und vorne auf einem leichten Rade s ruht, welches
mit der Zugstange z vom Führer gesteuert wird, der von seinem Platze auch
alle Handhabungen zum Regeln der Zugsgeschwindigkeit und der Bremse
besorgt. Die rückwärtige Achse, auf welcher die zwei breitfelgigen Räder
angebracht sind, wird durch einen im Wagen befindlichen Elektromotor mit-
tels einer Zahnradübersetzung in Bewegung gesetzt. Zwischen der Wagen-
achse und den zwei Rädern ist je eine Kuppelungsvorrichtung derart ange-
ordnet, dass bei Ausschaltung einer derselben der Wagen um eines seiner
Räder eine Platzwendung ausführen kann. Der zum Einhängen des Zug-
seiles dienende Haken ist auf einer mit einem Hemmfinger versehenen Achse
angebracht und kann beim Eintritt einer Ueberlastung ausgehängt werden,
wobei das Zugseil vom Haken hinuntergleitet. Das Gewicht des Wagens
beträgt 2500 kg, seine Herstellungskosten belaufen sich auf 5500 K. Der
Elektromotor des Wagens ist bei gewönlicher Inanspruchnahme, bei einer
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422
IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Spannung von 500 Volt, zur Aufnahme von 5000 Watt gebaut und entwickelt
im Zuge ungefähr 6 Pferdestärken, bei welcher Kraftentwickelung eine Péniche
mit 300 Tonnen (siehe Bild 151) mit einer Geschwindigkeit von 272 km in
der Stunde geschleppt werden kann. Der elektrische Strom wird von einer
längs der Ufer auf Ständern aufgehängten Doppeldrahtleitung mittels zweier
freibeweglichen Kontaktrollen dem Wagen zugeleitet, welche mit letzterem
durch eine 3 m lange Holzstange h verbunden sind, die bei Begegnung
zweier in entgegengesetzter Richtung fahrender Wagen die Rollen abhebt.
Diese Zugsweise wird auf einer 58 km langen Strecke der französischen
Nordkanäle bei Lille, zwischen Béthune und Courchelettes betrieben und
ist unter dem Namen „elektrisches Pferd" bekannt. Nachdem der Betrieb
mit demselben genau so w^e mit dem auf den französischen Kanälen üblichen
Bild 280. Elektrischer Lokomotivzug am Finow-Kanal.
Pferdezug geschieht, so wird das Dreirad von den dortigen KanalschifTem
als sehr zweckmässig gelobt.
Die Anlagekosten für ein Kilometer Kanalstrecke stellen sich auf
25000 K. Die Gesellschaft, welche diesen Kanalbetrieb eingerichtet hat, musste
mit Rücksicht auf den dortigen Wettbewerb durch Pferdezug, welcher das Tonnen-
kilometer mit durchschnittlich 0,30 bis 0,45 h leistete, die SchleppzugsgebOhren
auf 0,28 h setzen und berechnet, dass sie trotz dieses geringen Schlepplohnes
bei einem Verkehre von 2^/2 Millionen Tonnen nicht nur die Betriebsausgaben
decken, sondern auch ihre Anlagen verzinsen und einen Reingewinn erübri-
gen wird.
Schlepplokomotive. Köttgen*) in Berlin hat eine leichte elektrische
Schlepplokomotive dem Kanalbetriebe angepasst Die vom Kanäle
*) Von Siemens-Halske weiter ausgebildet.
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Schleppzug auf Kanälen.
423
abliegenden Triebräder derselben bewegen sich auf einer Schiene, während
die zwei, dem Kanäle zugewendeten breiten Laufräder auf dem Treppelwege
vorwärts rollen. (Bild 279.) Die eine Schiene nimmt somit die gesammte
Zugkraft, sowie die seitlich wirkenden Kräfte auf, während die nicht auf
Schienen laufenden Räder eine verhältnismässig geringe Belastung erfahren.
Bei dieser Anordnung benöthigt die Lokomotive nur einen geringen
Raum des Treidelweges und es bleibt neben demselben noch ein genügend
breiter Weg für den Verkehr der Zugpferde frei. Bei neuanzulegenden
Kanälen dürfte es jedoch entsprechender sein, eine zweite Schiene anzulegen,
weil deren Herstellung billiger als die eines Treidelweges ist und bei einem
neuen zeitgemässen Kanäle mit einem voraussichtlich grossen Verkehre der
Pferdezug wohl nicht berücksichtigt zu werden braucht.
Der Lokomotive wird der elektrische Strom auch mittels Oberleitung
zugeführt. Der Führer übersieht von seinem Sitze aus sowohl das gezogene
(Galliot)
Bild 281.
Schiff, als auch einen entgegenkommenden Zug, und kann mit Hilfe einer
Bremse oder mittels der elektrischen Anlass Vorrichtung die Fortgangsgeschwindig-
keit regeln. Anfangs waren die Schienen mit einer Zahnstange versehen,
welche sich jedoch späterhin als überflüssig erwies.
Lokomotivzuf; am Finowkanal. Die Erprobung des Lokomotivzuges am
Finowkanale (Bild 280) hat zu einem befriedigenden Ergebnis geführt. Die
erreichte Geschwindigkeit betrug bei 600 kg Zugkraft 4,5 km in der Stunde, wobei
500 Tonnen Nutzlast geschleppt wurden. Es wurde berechnet, dass die Anlage
einer derartigen Zugseinrichtung auf dem 470 km langen geplanten deutschen
Mittellandkanal beiläufig 30 000 K. für das Kilometer kosten und dass bei
einem Verkehre von 4 Millionen Tonnen mit Schleppen von 600 Tonnen
Tragfähigkeit ein Tonnenkilometer sich auf 0,18 Heller berechnen würde, wo-
gegen dasselbe mittels freifahrender Schraubenboote auf 0,20, mittels Pferde-
zuges aber auf etwa 0,30 Heller zu stehen käme.
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424
IV. Schiflfswiderstand und Schleppzug.
Bei grösserem Verkehre stellt sich demnach der elektrische Lokomotiv-
betrieb verhältnismässig .billig. Die Vortheile einer derartigen Anlage an
einem Kanal wurden aber noch mehr hervortreten, wenn man die für den
Schleppzugdienst erforderlichen Stromkraftanlagen so einrichtet, dass sie auch
anderweitig nutzbar wären. Die elektrische Kraft könnte vortheilhaft ver-
wendet werden zum Bewegen der Schleusenthore, der Schütze in den
Umläufen, sowie etwaiger Drehbrücken, bei Tag- und Nachtbetrieb für die
Beleuchtungsanlagen und endlich auch zum Antrieb der Ladekrähne. Nach-
dem femer eine Kräfteabgabe bis zu 30 km Entfernung vom Kanal ohne
grossen Kraftverlust möglich ist, so wird sich mit der Zeit, längs des Kanales,
in Folge der vorhandenen elektrischen Betriebskraft ein etwa 30 km breites
gewerbliches Gebiet und eine lebhafte Industrie unschwer entwickeln können.
Schranbensteuerzug. Beim Schraubensteuerzug von Galliot-Busser
(Bild 281) wird jedem in den Kanal einfahrenden Schlepp statt seines
Bild 282. Elektrischer Schraubenbetrieb am Erie-Kanal.
gewöhnlichen Steuerruders ein Ruderblatt eingehängt, welches eine durch
einen Elektromotor getriebene Schraube trägt.
Galliot legt den Elektromotor in ein am Ruderschafte befindliches
eisernes Gehäuse. Die Uebertragung der Kraft auf die am Ruderblattende an-
gebrachte Schraube erfolgt mittels eiserner Wellen und einem konischen Räderpaare.
Buss er legt den Elektromotor in eine Ausnehmung des Ruderblattes und setzt
die unmittelbar darunter befindliche Schraube durch Riemenübertragung in
Bewegung. Den Schraubensteuern kann die elektrische Kraft mittels Ober-
leitung zugeführt, dieselben können aber auch freibeweglich durch Accu-
mulatoren betrieben werden.
Elektrischer Schranbenbootbetrieb am Erie-Kanal. Ein eigenartiger
Schraubenbetrieb wurde in neuerer Zeit am Eriekanal vom Staate New-
York eingerichtet. Ein mit einem Elektromotor angetriebenes Schraubenboot,
welchem die Kraft von einer am Kanalufer laufenden Doppelleitung zugeführt
wird und welches 250 Tonnen Ladung nimmt, schiebt gleichzeitig ein an
seinem Buge mittels zweier Stangen beweglich angebrachtes Boot von 300 Tonnen
Tragfähigkeit in der im Bild 282 dargestellten Weise mit einer Geschwindigkeit
von 4 km in der Stunde vorwärts.
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ScЫeppzag auf Kanälen.
425
Eiiizelbetrieb mittels Schraubenrädern. Ein in seiner Anlage einfacher
Schleppeinzelbetrieb könnte auch in der in den Bildern 283 und 284 ver-
anschaulichten Weise erfolgen. In einem am Achter der Schleppe, innerhalb der
Flucht des grössten Schiifsquerschnittes fest angebrachten Eisenrahmen setzt man
mit Hilfe eines Drehkrahnes zwei Schraubenräder (siehe Seite 274) ein,
welche nach Durchfahrt des Bootes durch alle Schleusen und Haltungen in
gleicher Weise, wie sie bei der Kanaleinfahrt in die Rahmen gesenkt wurden,
aus denselben wieder mit einem Drehkrahne herausgehoben werden.
Diese Zugsart wurde zum Antriebe von französischen Kanalbooten mit
39,10 m Länge, 4,99 m Breite und 0,30 m geringstem sowie 1,50 m grösstem
Bild 283. Einsetzen der Schraubenräder in die Eisenrahmen. (M. i : 100.)
Tiefgange vorgeschlagen. Die Boote sollen mit einer Fortgangsgeschwindigkeit
von 3,6 km in der Stunde fahren, wozu bei den dortigen Kanalabmessungen
für je ein Schraubenrad 7,5 i. HP. nothwendig wären. Der Durchmesser jedes
Rades beträgt 1,50 m, die Steigung 1,60 m. Die Schraubenräder werden
mittels Gallischer Kette von einem Elektromotor angetrieben, welcher mit einem
Hebel vom Steuermann umgestellt werden kann, wodurch das Boot nach
vorwärts oder nach rückwärts fährt. Die elektrische Stromzuleitung ist aus
den Zeichnungen ersichtlich.
Nach einer überschlägigen Berechnung dürften sich die Zugskosten
dieser Betriebsart sammt 4 pCt. Verzinsung der Schraubenrädervorrichtung
und der Leitungsanlage bei einem Verkehre von 500 Millionen Tonnenkilometer
auf annähernd 0,21 Heller für i Tonnenkilometer stellen.
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42б
IV. Schiflfswiderstand und Schleppzug.
Wandertaubetrieb. Eine besondere Zugsart ist der in der Kanalhaltung
zwischen der Aisne und Marne im 2,5 km langen Tunnel von Mont de
Billy versuchsweise eingeführte Wandertaubetrieb (Bild 285 und 286) mittels
eines endlosen Seiles.
Das Wandertau, auf welches die Schiffer die Zugleinen ihrer Fahrzeuge
festklammern, läuft auf zwei übereinander angebrachten Reihen von Seilrollen
a und b längs des Kanalufers und
wird durch Dampfkraft, langsam fort-
bewegt
Dieser Betrieb wurde zuerst am
Saint-Maurice-Kanal von Levy
angewandt Obwohl das am Ufer
fortschreitende Seil aus dünnen Stahl-
drähten bestand, und sehr biegsam
war, trat beim Zuge dennoch die
nachtheilige Erscheinung auf, dass
sich dasselbe bald um seine Achse
zu drehen begann und sich in der
für die Zugleinen angebrachten Auf-
hängevorrichtung verwickelte,wodurch
Betriebsstörungen verursacht wurden.
Diesem Uebelstande soll das
Drahtseil von Beck abhelfen,
welches quadratisch geflochten ist
und deshalb nicht in drehende Be-
wegung kommen kann, weil es nicht
in einem Stücke gesponnen, sondern
aus mehreren Stücken zusammen-
gesetzt ist, deren einzelne Litzen ab-
wechselnd nach rechts und nach links
gewunden sind, wodurch die auf-
tretenden Drehkräfte sich gegenseitig
aufheben. Am besten dürfte sich je-
doch für den Wandertaubetrieb das
kürzlich im Schiffahrtsbetriebe einge-
führte, Seite 189 beschriebene Hanf-
rund seil, (Patent Kirsch) eignen,
welches bei grosser Biegsamkeit und
hoher Zerreissfestigkeit vor allem die
Eigenschaft besitzt, dass sein kreisrunder Querschnitt jeder Kraft, welche das
Seil in achsiale Drehung bringen will, Widerstand leistet und vollständig
starr bleibt.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass der russische
Ingenieur Gherassinoff einen Wandertaubetrieb in der Weise erdacht
hat, dass das endlose Seil nicht am Ufer, sondern in Führungsrollen laufen
soll, welche auf über dem Kanalbette liegenden Quei seilen gelagert sind.
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Bild 284.
Seitenansicht und Daraufsicht
(M. 1 : 100.)
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Schleppzug auf Kanälen.
427
Nachtheile der einzelnen Eanalzngsmittel, Die Kettenschiffahrt im
Kanalbetrieb ist wie schon erwähnt als keine vollkommen wirthschaftliche
Anlage zu betrachten.
Der Kettenbetrieb Bovet für Einzelschleppe, sowie die Schrauben-
steuer haben den Nachtheil, dass die jedesmalige Anbringung und Abtragung
^^
Bild 285. Längenansicht und Grundriss des Wandertaubetriebes im Mont-de-Billy.
der Zugsvorrichtungen auf den verschiedenen Schleppverdecken zeitraubend
und keine genügend einfache Handhabungen sind. Dagegen ist der Einzel-
betrieb mittels Schraubenrädern wesentlich einfacher.
Lamb's Drahtseilbahn hat seine Schwierigkeiten beim Zuge in
Krümmungen, während welchem das Tragseil, auf dem die Lokomotive
läuft, sich zu den Masten in einen spitzen Winkel stellt, wodurch dieselbe
entgleisen oder zeitweilig unwirksam werden kann. Ferner wird das um die
kleine Windetrommel laufende Zugseil bei jeder Durchfahrt der Lokomotive
neben der Maststütze stark beansprucht, verschiebt sich auf der Trommel
beständig, wobei sich die einzelnen Seilschläge aneinanderreihen. Die
Trägerbahn Thwaite-Cawley ist dagegen wesentlich stärker konstruirt,
aber eine zu kostspielige Anlage.
Das Dreirad hat eine geringere Nutzleistung als die auf einer oder
zwei Schienen laufende elektrische Lokomotive, weil es sich des natürlichen
Treppelweges als Stützpunkt bedient, daher beträchtliche Reibungsverluste
erfährt, dagegen aber den Vor-
zug leichter Handhabung und
grosser Beweglichkeit.
Der Kanalzug mit der elek-
trischen Lokomotive giebt
die beste Zugsleistung, behindert
aber die Bewegungsfreiheit am
Kanalufer mehr als das Dreirad.
Der Schraubenbootbe-
trieb am Erie-Kanal hat endlich
den Nachtheil, dass ein der-
artiger Zug schwierig zu
steuern ist.
Ein gemeinsamer Nachtheil letzterer Zugsarten ist, dass der Zug, die
Kettenschiffahrt und den elektrischen Schraubenbootbetrieb am Erie-Kanal
ausgenommen, vom Kanalufer aus geschieht und dass die Uebertragung der
elektrischen Kraft bei allen in mehr oder minder zusammengesetzter Weise
erfolgt, wodurch die freie Schiffahrtsbewegung im Kanäle gestört wird, weshalb
der Schiffer den freifahrenden Zugsmitteln immer den Vorzug geben wird.
Bild 286.
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428 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Kanalzug mittels Schrauben- oder Schraubenraddampfer. Zum Schlepp
zuge im stromlosen Kanalwasser werden sich daher am vortheühaftesten
kleine Schraubenbugser (Bild 287 und 288) eignen, welche das dem
Schiffer wohlbekannte Zugsmittel darstellen, den Verkehr entlang der Kanal-
ufer nicht stören und sowohl während der Fahrt als auch während aller
Manöver volle Bewegungsfreiheit gewähren.
Ein Nachtheil des Schraubenbootbetriebes liegt nur darin, dass Schrauben
mit grösseren Tauchtiefen auf die Sohle und Böschungen schädlich wirken.
Man wird deshalb entweder zwei Schrauben mit kleineren Durchmessern
oder am günstigsten das Seite 274 beschriebene Schraubenrad anwenden.
Letzteres taucht nur 0,50 bis 0,80 m
und hat bei einem verhältnismässig
grossen Durchmesser einen guten Wir-
kungsgrad, sowie einen gegenüber der ge-
wöhnlichen Schraube geringeren Slip.
Der Vortheil des Schraubenrades für den
Kanalbetrieb liegt jedoch hauptsächlich
darin, dass seine Druckflächen eine nur
kleine Steigung haben und daher die von
diesen bewegten Wassermengen nicht so
Bild 287. Schraubenbugser mit gross als bei der Schraube sind und zu
So i. HP. auf den belgischen Kanälen, beiden Seiten des Kielwassers parallel mit
demselben unter sehr geringer Wellenbildung abfliessen.
WirthschafÜichkeit der einzelnen Kanalzugsmittel. Um den wirthschaft-
lichen Werth der verschiedenartigen elektrischen Schleppzugsanlagen be-
urtheilen zu können, ist es in erster Linie nothwendig, deren Wirkungs-
grad, Anlage- und Zugskosten zu ermitteln.
Der Wirkungsgrad hängt von den Kraftverlusten ab, welche von der
Arbeit an der Welle des Elektromotors bis zu der unmittelbar auf den Schlepp
ausgeübten Zugkraft entstehen. Die Kraftverluste in Folge Umwandlung der
Kohle in Elektrizität und die durch deren Fernleitung entstehenden Verluste
werden, weil diese bei allen in Frage kommenden Anlagen nahezu gleich
bleiben, unberücksichtigt gelassen.
Beim Kettenbetrieb Bovet, der Seilbahn Lamb und der Trägerbahn
Thwaite-Cawley, wird der Wirkungsgrad auf beiläufig 60, bei der elektrischen
Lokomotive auf äusserst 85 pCt. veranschlagt. Demgegenüber hat die Schraube
bei den im Kanäle auftretenden geringen Zugsgeschwindigkeiten allerdings
nur einen Wirkungsgrad von 30 bis 35 pCt., das Schraubenrad einen solchen
von 35 bis 40 pCt., jedoch entfallen bei letzteren die theueren Anlagekosten,
welche die übrigen Zugsarten bedingen.
Die Kraftverluste zerfallen in jene, welche durch die verschiedenen Ueber-
setzungen zur Verminderung der Umdrehungszahl des Elektromotors bedingt
sind, und in jene, welche durch die Konstruktionseinrichtungen zur Ueber-
tragung der Zugkraft entstehen. Die Verluste durch die Uebersetzungen
steigern sich natürlich mit der Zahl derselben. Bei grösseren Motoren von
20 Pferdestärken wird man im Allgemeinen mit zwei Uebersetzungen aus-
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Schleppzug auf Kanälen.
429
kommen, während bei kleineren Motoren bis etwa 10 Pferdestärken schon
drei Uebersetzungen erforderlich sind. Je nach der Zahl der Vorgelege untJ
der Ausführung der Räder dürften die Verluste durch Uebersetzungen
zwischen 10 bis 20 pCt. betragen.
Der Wirkungsgrad der Zugkraft ist bei allen Zugsarten bis auf das-
jenige des Dreirades verhältnismässig gut. Sowohl der Einzelbetrieb Bovet, wie
die Seiltrommel Lamb, als auch die Adhäsionsräder der Trägerbahn Thwaite-
Cawley und die elektrische Lokomotive werden mit Verlusten bis 10 pCt.
arbeiten. Beim Scbleppdreirad entstehen jedoch durch das Rollen der Treib-
räder auf dem rauhen Treppelwege verhältnismässig grosse Verluste, denn es
findet nicht nur ein einfaches Rollen statt, sondern die Treibräder, welche
die doch ziemlich bedeutende Zugkraft auf den Erdboden zu übertragen
haben, werden einzelne Theile der Wegoberfläche aufwühlen und nach rückwärts
treiben, wodurch verlustbringende Reibungen entstehen.
Bild 288. Schraubenbugser mit 100 i. HP. und Heckraddampfer mit 140 i. HP. für
den Bega-Kanal.
Der Wirkungsgrad des Wandertaubetriebes nimmt auf weite Ent-
fernungen hin rasch ab, während er auf kurze sehr hoch ist. Derselbe hat
aber bei grossem Verkehre so viele Betriebsvortheile , dass es nothwendig
wäre, die Versuche mit demselben noch fortzusetzen.
Die grössten Kraftverluste wurden bisher bei den Schraubensteuern
beobachtet, zu deren Betrieb verhältnismässig zwei- bis dreimal mehr Kraft
als bei den anderen Zugsarten erzeugt werden muss.
Die Anlagekosten der Kettentauerei, des Wandertaubetriebes und der
Einschienenbahn für den Lokomotivbetrieb dürften sich so ziemlich die Wage
halten. Bei der Kette und den sich stark verschleissenden Drahtseilen wird
man auch deren geringe Lebensdauer berücksichtigen müssen.
Am grössten gestalten sich die Anlagekosten bei der Trägerbahn
Thwaite-Cawley. Die zur Verwendung gelangenden Z-Träger müssen zu-
mindest ein Gewicht von 50 kg für den laufenden Meter erhalten, alle 10 m
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430 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug. *
weit angebracht und tief in die Erde versenkt werden, damit sie die starken
seitlich wirkenden Kräfte aushalten.
Günstiger stellen sich die Anlagekosten bei den 30 m von einander
entfernt stehenden Stutzmitteln der Hängebahn, bei welcher auch das Drahtseil
viel billiger als die schwere Trägerbahn ist. Dafür muss aber wieder mit dem
raschen Verschleiss des Seiles gerechnet werden.
Das Dreirad ergiebt sehr geringe Anlagekosten. Der Treppelweg muss
nur in Ordnung gehalten und seine Beschädigungen durch die Treibräder
ausgebessert werden.
Die Schraubensteuer, die gewöhnliche Schraube oder das Schraubenrad
haben das Wasser als Stützmittel und erfordern daher gar keine besonderen
Anlagekosten. Bei der Schiffsschraube sind die von der Wasserbewegung
derselben herbeigeführten Beschädigungen der Kanalsohle und der Böschungen
in Rechnung zu ziehen.
Was die Zugskosten betrifft, so sind diese theoretisch genommen
im Allgemeinen um so höher, je kleiner der verwendete Elektromotor ist,
weil hiervon die verhältnismässige Grösse der Zugsleistung abhängt. Deshalb
sind dieselben um etwas grösser beim elektrischen Einzelkettenbetrieb, dem
Schraubensteuer, der Hängebahn und der Trägerbahn als beim Schleppdrei-
rad und der elektrischen Lokomotive.
Beim Vergleich der Bedienungskosten ist nur die Bemannung der
einzelnen Zugsmittel zu berücksichtigen, nachdem die Bedienung der elektrischen
Kraftstellen und Leitungen bei allen nahezu gleich bleibt. Werden mehrere
Schleppe zu einem Zuge vereinigt, so verringern sich die Kosten, dagegen ent-
stehen aber längere Aufenthalte an den Schleusen, wenn diese nur für die
Schleusung je eines Schleppes eingerichtet sind. Beim Dampferbetrieb erhöhen
sich die Bedienungskosten durch die grössere Dampferbemannung. Wenn
man aber in Erwägung zieht, dass die mechanischen Zugseinrichtungen
geschultere, daher theuere Bedienungsmannschaften erfordern, so fällt der
Umstand, dass zur Bedienung eines Schraubenbootes eine grössere Be-
mannung als bei den übrigen erforderlich ist, nicht in die Wagschale.
Für den Zug mehrerer Schleppe in einem Anhange ist ausser dem
Dampferbetriebe nur die elektrische Lokomotive geeignet, weil deren Zugkraft
entsprechend gesteigert werden kann. Bei den anderen Zugsarten ist eine
solche Steigerung der Kräfte ohne weiteres nicht möglich. Lamb und Thwaite-
Cawley gestatten Leistungen bis höchstens 7 Pferdestärken, welche aber nur
für den Zug eines. Schleppes genügen. Die magnetische Einzeltauerei lässt sich
deshalb nicht auf einen Schleppzug anwenden, weil die auf dem ziehenden
Schiffe anzubringende Vorrichtung, wenn sie eine grössere Zugkraft ausüben
soll, zu schwer und umfangreich ausfallen würde. Ebenso können die
Schraubensteuer nur einen Schlepp vorwärts bewegen. Dieselben, sowie die
abnehmbaren Schraubenräder sind übrigens auch nur für Einzelfahrten
geplant.
Tonneiikilometrisclie Kosten des Kanalznges. Die Kosten der einzelnen
Zugsmittel für ein Tonnenkilometer können natürlich nur annäherungs-
weise angegeben werden.
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Schleppzug auf Kanälen. 431
Nach französischen Mittheilungen stellen sich die Zugskosten des dortigen
Pferdebetriebes auf 0,30 bis 0,45 Heller für i tkm. Die Zugskosten der
übrigen mechanischen Zugsarten berechnen sich annähernd auf Grundlage
einer Leistung von 500 Millionen Tonnenkilometer: für das Schleppdreirad
auf etwa 0,26 Heller, für die elektrische Lokomotive auf 0,20 bis 0,24 Heller,
für den Schleppzug mit Wandertau auf 0,25 bis 0,35 Heller, für den Schiff-
betrieb mit der Schraube im Steuer auf 0,30 bis 0,40 Heller, für den Ketten-
betrieb Bovet auf 0,26 bis 0,32 Heller, für den elektrischen Schraubenrad-
betrieb auf 0,21 Heller und endlich für den Schleppzug mittels Schrauben-
oder Schrauben raddampf er auf 0,20 bis 0,25 Heller für i Tonnenkilometer.
Baurath Werneburg hat in der Zeitschrift des Central-Vereins für
Hebung der deutschen Fluss- und KanalschifFahrt eine eingehende Berechnung
verschiedener Zugsarten für eine angenommene Kanallânge von 50 km und
für den Zug der auf den französischen Kanälen üblichen Péniche (38,5 m lang,
5,0 m breit, 280 bis 300 Tonnen Ladefähigkeit, bei 1,8 m Tauchung) unter Zu-
grundelegung der Widerstandswerthe von de Mas und eines Verhältnisses des
Kanalquerschnittes zum Schiffsquerschnitte von n = 3,24, für einen Verkehr
von I bis 3 Millionen Tonnen angestellt, deren Ergebnis in umstehender
Tafel dargestellt ist.
Zweigeleisige Kanalzugsanlageu. Insbesondere muss noch darauf
hingewiesen werden, dass die mechanischen Zugseinrichtungen immer zwei-
geleisig angelegt werden sollen, weil, wenn man dieselben nur längs
eines Kanalufers führt, die Kreuzung von Schleppen oder Schleppzügen sehr
erschwert wird. Die auf Trägern laufenden oder auf Seilen hängenden
kleinen Schlepplokomotiven können nur auf einer bestimmten Strecke hin
und her pendeln und müssen daher jedesmal die von ihnen geschleppten Schiffe
austauschen. Voraussetzung für eine solche Art des Betriebes ist natürlich,
dass dieses fortwährende Austaulassen der geschleppten Schiffe den Verkehr
nicht behindere. Eine ähnliche Schwierigkeit würde sich auch beim Tauerei-
betrieb ergeben, wenn derselbe nicht von vornherein zweigeleisig eingerichtet
wird. Die Kette müsste dann bei sich begegnenden Schiffen immer abge-
nommen, die Schiffe in ihrer Lage verschoben und die Kette wieder aufgelegt
werden.
Lamb und Thwaite haben die Bedienung der Lokomotive durch die
Mannschaft des geschleppten Schiffes in Aussicht genommen. Bei dieser
Voraussetzung ist es nicht möglich, mit einem Geleise auszukommen, weil in
diesem Falle das Austauschen der Treidelleine und vor allem der Strom-
abnahme Vorrichtung von Schiff zu Schiff praktisch nicht durchführbar ist.
Beim Lokomotivbetrieb und noch günstiger beim Dreirade ist eine ein-
geleisige Anlage zwar möglich, weil dieselben bei Schiffskreuzungen bis dicht vor
einander fahren, die Treidelleinen austauschen und wieder in entgegengesetzter
Richtung abgehen können. Es ist jedoch, besonders bei der elektrischen
Lokomotive, bei dieser Handhabung sowohl ein Zusammenstoss der Schiffe,
als auch ein Verwickeln der Treidelleine, welches unter Umständen zeit-
raubende Störungen .bringen könnte, nicht ausgeschlossen, weil die in ent-
gegengesetzter Richtung fahrenden beladenen Schleppe ♦^rotz rechtzeitig ver-
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432
IV. Schiffs widerstand und Schleppzug.
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Schleppzug auf Kanälen. aoo
ringerter Fortgangsgeschwindigkeiten ein grosses Trägheitsmoment haben und
nur langsam zum Stillstande gebracht werden können.
Günstig liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse nur beim Einzel-
betrieb mit Schraubenrädern oder dem Schraubensteuer, bei welchen kein
Austausch stattzufinden braucht, weil die Fahrzeuge bei entsprechender An-
lag:e der Stromoberleitung leicht aneinander vorbeifahren können.
Betriebssicherheit der einzelnen Kanalzugsmitte]. Wichtig ist noch die
Frage der möglicherweise eintretenden Betriebsstörungen, weil von diesen
die ganze Lebensfähigkeit einer Schleppzugsanlage abhängt. Solche Betriebs-
störungen sind darum um so schwerwiegender, weil sie nicht nur das ein-
zelne Schiff, welches geschleppt wird, trefien, sondern auch alle diesem folgen-
den Schiffe in Mitleidenschaft ziehen. So verursacht beispielsweise ein
Kettenbruch, wenn derselbe im stromlosen Kanalwasser auch unbedenklich
ist, dennoch Aufenthalte für sämmtliche nachkommenden Schleppzuge.
Kurzschlüsse in der Kabelleitung können bei allen elektrischen Zugsarten
entstehen, ebenso kann eine Entgleisung des am Ufer auf der Leitung laufen-
den Kontaktwagens eintreten. Bei der Stromabnahme eintretende Störungen
können übrigens leicht behoben werden.
Die Betriebssicherheit der Seilbängebahnen lässt zu wünschen übrig, weil
das Trag- und Zugseil stark beansprucht werden, wodurch Brüche von ein-
zelnen Drähten wahrscheinlich sind. Ferner ist die Standfestigkeit der
Masten schwer zu erreichen, weil dieselben nicht nur durch die stets vor-
handenen Seilkräfte, sondern auch durch diejenigen Kräfte, welche jedesmal
bei Durchfahrt der Hängelokomotive neben den Masten auftreten , be-
ansprucht werden, da sobald sich eine Lokomotive einer Mastspitze nähert,
diese durch die nun grössere Seilkraft nach der Lokomotive hingezogen wird,
wodurch eine fortwährende Aenderung in der Kraftrichtung eintritt, der Mast
in Schwankungen geräth und im Boden gelockert wird. Die Anlage Thwaite-
Cawleys ist allerdings bedeutend derber wie jene von Lamb, ihre Betriebs-
sicherheit daher besser, jedoch ist beiden der Nachtheil gemeinsam, dass die
hochhängenden Lokomotiven schlecht zugänglich sind und bei einer ein-
tretenden Ausbesserung erst von ihren Luftgeleisen herunter geschafft werden
müssen.
Die Betriebssicherheit des Dreirades und der Lokomotive ist dagegen
nahezu einwandfrei. Besonders ersteres kann im Falle eintretenden Bruches
sofort an Ort und Stelle durch ein anderes ersetzt werden.
Behinderung des Treidelweges. Auf den bestehenden Kanälen wird im
Allgemeinen noch mit Vorliebe der Pferdezug ausgeübt. Diese Zugsweise
wird natürlich nicht auf einmal durch den elektrischen Betrieb zu ersetzen
sein. Es liegt deshalb das Bestreben nahe, diesen sich auf dem Treidelwege
bewegenden Schleppdienst nicht durch die Neuanlage einer elektrischen
Schleppeinrichtung zu stören. Dieses wird nur durch den Dampferbetrieb, die
Tauerei, durch die Schraubensteuer und den Schraubenradbetrieb erreicht.
Für Lamb und Thwaite-Cawley war dieser Gesichtspunkt massgebend, die
kostspielige Anordnung der Hochgeleise zur Durchführung zu bringen.
SuppAn, WasscTstrassen und Binnenschiffahrt. 28
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424 IV. Schiflfswiderstand und Schleppzug.
Das Dreirad beschränkt den Raum des Treidelweges in nur geringem
Masse, dagegen wird derselbe durch die Lokomotivgeleiseanlage stärker ein-
geschränkt. Bei diesen Zugsarten bildet übrigens noch der Umstand eine
Schwierigkeit, dass bei Ueberholen von Schiflen die Zugleine über das über-
holte Schiff geführt werden muss, was unter Umstanden zeitraubend ist.
Durchfahren der Schleusen. Endhch müssen die Kanalzugsweisen noch
vom Standpunkte des unbehinderten Durchfahrens der Schleusen be-
urtheilt werden. Lamb, Thwaite, das Dreirad, die Lokomotive und vor
allem die Schraubensteuer und elektrischen Schraubenräder haben den Vor-
theil, dass sie alle den Schlepp unmittelbar in die Schleuse hineinziehen
können. Bei Bovet ist es erforderiich, die Kette von der Windetrommel
abzuwerfen, bevor das Schiff in die Schleusen einfährt und später die Kette
wieder aufzulegen, sobald dasselbe durch die Schleuse gefahren, wodurch ein
Zeitverlust entsteht. Beim Dampferbetrieb müssen die Schleppe vor der
Schleuse aus Tau gelassen werden. Zumeist wird man jedoch vcjp den zwei
Schleppen eines Dampferzuges den vorderen unter Ausnützung seines Vor-
wärtsganges (Trägheitsmomentes) in die Schleuse von selbst langsam ein-
fahren lassen und den zweiten indessen am Kanalufer verheften.
c) Lokomotivzug und Dampferbetrieb.
Zugskosten des elektrischen Lokomotivznges. Die Frage, welches Zugs-
mittel auf einem Kanäle, damit ein wirthschaftliches Ergebnis erzielt werde,
angewendet werden soll, hängt in erster Linie von der baulichen Anlage des
Kanales ab. Wird ein Schleusenkanal gebaut, so wird mit Rücksicht auf
die vielen Schleusen und kurzen Haltungen beispielsweise das Dreirad
und insbesondere die elektrische Lokomotive gut entsprechen, weil mit den-
selben jedes Fahrzeug rasch in und aus den Schleusen befördert werden kann.
Beim Lokomotivbetrieb wird dabei vorausgesetzt, dass die Anlage längs beider
Kanalufer ausgeführt wird, weil bei einem eingeleisigen Betriebe durch das
Wechseln der Zugseile bei sich kreuzenden Lokomotiven und durch die In-
taunahme von am gegenüberliegenden Kanalufer stehenden Schleppen bei
grösserem Verkehre Betriebsstörungen zu gewärtigen sind.
Vom Standpunkte der Zugskosten stellt sich, wie dieses die Versuche
auf dem Finowkanale nachgewiesen haben, der elektrische Lokomotiv-
betrieb sehr wirthschaftlich.
Siemens und Halske haben sich mit dieser Frage eingehend be-
schäftigt und die elektrische Lokomotive derart ausgebildet, dass sie bei
einem Gewichte von 3500 kg eine Zugkraft von 1000 kg mit i m Fahr-
geschwindigkeit in der Sekunde entwickelt, wozu eine Kraft von 10 Pferde-
stärken am Zugshaken nothwendig ist, der Elektromotor daher 15 Pferde-
stärken leisten muss, weil die Arbeitsverluste desselben 5 Pferdestärken be-
tragen. Der Lokomotive müssen, wenn der möglichst grösste Wirkungsgrad
derselben mit 0,85 gefordert wird, eine Arbeit von 13 000 Watt zugeführt
werden.
Die Zugskosten, bei eingeleisiger Anlage, wenn jeder Schlepp
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Schleppzug auf Kanälen. 435
einzeln gezogen wird und eine mittlere Ausnutzung von 400 Tonnen Nutzlast
hat, sollen sich mit derart konstruirten Lokomotiven auf dem geplanten
Schleusenkanal Bud weis -Wien, eine Gesammtleistung von 470 Millionen
Tonnenkilometer vorausgesetzt, bei löstQndigem Tagbetrieb auf 0,24
Heller und bei 24 standigem Tag- und Nachtbetrieb auf 0,19 Heller
pro I tkm stellen. In den Zugskosten sind eine 4 prozen tige Verzinsung und
Abtilgung aller Bausummen für die Kraftanlagen, Geleise, Lokomotiven, ferner
deren Instandhaltungskosten, der Kohle- und Schmierverbrauch, sowie der Ver-
brauch an Abnützungsgegenständen und alle Gehalte und Löhne inbegriffen.
Die Kosten für die den Kanal befahrenden Schleppe — im Donau-
betriebe mit Schleppekosten (Bootskosten) bezeichnet — werden bei
16 ständigem Tagbetrieb mit 0,33 Heller und bei 24 standigem Tag- und
Nachtbetrieb mit 0,25 Heller berechnet.
Die Gesammtkosten dieses Lokomotivbetriebes werden demnach
bei löstandigem Tagbetriebe auf 0,57 Heller und bei 24 stündigen
Tag- und Nachtbetrieben auf 0,44 Heller pro i tkm veranschlagt.
Zngskosten des Dampferzuges. Bei Anwendung geneigter Ebenen,
wodurch sich nur wenige Schleusen und lange Kanalhaltungen ergeben,
ist jedoch in wirthschaftl icher Beziehung der freifahrende Schleppzug mittels
Schrauben- oder Schraubenraddampfern dem elektrischen Lokomotiv-
zuge gleichwerthig, was durch folgende Berechnung erwiesen werden soll:
Angenommen wird eine Kanalstrecke von 275 km Länge, etwa der zu-
kanftige Donau-Oder-Kanal von Wien nach Oderberg, unter folgenden Voraus-
setzungen :
1. Jeder Schleppzug besteht aus zwei eisernen Schleppen mit durch-
schnittlich je 400 Tonnen Ladung, so dass ein Zug in beiden Richtungen
des Kanales 800 Tonnen befördert.
2. Als Schlepptypen kommen die Seite 301 und 302 beschriebenen
670 und 650 Tonnenschleppe , welche bei i ,80 m Tauchung 630 bezw.
530 Tonnen Nutzlast nehmen, in Verwendung.
3. Der Kanalquerschnitt beträgt das Vierfache des eingetauchten grössten
Querschnittes des 670 Tonnenschleppes.
4. Die durchschnittliche jährliche Betriebsdauer wird mit 280 Tagen, die
mittlere Zugsgeschwindigkeit in den langen Haltungen mit 4 km in der Stunde
angenommen.
5. Die Kostenberechnung des Dampfers erfolgt schon bei 16 stündigem
Betrieb mit doppeltem Bemannungsstande.
6. Die Verminderung der Fortgangsgeschwindigkeit bei allen Kreuzungen
zweier Schleppzage im Kanalquerschnitt wird, obwohl dieselbe, wenn die beiden
Anhänge knapp nebeneinander vorbeifahren auf beiläufig 200 m Kanallange
nicht unbedeutend ist und bis 30 pCt. betragen kann, nicht in Rechnung
gezogen. Ebenso kann der Einfluss von Wind, sowie einer gegebenen Falles
auftretenden Kanalströmung nicht veranschlagt werden.
Berechnang der Dampferzagkraft. Der Zugswiderstand für den буоТоппеп-
schlepp bei 1,80 m Tauchung berechnet sich im Flussprofile nach der Donau-
28*
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4з6 IV. Schiffswiderstand und Schlcppzug.
formel mit 210 kg. Der Widerstand in dem Kanäle wird sich somit bei einem
Verhältnis : 4 fâcher Wasserquerschnitt zum Schiffsquerschnitt und bei geradem
Zuge in der Kanalmitte auf rund das 272 fache, sohin auf 525 kg stellen.
Wenn man, solange die Schleppe nicht mit Steuervorrichtungen aus-
gerüstet sind, welche es ermöglichen, den Schlepp während des Zuges stets
im geraden Kurs und in der Kanalmitte zu halten, die durch die unruhige
Steuerfähigkeit auftretenden Mehrwiderstände mit 15 pCt. beziffert, so wird
es vollständig ausreichen, wenn für den beladenen Eisenschlepp bei 4 km
Zugsgeschwindigkeit rund 600 kg und demnach für den Schleppzug, bestehend
aus zwei Schleppen, 1200 kg Kanalwiderstand eingesetzt werden.
Der Eigenwiderstand eines Schraubenraddampfers von 20 m Länge, 5 m
Breite und 0,80 m Tiefgang berechnet sich bei seinem zum Wasserquerschnitte
des Kanales vortheilhaften Eigenquerschnitte selbst bei 5 km Todtwasser-
geschwindigkeit auf nur 120 kg, der Gesammtwiderstand eines Schlepp-
zuges sammt dem Dampfer daher auf äusserst 1320 kg.
Demnach die indizirte Maschinenleistung bei einem Wirkungsgrade von
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ri = 0,35 auf: Ni = = -^ ^^^ = 70 1. HP.
Es wird somit ein Schraubenraddampfer' von 80 ind. HP. unter allen
Umständen für den Zug zweier vollbel adener Schleppe obiger Type bei einer
mittleren Zugsgeschwindigkeit von 4 km in der Stunde ausreichen. Bei einem
gewöhnlichen Schraubenbugser werden infolge der grösseren Eintauchung des
Schiffskörpers (am Hintersteven mindestens 1,50 m), sowie des grösseren Slips
rund 100 i. HP. anzusetzen sein.
Berechnung der Selbstkosten eines Dampferbetriebes. Der Dampfer leistet
täglich: 16 Fahrstunden X 4 km = 64 Dampferkilometer. Er wird die 275 km
Kanallänge in 69 Fahrstunden oder in 47, Tagen durchfahren, somit 4V2 Tage
für die Hinfahrt, 4^2 Tage fOr die Rückfahrt und, wenn man für Aufenthalte und
Manöver noch einen weiteren Tag rechnet, für eine volle Reiseio Tage benöthigen,
in 280 Tagen daher 28 Reisen, oder in einem Betriebsjahre 28 X 138 = 3864 Fahr-
stunden machen, was der mittleren jährlichen Fahrstundenleistung eines Donau-
zugdampfers (= 4000**) entspricht.
Kosten des Dampfers. Baukosten des Dampfers sammt Ausrüstung 40 000 Kr«
Für jährliche Abschreibung und Unterhaltungskosten des Dampfers
und seiner Ausrüstung, sowie für Verluste an Ausrüstungs-
gegenständen 10 pCt 4000 „
Für 5 pCt. Verzinsung des Anlagewerthes 2 000 „
Für Löhne und Bordgebühren:
I Schiflfsführer, gleichzeitig Steuermann . . . 2000 Kr.
I Maschinist 1600 „
I Matrose 800 „
I Heizer 1000 „
5400 Kr.
daher mit doppelter Bemannung .... 10 800 „
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Schleppzag auf Kanälen. 43 y
Für Kohle im Mittel rund 1000 kg für eine Fahrstunde
oder für 3864 Fahrstunden 386 Tonnen
Hierzu 10 pCt. Mehrverbrauch für Manöver und Still-
iegen 39 n
giebt zusammen 425 Tonnen
I Tonne mit 12 Kronen = 5 100 Kr.
Für Schmiere-, Beleuchtungs- und Kleinmateriale 10 pCt. . . . 510 „
22 410 Kr.
Für allgemeine Ver waltungsauslagen, Leitung, Versicherung, Unfälle,
Steuern 10 pCt 2241 „
Gcsammte Jahreskosten eines Dampfers 24 651 Kr.
Die Dampferleistung betragt in einer Reise zu je 10 Tagen 2X2 Schleppe
mit 400 Tonnen = 1600 Tonnen X 275 km Kanallange = 440 000 tkm, daher
in 28 Reisen rund 12 000 000 Tonnenkilometer, was weit unter der Jahres-
zugsleistung eines Zugsdampfers im Donaubetriebe (25 000 000 tkm) steht.
In Wirklichkeit wird somit die Dampferleistung im Kanäle grösser ausfallen.
Die Zugskosten eines Dampferbetriebes stellen sich daher für ein
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Tonnenkilometer auf — = 0,20 Heller.
12 000000 tkm
Kosten der Schleppe. Baukosten des Schleppes sammt Ausrüstung 50 000 Kr.
Für jahrliche Abschreibung und Unterhaltung, Brennöl, Heiz- und
Kleinmaterial, sowie Ausrüstungs Verluste, ferner für allge-
meine Verwaltungsauslagen, Steuern und Versicherung 10 pCt. 5000 „
Verzinsung des Anlagekapitals 5 pCt 2 500 „
Löhne I Steuermann looo Kr.
I Matrose 800 „
1800 Kr,
daher mit doppelter Bemannung 3 600 „
Gcsammte Jahreskosten eines Schleppes 11 100 Kr.
Obwohl nach der Dampferleistung auf je i Schlepp in 10 Tagen eine
Reise fällt, so wird dennoch nach den Erfahrungen des Donaubetriebes für Zeit-
verluste durch Liegetage, durch Einladung und Ausladung, sowie durch andere
verschiedenartige Schleppaufenthalte die doppelte Dauer von Fahrtagen, also
20 Tage für eine Hin- und Rückfahrt eines Schleppes im Kanäle in Rechnung
gestellt. 20 Tage für eine Schleppreise hin und zurück mit 400 Tonnen
= 2 X 400 = 800 Tonnen X 275 km Kanallänge = 220 000 tkm, oder in
280 Tagen d. i. in 14 Schleppreisen rund 3 000 000 tkm Jahresleistung. Es
werden daher zu je einer Dampferleistung von 12000000 tkm 4 Schleppe
benöthigt. Die Schleppekosten für ein Tonnenkilometer stellen sich somit
. 4 • II Л00 -- „
auf = 0,37 Heller.
12000000
Die Selbstkosten sammt allgemeinen Verwaltungsauslagen
werden sich also beim Schleppzuge mit Schraubenraddampfern oder Schrauben-
booten auf 0,20 Heller Zugskosten und
n 0,37 „ Schleppekosten
daher insgcsammt auf 0,57 Heller für i Tonnenkilometer stellen.
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4з8 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
Es muss ausdrücklich bemerkt werden, dass hierbei alle Auslagen reich-
lich gerechnet und eine geringe Leistung angenommen wurde. Die nur etwa
70 prozentige Ausnutzung des Schlepptragvermögens (400 t) wurde deshalb
gewählt, weil dieses die thatsächliche mittlere Ausnutzung der 600 Tonnen-
schleppe im Donaubetrieb bis Wien ist.
Vergleich der Dampfer- und LokomotiYzugskosten. Die Selbstkosten eines
geregelten Dampferschleppzuges erreichen demnach keine grössere Höhe als
die für den Lokomotivzug berechneten, welche sich bei gleicher täglicher
Betriebsdauer auch mit 0,56 Heller für das Tonnenkilometer berechnen.
Auf den alten Kanälen ist derzeit noch immer der Pferdezug die vor-
herrschende Zugsweise. Das Mittel zur Anwendung des Pferdezuges ist der
Leinpfad, welcher bei jedem Kanalnetz vorhanden ist und den dem Kanäle
eigenthümlichen Betrieb darstellt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass bei Ein-
richtung einer elektrischen Zugsanlage auf einem bestehenden Kanäle der
altgewohnte Pferdezug sofort verschwinden wird. In der Zeit des Ueber-
ganges vom Pferdezug zum elektrischen Betriebe werden die Schiffer daher
letzteren nur streckenweise benutzen und grossen Theiles bei ihrem Pferde-
betrieb bleiben, wodurch der elektrische Zug anfangs kein wirthschaftliches
Ergebnis liefern kann. Der Schraubendampfer aber, welcher weder vom
Leinpfad noch von einer elektrischen Leitung abhängig ist, kann sich seine
Geschäfte überall suchen und wird auch neben dem Pferdebetrieb immer einen
bestimmten gewinnbringenden Verkehr an sich ziehen können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass für ein bestehendes Kanalnetz eine neue
Betriebsweise sofort eingeführt und die vorhandene beseitigt wird, ist also
nicht vorhanden. Es wird vielmehr der alte Betrieb erst nach und nach ver-
schwinden, wenn das zeitgemässe Zugsmitel seine Ueberlegenheit unzweifelhaft
nachgewiesen hat.
Staatlicher und einheitlicher Kanalbetrieb. Anders liegen die Verhältnisse
bei neu zu schaffenden grosszügigen Kunstwasserstrassen, auf welchen,
wenn nothwendig, vom Staate selbst eine bestimmte geregelte Zugs-
art eingeführt werden kann, deren Verzinsung dann, weil sie allgemein be-
nutzt werden muss, gesichert erscheint. Mit Rücksicht auf den geringen
Kanalverkehr der ersten Jahre wird man aber auch eine solche nur in der
oben angeführten Weise nach und nach einführen können.
Eine allgemeine Einführung einer bestimmten einheitlichen Zugsart
wird demnach erst dann stattfinden, wenn der Staat den Betrieb selbst über-
nimmt oder an Gesellschaften verpachtet und die Allgemeinheit verpflichtet,
diesen Betrieb zu benützen. Hierdurch würde aber die Eigenthümlichkeit der
Wasserstrassen, deren Freizügigkeit, sowie der allgemeine Wettbewerb verloren
gehen und kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Eisenbahnbetriebe
mehr bestehen, da in diesem Falle auf beiden die Zugkraft monopolisirt wäre.
Es ist sehr die Frage, ob es zweckmässig ist, auf künstlichen Wasser-
strassen den Zugdienst in einer staatlichen oder unter staatlicher Aufsicht
stehenden Gesellschaft zu vereinigen, welche den Betrieb dann mit ge-
regeltem Fahrplan und festen Frachtgebühren einrichtet, weil hierdurch
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Schleppzug auf Kanälen. 4^9
jedenfalls die Beförderungsgebühren höher als beim freien Wettbewerb aus-
fallen werden.
Beim Vergleich der Zugskosten zwischen freifahrendem Schleppzug und
Lokomotivbetrieb muss weiters in Betracht gezogen werden , dass bei
letzterem der Schlepp nie in der Längsachse des Kanales, sondern immer
in schiefer Lage zu derselben gezogen wird (siehe Bild 154 Seite 241), wo-
durch der Zugswiderstand desselben, weil die Breitseitenfläche des Schleppes,
sowie die Fläche des immer aufgestellten Ruderblattes den Formwiderstand
vermehren, höher als beim Dampfer, welcher die Schleppe in der Richtung
der Kanalachse zu ziehen bestrebt ist, ausfällt.
Die Kraftverluste, welche beim Schleppen eines Schiffes vom Lande aus
entstehen, berechnen sich zwischen 10 und 20 pCt. Haack theilt dies-
bezüglich aus seinen Versuchen am Dortmund-Ems-Kanale Folgendes mit:
„Die Vergrösserung des Widerstandes der Schleppdampfer durch das
Slipwasser der Schrauben, Ruder u. s. w., welches auch auf die Kanalsohle
nachtheilig einwirkt, spricht für Fortbewegung der Schiffe durch Zugkräfte,
die vom festen Land aus wirken. Bei diesen entstehen aber andere Kraft-
verluste, welche bei etwaigen Vergleichen mit in Rechnung zu stellen sind.
Soll ein Schiff wie Emden (600 Tonnen Tragfähigkeit), das bei 1,75 m Tief-
gang mit 1,4 m/sec Geschwindigkeit 862 kg Zugkraft von einem Schlepp-
dampfer erfordert, mittels eines 100 m langen Schlepptaues vom Land aus
geschleppt werden, dann würde, wenn das Schiff genau in der Kanalmitte
fährt, eine Kraft von 238 kg das Schiff stetig dem Lande zutreiben. Des-
halb muss das Schiff in solchem Falle mit der Kanalmittellinie einen Winkel
bilden, und das Schlepptau ist an einem Bock oder Mast zu befestigen,
der etwas vor der Mitte der Schiffslänge steht, so dass das Steuerruder mög-
lichst frei wirken kann. So allein kann der vorhin genannten, das Schiff
dem Lande zutreibenden Kraft entgegengewirkt und die Steuerfähigkeit des
Schiffes erhalten werden. Die schräge Lage, in welcher das Schiff durch das
Wasser geschleppt werden muss, kostet aber mindestens 100 kg mehr, also
962 kg Zugkraft. Daraus ergiebt sich die Zugkraft in dem 100 m langen
Schlepptau zu 962 kg, und der Motor auf dem Treidelwege, dessen seitlicher
Abstand von der Kanalmitte 24 m beträgt, muss 1023 kg, also 19 pCt. mehr
Zugkraft liefern, als ein Schleppdampfer. Man kann nun längere Schlepp-
taue verwenden und dadurch die zu leistende Zugkraft verkleinern, es wird
indess immer ein Unterschied von 10 bis 15 pCt. zu Gunsten des Schlepp-
dampfers verbleiben."
Zum Schlüsse soll noch auf den Umstand hingewiesen werden, dass der
Kanalbetrieb bekanntlich während eines Jahres durchschnittlich bis 3 Monate
durch Eissperre gehindert wird. Werden nun Kanäle mit langen Haltungen
geschaffen, so ist durch einen Dampferbetrieb das Mittel gegeben, die Dauer
der Eissperre zu verringern, weil die Eisbildung in den Haltungen durch die
Wellen der Propeller wesentlich verzögert wird, und durch die Dampfer auch
eine Eisbrechung stattfinden kann, was mit dem Lokomotivbetriebe nicht durch-
führbar ist. Hierdurch wird es aber möglich, den Betrieb im Kanäle bis zum
Eintritt der sehr strengen Frostzeit, welche kaum mehr als 2 Monate dauert,
aufrecht zu erhalten und, wenn auch der grosse Durchgangsverkehr von und
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440 IV. Schiffswiderstand und Schleppzug.
zu den Strömen zum Stillstande gelangt, wenigstens den örtlichen Verkehr,
beispielsweise die Kohlenversorgung grösserer Orte, auch während eines
Theiles des Winter zu bewerkstelligen.
Zweckmässige Einrichtung eines Kanalbetriebes. Es ist abrigens nahe-
liegend, dass man bei einem neuen Kanäle, dessen Verkehr sich erst ent-
wickeln muss, kaum von vorneherein für die ganze Linie die kostspieligen
elektrischen Zugsanlagen schaffen wird, deren Verzinsung und billige Zugs-
kosten doch nur auf einen grossen Verkehr begründet sind. Man wird viel-
mehr mit dem einfachen Dampferbetrieb beginnen, sodann die Zahl der
Dampfer der Verkehrssteigerung entsprechend vermehren und erst in einem
spateren Zeiträume, etwa an der längsten Kanalhaltung einen elektrischen
Lokomotivzug (oder den geringere Anlagekosten erfordernden Einzelbetrieb
mit Schraubenrädern) einrichten, die in dieser Haltung in Betrieb gestandenen
Dampfer in den Nachbarhaltungen verwenden und derart nach und nach, im
Verhältnis zum vorhandenen Verkehr, in den verschiedenen Haltungen ab-
wechselnd Dampfer- und elektrischen Schleppzug betreiben.
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V. Theü.
Wirthschaftlicher Werth der
Wasserstrassen.
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14- Abschnitt
Leistungfsfâhigfkeit der Wasserstrassen und der Schienen-
wege.
Allgemeine Verkehrssteigerung. Durch die gesteigerten Bedürfnisse des
Menschen erhöht sich auch sein VerkehrsbedQrfnis. In dieser Er-
scheinung liegt in erster Linie die verkehrsschaffende Wirkung neuer Be-
förderungsmittel. In den europäischen Kulturstaaten und in Amerika haben
sich in rasch aufeinanderfolgenden Zeiträumen vollständige Umwälzungen im
Verkehre und gewaltige Steigerungen desselben durch die Zunahme der
Bevölkerung, sowie durch die Bedürfnisse und erhöhten Anforderungen der-
selben vollzogen. Von der grossen Entwickelung des alle Völker ver-
bindenden Seeverkehres ganz abgesehen, ist man im Binnenverkehre von
der ursprünglichen Wasserbeförderung zum Eisenbahnbetriebe
und in neuester Zeit, weil letzterer die Anforderungen nach Transportbilligkeit
nicht mehr befriedigen kann, wieder zu den nun grosszügig angelegten
Wasserstrassen übergegangen.
Der allgemeine Bedarf wird durch den Transportpreis allerdings nur bis
zu einem gewissen Grade berührt. Die Forderung nach billigen Beförderungs-
mitteln ist jedoch durch die heutige wirthschaftliche Lage allgemein zur
Nothwendigkeit geworden, denn durch billige Verkehrsmittel tritt eine erhöhte
Leistung und eine Verringerung der Erzeugungskosten ein, weil viele Natur-
stoffe, welche bis dahin keinen Nutzen gewährten, erst durch einen Tief-
stand ihrer Beförderungskosten eine Verwerthung finden. Indem da-
durch die verschiedenen Gegenden und Länder ihre Verkehre steigern, wird
es möglich, dass der Ueberfluss eines Gebietes dem Mangel des anderen ab-
hilft. Dort, wo wegen Mangel an Zufuhr oder wegen zu hoher Beförderungs-
kosten die Preise der Güter hoch standen, sinken sie, und dort, wo die Preise
wegen Mangel an Absatz tief standen, steigen sie, und die Preisunterschiede
von Ort zu Ort nehmen in dem Masse ab, als sich Verkehrswege zwischen
diesen bilden und die Kosten auf denselben sich vermindern.
Leistungsfähigkeit der Binnenverkehrsmitte]. Vortheile der Wasser-
strassen. Die Art und Weise, wie der Binnenverkehr derzeit abgewickelt
wird, lässt sich im grossen Ganzen in zwei Gruppen theilen: Die erste
Gruppe bildet den freien Verkehr, an welchem Jedermann theilnehmen kann,
der die vorgesehenen Bedingungen erfüllt. Ein solcher besteht, ähnlich wie
auf den Landstrassen, auf allen schiffbaren Flüssen und Kanälen. Bei
der zweiten Gruppe ist ^die freie Benutzung durch die Allgemeinheit ausge-
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444 ^- Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
schlössen und der Verkehr in die Hände einer bestimmten Beförderungsanstalt,
Eisenbahngesellschaft, gelegt. Schon aus diesem geht hervor, dass die
Wasserstrassen, weil Jedermann an deren Verkehr mitwirken kann, einen
wichtigen Theil des allgemeinen wirthschaftlichen Lebens bilden.
Um den wirthschaftlichen Werth dieser zwei Verkehrsgruppen zu be-
stimmen, muss vor Allem die technische Leistungsfähigkeit ihrer Be-
triebsmittel untersucht werden. Diese hängt in erster Linie von drei Be-
dingungen ab: Der Möglichkeit der Anwendung wirthschaftlicher
mechanischer Zugkraft, der Verwendbarkeit grosser Beförderungs-
mittel und dem Vorhandensein geringer Zugswiderstände bei Fort-
bewegung derselben. Je schwächer der Zugs widerstand, je stärker die
Zugkraft und je grösser die Abmessungen der Fahrmittel sind, einen umso
grösseren technisch-wirthschaftlichen Werth hat das betreffende Ver-
kehrsmittel, .weil es dann grössere Massen auf einmal, daher mit billigeren
Beförderungskosten bewegen kann. Es ist zweifellos, dass in dieser Beziehung
die Binnenwasserstrassen die Schienenwege überragen, beide aber weitaus
von den Betriebsmitteln des Meeres übertrofien werden.
Zagkraft und Zugswiderstand. Bei der Eisenbahn ist zur Erzielung der
erforderlichen Zugkraft eine verhältnismässig grosse Last auf den Trieb-
rädern nothwendig, um die nöthige Reibung auf den Schienen zu erzeugen.
Um daher mit Rücksicht auf die Bahnsteigungen das für die Zugkraft noth-
wendige Adhäsionsgewicht zu erreichen, muss die Lokomotive ein grosses
Eigengewicht und eine sehr starke Maschine erhalten. Während hierdurch
bei einem Eisenbahnzuge die Lokomotive mit einem Gewichte von 40 bis 60
Tonnen 400 bis 600 indizirte Pferdekräfte als höchste Leistung erreicht,
können den Binnendampfern ohne weiteres 1000 und mehr, den grossen
Seedampfern aber auch 40 000 Pferdestärken gegeben werden.
Was den Zugswiderstand betrifft, so ist es einleuchtend, dass dieser
infolge des Reibungswiderstandes auf den Schienen und der Komponente der
Schwerkraft auf den Steigungen bedeutend grösser ist, als ein solcher beim
Zuge eines Schiffes im Wasser entsteht. Zur Beförderung einer bestimmten
Last auf einem Kanal mit 4 bis 5 km Geschwindigkeit in der Stunde ist je
nach dem Verhältnisse des eingetauchten Schiffsquerschnittes zum Kanal-
querschnitt etwa V25 bis Y^q von jener Zugkraft erforderlich, welche auf einem
Schienenwege mit wagerechter Bahn zur Bewegung derselben Last mit 25 km
Geschwindigkeit benöthigt wird. In diesem Umstände sind hauptsächlich die
billigen Beförderungskosten auf den Wasserstrassen, gegenüber den Eisen-
bahnen, begründet.
Selbstverständlich ist der Zugswiderstand auf den Wasserstrassen sehr
verschieden. Der Widerstand in Flüssen mit starker Strömung ist grösser
als in Flüssen mit geringer Strömung oder als in einem Kanäle mit grossem
Querschnitte. Ein im Verhältnis zum Schiffsquerschnitt enger Kanal ergiebt
wieder einen grösseren Zugswiderstand als ein breiter Kanal. Während
ferner auf Strömen und Flüssen die Zugskraft für die Bergfahrt eine grössere
als für die Thalfahrt ist, entfällt eine solche Unterscheidung im stromlosen
Kanäle.
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Leistungsfähigkeit der Wasserstrassen und der Schienenwege. 445
Grösse der Fahrmittel. Bezüglich der Anwendbarkeit grosser Fahr-
mittel steht die Binnenschiffahrt den Eisenbahnen weit voraus. Während auf
Flüssen, wie die Donau, der Rhein und die Elbe Schleppe von 600 und
1500 Tonnen, auf Kanälen solche von 100 bis 700 Tonnen im Verkehr stehen,
verfügt der Eisenbahnbetrieb in Europa über keine grösseren Wagen als solchen
von 10 bis 15 Tonnen Tragfähigkeit und nur in Amerika auch über solche
von 25 bis 50 Tonnen. Ein grosser Schlepp kann somit auf einmal den
Inhalt zweier oder mehrerer Eisenbahnzüge aufnehmen. Ein Schleppzug von
6000 Tonnen Nutzlast ist daher gleich 20 grossen Güterzügen mit zusammen
600 Wagen, welche eine Länge von etwa 4 km einnehmen. Bei grosser
Transportinanspruchnahme werden hiçrdurch die Geleise einer Eisenbahn bald
vollständig besetzt und es können die erforderlichen Abstände nicht einge-
halten werden. Es zeigt sich dieses auch auf verkehrsreichen Linien
dadurch, dass ein auf einer Station festgehaltener Lastzug oft sämmtliche
andere Güterzüge zum Stillstande bringt.
Durch die geringen Abmessungen der Beförderungsgefässe der Eisen-
bahnen ist ferner das Verhältnis der todten Last zur Nutzlast sehr
ungünstig, in der Binnenschiffahrt viel günstiger und in der Seeschifiahrt
eigentlich nur durch bauliche Umstände begrenzt. Ein Binnenschiff wiegt im
Verhältnisse zu der Last, welche es tragen kann, je nach seinem Raumgehalte
verhältnismässig wenig; beispielsweise ein Schlepp mit 600 Tonnen Tragver-
mögen sammt Ausrüstung 120 bis 130 Tonnen, daher nicht ganz 22 pCt. Das
Verhältnis des Eigengewichtes eines Eisenbahnwagens zu seinem Tragver-
mögen beträgt dagegen bis 50 pCt. und nur bei den neuesten amerikanischen
Güterwagen aus gepresstem Stahl für 25 bis 50 Tonnen Tragkraft 36 pCt.
Bei einem Güterzuge von 30 Wagen mit je 10 Tonnen, der im ganzen also
300 Tonnen befördern kann, ist das Eigengewicht des unbeladenen Zuges
nahezu 180 Tonnen.
Anscbaffangs- und Bemannungskosten. Dieses Verhältnis stellt sich für
die Wirthschaftlichkeit der Bahn noch ungünstiger, wenn man die auf eine
Tonne Laderaum entfallenden Anschaffungskosten beider Verkehrs-
mittel berechnet. Bei dem bestgebauten Eisenschlepp mit 600 Tonnen ent-
fallen auf die Tonne 75 bis 85 Kronen Baukosten, beim Eisenbahngüterwagen
auf die Tonne 200 bis 250 Kronen, daher die Tonne Laderaum eines Eisen-
bahnwagens dreimal so theuer, als eine Tonne Schleppraum ist.
In einem noch bei weitem ungünstigeren Verhältnis für die Eisenbahn
berechnen sich endlich die auf eine Tonne Laderaum entfallenden Be-
mannungskosten, welche gegenüber jenen im Schiffahrtsbetriebe unver-
hältnismässig hoch sind.
Vielseitige Benntzbarkeit der Wasserstrassen. Zu diesen Vortheilen
der Wasserstrassen muss noch der Umstand in Erwägung gezogen werden,
dass dieselben längs ihres ganzen Laufes und an allen Orten die Möglichkeit
der Ein- und Ausladung von Gütern geben, während die Eisenbahnen durch
ihre baulichen Anlagen nur auf bestimmte Haltestellen beschränkt sind. Endlich
muss vom allgemeinen wirthschaftlichen Standpunkte aus noch der Vorzug
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^^ß V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
der Wasserstrassen gegenüber der Eisenbahn in Bezug auf die vielseitige
Benutzbarkeit derselben hervorgehoben werden. Während die Eisenbahnen
auf ihren begrenzten Geleisen ganz bestimmte Fahrmittel anwenden müssen,
können auf den Wasserstrassen alle Gattungen Fahrzeuge verwendet werden,
so dass ein freier Wettbewerb der Frachtführer möglich ist und keine so be-
denklichen Missstände eintreten können, wie bei dem durch die Eisenbahnen
meistens geschaffenen Frachtmonopole. Das Zusammenwirken aller dieser
Vortheile verursacht, dass die Frachtkosten auf den Wasserstrassen geringer
sein müssen als auf den Eisenbahnen, und stellt sich die Stufenleiter der
Frachtkosten wie folgt: Am billigsten im offenen Meere, dann auf Strömen
und Flüssen mit geringen Strömungen, dann auf Kanälen mit grossen Ab-
messungen, welchen die Flüsse mit starker Strömung und die kleineren
Binnenkanäle und endlich die Schienenstrassen folgen.
Nachtheile der Wassepstrassen, Verkehpsunterbrechungen. Als Nach-
theil der Binnenwasserstrassen gegenüber den Eisenbahnen muss deren
geringere Schnelligkeit und Pünktlichkeit im Verkehre, sowie der
Umstand in Erwägung gezogen werden, dass die meisten derselben während
des Winters einer Eissperre unterliegen und dass der Verkehr auf den natür-
lichen Wasserläufen ausserdem noch durch Hochfluthen und Niederwasser
zeitweilig unterbrochen oder gestört werden kann.
Die Winter sperre trachtet man durch Enteisungen zu mildern,
jedoch waren diese bisher nur an den Flussmündungen und auf einzelnen
Stromstrecken von Erfolg begleitet, während auf Kanälen die Frage der Ent-
eisung noch ungelöst ist. Wenn nämlich bei starkem Froste die Kanal-
flächen ganz zufrieren, ist deren Enteisung deshalb nicht durchführbar,
weil die gebrochenen Eisplatten aus den stromlosen Haltungen nicht entfernt
werden können und das Hinausziehen derselben auf die Böschungen eine viel
zu langsame und kostspielige Arbeit erfordert. Das vereinzelt ausgeführte
Ausschleppen von Eisschollen auf die Ufer mit Hilfe von schräg gelegten
Balken und Ketten ist im Grossen nicht möglich. Man kann deshalb nur bis
zum Eintritte des starken Frostes 'durch ununterbrochenes Befahren der Hal-
tungen die Entstehung des Grundeises stören und hierdurch die Eisbildung
verzögern.
Wenn die Enteisung auf Kanälen in Folge des Umstandes, dass die
gebrochenen Schollen nicht fortgeschafft werden können, sehr schwierig ist,
so ist sie jedoch auf Flüssen mittels entsprechend starker Eisbrechdampfer
erfolgreicher durchführbar , weil die zertrümmerten Eisplatten von der
Strömung abgeführt werden und man in dieser Weise, stromaufwärts im
Thalwege fahrend, einen genügend breiten Fahrweg ziemlich lange eisfrei
erhalten kann. Es ist jedoch selbstverständlich, dass die Enteisung eines
Stromes, weil sie immer kostspielig ist, nur auf sehr verkehrsreichen Strecken
stattfindet. Eine vollkommen eisfreie Bahn auf Flüssen kann übrigens auch
nur bis zum Eintritte des starken Frostes erhalten werden.
Am erfolgreichsten sind noch die Enteisungen im Fluthgebiete
der grossen Ströme, weil das Abtreiben der gebrochenen Eisschollen durch
den Fluthabgang bei eintretender Ebbe befördert wird. Diese Enteisungen
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Leistungsf^Lhigkeit der Wasserstrassen und der Schienenwege. /^^
der Mündungsgebiete geben, wenn dieselben auch theuer zu stehen kommen,
dennoch einen grossen Nutzen, weil hierdurch die Seeschiffahrt mit dem
Binnenstrom verkehre im Spatherbste viel länger unterhalten und demselben im
Frühjahre wieder viel früher angeschlossen werden kann (siehe auch Seite 45
bis 47).
Die Störungen des Verkehres auf den natürlichen Wasserstrassen
durch Hochwasser und Wassermangel können bei entsprechender Re-
gelung des Betriebes wesentlich gemildert werden. Auf der Donau beträgt
die jährliche Betriebsfähigkeit durchschnittlich 290 Tage, hiervon fahren die
Schleppe während etwa 160 Tagen mit voller Ladung; am Rhein dauert der
Betrieb durchschnittlich 347 Tage, hiei^on 194 Tage mit voller Ladung; auf
der Elbe 301 Tage, darunter 180 Tage mit voller Ladung und auf der Oder
280 Tage, darunter iio Tage mit voller Ladung. Auf den russischen
Wasserstrassen dauert die Eissperre im Mittel 4 Monate, auf den deutschen
Kanälen 14 Wochen und auf den französischen Kanälen 8 Wochen.
Tag- und Nachtbetrieb. Ein weiterer Nachtheil der natürlichen Wasser-
strassen gegenüber den Eisenbahnen liegt darin, dass erstere den Betrieb
nicht immer ununterbrochen Tag und Nacht [durchführen können. Den Ka-
nälen sind jedoch die Eisenbahnen in dieser Beziehung nicht überlegen, weil
auf diesen der Tag- und Nachtbetrieb genau in derselben Art wie auf den
Schienenstrassen unterhalten werden kann.
Durch zeitgemässe und geregelte Einrichtungen im FlussschifFahrts*
betriebe kann übrigens auch in diesem die Nachtleistung stark erhöht
werden. So wickelt beispielsweise die Donau - DampfschiflFahrtsgesellschaft
von ihrer durchschnittlichen Jahresleistung von i Milliarde Tonnenkilometer
33 pCt. im Nachtdienste ab. Ebenso besteht am mittleren Rhein und auf der
mittleren Elbe ein lebhafter Nachtbetrieb und ist auf der Wolga der Tag- und
Nachtdienst vortrefflich geregelt.
Einfloss der Wasserstrassen auf die Preisbildung der Güter. Die Wett-
bewerbungserfolge, welche die Eisenbahnen gegenüber den veralteten Binnen-
kanälen und den vernachlässigten natürlichen Flussläufen aufwiesen, hatten
zur Folge, dass die Wasserstrassen durch längere Zeit in den Hintergrund
getreten waren. Inzwischen ist man sich aber, in Folge des durch den all-
gemeinen Wettbewerb eingetretenen Zwanges nach billigen Frachtkosten und
grosser Leistungsfähigkeit, über die Grenzen der Eisenbahnen in dieser Be-
ziehung klar geworden nnd ist heute überall das Streben nach Wasser-
wegen erwacht.
Dieses Streben ist umso gerechtfertigter, als von der Billigkeit der Be-
förderungskosten bei dem heutigen wirthschaftlichen Wettkampfe der Länder
untereinander das wirthschaftliche Wohl der Volksmassen abhängt. Denn die
Erzeugungskosten der Güter sind, wie schon oben erwähnt, bis zu einem
gewissen Grade von den Beförderungskosten abhängig und je billiger
sich letztere stellen, umso grösser gestaltet sich der wirthschaftliche Auf-
schwung eines Landes. Je leistungsfähiger aber die Verkehrsmittel sind, umso
billiger werden ihre Beförderungskosten. Die leistungsfähigsten Ver-
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448 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
kehrswege sind aber unstreitig die grossen natürlichen Stromstrassea
und die zeitgemäss gebauten Schiffahrtskanäle.
Das Verhältnis zwischen dem Werth des Gutes und der Höhe des Be-
förderungspreises ist die Ursache, dass bei kostspieligen Beförderungsmitteln
nur höherwerthige Güter auf grössere Entfernungen hin absatzfähig sind,
weil geringwerthige erst dann ein Absatzgebiet finden können, wenn billige
Beförderungskosten das Verhältnis des geringeren Werthes des Gutes am
Verwendungsorte auszugleichen vermögen. Infolgedessen haben die niederen
Kosten der Wasserstrassen die Wirkung, neue wirthschaftliche Güter,
neue wirthschaftliche Gebiete zu schaffen.
Die Absatzfähigkeit eines Gutes hängt in erster Linie von der
Preisbildung desselben am Verkaufsorte ab, und wenn durch Erstellung niederer
Beförderungskosten eine Herabsetzung des Verkaufspreises entsteht, so wird
dieses Gut über seine bisherige Verkehrszone handelsfähig und zwar umso
weiter, je grösser die Beförderungsverbilligung im Verhältnis zu dem Verkaufs-
preise steht.
Bei hochwertigen Gütern wie Seidenwaare, Bronze u. s. w. bilden
natürlich die Beförderungskosten einen kaum nennenswerthen Theil des Ver-
kaufspreises, bei minderwerthigen jedoch, wie Kohle, Holz, Erzen, Bau-
materialien und Bodenerzeugnissen einen wesentlichen.
Angenommen, dass eine Tonne Gut am Erzeugungsorte 20 K. kostet
und die Fracht hierfür bis zum Verkaufsorte A auf 100 km 3 K., bis В auf
200 km 5 K. und bis С auf 500 km 10 K. beträgt, so werden sich die Ver-
kaufspreise durch die Fracht bis А um 15 pCt., bis В um 25 pCt. und bis
С um 50 pCt. erhöhen. Diese Erhöhung des Verkaufspreises wird auf die
Absatzfähigkeit des Gutes einen bedeutenden Einfluss ausüben, bis А wird es
noch absatzfähig, bis В nur mehr beschränkt und bis С gar nicht mehr
handelsfähig sein. Findet man aber beispielsweise in einer Binnenwasser-
strasse das Mittel, für dieses Gut eine Verbilligung der Beförderungs-
kosten mit 50 pCt. zu erreichen, so wird dasselbe mit einem Schlage weit
über seine bisherige Verkehrszone A, В und С hinaus handeis- und wett-
bewerbsfähig.
Aus diesen Ausführungen erhellt, dass alle Wasserstrassen von
ausserordentlicher volkswirthschaftlicher Bedeutung sind.
Seeverkehr nnd Seeflotte. Hoch oben steht das freie Meer, dessen
Leistungsfähigkeit unbegrenzt und welches nur von einem einzigen Nachtheile,
den grösseren Gefahren der Seefahrt behindert ist. Die durch diese Gefahren
bedingten höheren Versicherungskosten, sowie die Schwankungen in der
pünktlichen Innehaltung fester Fahrzeiten fallen jedoch nur unwesentlich in
die Wagschale.
Den Binnen wasserstrassen ist der Seeverkehr durch seine nicht begrenzte
Verzweigungsfähigkeit und dadurch überlegen, dass er nie durch Wasser-
mangel und, die Polargebiete ausgenommen, nie durch Eis gestört ist. Femer
verursacht die Unterhaltung der Seewege, mit Ausnahme der an den End-
punkten derselben nothwendigen Hafenanlagen, keine Bau- und Unterhaltungs-
kosten.
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Leistungsfähigkeit der Wasserstrassen und der Schienenwege. 4^9
Der gesammte Raumgehalt aller Seeschiffe beträgt derzeit rund 30,6 Mill.
Tonnen, wovon 24 Millionen auf die Dampfer- und 6,6 Millionen auf die
Segelflotte entfallen.
Nach 1000 Brutto-Registertonnen vertheilt sich die Seeflotte 1901 auf:
Grossbritanien, ohne Kolonien . 13 656
Vereinigte Staaten 3 077
Deutschland 2905
Norwegen-Schweden .... 2 327
Frankreich i 406
Italien I 117
Russland 889
Spanien 786
Japan 644
Holland 578
Dänemark 508
Oesterreich-Ungarn .... 486
Uebrige Länder 2221
Die herrschende Stellung im Seeverkehr nimmt demnach England
ein, dessen Flotte, die Kolonialschiffe nicht mitgerechnet, rund 45 pCt. des
Raumgehaltes aller übrigen Flotten beträgt. Die Handelsflotten der anderen
Staaten haben jedoch in letzter Zeit auch eine verhältnismässig grosse
Zunahme erfahren; insbesondere ist der Tonnengehalt der deutschen Flotte
gestiegen. Eine weitere Verschiebung in dem Kräfteverhältnis der Dampfer-
flotten ist ferner noch insofern eingetreten, als Frankreich, das noch im Jahre
1890 den zweiten Rang einnahm, nunmehr durch Nordamerika zurückgedrängt
wurde.
Für die Beurtheilung der Entwickelung der Handelsflotten ist der
aut einen Dampfer entfallende Raumgehalt massgebend. Der Tonnengehalt
aller Dampfer ist von 11 913 000 im Jahre 1890 auf 21787000 zu Beginn
des Jahres 1900*) gestiegen, die Anzahl der Dampfer in derselben Zeit von
9259 auf 12280. Der mittlere Tonnengehalt eines Dampfers bat sich somit
von 1280 auf 1770 erhöht.
Dieses fortwährende Steigen in den Dampferabmessungen ist auf das
Bestreben der Rhedereien zurückzuführen, einen durch den grossen Tonnen-
gehalt sich ergebenden möglichst hohen Gewinn zu erzielen. In dieser
Richtung besteht gegenwärtig ein harter Wettstreit zwischen England und
Deutschland. Im Jahre 1900 fuhren nach den Angaben des Lloyd's Register
21 Dampfer von 10 000 Tonnen und darüber unter englischer, und ebensoviele
Schiffe gleicher Grösse unter deutscher Flagge.
Die grössten Dampfer der Welt sind heute der unter englischer
Flagge fahrende „Celtic" und „Oceanic" der White Star Linie. Ersterer
hat 213,40 m Länge, 22,86 m Breite und bei 14,94 ^ Tiefgang einen Tonnen-
gehalt von 20 880, letzterer eine Länge von 214,88 m, eine Breite von
20,73 °^ ^^^ bei 14,94 m Tiefgang einen Tonnengehalt von 18274, ^^^
*) Im Jahre 1900 ist die grösste Anzahl von Seeschififen und zwar 1364 Dampfer
mit 2304000 Tonnengehalt vom Stapel gelassen worden.
Snppàn, Wasserstnssen und Binnenschiffahrt ag
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^jo V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
mittlere Geschwindigkeit des „Celtic" beträgt 19, jene des „Oceanic** 20 See-
meilen in der Stunde, (i Seemeile = i • 852 km).
Zu dem Bestreben, Dampfer mit mächtigen Tonnengehalten zu bauen,
tritt noch jenes hinzu, denselben möglichst grosse Fahrgeschwindigkeiten zu
geben, so dass heute selbst Frachtendampfer mit durchschnittlich 15 See-
meilen in der Stunde nicht mehr selten sind. Thatsächlich hat die Schiffs-
baukunst die Frage, Dampfer gewaltigster Abmessungen bei verhältnismässig
geringem Kohlenverbrauche mit der grössten Geschwindigkeit auszustatten,
glänzend gelöst. Während das von einer Pferdekraft zu fördernde Gewicht
seit 1850 um das Vierfache zugenommen hat, ist der zur Erzeugung einer
Pferdekraft erforderliche Kohlenverbrauch auf ein Drittel gesunken.
Die schnellsten Dampfer sind derzeit „Kronprinz Wilhelm** des
Norddeutschen Lloyd und „Deutschland** der Hamburg - Amerika - Linie,
ersterer mit 13 000 Tonnengehalt, 37 000 i. HP. und einer Probegeschwindig-
keit von 23,3 Seemeilen in der Stunde, letzterer mit 11 000 Tonnengehalt,
37 500 i. HP. und einer Geschwindigkeit von 23,5 ; ferner die englischen
SchwesterschifFe „Campania** und „Lucania** der Cunard-Linie mit je 32 000
ind. HP., 22,1 Seemeilen und 12950 Tonnengehalten. (Siehe nebenstehende
Tabelle).
Während man mit diesen Riesendampfem heute die Ueberfahrt von
Europa nach Amerika in 57» Tagen zurücklegt, benöthigte man noch vor
50 Jahren 14 Tage. Dabei steigt die Anforderung, im Seeverkehr immer
schneller und pünktlicher zu fahren, fortwährend. So ist in neuester Zeit das
Projekt entstanden, einen „Vier- Tage-Dampfer** zu bauen. Derselbe soll mit
Turbinenmaschinen versehen werden und dauernd 30 Meilen =• 55,55 km in
der Stunde laufen, gegen die bisher erreichte Höchstleistung der „Deutsch-
land** von 23,51 Meilen = 43,54 km. Mit gewöhnlicher Maschinenanlage für
3 Schrauben würde derselbe 42 Doppelkessel, System Scotsh, erfordern,
welche den Dampf für 3 Maschinen von je 37 000 i. HP. entwickeln müssten.
Dieselben würden für eine Ueberfahrt von New- York bis Southampton 6500 t
und bis Hamburg 8500 t Kohlen verbrauchen. Der Dampfer soll eine Länge
von 283,4 ^ ^^^ ^i"^ Breite von 26,5 m erhalten. Er würde 9,20 m tief
tauchen und 40 000 t Wasser verdrängen.
Unter diesen Verhältnissen ist es klar, dass in dem Masse als die See-
dampfschiffahrt einen grossartigen Aufschwung nimmt, die Segelschiffahrt
zurückgedrängt wird, weil, abgesehen davon, dass letztere über geringere
Fahrgeschwindigkeiten verfügt, die Einrichtung regelmässiger Linien mit Segel-
schiffen naturgemäss nur schwer durchführbar ist. Mit Beginn 1900 zählte
deshalb auch die Segelflotte nur mehr 27 000 Segler mit 7 200 000 Tonnen
gegen 37500 Segler mit 11 000 000 Tonnen im Jahre 1890*) und nur der
Tonnengehalt der französischen Seglerflotte ist in neuester Zeit wieder im
Steigen begriffen.
Befdrderungskosten des Seeverkehres. Der gewaltige Tonnengehalt eines
zeitgemässen Seedampfers und die von demselben zurückgelegten grossen
*) Zu Beginn 1901 zählt Lloyd-Register nur mehr 6600000 Seglertonnen.
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Leistungsffibigkeit der Wasserstrassen und der Schienenwege.
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452
V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
Entfernungen ergeben im Seeverkehr gegenüber allen übrigen Verkehrsmitteln
sehr geringe tonnenkilometrische Kosten, welche auf langen Seelinien bis unter
0,1 о Heller sinken. So werden beispielsweise von Hamburg und Bremen nach
Kiautschou, 21 000 km, für Eisen, Maschinen und Schwergut für die Tonne
35 Mk. gezahlt, was 0,17 Heller für i tkm beträgt. Für Kohlerückfracht von
England in die Donauhâfen, wenn die Seedampfer aus diesen Getreide nach
England bringen, berechnet sich die tonnenkilometrische Gebühr oft auf nur
0,09 Heller. Die Seefrachten von England nach Ostindien stehen zumeist
unter 0,10 Heller für i tkm.
Nebenstehende, dem Jahresberichte der Handelskammer in Mannheim
entnommene Uebersicht Ober Getreide-Seefrachten nach Rotterdam und
Antwerpen veranschaulicht die im Seeverkehre üblichen Transportpreise.
Angesichts solcher niederer Beförderungskosten ist es erklärlich, dass
der europäische Binnentransport mit dem Seeverkehre nicht in Wettbewerb
treten kann. So hat die Flussfracht Rotterdam — Mannheim fQr 10 Tonnen
schon oft nur 40 K^, die Seefracht New- York — Rotterdam 100 K. und
jene Taganrog— Rotterdam 115 K., somit New- York bis Rotterdam 140 oder
Taganrog bis Rotterdam 155 K. betragen, während der niederste Staffeltarif
der Bahn für die entsprechende Binnenentfernung von 500 km aus Ost-
deutschland nach Mannheim 170 K. beträgt. Trotz dieses billigen Bahntarif es
wird somit das amerikanische oder russische Getreide den Mannheimer Markt
immer vortheilhafter erreichen können als das ostdeutsche.
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BefSrdenmgskosten des Binnenverkehres. In demselben Verhältnisse,
wie der Seeverkehr die Binnenschiffahrt in Bezug auf billige Beförderungs-
kosten überragt, unterbietet die letztere die Frachtkosten der Schienenwege.
Insbesondere ist die Binnenschiffahrt der Eisenbahn in der Abwicklung des
Massenverkehres überlegen, trotzdem dass ihre Beförderungsgefässe nur in
seltenen Fällen voll ausgenützt werden können. Eine volle Ausnutzung
des Laderaumes ist nur auf Kanälen möglich, auf Flüssen und Strömen ist
sie von dem jeweiligen Wasserstande abhängig. Die Ausnutzung des Donau-
schleppraumes beträgt im Durchschnitte 65pCt., auf den deutschen Flüssen
schwankt dieselbe je nach den Stromgebieten zwischen 40 bis 70 pCt. und
auf den Flüssen Nordfrankreichs beträgt sie kaum 50 pCt.
In dieser Beziehung ist daher der Betrieb auf den Binnenkanälen dem
Flussschiffahrtsbetriebe Oberlegen. Dagegen stehen die Kanäle den Flüssen
insofeme nach, als auf letzteren keine Zeitverluste durch Schleusungen ein-
treten und die breiteren Abmessungen der Fahrstrasse auf Flüssen es ge-
statten, eine grössere Anzahl Schleppe in Schleppzügen auf einmal zu ziehen.
Femer sind die Anlagekosten der Kanäle im Vergleiche zu den Kosten der
Stromverbesserungen bedeutend grösser. Diese Umstände haben die Wirkung,
dass auf den grossen natürlichen Wasserstrassen die Beförderungskosten im.
Allgemeinen billiger als auf den künstlichen sind.
Wie eingangs nachgewiesen, sind jedoch die Beförderungskosten auf den
Eisenbahnen gegenüber jenen auf Flüssen und Kanälen weitaus grösser. Man
darf aber beim Vergleiche zwischen Binnenwasserfracht und Schienenfracht nicht
allein die Höhe der Fracht für i tkm neben einander stellen, sondern mai>
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Leistnngsffthigkeit der Wasserstrassen und der Schienenwege.
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^54 V. Wirtfaschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
muss auch den grösseren Umweg der Wasserwege und die geringere Fort'
gangsgeschwindigkeit auf denselben gegenüber der Bahn in Betracht ziehen.
Es ist aber zweifellos, dass auch unter Einrechnung des längeren Trans-
portweges auf Wasserstrassen der Verkehr auf diesen auch in dem Falle
noch immer um vieles vortheilhafter als jener auf den Eisenbahnen ist, wenn
auf den Wasserstrassen für Verzinsung und Tilgung der für dieselben aufge*
wendeten Stromregulirungs- und Kanalbaukosten Gebühren eingehoben werden.
So wurde beispielsweise in der grossen deutschen Kanalvorlage
eine Kanalgebûhr für Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals, sowie zur
Deckung der Erhaltungs- und Betriebskosten mit rund 0,72 Heller (auf kana-
lisirten Flüssen mit 0,36 Heller) für i Tonnenkilometer vorgesehen. Trotzdem
werden in dem Begrundungsberichte zu dieser Vorlage die Zugskosten am
Mittellandkanal, einschliesslich der Verzinsung und TQgung des im Bootspark
angelegten Kapitales, im Durchschnitte mit 0,78 Heller für i Tonnenkilometer
angenommen, womit sich die gesammten Beförderungskosten auf 1,50 Heller
stellen würden.
Die Beförderungskosten am №ttellandkanale, verglichen mit dem niedersten
Ausnahmesatz der Bahnen von 2,40 Heller für i Tonnenkilometer, stellen sich
also selbst bei Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitales des Kanales noch
immer viel billiger als jene der Eisenbahn.
Massengut- und Stfickgntverkelir auf Waseerstrassen. Die Binnenwasser-
Strassen sind besonders für jene Verkehrsgüter wichtig, welche nur geringe
Frachtkosten vertragen. Diese sind in erster Linie die Massengüter, bei
welchen auch eine langsamere Beförderung und eine gewisse UnpQnktlichkeit
im Verkehre nicht in die Wagschale fällt.
Es ist jedoch ein Irrthum anzunehmen, dass die Wasserstrassen пш- im
grossen Massenverkehre, wie Kohle, Steine, Getreide, Holz, Erze u. s. w. den
Eisenbahnen überlegen sind. Dieselben sind vielmehr auch in Bezug auf die
Beförderung höherwerthiger Güter, also im Stückguterverkehr, den
Bahnen gleichwerthig.
Der Wettbewerb in der Industrie ist heute so lebhaft geworden, dass
man den Nutzen eines billigen Frachtsatzes auch des höherwerthigen Gutes
einer schnelleren und pünktlicheren Beförderung desselben gegenüberstellt.
Es ist deshalb wahrzunehmen, dass die höherwerthigen Güter allenthalben
in den Flussschifiahrtsbetrieb eindringen und es wird von den grösseren
Schiffahrtsgesellschaften alles aufgewendet, durch einen regelmässigen pünkt-
lichen Betrieb auch die höchstwerthigen Stückgüter an sich zu ziehen und
unterbieten dieselben, besonders auf grössere Entfernungen, die Frachtsätze
der Eisenbahnen sowohl in den hochwerthigen als auch in den geringwerthigen
Gütern.
Dieses Eindringen der höherwerthigen Güter in den Wasserverkehr ist
überall in starkem Zunehmen begriffen, weil eben das Bedürfnis nach billigen
Beförderungskosten wegen des bestehenden wirthschaftlichen Wettstreites in
der Industrie stetig zunimmt und weil dieses Bedürfnis, je stärker es sich
geltend macht, umso weniger von den Eisenbahnen, welche doch in Erstellung
der Tarife nicht unter ihre Selbstkosten gehen können, befriedigt werden kann.
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Leistungsfähigkeit der Wasserstrassen und der Schienenwege. 455
Nachdem nun die Schifiahrt sowohl die Lieferfristen, wie auch die sonstigen
Verfrachtungsbedingungen der Eisenbahn zu den ihrigen gemacht hat und
die knappsten Lieferfristen einzuhalten bestrebt ist, so .wird dieselbe folge-
richtig in zahlreichen Verkehren der theuereren Bahnbeförderung vorgezogen.
Den Wasserstrassen bleiben übrigens die Eisenbahnen im Guterdienste
immerhin dadurch überlegen, dass ihr Betrieb unabhängig von Witterungs-
verhältnissen ist, daher regelmässig und schneller abgewickelt werden kann,
während derselbe auf ersteren durch Frost, Hochwasser oder Wassermangel
oft fühlbar beeinflusst werden kann.
Es lässt sich übrigens durchaus nicht behaupten, dass höherwerthige
Güter immer eine schnelle Beförderung erheischen. Es steht dieses nur be-
züglich nicht haltbarer, dem Verderben leichter unterliegender Güter fest. Sind
aber höherwerthige Güter haltbar, dann hängt es lediglich von den Um-
ständen des der Versendung zu Grunde liegenden Geschäftsabschlusses ab,
ob der Kaufmann die schnellere, aber theuerere Eisenbahnbeförderung, oder
aber die langsamere und billigere Schiffsbeförderung für zulässig hält. Ist
er eine Verpflichtung zu schneller Beförderung nicht eingegangen, so wird
er die Wasserstrasse dem Schienenwege vorziehen.
Cfflterdienst auf der Donau, der Elbe nnd dem Rheine. Doch auch be-
züglich der Schnelligkeit in der Beförderung kann die Wasserstrasse, wenn
deren Betrieb entsprechend geregelt ist, mit den Eisenbahnen erfolgreich in
Wettbewerb treten.
So besteht beispielsweise auf der Donau von Regensburg bis Galaz
ein geregelter und pünktlicher Eilfrachtdienst. Ein in Wien abends auf-
gegebenes Gut ist den nächsten Abend in Budapest, den vierten Tag in
Belgrad, den neunten Tag in Galaz.
Von der durchschnittlichen jährlichen Frachtmenge von 2,1 Millionen
Tonnen der Donau-Dampfschifiahrts-Gesellschaft werden
I 000 000 = 49 pCt. Kaufmannsgüter einschliesslich Mehl, Kleie, Holz
aller Art, Ziegel, Steine, Sand und Pech,
900 000 = 42 pCt. Körnerfrüchte und
200000 = 9pCt. Kohle
befördert. Während die Körnerfrüchte, Holz und Kohle zum grössten Theile
Bergfrachten darstellen, gehen von den Kaufmannsgütern 50 pCt. zu Thal,
ein Beweis, dass die Donauschiffahrt, besonders in dem schnelleren Thal-
verkehr, die Eisenbahnen im Güterdienste erfolgreich unterbietet.
Die Elbe ist dagegen schon durch ihre Lage und unmittelbaren Anschluss an
den Welthafen Hamburg in der Lage, auch im Bergverkehr mit dem Stück-
güterdienst der Eisenbahnen in scharfen Wettbewerb treten zu können, weil
sie durch ihren grossen Kohlenthalverkehr, welcher 70pCt. der gesammten
Thalmenge beträgt, sehr billige Rückfrachttarife zu Berg erstellen kann. Der
auf der Elbe ausgebildete Eilgutdienst ist deshalb sowohl zu Thal, als auch
zu Berg gegenüber dem Eisenbahnbetriebe sehr lohnend. Derselbe ist
übrigens vortrefflich geregelt. Die Eildampfer verkehren sowie die Donaufracht-
dampfer fahrplanmässig. Die Strecke Laube — Hamburg, 630 km, wird bei
halbwegs günstigem Wasserstande in der Thalfahrt von den Dampfern in
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45б
V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
3 Tagen, die Bergfahrt in 8 Tagen zurückgelegt. Dabei nehmen die Fracht-
dampfer loo bis 150 Tonnen Eilgüter an Bord und schleppen noch einen
Kahn mît etwa 250 Tonnen Ladung, so dass sie bis 400 Tonnen Eilgüter in
einer Fahrt befördern.
Am Rhein besteht ein Guterschnelldienst zwischen Mannheim und
Rotterdam und ^wischen Köln und Mannheim. Die am Morgen von Köln
Bild 289. Schraubenfrachtboot zwischen Köln-Rotterdam-London.
abgehenden Güter sind am Mittag des folgenden Tages in Mannheim. Ebenso
bieten die Frachtdampfschifle im regelmässigen Dienste nach Rotterdam und
Amsterdam den Eisenbahnen im Eilgutverkehre eine starke Konkurrenz. Sie
durchfahren mit einer Schnelligkeit von 10 km in der Stunde zu Berg und
15 km zu Thal, in einem Tage 150 bis 200 km. Ein den überseeischen
Güterverkehr vermittelnder Rheindampfer ist im Bilde 289 dargestellt.
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15. Abschnitt.
Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt
Eisenbahnverkehre. Die oft aufgestellte Behauptung, dass zwischen den
Eisenbahnen und den Wasserstrassen ein lebhafter Wettbewerb nicht die
Folge zu sein braucht, ist nach den vorhergehenden Ausführungen nicht
zutreffend. Im Gegentheile sind die Wasserstrassen eben in neuerer Zeit
zum Bewusstsein ihrer Bedeutung im gesammten Verkehrswesen gekommen
und trachten in allen Verkehrsgebieten mit den Eisenbahnen und umgekehrt
in schärfsten Wettbewerb zu treten.
Die Eisenbahnen behaupten dabei hauptsächlich jene Verkehre, bei
welchen es dem Versender auf Schnelligkeit und grössere Pünktlichkeit in
der Beförderung ankommt, femer die Zuführung und Abführung der mit den
Wasserstrassen ankommenden Güter, sowie jenen örtlichen Verkehr, den die
Wasserstrassen nicht erreichen können. Endlich bilden die Personen-
beförderung, die Post und der Eilgutdienst das ihnen eigenthümliche Ver-
kehrsgebiet.
Uebrigens bleibt den Eisenbahnen durch ihre grosse Verzweigungs-
fähigkeit auch im Massengutverkehr immer ein entsprechender Antheil, welcher
auch höhere Frachtsätze verträgt, erhalten. So hat beispielsweise auf den in
der Wettbewerbszone mit dem Rheine liegenden preussischen Eisenbahnen
die auf ein Bahnkilometer gefahrene Tonnenzahl, insbesondere im Kohlen-
und Erzverkehre, 1899 gegenüber 1890 um 25 pCt. zugenommen. Dabei
waren die billigsten Bahnsätze durchschnittlich um 25 pCt. höher als die
bezüglichen Rheinsätze. Der Antheil der Eisenbahnen an den im östlichen
Frankreich ursprünglich von der KanalschifFahrt geschaffenen Verkehren in
chemischen Erzeugnissen, Soda, Erzen und in Kohle wird immer grösser und
einzelnen Kanalstrecken der Verkehr von den Bahnen durch ihren in der Umgangs-
sprache mit dem Namen „Zwei Centimes Tarif" bezeichneten Frachtsatz
fast gänzlich entzogen, obwohl die Kanalsätze immer um 20 pCt. niedriger waren.
Als Ursache dieser Erscheinung wird allerdings angeführt, dass der Betrieb
auf vielen der dortigen Kanäle mit dem ursprünglichen Pferdezuge, sowie
den nicht mehr zeitgemässen hölzernen Pinassen und anderen schwerfälligen
Kähnen von dem technisch vorgeschrittenen Eisenbahnbetriebe eben über-
flügelt werden musste. In erster Linie sind aber wohl die geringen
Abmessungen der dortigen Kanäle die Schuld an deren Verkehrsrückgang,
was am besten der bereits erfolgte Umbau des Kanales du Centre beweist,
dessen Verkehr in den letzten Jahren wieder ausserordentlich gestiegen ist.
Tarifarische Massnahmen der Eisenbahnen. So wie die Wasserstrassen
in den höherwerthigen Güterverkehr der Eisenbahnen einzudringen sich be-
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458 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
streben, so trachten letztere, die Wasserstrassen îm Massengutverkehr
durch Erstellung billiger Frachtsätze, welche auf längere Entfernungen hin
besonders gering angesetzt sind, zu bekämpfen. Bekannt sind die weit
ausholenden tarifarischen Massnahmen der deutschen Bahnen, die dem
Rheinbecken zugehenden Güter wieder an sich zu ziehen und enthalten
die dortigen EisenbahnbegQnstigungen in den Verkehren mit den deutschen
Seehäfen die denkbar niedersten Bahnantheile.
In neuerer Zeit wurde, um den Industrieverkehr auf die Bahnen zu
überleiten, der sogenannte Levantetarif geschaffen. Dieser wurde 1890
für Hamburg erstellt und damit zwischen Hamburg und den hauptsächlichsten
Häfen der Levante eine regelmässige SchiiSahrtsverbindung, „Deutsche Levante-
Linie", eröffnet. Es ist auf solche Weise unter völliger Umgehung der
Wasserwege am Rheine und der Elbe, sowie der doch am kürzesten gehenden
Donaustrasse ab Regensburg ein unmittelbarer Güterverkehr über Hamburg
seewärts nach den Hafenplätzen Syra, Smyrna, Piraeus, Saloniki, Konstan-
tinopel, Burgos, KOstendje, Odessa, NikolaeS, Batum, Braila, Galaz für die
hauptsächlichsten Ausfuhrartikel Deutschlands, wie Blei, Zement, Eisen, Stahl,
Holzwaaren, Maschinen, Zucker, Gewebe und Industrieartikel aller Art ein-
gerichtet worden und die Antheilsätze, welche sich die preussischen, sächsischen
und späterhin zum Theile auch die bayerischen Bahnen rechnen, sind in
manchen Verkehrsbeziehungen so nieder, dass sie unter die Selbstkosten fallen.
Staffeltarife. Die Grundlage der tarif arischen Bekämpfung derWasserstrassen
besteht in erster Linie darin, dass die Eisenbahnen statt eines für jedes Kilometer
gleich hohen Streckensatzes fQr längere Entfernungen billigere, nach den Be-
förderungslängen sinkende Sätze, Staffeltarife, aufstellen. Die Staffeltarife
werden derart erstellt, dass beispielsweise der Satz bis 100 km mit 4 Heller,
von 100 bis 300 km mit i Heller, über 200 km wieder mit 2 Hellern u. s. w.
festgesetzt wird.
Ein richtig abgestaffelter Tarif ist übrigens in den Selbstkosten sowohl
der Schiffahrt, als auch der Bahn begründet, welche auf längere Entfernungen
verhältnismässig geringer sind, als für Beförderungen auf kurzen Strecken.
Ein solcher Tarif hat ferner für die Eisenbahn den grossen Vortheil, dass er
die Sätze für geringe Entfernungen, bei denen ohnedies der Hauptverkehr
stattfindet, unberührt lässt und nur die Sätze auf weite Entfernungen er-
mässigt, in denen der Verkehr noch gering ist und durch die billigen Sätze
erst beschafft werden soll. Hierdurch bewirkt er neue Einnahmen mit ver-
hältnismässig geringen Betriebsmehrkosten.
Da aber die derart abgestuften Tarife der Bahnen, auch auf die weitesten
Entfernungen hin, doch in solcher Höhe gehalten werden müssen, dass sie
die durch dieselben bedingten Betriebskosten Oberschreiten, so werden sie
immer noch wesentlich höher als die bezüglichen Wasserstrassensätze sein.
Giebt aber die Bahn noch niedrigere Begünstigungstarife, so schädigt
sie einerseits ihre Rente, andererseits kommt diese Begünstigung nur immer
ganz bestimmten Interessengruppen zugute, während die Allgemeinheit keinen
Vortheil davon geniesst, wogegen die schon naturgemäss niederen Transport-
preise der Wasserstrassen immer viel wirksamer als alle Begünstigungstarife der
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt
459
Eisenbahnen die allgemeine Betheiligung des Gemeinwesens an den billigen
Beförderungen ermöglichen.
Wenn also beispielsweise die Staatseisenbahnen durch Staffel- und
Differentialtarife, sowie durch noch weitere besondere Frachtbegünstigungen auf
den parallel dem Wasserwege gehenden Linien die Binnenschiffahrt auf dem Ge-
biete des Femverkehres zu unterbieten suchen, so ist dieses nur insolange
richtig und in Bezug auf den Staatshaushalt zu rechtfertigen, als sich die-
selben durch diese Sätze in ihrem Ertrage nicht selbst schmälern. Wirth-
schaftlich unrichtig ist es aber , wenn in an den Schiffahrtsverkehr an-
schliessenden Zufuhr- und Abfuhrstrecken die staatlichen Bahnen grundsätzlich
nur hohe Anschlusstarife erstellen und den Wechselverkehr überdies
noch durch willkürliche Bestimmung und Einhebung von Geleise- und
Ueberladungsgebahren von den Hauptbahnhöfen zur Flusslände und um-
gekehrt vertheuem. Dies ist aber die verwundbarste Stelle der Binnen-
schiffahrt, an welcher sie von der Eisenbahnverwaltung getroffen werden
kann, denn die Binnenschiffahrt gedeiht nur im Zusammenwirken mit den
Eisenbahnen, weil deren Frachtwege zumeist an diesen enden und beginnen
und die Wasserstrasse nur selten in grosse Seehafenplätze unmittelbar
mündet.
Frachtrflcklässe. Am schädlichsten wirkt in wirthschaftlicher Richtung
und vom Standpunkte der Erträgnisse sowohl der Eisenbahnen, als auch der
Schiffahrt die hauptsächlich durch die scharfe Wettbewerbung beider hervor-
gerufene Einrichtung der Frachtrücklässe, Refaktien.
Die Refaktie ist die nachträgliche Rûckerstellung eines Theiles der zu
allgemeinen öffentlichen Tarifen berechneten Beförderungsgebühren. Hier-
durch werden jedoch meist nur bestimmte Grossverfrachter zum Nachtheile der
Allgemeinheit bevorzugt, weil nur grössere Geschäftsuntemehmungen in der
Lage sind, den zur Erlangung eines Frachtrücklasses gestellten Bedingungen
der Auflieferung grösserer Mengen innerhalb gewisser Zeiträume und für be-
stimmte Beförderungsstrecken zu entsprechen. Durch die sich immer über-
bietenden Höhen der Frachtrücklässe schädigen sich daher Bahnen und
Schiffahrt gegenseitig ganz ausserordentlich, ohne dass hiervon die Allgemeinheit
wirthschaftlich Nutzen ziehen wurde.
Die Nachtheile dieses Unwesens treten insbesondere bei den Verkehrs-
mitteln des Binnenlandes zu Tage, weil diese unmittelbar ebenso in die
grossen, wie auch in die viel zahlreicheren kleinen Wirthschaftskreise ein-
greifen, der föeinbetrieb aber immer nur eine geringe Menge erzeugt,
daher die zur Erlangung einer Refaktie erforderlichen Mengen nicht
aufbringen, in Folge dessen auch an dem Gewinn aus der wohlfeilen Be-
nützung der Verkehrsmittel durch Frachtrücklässe nicht theUnehmen kann.
Aus diesem Grunde ist es allgemein wirthschaftlich falsch, dass çiem grossen
Frachter seitens der Eisenbahnen und der Schiffahrt besondere und noch
weitergehende Begünstigungen eingeräumt werden, als es ohnehin im Wesen
der Betriebswirthschaftlichkeit dieser Verkehrsmittel liegt und den in den
Tarifen derselben niedergelegten Grundsätzen entspricht.
Die Flussschiffahrt, deren Leistungsfähigkeit durch vielfache Faktoren
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4бо V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
bedingt ist, muss allerdings ihre Frachtsätze nach diesen regeln und
daher im Massengutverkehre oft besondere Begünstigungen einräumen.
Jedoch kann an diesen die Allgemeinheit voll theilnehmen, da die Schiffahrt
für Schleppladungen in der Regel Jedermann die gleichen Begünstigungen
einräumt. Die Wasserfrachten können eben nur bis zu einer gewissen
Grenze an bestimmte Tarife gebunden werden, weil die Schiffahrt von
den verschiedensten Umständen abhängig ist. In der Binnenschiffahrt
schwanken deshalb die Frachtsätze, abgesehen davon, dass sie von dem Ver-
hältnisse der jeweilig vorhandenen Frachtmenge zum verfügbaren Schlepp-
raume abhängig sind, weil sie von den Wasserstands- und Witterungsverhält-
nissen, von der Möglichkeit einer Rückladung und endlich von der erhöhten
Versicherungsgebühr im Spätherbste oder für kritische Stromstrecken beein-
flusst werden.
Bei der Seeschiffahrt kommen die Bedenken des Frachtrücklasswesens
viel weniger zur Geltung, weil der Kleinbetrieb kaum in die Lage kommt, sich
der Seeschiffahrt als Beförderungsmittel für seine erforderlichen Rohstoffe und
Erzeugnisse unmittelbar zu bedienen, daher auch die Seeschiffahrt in erster
Linie nur den Interessen des Grosshandels und Grossbetriebes dient und die
Interessen des allgemeinen und kleineren Handels nicht sowie die Binnen-
schiffahrt oder die Eisenbahnen in ihre Zone bezieht. Die Seefrachten haben
deshalb Werthkurse wie die Börsenpapiere, sie werden börsenmässig gehandelt
und steigen und sinken je nach dem Angebot von Laderaum.
Betriebstechnische Massnahmen der Eisenbahnen. Um den Wettbewerb
mit den Wasserwegen erfolgreicher aufnehmen zu können, machen die Eisen-
bahnen auch in betriebstechnischer Beziehung alle Anstrengungen, um
ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Dieses Bestreben liegt jedoch, im Gegen-
satze zu den tarifarischen Massnahmen, vollkommen im allgemeinen wirth-
schaftlichen Interesse und soll daher in weitestgehender Weise gefördert
werden.
So sind die Bahnen bestrebt, durch Erhöhung der Tragfähigkeit ihrer
Güterwagen, wie dieses bereits einige amerikanische Bahnen gethan, und
durch Einrichtung derselben zur Selbstentladung ihre Betriebskosten zu
verringern.
In der rheinisch-westfälischen Industriezone besteht beispielsweise ein
derart dichter Eisenbahnverkehr, dass nach der Zahl der versandten und
empfangenen Tonnen im Jahre 1898 auf i km Bahnlänge im Ruhrgebiet
90000 Tonnen entfielen. Dieser Verkehr kann von den Eisenbahnen mit
den jetzigen Güterwagen von 10 Tonnen kaum mehr bewältigt werden. In
Preussen hat man deshalb bereits begonnen, die offenen, zweiachsigen Güter-
wagen durch Anbringung einer dritten Achse von 10 auf 15 Tonnen Lade-
gewicht zu erhöhen, ebenso hat sich die preussische Staatseisenbahn Verwaltung
zum Bau dreiachsiger Güterwagen von 25 Tonnen Tragfähigkeit entschlossen,
wodurch sie eine Ersparnis an rollenden Güterwagen und an Rangirraum in
den Bahnhöfen von 25 pCt. zu erzielen und, nachdem ein Güterzug mit
25 Tonnenwagen beiläufig um 25 pCt. mehr als die bisherigen wird leisten
können, auch den dichtesten Verkehr zu bewältigen hofft.
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt. 461
In Amerika wurde bereits eine grosse Anzahl von 30 Tonnenwagen, aus
gepresstem Stahl, in Betrieb gebracht, wodurch sich das Verhältnis der Nutz-
last zur todten Last bedeutend günstiger, daher die Zugskosten entsprechend
niederer stellen. Die Eisenbahnwagenfabrik Zypen und Charlier bei Köln
hat übrigens auch schon Selbstentlader für Erzsendungen von 52 cbm Inhalt
= 50 Tonnen Tragfähigkeit gebaut.
Betriebstechnische Massnahmen der Schiffahrt. Jedoch kann auch die
Schiffahrt durch zweckentsprechende Einrichtung und Ausgestaltung ihrer
Landungsplätze, Lagerhäuser und der Ladevorrichtungen, sowie durch Er-
richtung von geeigneten Umschlagsplätzen, in welchen die Schleppe rasch ein-
und ausgeladen werden können, noch wesentlich wirthschaftlicher ausgestaltet
werden.
Was durch Vermehrung und bessere Ausgestaltung der Hafen- und
Ladeeinrichtungen zu erreichen ist, zeigt am deutlichsten ein Vergleich
zwischen dem in dieser Beziehung vorzüglich eingerichteten Seeschiffahrts-
betriebe mit der Flussschiffahrt. Während beispielsweise die Seefracht-
dampfer zwischen Hamburg und New- York in einem Jahre oft 14 Reisen
zurücklegen, ist bei der Flussschiffahrt die Zahl der jährlich zurückgelegten
Reisen verhältnismässig sehr gering. Einerseits beträgt die Zahl der Schiffe
fahrtstage im Jahre kaum 300, anderseits kann von diesen Tagen nur in wenigen
mit voller Ladung gefahren werden. Von den Betriebstagen entfallen wieder
nur beiläufig */, auf die Fahrt, während Vs für das Löschen und Laden, das
Warten auf Ladung oder Ausladung der Schleppe verloren gehen, wodurch
sich natürlich die Schiffsfrachten bedeutend vertheuern.
Es liegt sowohl im Interesse der Schiffahrt, als auch der Bahnen
und des Staates, durch Vermehrung der Häfen und Umschlagplätze, sowie
durch bessere, allen Anforderungen der Neuzeit entsprechende Lösch-, Lade-
und Lagerungseinrichtungen, diese Verzögerungen und Aufenthalte einzu-
schränken und hierdurch den allgemeinen Transportbetrieb zu beschleunigen
und zu verbilligen.
Einwirkung des Wasserverkehres auf das BahnertrSgnis. Die Binnen-
wasserstrassen werden vielfach deshalb angegriffen, weil sie durch den Wett-
bewerb, den sie den Bahnen machen, die vom Staate mit grossen Geldmitteln
geschaffenen Eisenstrassen zu schädigen geeignet sind.
Diese Behauptung ist wohl zu weitgehend, denn wenn auch die Wasser-
strassen durch die Möglichkeit ihres wesentlich billigeren Verkehres den
Eisenbahnen grosse Verkehresmengen entziehen, so bringen sie umgekehrt
dadurch, dass sie eben durch ihre Billigkeit neue Güter verkehrsfähig machen^
den Eisenbahnen wieder Verkehre zu, und geschieht dieses wohl in dem-
selben Masse, als sie den Eisenbahnen Verkehrsmengen abnehmen. Ein
grosser Theil der von den Wasserstrassen geschaflFenen neuen Verkehre muss
la den Bahnen schon deshalb zukommen, weil diese, durch ihre weite Ver-
zweigungsfähigkeit in alle Industriegebiete ausmünden und diesen die vom
Wasser gebrachten Mengen zuführen.
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462 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
Dauernd erleiden deshalb die Eisenbahnen durch die Wasserwege wohl
keinen grossen Nachtheil. Dadurch aber, dass die Wasserstrassen die minder-
werthigen Massengüter, welche nur einen sehr geringen Frachtsatz vertragen,
in Folge ihrer geringeren Zugskosten an sich ziehen, steigt die Leistungs-
fähigkeit der Eisenbahnen in Bezug auf den Verkehr mit höher tarifirbaren
Gütern, was für sie nur von Vortheil ist, weil dadurch ihre Ertragsrente ge-
steigert wird.
Dass das Eindringen der Bahnen in den nur billige Frachtsätze ver-
tragenden Massengutverkehr auf deren Ertrag nur ungünstig einwirken kann,
mag durch folgende, allerdings ganz allgemein gehaltene Berechnung klar-
gelegt werden.
Nach der Statistik für 1899 betrug die Frachteinnahme der k. k. öster-
reichischen Staatsbahnen:
für 72 739 Tonnen Gepäck .... 2 834 536 K.
251 340 „ Eilgut 7 340 134 „
„ I 899 407 „ Stückgüter ... 23 099 978 „
„ 28997418 „ Wagenladungsgüter 130308432 „
zusammen für 31 220904 Tonnen Güter 163583080 K.
Die tonnenkilometrische Einnahme für Frachtgut berechnet sich auf
3,96 Heller, der Betriebs-Koeffizient wird mit 75,63 pCt. angenommen.*) Nach-
dem sich die Betriebsausgaben für jede Tonne Fracht gleich hoch stellen, so
ergiebt sich, dass, um diese 31,2 Millionen Tonnen zu fahren, 75 pCt. der Ein-
nahmen also 123 Millionen Kronen oder für i Tonne 2,52 Kronen oder für
I tkm. 1,70 Heller ausgegeben werden musste, welche Betriebsausgabe dem
billigsten Ausnahmetarife II der ermässigten Wagenladungsklasse über 300 km
entspricht, der sich auf 1,70 Heller für i tkm. berechnet. Wenn man be-
denkt, dass die Selbstkosten der Bahnen sich auf nahezu 1,60 Heller pro tkm
stellen, dass sich obige Einnahme mit 1,70 Heller erfahrungsgemäss durch
Rückvergütungen, Verbands- und Anschlusstarife noch verringert, so
kann gefolgert werden, dass durch diese, mit so billigen Sätzen beförderten
Massengüter für die Staatsbahn keine Reineinnahmen erzielt wurden, weil
dieselbe grosse Gütermengen unter ihren Selbstkosten geführt hat und
dass die von ihr erzielte massige Rente von 2,89 pCt**) nur aus dem Fracht-
ertrage der höher tarifirten Gütermengen stammt.
Würden aber Wasserstrassen mit ihren zulässigen , billigen Zugskosten
den Staatseisenbahnen diese verlustbringende Arbeit abnehmen, so
müsste die Rente derselben entsprechend steigen, wie dieses die deutschen
Staatsbahnen beweisen, welche nach Konta eine durchschnittliche Verzinsung
von 5,57 pCt., die preussischen Staatsbahnen sogar von 6,76 pCt, ergeben.
Wenn die staatlichen Eisenbahnen den ganzen Verkehr allein zu be-
wältigen haben, müssen sie eben, durch die Ansprüche des Handels und der
Industrie gedrängt, um den öffentlichen Interessen zu genügen, auch für minder-
werthige Massengüter ihre Tarife fortwährend herabsetzen und da sie für
niedertarifirte Güter fast die gleich hohen Betriebskosten wie für hoch-
*) Nach Russ.
**) Nach Konta.
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schifiahrt.. 463
tarifirte haben, erstere Güter aber immer in grossen Mengen auftreten,
so muss sich folgerichtig eine Verminderung ihres Reinertrages ergeben.
Aus diesem Grunde ist man auch berechtigt anzunehmen, dass die
gegenüber den österreichischen Staatsbahnen höhere Rente der deutschen
Bahnen, abgesehen von deren streckenweise grossen Verkehrsdichte, wohl
auch auf den Umstand zurückzuführen sei, dass letztere durch die Wasser-
strassen in der Beförderung geringwerthiger, daher niedertarifirter Güter ent-
lastet werden.
Andererseits hat aber wieder jede, im Verkehrsgebiete einer Eisenbahn
gehende Wasserstrasse die übrigens in wirthschaftlicher Beziehung wichtige
Wirkung, dass die Eisenbahn willkürlich ihre Frachtsätze nicht zu hoch stellen
kann, sohin durch eine Wasserstrasse der eiserne Wall der hohen Bahntarife
durchbrochen wird. So ist nach Ulrich die durchschnittliche Fracht für ein
Tonnenkilometer auf den preussischen Bahnen gesunken:
185^ 10,33 Pf.
i860 7,00 „
1870 4,66 „
1880 4,33 „
1890 3,81 „
1895 3»53 n
Wenn dort keine Wasserwege bestünden, so würden diese Ermässigungen
zumindest nicht so gross geworden und viel langsamer vor sich gegangen sein.
Sinken des Ertrages der Transportanstalten. FrachtznsammenscUnss.
Schliesslich muss aber wohl festgehalten werden, dass der Zweck der
beiden Verkehrsmittel nicht der Kampf um die gegenseitigen Verkehrsgebiete
sein kann, sondern dass sich dieselben, wenn auch zu Beginn der Wettbewerb
ein scharfer ist, in den vorhandenen Verkehr und in die durch die Wasser-
strassen neu geschaffenen Verkehre, nach Massgabe ihrer besonderen Be-
triebseigenschaften, theilen sollen, wodurch mit der Zeit ein gegenseitiger
Ausgleich ihrer Interessen eintritt. So vertheilt sich beispielsweise der grosse
Kohlenverkehr zwischen Belgien und Frankreich mit 42 pCt. auf die Wasser-
strassen und mit 58 pCt. auf die Eisenbahnen. Der Verkehr von Berlin 1898
auf die Eisenbahn mit 6 400 000 und auf die Wasserstrasse mit 5 600 000 Tonnen.
Das durch den Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt ein-
getretene fortwährende Sinken der Frachtsätze und die hierdurch bedingte
Schmälerung des Ertrages beider Verkehrsmittel kann aber, allerdings
nur bis zu einer gewissen Grenze, durch entsprechende gegenseitige Fest-
stellung der Frachtsätze gemildert werden. Natürlich können die Fracht-
sätze der Wasserstrassen nie so hoch gestellt werden als jene der Eisen-
bahnen, denn dann würden die Verfrachter und Empfänger sofort geneigt
sein, der pünktlicheren Eisenbahnbeförderung den Vorzug zu geben, und
umgekehrt, können die Eisenbahnfrachtsätze nur bis über ihre Selbstkosten
den Schiffsfrachten entsprechend heruntergesetzt werden. Alle Frachtsätze
sowohl der Bahn, als auch der Wasserstrasse könnten aber hierdurch
immerhin so hoch gehalten werden, dass sich, bei entsprechender Theilung
des Verkehres, einerseits noch ein nutzbringender Ertrag für die Transport-
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464 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
anstalten, andererseits nicht zu hohe Frachtkosten fOr die Allgemeinheit
ergeben. Das Gleiche gilt in erhöhtem Masse bezüglich des oft geradezu
sinnlosen Wettbewerbes der SchiSahrtsgesellschaften untereinander, welcher
weder dem Produzenten noch dem Konsumenten zugute kommt, sondern von
dem nur der Zwischenhändler oder einige Grossverfrächter einen Nutzen ziehen.
Es ist übrigens ein alter Erfahrungssatz, dass für den Kaufmann viel weniger
der Umstand wichtig ist, dass er den niedersten Frachtsatz erreiche, als der,
dass sein Konkurrent keinen niedereren Frachtsatz als er erhält.
Im SchifTahrtsbetriebe selbst wird selbstverständlich immer ein Wett-
bewerb vorhanden sein, weil der kleine Privatschifier naturgemäss geringere
SchifFskosten als die vergesellschaftlichte grössere Schiffahrt hat. Die grösseren
Transportanstalten eines Verkehrsgebietes sowohl zu Wasser, als zu Lande
werden aber durch einen entsprechenden gegenseitigen Frachtzusammen-
schluss immerhin ihre Tarife so hochhalten können, dass ihnen ihr rechtlich
zukommender Ertrag gesichert bleibt.
Durch einen solchen Anschluss würden dann die in statistischen Ver-
öffentlichungen verzeichneten Mindesttarife bald verschwinden, welche nicht
nur die Laienkreise, sondern auch oft die berufsmässigen Volkswirthe und
Handelspolitiker irreführen, weil sie oft nur Verzweiflungstarife in Folge Vor-
handenseins eines grossen Schiffsladeraumes oder die Ergebnisse der Laune
eines Einzelschiffers sind und nun, bei Beurtheilung des volkswirthschaftlichen
Werthes einer Verkehrslinie verwendet, zu argen Trugschlüssen führen.
Durch eine den Verkehrsmitteln der Eisenbahn und der Schiffahrt ent-
sprechende Verkehrstheilung kann dann eine den beiden Interessen derselben
dienende Verschiebung des Güterverkehres eintreten. Die Wasserstrasse wird
der Bahn diejenigen Güterarten, insbesondere die Massengüter, abnehmen, welche
sie zweckmässiger befördern kann, wodurch letztere wieder von diesen gering-
werthigeren niedertarifirten Gütern, welche ihr aber die gleichen Selbstkosten als
die höher tarifirten verursachen und denen zu Liebe, weil dieselben meist in
grosser Menge auftreten, sie oft Neuinvestitionen an Betriebsmitteln machen
muss, entlastet wird.
Frachtsätze und Selbstkosten. Diese Verkehrstheilung muss aber selbst-
verständlich unter Zugrundelegung von logisch aufgebauten und unter allen
Umständen nutzbringenden Tarifen geschehen. Die Staffeltarife bieten
hieriür die einwandfreieste Form, nur müssten sie einheitlich und planmässig
erfolgen und nicht so wie heute, wo sie nur dem Namen nach solche und
mehr als Ausnahmetarife anzusehen sind, welche von Fall zu Fall für ein-
zelne Artikel, Industrie- und Handelsgruppen gewährt werden und durch
jede neue Gewährung wieder entgegenstehende Interessen verletzen, die dann
wieder durch weitere Frachtbegünstigungen geregelt werden müssen, wodurch
schliesslich ein Chaos unentwirrbarer Tarife entsteht, in dem sich die All-
gemeinheit nicht zurechtfindet und die in Folge dessen wieder nur den
Zwischenhändlern des Transports wesens, den Spediteuren, Nutzen bringen.
Nur durch den oft sinnlosen Wettbewerb zwischen den Transport-
anstalten und durch die auch nicht seltene Berücksichtigung von Sonder-
interessen, sowie durch das Dazwischentreten des Speditionswesens wird der
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt 465
Aufbau von klaren Tarifen so ausserordentlich erschwert und gestalten sich
die Frachtbildungen oft zu den merkwürdigsten Auswüchsen unlogischen
Denkens. Liegt denn thatsächlich ein zwingender Grund zur Gewährung von
billigen Tarifen für einzelne Speditionshäuser vor und sind die Sammel- oder
Waggonladungstarife gerechtfertigt? Können denn die grossen Transport-
anstalten mit ihrem ausreichenden Beamtenstand und ihren zahlreichen Magazins-
räumen nicht auch selbst die Einzelgüter bis zum Gewichte einer Waggon-
ladung sammeln und die dadurch sich ergebenden Frachtdifierenzen zur Er-
höhung ihres Erträgnisses verwenden? u. s. w.
Bei geklärten Verhältnissen und bei einem Anschlüsse der Verkehrs-
anstalten untereinander würde aber der Aufbau der Frachtsätze nach dem
Prinzipe: für jede Transportleistung (= Last mal Entfernung) eine
äquivalente Gebühr aufzustellen, innerhalb gewisser Grenzen unschwer
durchführbar sein. Dies wäre der Normaltarif, zu welchem dann noch die
im Durchschnitte zu ermittelnde Gebühr für Ein-, Ausladung, Magazinirung
(Expeditionsgebühr) und Versicherung, welche von der Beförderungsentfemung
unabhängig und daher für jede Transportlänge gleich zu halten ist, hinzu-
geschlagen werden müsste.
Naturgemäss liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse für die Eisen-
bahn günstiger, auf deren Geleise nicht wie auf der Wasserstrasse jeden
Augenblick durch einen kleinen Transportunternehmer ein freier Wettbewerb
auftreten kann, welcher durch seinen geringen Aufwand an Beförderungskosten
sofort wieder niederere Frachtpreise zu erstellen in der Lage ist. So müssen die
grösseren Dampfschiffahrtsgesellschaften mit der freien Ruderschiffahrt in Wett-
bewerb treten, auf das Angebot von Laderaum, auf die Wasserstands- und
Witterungsverhältnisse u. s. w. Rücksicht nehmen. Werden aber in den
Zusammenschluss zur Erhaltung der Frachtsätze in einer gewissen Höhe auch
die kleinen Rheder aufgenommen, so bildet sich bald wieder eine neue Unter-
nehmung, welche in Wettbewerb tritt, wie dieses die auf der Elbe schon
wiederholt geschlossenen Kartelle zur Genüge zeigen.
Die Grundlage zur Ermittlung^ der eigentlichen Transportgebühr,
des Normaltarifes, müssten die Eigenkosten der Beförderungsleistungen,
die Selbstkosten, bilden, wobei man Verschiedenheiten der zu be-
fördernden Waarengattungen nur soweit zu berücksichtigen hätte, als sie
zweifellos höhere Beförderungskosten verursachen. Diese Durchschnitts-
frachtsätze wird man in der Weise feststellen, dass man den gesammten
Aufwand des Vorjahres an Transportkosten auf die im Durchschnitte
erhobene Zahl der Transportleistungseinheiten auftheilt und hierzu, weil ja
der zu erwartende voraussichtliche Verkehr durch soziale, politische und
Elementarereignisse, sowie durch Missemten und Handelskrisen ungünstig
beeinflusst werden kann, eine bestimmte Sicherheitsgebühr nebst einem
entsprechenden Ertragsgewinn dazuschlägt.
Was die Ermittlung der Selbstkosten zum Zwecke der Aufstellung
der Frachtgebühren betrifft, so ist diese bei grösseren Gesellschaften durch
ziemlich zusammengesetzte Umstände bedingt:
Im Allgemeinen setzen sich die Selbstkosten einer Verkehrs-
leistung zusammen: aus dem Antheil der Kosten für die Verwaltung und
Suppàxii Wasserstrassen und Binnenschiffahrt. 3^
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^66 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
den Betrieb, sowie aus den Kosten für Verzinsung und Tilgung des Anlage-
kapitals.
Die Kosten für Verzinsung und Tilgung erwachsen bei der Schiffahrt
oder der Eisenbahn unter allen Umständen, mag sie viel oder wenig zu leisten haben.
Der Verkehrsumfang hat auf diesen Theil der Kosten nur dann Einfluss,
wenn er, wie bei der Eisenbahn, eine Erhöhung des Anlagekapitals durch
Neuinvestitionen, wie Erweiterung der Bahnhofe, oder eine zweite Geleise-
anlage u. s. w. bedingt. Zur Deckung dieser Kosten muss jede Transporteinheit
gleichmässig beitragen. Demgemäss wird dieser Antheil fQr eine Leistungs-
einheit umso geringer, je grösser die gesammte Transportleistung ausfällt.
Die Verwaltungs- und Betriebskosten müssen in zwei Gruppen
geschieden werden. Die erste Gruppe ist gleichfalls von der jeweiligen Ver-
kehrsleistung unabhängig, weil ein bestimmter Verwaltungsaufwand nothwendig
ist, um das Unternehmen zu unterhalten und zu leiten. Sie umfasst die all-
gemeinen Verwaltungsauslagen, die Leitung und Beaufsichtigung des Unter-
nehmens, Steuern und Gebühren u. s. w.
Die zweite Gruppe, Kosten für Erhaltung der Fahrbahn, sowie Abnutzung
der Anlagen und der Fahrmittel, ist von der jeweiligen Verkehrsleistung nur
bis zu einem gewissen Grade unabhängig, weil sie in Folge der natürlichen
Abnutzung auch dann eintritt, wenn die Betriebsmittel stille liegen.
Unmittelbar abhängig von der jeweiligen Leistung sind nur die Kosten für
Brenn- und Schmiermaterial, sowie für das Betriebsinventar und die
Herstellungskosten, welche in Folge des Betriebes erwachsen; ferner die
Kosten für das Betriebspersonal, insoweit dasselbe nach Transportleistungen,
mit Fahr- oder Kilometergeldern, Gebühren für geleistete Tonnenkilometer*),
Betriebszulagen u. s. w. gezahlt wird, und für den jeweilig aufzunehmenden in
Tag- oder Monatslohn stehenden Bemannungsstand. Dagegen sind die Gehalte
und Bezüge des festangestellten Personales von der jeweiligen Menge der
X'erkehrsleistungseinheiten nahezu unabhängig.
Man unterscheidet demnach in den Selbstkosten ganz richtig einen un-
veränderlichen und einen veränderlichen Theilbetrag. Ersterer umfasst die
Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und einen Theil der Verwaltungs-
und Betriebskosten, letzterer die oben genannten unmittelbar durch die jeweilige
Grösse der Transportleistung bedingten Kosten.
Bei grossen Schiffahrtsgesellschaften berechnet man den unverätiderlichen
Theil auf nahezu 50 pCt., bei den Eisenbahngesellschaften auf 75 pCt. der
Gesammtkosten. Bei ersteren muss sich daher die Hälfte, bei letzteren zwei
Drittel der Selbstkosten jeder einzelnen Verkehrsleistung — also eines Tonnen-
kilometers — mit der Zunahme der tonnenkilometrischen Leistung verringern,
daher die Selbstkosten für jede Transporteinheit umso niedriger werden, je
grösser der Verkehr anwächst, bis zu jenem Punkte, wo die Verkehrssteigerung
neue Betriebseinrichtungen, wie die oben bei der Eisenbahn erwähnten,
bedingt.
Hieraus ergiebt sich aber auch, dass die Bestimmung der für jeden
einzelnen Verkehrsakt voraussichtlichen Selbstkosten sehr schwierig und
*) Ein Theil der Besoldung des Schiffspersonals der Donau-Dampfschififahrts-
Gesellschaft erfolgt beispielsweise nach den geleisteten Tonnenkilometern.
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt. 467
nur bis zu einer gewissen Grenze möglich ist, ganz abgesehen davon, dass
das Anlagekapital, die Unterhaltungs- und Betriebskosten für einzelne Ver-
behrss trecken, bei der Eisenbahn durch die grösseren oder geringeren
Bahnsteigungen, Tunnels, Thalubergänge u. s. w., bei der Schiffahrt durch
das Gefälle, Niederwasser, Stromerschwernisse u. s. w. sehr verschieden sind,
daher auf gewissen Strecken und Streckenlängen verschiedene Selbstkosten ver-
ursacht werden. Man muss sich daher im grossen Ganzen bei Berechnung
der Selbstkosten mit Durchschnittermittlungen auf Grund der Erfahrungen
und Rechnungsergebnisse der letzten Jahre und deren Betriebsergebnisse
begnügen.
ScbiffsfrachtsätKe des Donau-, Rhein-, Elbe- und Odergebietes. Um die be-
stehenden Frachtverhältnisse der vier Hauptströme, der Donau, des Rheines, der
Elbe und der Oder untereinander und mit den, ihre Gebiete durchziehenden Eisen-
bahnen vergleichen zu können, sind in den nachfolgenden Ausführungen die haupt-
sächlich in Frage kommenden Schiffs- und Eisenbahnfrachtsätze nach
ihrem derzeitigen Stande berechnet.
Bezüglich der im Donauverkehr in Anwendung stehenden Fracht-
sätze gelten in Kürze folgende Erwägungen:
Die Frachtsätze der Donauschiffahrt sind im Stückgutverkehre bei weitem
Jiöher als für in Schleppen beförderte grössere Verkehrsmengen, weil dieser Dienst
durch die, grössere Betriebskosten ergebenden fahrplanmässig fahrenden Frachten-
dampfer abgewickelt werden muss. Die Frachtsätze im Stückgutverkehr sind mit
Rücksicht auf die Bahntarife auf Gmndlage der allgemein üblichen Waaren-
«intheilung aufgebaut und zum Theile in Folge der oft mit den Bahnen ge-
schlossenen Uebereinkommen ziemlich hoch erstellt. So betragen die Thal-
frachten für 100 kg:
für Güter der Klasse I, A, B. Ausnahme-
tarif
I. von Wien— Budapest . . . 291 km 240 h lao h 92 h 76 h
daher f. i tkm von 2.61 h bis 8.25
^. von Wien— Rustzuk .... 1468 km 800 Cts. 550 Cts. 375 Cts. 280 Cts.
daher f. i tkm von 1.91 Cts. bis 5.45
3. von Wien— Galaz (See) . . . 181 1 km 800 Cts. 550 Cts. 375 Cts. 280 Cts.
daher f. i tkm von 1.54 Cts. bis 4.42
4. von Regensburg— Wien . . . 454 km 195 Pf. 145 Pf, 125 Pf. 90 Pf.
daher f. i tkm von 1.98 Pf. bis 4.29
5. von Regensburg— Budapest . 745 km 305 Pf. 230 Pf. 195 Pf. 160 Pf.
daher f. i tkm von 2.15 Pf. bis. 4.09
S, von Regensburg— -Galaz (See) 2265 km 745 Pf. 537. Pf. 393 ]*f. 270 Pf.
daher f. i tkm von 1.19 Pf. bis 3.29
In diesen Frachtsätzen sind aber alle Kosten für Ein- und Ausladung,
Versicherung, sowie die im Theile VI angeführte ungarische Transport-
steuer inbegriffen und werden bei Auflieferung grösserer Frachtmengen,
jiamentlich im Wettbewerb mit den Eisenbahn- und Seelinien über Hamburg,
Fiume und Triest, entsprechende Rücklässe bis zu 50 pCt. gewährt
Zu sehr billigen Frachtsätzen wird jedoch der Donauthalverkehr auf
langen Strecken ab Regensburg, Passau, Linz, Wien, Budapest nach der
unteren Donau ausgeführt, so dass einzelne Thalsätze für 10 000 kg bis auf
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0,50 Heller für das Tonnenkilometer sinken. Aber auch Einzelgûter werden
streckenweise billig verfrachtet. So wurden beispielweise 1900:
Kreide, Erden, Farbwaaren und
Spath von Regensburg nach Wien . . 454 km mit 55 Pf., daher m. 1.21 Pf. f. i tkm
Eisen von Regensburg' nach Giurgevo . 1926 km mit 160 Pf., daher m. 0,83 Pf. f. i tkm
Eisen von Wien nach Galaz (See) . .1811 km mit 150 Cts., daher m. о 83 Cts. f. i tkm
Zucker von Pressburg nach Belgrad . . 738 km mit 80 Cts., daher m. 1.08 Cts. f. i tkm
einschliesslich Ein- und Ausladung, Versicherung und ungarischer Transport-
steuer geführt.
In der unteren Donau ergeben sich in Folge des allgemeinen Wett-
bewerbes durch die dortige Schiffahrt für Stückgüter zu Berg von Galaz
aufwärts folgende niedere tonnenkilometrische Satze:
nach Giurgevo, Rustzuk . .
„ Sistov
,, Widdin, Calafat . . .
,, Turn Severin . . .
Die Donaufrachtsätze im gewöhnlichen Schleppzugverkehre für
Massengüter, wie Getreide, Holz, Steine, Ziegel, Kohle, sind in den Tabellen
S. 469, 470 und 471 dargestellt. Dieselben zeigen die durch die verschieden-
artigen Stromstrecken bedingten Unterschiede in den Frachtsätzen. Dabei ist
zu bemerken, dass auch in diesen Sätzen die Versicherung und die ungarische
Transportsteuer eingeschlossen ist, welche nebst den in den Frachtsätzen ent-
haltenen Kosten für Ein- und Ausladung rund 20 pCt. vom Frachtsatze be-
tragen.
Eine Ermässigung der Bergfrachtsätze des Donauverkehres unter
0,80 Heller für I tkm kann in der Regel nicht eintreten, weil die Schiff-
fahrt bei dieser Höhe auf Entfernungen bis 500 km nicht mehr lohnend
ist Erst bei Strecken von über 500 km können noch billigere Sätze bis
0,70 und über 1000 km bis 0,60 Heller für i tkm, bei günstigeren Wasser-
ständen gewährt werden.
Ein Vergleich der Schiffs- und Bahnfrachten längs des Donaugebietes
ergiebt die unzweifelhafte Ueberlegenheit der Wasserstrasse im Thal-
verkehre, da keine Bahn mit 0,80 Heller das Tonnenkilometer fahren
kann, während die Schiffahrt namentlich auf grösseren Entfernungen und bei
Schleppladungen diesen Satz noch weit unterbietet Im Bergverkehr ist
die Schiffahrt auf kurzen Strecken mit Rücksicht auf die langen Ein- und
Ausladezeiten der Schleppe nicht überall im Stande mit der Bahn in
Wettbewerb zu treten, insbesondere nicht auf der betriebsschwierigeren
Strecke von Gönyo aufwärts bis Regensburg. Auf Entfernungen von über
500 km ist sie jedoch auf allen Strecken der Bahn überlegen. So
bietet die Donaustrasse in der Ausfuhr aus Rumänien, Bulgarien,
Serbien, Bosnien und Ungarn nach Bayern jedem Bahn Wettbewerbe stand,
selbst im Herbste, während welchem Zeiträume die Schiffahrt durch Nieder-
wasser auf der oberen Donau in ihrer Leistungsfähigkeit oft auf die Hälfte
herabgesetzt wird.
Die Zusammenstellung Seite 472 zeigt die wichtigsten Frachtsatzgruppen
im Thal- und Bergverkehre der Donau, des Rheines, der Elbe und
der Oder.
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt.
469
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V. Wirtbschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiflahrt.
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474 V. Wirthschaftlichcr Wcrth der Wasserstrassen.
DnrchschnittsfrachtsStze. Die Frachtsätze der vier Ströme Donau, Rhein,
Elbe und Oder sind im Allgemeinen grossen Schwankungen unterworfen.
Die geringsten Schwankungen treten noch im Donauverkehr und auf der
Oder ein. Am grössten sind sie am Rheine für Steinkohle und Eisenerze
und auf der Elbe für Zucker, für welchen die Grenzwerthe sich i : 5 stellen
Als Durchschnittsfrachten für die vier Ströme lassen sich folgende
Sätze in Heller für i tkm aufstellen:
Donau Rhein Elbe Oder
Kohle 0,90 0,72 0,80 0,90
Getreide 1,30 1,30 1,10 1,20
Alle diese Sätze wurden jedoch noch niedriger sein, wenn die Betriebs-
ausnutzung des vorhandenen Laderaumes günstiger wäre, was nicht nur
durch eine weitere Verbesserung der Fahrstrasse, sondern auch dadurch zu
erzielen wäre, wenn von Seite der Kaufmannschaft an die Schiffahrt nicht
solche ungerechtfertigte Ansprüche in Bezug auf Wartezeit zum Löschen
und Laden gestellt wurden, wodurch ein Donau- und Oderschlepp fast die
Hälfte und ein Rhein- und Elbeschlepp fast ein Drittheil der vorhandenen
jährlichen Betriebstage durch Stillliegen verliert.
Niederste Frachtsätze. Die niedersten Frachtsätze ergeben sich für
den Rhein in der Zeit günstiger Wasserstände, in der Bergfahrt für Eisen-
erze von Rotterdam bis Ruhrhäfen mit 0,25 Heller für i Tonnenkilometer,
während der durchschnittliche Frachtsatz für Eisenerze 1,00 bis 1,20 und zu
Thal 0,48 bis 0,96 Heller beträgt. Der niederste Elbesatz rechnet sich ausser
dem Braunkohlenthal verkehr von Aussig nach Magdeburg mit 0,58 Heller,
für Zucker im Thalverkehr von Magdeburg nach Hamburg mit 0,60, während
der Durchschnittsfrachtsatz für Zucker 0,96 Heller beträgt. Der niederste
Odersatz zu Thal wird für Kohle von Breslau nach Stettin mit 0,58 Heller
für I Tonnenkilometer bezahlt. Der geringste Donaus atz ergiebt sich fCtr
Steinthalbeförderungen mit 0,34 Heller für i Tonnenkilometer.
Durchlaufender Fluss- und Kanalfrachtsatz. Um die Höhe der Fracht-
sätze beurth eilen zu können, welche sich bei durchlaufendem Verkehr vom
Flusse durch einen Kanal und umgekehrt ergeben, sind in nebenstehender Zu-
sammenstellung derartige zusammengesetzte Fluss- une) Kanalsätze
auf eine mittlere und auf eine längere Entfernung für Massengüter ermittelt.
Der billigste Flusskanalsatz beträgt bei Ladungen in offenen Schleppen
von Breslau nach Hamburg 0,64 Heller, der höchste für Verdeckschleppe
nach Berlin 1,60 Heller für i tkm. Für Kohlenladungeit Kosel — Oderhafen —
Berlin stellt sich der billigste Satz auf 0,60 Heller und der höchste Satz auf
1,00 Heller für I tkm.
Niederste und hSchste Schleppladungstarife. Wenn die niedersten Kohlen-,
Erz- und Steinladungssätze mit 0,25 bis 0,34 als Ausnahme tarife ausgeschieden
werden, so ergeben sich auf Wasserstrassen für ganze Schleppladungen
als billigste Sätze 0,48 bis 0,66 (0,57)
„ mittlere „ 0,90 „ 1,50 (1,20) und
„ höchste „ 1,68 „ 2,00 (1,84) Heller für i tkm.
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt.
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47б
V. Wirthschaftlicher Wcrth der Wasserstrassen.
Bahnfraehtsätze im Donau-, Bhein-, Elbe- und Odergebiete. Diesen
Wasserstreckensätzen stehen die folgenden Eisenbahnsätze gegenüber:
Einheitssätze im Donaugebiete für i Tonnenkilometer in Heller.
• — »
Kilo-
Normal-
Klasse
I.
Wagen-
ladungs-
Ausnahme- (Spezial-) Tarife
Billigster
Aus-
meter
Klasse
B.
I.
Getreide
a.
Holz
3
Steine
nahme-
Tarif
Oesterreichische
Staatsbahnen
lOO
500
1000
12,30
11,80
11,70
5,90
4,10
3,66
5,80
4,10
3,79
4,60
2,68
2,44
4,20
2,22
2,00
2,70
1,92
1,80
Ungarische
Staatsbahnen
100
500
15,70
12,30
4,80
3,58
6,10
3,94
3,80
2,82
3,10
2,22
2,70
1,94
1000
11,35
2,79
2,97
2,3Ï
1,81
1,56
Nordbahn
100
12,60
6,20
6,00
4,70
4,20
2,50
425
12,00
4,37
4,32
2,77
2,35
1,90
Priv. Oesterr.-ung.
100
13,20
7,30
7,80
6,80
4,50
4,20
Staats - Eisenbahn-
500
12,56
4,52
4,60
3,96
2,38
3,40
Gesellschaft
600
12,53
4.30
4,36
3,83
2,25
3,36
100
13,40
6,30
7,40
6,50
5,20
4,40
Sadbahn
500
12,28
4,4
5,32
4,40
2,72
2,72
889
12,03
3,86
5,05
3,49
2,38
2,38
601 km = 106 Hell, per tkm 1,8 Hell.
Es ergeben sich daher nach den billigsten Bahnfrachtsätzen im Wett-
bewerbe mit dem Donauverkehre folgende Bahnfrachten und tonnenkilometrische
Einheitssätze:
Mehl, Budapest-Fiume im Wettbewerb
Budapest-Korneuburg Laube
Holz, Samac-Fiume im Wettbewerb
nach Sissek . .
Zupanye-Fiume dto
Vukovar- Wien
Vinkovce-Wien .
Orsova-Fiume .
Temesvar-Fiume
Getreide, Zimony-Budapest
„ Wien
Essegg-Budapest
,, Wien . .
487
n
= 132
»
я
» 2,7
533
n
= 150
n
n
„ 2,8
587
n
= 136
n
II
» 2,3
599
n
= 138
n
и
» 2,3
982
n
= 180
n
II
. 1,8
793
n
= 180
n
n
n 2,3
343
n
= 91
M
II
„ 2,6
617
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= 175
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297
11
= 81
II
Ч
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556
»»
= 165
и
II
., 2,9
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt. лпп
Kohle, Banhida- „ 189 km = 45 Hell, per tkm 2,4 Hell.
Karwin-Budapest .... 418 „= 114 „ „ „ 2,7 „
Im Rheingebiete bestehen folgende Einheitssätze für i tkm:
Preussische Staatsbahnen: Im Innenverkehr
Spezialtarif für Stückgüter 8,0 Pf.
allgem. Wagenladungsklasse B. ... 6,0 „
Spezialtarif I 4»5 »»
„ П 3,5 »
„ ni 2,2—2,6 „
Im rheinisch- westfälisch-niederländischen Durchgangsverkehr, Rotterdam —
Ruhrgebiet
billigster Ausnahmetarif I . . . 3,7 — 3,9 Pf.
n ,) U • . , 3,3 — 3,4 „
„ III .. . 2,2—2.3 „
Im Verkehre zwischen Rheinland-Westfalen und Nordseehäfen
billigster Satz für Eisen . . . . 1,7 Pf.
Ausnahmesatz für Ausfuhr von
Eisen zum SchiSbau nach Ostasien 1,3 „
In jenen Verkehren, in welchen die RheinschifTahrt auf die Bahn um-
schlagen muss, ergeben die Bahnanschlusstarife sehr hohe tonnenkilometrische
Sätze, während auf den betreffenden Linien bei fortlaufender Bahnbenutzung
die niedersten Ausnahmetarife in Anwendung kommen. So rechnet die
Bahn für Eisenerz von Rotterdam nach Bochum für 10 000 kg Ausnahmesätze
von 35 bis 50 M., wogegen die zusammengesetzte Schiffs- und Bahnfracht sich
berechnet: Rheinfrachten sammt Umschlagskosten und Versicherung 13,60
bis 23,60 M., Anschlussbahnfracht für 35 km Länge 16,50 M., zusammen
30,10 bis 40,10 M.
Eisen nach Ausnahmetarif von Essen nach Rotterdam
beträgt mit Bahn 60,00 — 80,00 M.
mit Rheinschiff sammt Umschlag . . 32,00 — 40,00 „
hierzu für 20 km Bahnlänge .... 16,50 „
giebt eine Schiffs- und Bahnfracht von 48,50 — 56,50 „
Während man so zwischen den preussischen Staatsbahnen und der Rhein-
schiffahrt einem scharfen Wettbewerb begegnet, sind die Bahnsätze im Elbe-
ge biete wesentlich höher als die Elbeschiffahrtsfrachten gehalten.
So beträgt im Getreideverkehr Hamburg-Magdeburg die Bahn-r
Verfrachtung auf 251 km für 10 000 kg im Ausnahmetarif . . 75,— M.,
die Schiffsfracht in ganzen Schleppladungen im Durchschnitte 1899
für 10 000 kg 25, — „
im Zuckerverkehr Magdeburg-Hamburg die Bahnverfrachtung
auf 251 km für 10 000 kg Rohzucker zur Ausfuhr im Aus-
nahmetarif 70, — M.,
die Schiffsfracht in ganzen Schleppladungen im Durchschnitte für
10 000 kg 27,— „
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478 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
Im Braunkohlenverkehr Brûx-Dresden beträgt die Bahnverfrachtung für
10 000 kg nach Kohlentarif 50)5o M.
die zusammengesetzte Bahn- und Schiffsfracht für 10 000 kg
Bahnsatz auf 44 km bis Aussig 18, — „
Umladung daselbst 3, — „
Schiffsfracht i9i— м
zusammen 40,00 M.
Brüx-Magdeburg: Bahnverfrachtung 90,00 M.
Schiffs- und Bahnfracht, Bahnsatz bis Aussig . . • 18, — „
Umschlag daselbst 3, — „
Schiffsfracht 24,50 „
zusammen 45,50 M.
Brux-Berlin: Bahnverfrachtung 88,00 „
Vorfracht bis Aussig 18, — „
Umschlag daselbst 3, — „
Schiffsfracht 31, — „
zusammen 52,00 M.
Die Oderschiffahrt wird dagegen von den Bahnen wieder schär fei
bekämpft. So beträgt die Bahnfracht für 10 000 kg im Steinkohlenverkehr
von der Station Morgenroth über Kosel-Oderhafen nach Berlin auf 492 km
Entfernung 104,70 M.
dagegen die Vorfracht bis Kosel auf 58 km 25,30 „
Umladung daselbst 1,50 „
Schiffsfracht 62, — „
zusammeà 88,80 M.
Ueber Breslau (Pöpelwitz) nach Berlin: Bahnfracht wie oben . . 104,70 M.
Vorfracht bis Pöpelwitz auf 174 km Entfernung 4^,40 „
Umladung daselbst 1,50 „
Schiffsfracht bis Berlin-Oberspree 40, — „
zusammen 89,90 M.
Ueber Kosel-Oderhafen nach Stettin: Bahnfracht auf 513 km Ent-
fernung 107,30 „
Vorfracht bis Kosel 25,30 „
Umladung daselbst 1,50 „
Schiffsfracht 46,-7" м
zusammen 72,80 M.
Im Erzverkehr von Stettin nach Morgenroth: Bahnfracht für
10 000 kg, Ausnahmetarif in Mengen von mindestens 45 000 kg 76,80 M.
Schiffsfracht Stettin-Kosel-Oderhafen 46, — „
Umladung in Kosel 5, — „
Bahnfracht Kosel-Morgenroth 25,30 „
für 10 000 kg zusammen 76,30 M.
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Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Schiffahrt.
479
Niederste nnd bScbste Wagenladungstarife. Wenn der Ausnahmesatz
für Schiftbaueisen nach Ostasien ausgeschieden wird, so ergeben sich auf
den Schienenstrassen folgende Wagenladungstarife:
billigste Sätze 1,56 bis 1,80 (i,68)
mittlere „ 2,00 „ 2,80 (2,40)
höchste „ 3,00 „ 3,60 (3,30) Heller für i tkm.
Vergleich der Schiffs- imd BahnfrachtsStze. Ein Vergleich dieser Bahn-
sätze mit den Frachtraten der Wasserstrassen ergiebt die unzweifelhafte Fol-
gerung, dass trotz aller tarif arischen Massnahmen der Bahnen die Wasser-
wege, besonders auf längeren Entfernungen, zu wesentlich ge-
ringeren Einheitssätzen als jene befördern und dass die Wasserstrassen
auch in dem Falle^ als sie die für sie geleisteten Ausgaben für Regulirungs-
arbeiten und Bauanlagen verzinsen müssen, im Frachtwettbewerbe den Bahnen
immer überlegen bleiben. Besonders trifft dieses bei allen jenen Wasser-
verkehrswegen zu, welche unmittelbar, ohne die Güter umschlagen oder um-
laden zu müssen, an den Bestimmungsort münden, d. h. überall dort^ wo die
Wasserfrachten von den hohen Eisenbahnvorfrachten unabhängig sind.
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i6. Abschnitt.
Volkswirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
Nutzen der Wasserstrassen für die Landwirthschaft, Handel nnd In-
dustrie. Schon Pascal sagt: „Les fleuves sont les grandes routes qui
marchent elles-mêmes". Dieser Satz kennzeichnet, dass die Wasserstrasse das
billigste Transportmittel bildet.
Die Wasserstrassen dürfen jedoch nicht allein von dem Standpunkte
beurtheilt werden, dass sie dem Lande, indem sie den Handel und die
Industrie durch billige Beförderungspreise unterstützen, einen Nutzen bringen,
sondern man soll in erster Linie deren hohen Werth für die Landwirth-
schaft ins Auge fassen.
Als man seinerzeit auf die Eisenbahnen überging und dabei die natür-
lichen und künstlichen Wasserstrassen in den Hintergrund drängte, hat man
sich nur von dem Gedanken leiten lassen, den Verkehr, Transport, Handel
und Industrie zu heben und zu beleben und hat dabei das wichtigste Kultur-
mittel der Völker, die Landwirthschaft, vollständig vergessen, welche nur
wechselseitig mit einer guten Wasserwirthschaft blühen kann.
Von welchem Einflüsse eine gute Wasserwirthschaft und im Zusammen-
hange mit dieser die Wasserstrassen auf die Kultur sind, beweisen abet nicht nur
die modernen Staaten, wie beispielsweise Frankreich, sondern auch die altea
grossen, einst blühenden Länder, welche dadurch, dass ihre Wasserkultur
zerstört wurde, zu Grunde gingen.
Während Assyrien heute eine Wüste ist, und das verarmte Aegypten
kümmerlich kaum eine Million Fellahs ernährt, war Altägypten, von zahlreichen
Kanälen und Bewässerungsanlagen durchzogen, ein blühendes Land, trotzdem
durch 7 Monate eine furchtbare Hitze und Dürre und durch zwei Monate
Ueberschwemmung herrschten. Die Aegypter wussten eben das trostlose
untere Nilthal durch eine geregelte Wasserwirthschaft zu dem ertragreichsten
Ackerland umzuwandeln. Die Kanäle leiteten zur Zeit der Dürre das Wasser
bis an die fernsten Punkte, grosse Staubecken sammelten dagegen den schäd-
lichen Theil der Hochfluthen. Bei Memphis lagerten quer im Nilstrom nicht
weniger als ii grosse Dämme und oberhalb Theben mächtige Thalsperren.
Aus Oberägypten zog parallel dem Nil ein noch heute theilweise erhaltener
grosser Kanal, nach beiden Seiten netzförmige Berieselungskanäle entsendend.
Das von den Griechen Labyrinthos genannte, von zwei Pyramiden flan-
kirte Bauwerk, der grosse Thalkessel Pi о m und endlich der gewaltige Möris-
See waren mächtige, mit Schleusenbauten und Sperrwerken versehene Re-
servoire, durch deren Anlage sich die Altägypter zu dem grössten Kultur-
volke der Erde erhoben.
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Volkswirthschaftlicher Wcrth der Wasserslrassen. 481
In zweiter Linie sind die Wasserstrassen für den Handel und die In-
dustrie darum von grossem wirthschaftlichen Nutzen, weil durch ihre ge-
ringen Beförderungspreise zahllose Rohstoffe, Bodenerzeugnisse, Gesteine,
Erze, Baumaterialien, Holz, Kohle erst in den wirthschaftlichen Kreislauf ge-
bracht werden. Ferner sind die Beförderungskosten, wie dieses schon im
14. Abschnitte nachgewiesen, heute für das gesammte Güterleben von der-
artigem Einflüsse, dass die Rolle der Binnenwasserstrassen in demselben von
weittragendster Bedeutung wird, weil diese im Vereine mit dem Seeverkehr
den ganzen Handel und das Gewerbe eines Landes beherrschen können.
Was nutzen dagegen oft alle Zollmassregeln, durch welche einzelne
Staaten die Interessen der Erzeugungsverhältnisse ihres Landes zu regeln und
zu schützen suchen und welche schliesslich, wie man dieses gelegentlich der
Abschlüsse von Handelsverträgen wiederholt erfahren, in ihrer Wirkung durch
billige Beförderungskosten unterbunden und zweifelhaft gemacht werden.
Derjenige Staat, welcher aber über zeitgemässe Wasserstrassen verfügt,
kann in seiner Ausfuhr die Einfuhrzölle des Nachbarstaates ungleich leichter
ertragen, während auf den Einfuhrsartikeln dieses Nachbarstaates neben dem
Zoll dann noch der Unterschied der Beförderungskosten lastet. Daraus ergiebt
sich dann für den Letzteren eine viel ungünstigere Lage bei Abschluss neuer
Zoll- und Handelsverträge.
Welche Rolle die Beförderungskosten auf die Preisbildung der In-
dustrie ausüben, wird sofort klar, wenn man bedenkt, dass das unentbehr-
lichste Hilfsmittel derselben, die Kohle, oft von so grossen Entfernungen zu den
Fabriken gebracht werden muss, dass die hierfür auf den Bahnen zu zahlenden
Frachtpreise nicht selten das Zwei- und Dreifache der Förderkosten der Kohle
ausmachen. So stellt sich der Grubenwerth einer geförderten Tonne Kohle
auf beiläufig 3 K., schon auf 200 km Entfernung erhöht sich deren Preis auf
10 K., auf 500 km auf 14 K., während sich durch leistungsfähige Wasserwege
diese Wertherhöhungen auf mehr als die Hälfte verringern würden.
Immer bleibt die Wasserstrasse das billigste Verkehrsmittel. Von New-
York führen 10 Schienenstränge nach dem Westen, die im heftigsten Tarif-
kampfe sich gegenseitig unterbieten; dennoch betragen deren durchschnittliche
Frachtsätze 15 — 30 Kronen für i Tonne, während die Frachten auf den Wasser-
wegen in den gleichwerthigen Verkehrsakten nie über 12 K. steigen. Trotz-
dem die billigsten Tarife für Wagenladungsgüter der österreichisch-ungarischen
Bahnen noch geringer als die billigsten der deutschen Bahnen sind, sind die
durchschnittlichen Beförderungskosten in Deutschland zufolge seines ausge-
bildeten Wasserstrassennetzes bedeutend niedriger als jene in Oesterreich-
Ungarn. Um diesen Unterschied in den Beförderungskosten ist die amerika-
nische und die deutsche Industrie der österreichischen gegenüber im Vortheil.
Die Industrie benöthigt eben vor Allem der billigen Transportstrassen,
denn sie ist auf den Bezug der grossen Massen Rohstoffe angewiesen, deren
Erzeugnisse sie wieder auf billigen Wasserwegen weiterbefördern muss, um
ihre Marktzone ausdehnen zu können. Ueberall dort, wo in einem Industrie-
gebiet eine leistungsfähige Wasserstrasse geschaffen wurde, hat sich desshalb
sofort ein bedeutender Wasserverkehr entwickelt.
Sympher berechnet unter der Voraussetzung, dass die Wasserstrassen
s up pan, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 3^
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^82 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
■durchschnittlich das Tonnenkilometer um 1,30 Pf. billiger als die Eisenbahnen
befördern, dass die deutschen Wasserstrassen dem Lande durch ihre biUigen
Beförderungskosten eine wirthschaftliche Ersparnis von -^ 7500000000 — -jn
= 97,5 Mill. M. im Jahre 1895 abgeworfen haben. Wenn man von dieser
Frachtersparnis die Unterhaltungskosten und die Verzinsung aller bis 1895
vom Staate aufgewendeten Baukosten, welcher Betrag sich mit rund 30 MiU.
oder mit 0,40 Pf. für i tkm berechnet, abzieht, so erübrigt noch immer ein
reiner volkswirthschaftlicher Nutzen für Deutschland von rund
67,5 Mill. M.
Vepkehrstechnischer Werth der Wasserstrassen. Oelwein sagt daher mit
Recht, nachdem er berechnet, dass die unterste Grenze des Tarifes für i tkm
bei einem Kanäle sich auf 0,78 Heller, bei der Eisenbahn jedoch auf 2,30
Heller stellt: „In der Fähigkeit, auf einer modernen leistungsfähigen Wasser-
strasse bei gleichem Gewinn wesentlich billiger zu transportiren, als auf der
gleichwerthigen Eisenbahn, liegt der grosse verkehrstechnische und wirth-
schaftliche Werth der Wasserstrassen."
In diesem betriebstechnischen Vortheil der Wasserstrassen gegenüber
den Eisenbahnen liegt deren grosser wirthschaftlicher Nutzen und als Haupt-
masstab für die Beurtheilung des Nutzwerthes eines Kanales oder einer
Eisenbahn rauss immer und in erster Linie deren Wirthschaftlichkeit vom
verkehrstechnischen Standpunkte aus erwogen werden.
Diesen Masstab kann man nur dann ablehnen, wenn es gilt, nicht
wirthschaftliche Leistungen zu messen. So wird beispielsweise der haupt-
sächlich aus Gründen der Landesvertheidigung gebaute Nord-Ostseekanal
seine Baukosten auch dann rechtfertigen-, wenn er keine Verzinsung abwirft.
Der Nutzen eines Suezkanales dagegen zeigt sich thatsächlich in der 20-
prozentigen jährlichen Rente seines Anlagekapitals und in den hohen Preisen
seiner Aktien.
Privatkanäle. Der richtige Masstab für den Ertragswerth einer Wasser-
strasse oder einer Eisenbahn kommt dann zum vollen Ausdruck, wenn beide
Verkehrsmittel im Privatbesitze sind. In dieser Richtung giebt uns
der Kampf zwischen Wasserweg und Schienen in England ein schlagendes
Beispiel.
Die in Privathänden gestandenen Kanäle Englands übten ursprünglich
ein volles Monopol im Güteraustausche des Binnenverkehrs aus. Als im
Jahre 1825 ein Gesuch um Zulassung einer Eisenbahn von Liverpool nach
Manchester, für dieselbe Strecke, für welche ein halbes Jahrhundert früher der
Herzog von Bridgewater den ersten englischen Kanal gebaut hatte, an das
Parlament gelangte, ist es die Liverpooler Kaufmannschaft, welche dieses
Gesuch am nachdrücklichsten mit Rücksicht auf die hohen Beförderungskosten
auf diesem Wasserwege unterstüzt. Nur durch die grössten Anstrengungen ge-
lingt es, im Parlamente die Erlaubnis zum Baue zu erlangen, nachdem eine
solche anfangs unter dem Drucke der Kanalgesellschaften verweigert worden.
Nach dem Baue dieser Bahn wendet sich die Verkehrslage in das
Gegentheil um. Die Kanäle, welche bis dahin ihre Blüthezeit gehabt, werden
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Volkswirthschaftlicher Wcrth der Wasserstrassen. 483
von der aufsteigenden Macht der Eisenbahnen unterdrückt und gelten bald
Tiur mehr als ein Stück Vergangenheit. Der grösste Theil derselben gelangt
in Folge der Ueberlegenheit der neuen Eisenbahnen über die alten Wasser-
strassen, wohl auch in Folge der Kapitalsmacht der Eisenbahnen, in deren
Gewalt und diese fangen nun ihrerseits an, ein starres Frachtmonopol aus-
zuüben.
Und wieder ist es die Liverpooler Kaufmannschaft, welche sich über die
hohen Frachtkosten der Eisenbahnen beklagt und schliesslich, um dieselben
jzu durchbrechen, zum Bau des Manchester Kanales mit Privatkapital
schreitet, welcher 1894 dem Verkehre übergeben wird. Dieser Kanal, obwohl
anfänglich unter dem Tarifdrucke der Eisenbahnen keinen Ertrag liefernd,
steigt nun in seinem Verkehre und Rente von Jahr zu Jahr, und beschäftigt
man sich derzeit bereits mit dem Gedanken, denselben noch weiter zu ver-
grössern. Die zeitgemäss gebaute Binnenwasserstrasse hat den früher über-
legenen Schienenweg durch ihren wirthschaftlich höheren verkehrstechnischen
Werth besiegt!
Kanäle imd Eisenbabnen оЪпе ausreichende Verzinsung. Wenn man
übrigens bloss auf Grund der sich ergebenden Beförderungskosten gegebenen
Falles die Frage entscheiden wollte, ob ein Industriegebiet durch einen Kanal
oder durch eine Eisenbahn erschlossen werden soll, so kann eine solche
Untersuchung unter Umständen auch zu Gunsten einer Eisenbahn ausfallen.
Eine solche Bahn, von der Verzinsung der Anlagekosten befreit, könnte viel-
leicht nahezu so billig befördern, als beispielsweise eine unverhältnismässig
längere Kanallinie. . Eine solche Bahn fiele aber in eine Ausnahmeregel und
würde, weil sie dem allgemeinen Drängen auf Herabsetzung der Gütertarife
<ioch nachkommen und daher oft unter ihren Selbstkosten zu fahren ge-
ûzwungen wäre, bald auf jedwede Rente verzichten müssen.
Ein Staat kann sich ja veranlasst finden, zur Kräftigung seiner Industrie
und Landwirthschaft auf dem Weltmarkt die Beförderung gewisser Güter
auf allgemeine Kosten zu erleichtem, dafür giebt aber immer die Wasser-
strasse ein besseres und andauernderes Mittel, als die Begünstigungstarife der
Eisenbahnen. Auch wird die Industrie der Wasserstrasse schon deshalb den
Vorzug geben, weil sie an den fortlaufenden Ufern derselben viel leichter
ausgedehnte Bau- und Verfrachtungsplätze findet, als neben einer Eisenbahn.
Die mittels der Wasserstrassen begünstigte Entwickelung der Industrie kommt
aber naturgemäss wieder durch Schaffung neuer Verkehrsmengen den Eisen-
bahnen zugute.
Aus allen diesen Gründen wird die Anlage eines neuen Kanales im All-
gemeinen schon dann als wirthschaftlich berechtigt gelten können, wenn aus
der den Benutzern erwachsenden jährlichen Frachtersparnis im Vergleich zur
jEisenbahnfracht ein Theil der aus dem staatlichen Baukapital und der staat-
lichen Unterhaltung jährlich erwachsenden Last, der andere Theil durch eine
•entsprechende Kanalgebühr gedeckt werden kann. Die wirthschaftlich e
Berechtigung eines Kanales wird also schon dann anzuerkennen sein, wenn
jkeine gänzliche Verzinsung der Baukosten, sondern nur ein Theil derselben
nebst der mittelbaren Kostenausgleichung durch Frachterspamisse gesichert er-
31*
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484 V- Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
scheint. Die jährlichen Unterhaltungs- und Betriebskosten müssen aber selbst-
verständlich in ihrer Gänze hereingebracht werden.
Sehr oft bringen ja auch Eisenbahnen die Verzinsung des Baukapitals-
nicht annähernd auf, wie dieses die so häufig in Anspruch genommenen Zins-
garantien zeigen. Eine solche Linie rechtfertigt sich wirthschaftlich dann
auch nur durch ihre mittelbaren Vortheile.
Staat^kanäle. Die Anlage künstlicher Wasserstrassen wird also auch
durch die staatliche Wirthschaftspolitik bedingt, der gegenüber die Be-
rechnungen der Anlageverzinsungen oft in den Hintergrund treten müssen.
Von diesem wirthschaftlichen weitsehenden Standpunkte ausgehend, ist
Oesterreich in jüngster Zeit an die Lösung seiner Kanalfrage geschritten ^
merkwürdiger Weise genau in demselben Zeitpunkte, als im kanalfortschritt-
lichen Deutschland unter dem Drucke der Landwirthe die geplante wichtigste
Binnen Wasserstrasse, der Rhein -Weser -Elbe -Kanal, in der gesetzgebenden
Körperschaft zu Fall gebracht wurde.
Während Oesterreich nun mit dem internationalen Donauwege als
Grundlinie zum Baue mächtiger Wasserkunststrassen schreitet, werden in
Deutschland dieselben eben unter dem engherzigen Hinweise darauf, dass der
Gewinn der Schiffahrt auf dem internationalen Rheine und der Elbe zum
grossen Theile Ausländern zufalle, und in Folge der Niedrigkeit der Frachten
ausländisches Getreide, Holz und Eisen im Gegensatze zu der Zoll- und
Handelspolitik des Reiches hereingeführt werde, unterdrückt. Es ist dem
wirthschaftlich so aufstrebenden Deutschland dringend zu wünschen, dass
dieser Rückfall je eher zum Stillstande komme, weil es volkswirthschaftlich
unrichtig ist, dem Staate und der Allgemeinheit die verkehrstechnischen Fracht-
vortheile der den Eisenbahnen überlegenen Kanäle entziehen zu wollen.
Abgaben auf Wasserstrassen. Durch den Umstand, dass von den meisten
Staaten für die Benutzung der Wasserstrassen keine oder nur geringe Ge-
bühren eingehoben werden, erscheinen diese den Eisenbahnen gegenüber be-
vorzugt.
Damit beide Verkehrsmittel in wirthschaftlicher Beziehung gleich behan-
delt werden, sollten daher streng genommen auf den natürlichen Wasser-
strassen jene Abgaben eingehoben werden, welche zur Verzinsung und Un-
terhaltung der Hafeneinrichtungen und der Anlagen zum Umladen, zur Auf-
bewahrung und zur Ueberführung der Güter von und nach der Eisenbahn
dienen.
Den Kanälen und kanalisirten Flüssen sollten ausserdem noch jene
Gebühren auferlegt werden, welche die Verzinsung und Tilgung des Anlage-
kapitals, sowie die Kosten ihrer Unterhaltung decken. Auf den künstlichen
Wasserstrassen die gesammten Unterhaltungs- und Verwaltungskosten ein-
zuheben, ist schon deshalb gerechtfertigt, weil thatsächlich mit öffentlichen
Mitteln ein ganz neuer Verkehrsweg geschaffen wurde, welcher doch eine
annähernde Verzinsung ergeben muss.
Dabei ist zu bemerken, dass der Uferschutz stark befahrener Kanäle
höhere Kosten verursacht als jener von Kanälen mit geringerem Verkehre^
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Volkswirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen. 485
<iass bei grossem Verkehr die Bedienungsmannschaften der Schleusen vermehrt
werden müssen u. s. w., dass also die Abgaben auf den verschiedenen künstlichen
Wasserstrassen auch verschieden hoch zu bemessen wären. Bei den natür-
lichen Wasserstrassen hat dagegen auch ein lebhafter Verkehr fast gar keinen
Einfluss auf die Unterhaltungskosten, welche übrigens nicht im ausschliess-
lichen Nutzen der Schiffahrt, sondern zum grossen Theile im Interesse der
Landwirthschaft und zum Schutze der Anrainer gegen Hochwässer aufgewendet
werden müssen. Demgemäss sollten, volkswirthschaftlich betrachtet, die natür-
liclien Wasserstrassen nur in geringem Masse durch Abgaben belastet
werden.
Im Allgemeinen gehen aber die Forderungen mancher Kanalfreunde viel
zu weit, welche verlangen, dass der Staat zeilgemässe Wasserkunststrassen
mit grossen Abmessungen bauen und. sich nur mit dem von deren Verkehr
zu erwartenden wirthschaftlichen Nutzen begnügen soll.
Der Centralverein zur Hebung der Deutschen Fluss- und Kanal-
•schifffahrt in Berlin hat in dieser Richtung viel entsprechendere An-
schauungen zum Ausdrucke gebracht, indem er darlegte, dass bei Benutzung
künstlicher Wasserstrassen die Erhebung angemessener Abgaben jederzeit
berechtigt ist, dass aber die Höhe solcher Abgaben das Mass des bei künst-
lichen Wasserstrassen für die Binnenschiffahrt vorliegenden wirthschaftlichen
Interesses nicht übersteigen soll.
Es ist auch naheliegend, dass der wirthschaftliche Werth der Wasscr-
«trassen durch übergrosse Abgaben nicht getährdet werde, we^shalb man
jedenfalls in den ersten Betriebsjahren die Höhe derselben möglichst nur auf
die Unterhaltungs- und Betriebskosten beschränken und diese erst, wenn
der Kanalverkehr sich belebt und gesteigert hat, dieser Verkehrssteigerung
entsprechend erhöhen müsste.
Nach diesen Ausführungen würde sich die Frage der Abgaben auf
natürlichen und künstlichen Wasserstrassen wie folgt beantworten:
Die natürlichen Wasserstrassen, welche Eigenthum des Staates
^ind, sollen abgabenfrei sein, jedoch kann der Staat für alle Hafenanlagen,
•sowie für die Anlagen zur Löschung und Ladung der vom und zum Wasser
gebrachten Güter und endlich für die Unterhaltung der Fahrstrasse und
Winterhäfen eine massige Gebühr einheben.
Für künstliche Wasserstrassen, welche Eigenthum des Staates sind,
ist derselbe berechtigt, Abgaben zu bestimmen, welche nicht nur die Unter-
haltungskosten decken, sondern auch das Baukapital in entsprechender Weise
'verzinsen. Diese Verzinsung soll jedoch keinesfalls höher berechnet werden,
Als die durchschnittliche Rente der in staatlicher Verwaltung befindlichen
Eisenbahnen beträgt.
Die künstlichen Privatwasser Strassen werden selbstverständlich
jeder Zeit Abgaben zur Unterhaltung, sowie zur vollen Verzinsung und Tilgung
ihres Anlagekapitals einheben müssen.
Wasserstrassen vom Standpunkte der Yerkehrspolitik. Die Begründung
dieser gegenüber den Eisenbahnen gerechten Auffassung liegt in erster Linie
-darin, dass ein Staat zwar aus wirthschaftlichen Gründen berechtigt ist, un-
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486
V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
rentable Linien, Eisenbahnen und Kanäle zu bauen,*) wohl aber vom Stand--
puftkte der Allgemeinheit seines Gemeinwesens keinesfalls hierzu ver-
pflichtet werden kann.
Welche Strasse, Eisenbahn oder Kanal aber der Staat zu einem ge-
gebenen Zeitpunkte bauen soll, soll in erster Richtung von der technischea
Vollkommenheit des einen öder des anderen Verkehrsmittels beurtheilt werden.
Findet der Staat, dass trotz der höheren Baukosten eines zeitgemässen Kanales-
die Einheit der Beförderungsleistung dennoch geringer ausfällt als bei einer
Schienenstrasse und dass er eine seinem staatlichen Bahnnetze nahekommende
Verzinsung voraussichtlich einnehmen wird, so muss er sich für den Kanalbau
entscheiden. Ein zeitgemässer Kanal mit grossen Abmessungen erzielt aber
aus den in den früheren Abschnitten angeführten Gründen immer geringere
Einheitskosten der Beförderung als die bestgeregelte Eisenbahnanlage, und
nur jene Kanallinien, deren Schaffung übergrossen technischen Schwierig-
keiten begegnet, welche die Baukosten derselben unverhältnismässig erhöhen-
würden, müssten gegenüber einer Schienenanlage ausser Betracht kommen.
Nach dem „Journal des Transports 1893" ist heute auf der gesammten Erde
für Eisenbahnen ein Anlagekapital von über 160 Milliarden Francs festgelegt.
Wie sind aber hierdurch die Kosten für die Einheit einer Beförderungs-
leistung gesunken, wie sinken sie mit jedem neuen Fortschritt und wie können
sie durch die weitere Entwickelung zeitgemässer Wasserkunststrassen noch
weiter zum Sinken gebracht werden!
Dieses ist der vorzüglichste Standpunkt zur Beurtheilung des wirth-
schaftlichen Werthes eines Verkehrsmittels! Denn das Streben nach Ver-
billigung der Verkehrsleistungen kommt nicht nur innerhalb jeder einzelnen
Verkehrsgruppe zum Ausdrucke, sondern es greift weit über die Grenzen-
derselben hinaus. Wenn der Eisenbahnverkehr in Bezug auf Billigkeit an»
der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt ist, dann wendet sich natur-
gemäss der Blick wieder mehr den natürlichen und künstlichen Wasserwegen
zu, die ein viel weiteres Herabgehen der Beförderungskosten gestatten. Für
eine gesunde Verkehrspolitik des Staates ergiebt sich aber daraus die Verpflich-
tung, dem wirklichen Bedürfnis nach weiterer Verbilligung der Transport-
preise durch Ausbau der Wasserstrassen und Schaffung neuer Wasserwege
Rechnung zu tragen.
TVirthschaftUcherWerth der Wasserstrassen für Deutschland. Von welchem:
grossen Einfluss zeitgemäss ausgestattete Wasserstrassen auf den
gesammten Verkehr eines Landes sind und wie im Vereine mit denselben
eine Steigerung des allgemeinen und des Eisenbahnverkehres eintritt, mögen
folgende Ziffern über die deutschen und französischen Wasserstrassen
darlegen :
Nach den statistischen Zusammenstellungen Sympher's beträgt die
Zunahme des Verkehres auf den deutschen Wasserstrassen im Jahre 1895.
gegenüber dem Jahre 1875, 7,5 Milliarden tkm von 2,9 = 159 pCt und vom
Jahre 1895 bis 1898, in welchem Zeiträume derselbe abermals von 7,5 auf.
*) Nicht selten geschieht es auch aus politischen und aus Parteigrunden.
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Volkswirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
487
10,7 Milliarden tkm gestiegen ist, 43 pCt., im Ganzen daher von 1875 ^^^
1898 270 pCt
In dem Zeiträume 1875 bis 1895 ^^^ ^^^ Verkehr auf den deutschen
Eisenbahnen, wie folgende Tafel zeigt, um 143 pCt. zugenommen,
lAngi
der
Eisen-
bahnen
km
II
§ &
in«.
Cuter
Ge-
leistete
Güter-
tkm in
Mill. tkm.
Sc?
i:
Kilo-
metrischer
Verkehr
Tonnen
с V
in г
Mittlere
Jahr
ange-
fcommçn
abge-
gangen
Beförderungs-
länge
in Mill.
Tonnen
km
1875
1885
1895
26500
37000
44Й00
40
83,5
100,0
164,0
вЗ,5
lOOO
167,0
10900
16600
26500
52
143
410000
450000
590000
lO
44
125
166
160
während die Verkehrssteigerung von 1895 bis 1898 auf denselben 26,5 bis
32,6 Milliarden tkm, d. s. weitere 23 pCt., daher die Gesammtsteigerung des
deutschen Bahnverkehres von 1875 bis 1898 200 pCt. beträgt.
In den Jahren 1875 bis 1895 betrug die Zunahme des Frachtenverkehres
jährlich bei den Wasserstrassen 8,00 pCt.
bei den Eisenbahnen 7,16 „
und vom Jahre 1895 bis 1898 bei den Wasserstrassen .... 14,33 »
bei den Eisenbahnen 7,67 „
Im Jahre 1875 wurden auf 26,500 km Eisenbahnen 10 900 Millionen,
auf 10 000 km Wasserwegen 2900 Millionen Tonnenkilometer bewegt (siehe
auch VI. Theil, Seite 495). Es entfielen somit von dem GesammtgQterverkehr
Deutschlands 21 pCt. auf die Wasserstrassen und 79 pCt. auf die Eisenbahnen.
Der kilometrische Verkehr , der zutreffendste Masstab für die Be-
urtheilung der Leistungsfähigkeit eines Verkehrsweges, stellte sich 1875 bei den
Wasserstrassen auf 290000 t
bei den Eisenbahnen auf 410 000 t
und die mittlere Beförderungsentfernung
bei ersteren auf .... 280 km
bei letzteren auf . . . . 125 km
Der durchschnittliche Umlauf auf den Wasserstrassen war demnach ge-
ringer als bei den Eisenbahnen und zwar nach dem ungefähren Verhältnis
von 10 : 14, während die mittlere Beförderungslänge bei den Wasserstrassen
mehr als doppelt so gross als auf den Eisenbahnen war.
Im Jahre 1895 leisteten dagegen die um 69 pCt. vermehrten Eisen-
bahnen 26500 Millionen tkm und die Wasserstrassen, bei 11 800 km Gesammt-
länge, 7500 Millionen tkm. Das Verkehrsverhältnis zwischen Wasser und Bahn
ist daher 1895 22 pCt bei den Wasserstrassen zu 78 pCt. bei den Eisen-
bahnen, also nahezu gleich mit jenem des Jahres 1875. Der kilometrische
Verkehr auf den Wasserwegen bat aber 1895 gegenüber jenem der Bahnen
seit 1875 wesentlich zugenommen und stellt sich
bei ersteren auf 750 000 t,
bei letzteren auf 590000 t.
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488 V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserst rassen.
Vergleicht man die mittleren Beförderungslängen bei den
Wasserstrassen Eisenbahnen
1875 280 km 125 km
1885 350 n 166 „
1895 320 „ 160 „ ,
so begegnet man der Erscheinung, dass bei beiden Verkehrswegen die mittlere
Entfernung im ersten Jahrzehnt bis 1885 gestiegen, von da ab jedoch wieder
etwas zurückgegangen ist, und dass dieselbe nunmehr bei den Wasserstrassen
genau doppelt so gross wie bei den Eisenbahnen ist.
Die Thatsache, dass die Wasserstrassen die doppelte durchschnittliche
Beförderungslänge wie die Eisenbahnen haben, beweist, dass dieselben auf
weite Entfernungen zu sehr niederen Sätzen befördern können, was un-
zweifelhaft einem dringenden wirthschaftlichen Bedürfnisse entspricht, welchem
die Eisenbahnen nur schwer und, wie im früheren Abschnitte nachgewiesen,
oft nur unter Schädigung ihrer Rente nachkommen können. In dieser billigen
Beförderungsfähigkeit der Wasserstrassen auf langen Entfernungen liegt in
erster Linie deren volkswirthschaftliche Wichtigkeit.
Die seit 1875 und besonders seit 1885 zu verzeichnende Verkehrs-
zunahme entfällt fast ganz auf den Aufschwung der Schiffahrt der Haupt-
ströme, sowie auf die neueren, mit grossen Abmessungen angelegten Kanäle.
In dem Zeitraum 1885 bis 1898 ist auf der Elbe eine 472fache, auf der Oder eine
4 fache und auf dem Rheine eine 372 fache Verkehrssteigerung eingetreten.
Der stärkste kilometrische Verkehrsumlauf betrug 1895:
auf dem Rheine oberhalb Ruhrort und an
der holländischen Grenze .... 10000000 t*)
auf der Elbe an der Havelmündung . . 4000000 t
auf der Oder oberhalb Stettin und unter-
halb Breslau 1400000 t
und werden die Zahlen des Rheins nur von dem riesigen Verkehr auf den
Binnenseen Nordamerikas übertroffen.
Eine ähnliche Steigerung zeigen die in grösseren Abmessungen her-
gestellten Kanäle und kanalisirten Flüsse. So ist der kilometrische Verkehr
auf dem Flauer Kanal:
von 272000 t in 1876
auf 1000 000 t in 1898,
auf dem östlichen Ende des Oder-Spree-Kanales :
von 145000 t in 1875
auf 1800000 t in 1899 und
auf dem kanalisirten Main bei Frankfurt:
von 382000 t in 1875
auf 2250000 t in 1898
gestiegen, während der Elbe -Trave-Kanal schon im ersten Halbjahre seiner
Eröffnung einen Verkehr von 100 000 t hatte.
Der Antheil der Binnenschiffahrt an der Gesammtgüterbewegung Deutsch-
lands, nach Tonnenkilometern berechnet, beträgt derzeit 25 pCt. oder ein
Viertel, derjenige der Eisenbahnen 75 pCt. oder drei Viertel.
*) 1898 erreichte derselbe 12000000 t.
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Volkswirthschaftlicher "Werth der Wasserstrassen.
489
Wirtbscbaftlicher Werth der Wasserstrassen fur Frankreich. In ähn-
licher Weise, wenn auch nicht so ausserordentlich, hat auch auf dem fran-
zösischen Wasserstrassennetze, insbesondere seit seinem ab 1885 erfolgten
Ausbaue, der Verkehr und wechselseitig mit diesem auch jener auf den Eisen-
bahnen zugenommen.
Nach dem ,, Album de Statistique graphique, Paris 1896", betrug der
Güterverkehr Frankreichs 1875 bis 1895.
Jahr
Länge
in
Kilo-
meter
Zunahme
derLänge
gegen
.1875
m pCt.
Güterverkehr
in Mill.
Tonnen
in Mill.
Tonnen-
kilometer
Zunahme
gegen
1875
in pCt.
Kilo-
meter-
verkehr
in
Tonnen
Zunahme
gegen
1875
in pCt.
Mittlere
Bcför-
defungs-
länge
in Kilo m .
Auf den Binnen wasserstrassen
1875
12000
— .
15.7
i960
—
163000
—
1885
12400
3
19.5
2450
25
198000
21
1895
12300
3
27,2
3770
92
307000
88
•
Auf
den Eisenbahnen
1875
19800
—
58,9
7360
—
372000
—
1885
29800
5t
77»!
9790
33
328000
12
1895
36300
83
105.1
12980
76
356000
4
125
126
139
125
127
124
Der Wasserverkehr hat bei gleichgebliebener kilometrischer Ausdehnung
binnen 20 Jahren um 92 pCt., der Eisenbahnverkehr um 76 pCt. zugenommen.
Der Antheil des Wasserstrassenverkehrs am Gesammtguterverkehr von
16750 Mill, tkm im Jahre 1895 betrug rund 22 pCt.
Wirtli3cliaftlicher Werth der Wasserstrassen für Europa. In umstehender
Tafel sind die Längen und die Verkehre der im VI. Theile beschriebenen
Wasserstrassen Europas zusammengefasst. Der Verkehr dieser Wasserstrassen
ist nach deren tonnenkilometrischer Leistung annähernd ermittelt.
Die Gesammtlänge der schiffbaren Wasserstrassen berechnet sich auf
83568 km gegenüber 234700 km Eisenbahnlängen. Demnach betragen die
europäischen Wasserstrassen mehr als ein Drittheil der Eisenbahnlängen.
Der tonnenkilometrische Verkehr berechnet sich mit 56,8 Milliarden
gegenüber einer Eisenbahnleistung von 106,1 Milliarden, somit der Wasser-
strassenverkehr rund die Hälfte des Eisenbahnverkehrs beträgt.
Wenn man die Wasserfracht mit dem gewiss hoch angesetzten mittleren
Frachtsatze von 1,40 Heller und die Bahnfracht mît 2,20 Heller für i Tonnen-
kilometer in Rechnung stellt, so ergiebt sich ein jährlicher Umsatz an Fracht-
kosten :
bei den Wasserstrassen von 56,8 X i)4o = 795»2 Milliarden Kronen,
Eisenbahnen
106,1 X 2,20 = 2334,2
Dergesammte europäische Binnenverkehr erfordert demnach einen
Jährlichen Frachtumsatz von 3129,4 Milliarden Kronen und die gegenüber den
Beförderungskosten der Eisenbahn sich ergebende Ersparnis durch die
billigere Wasserfracht berechnet sich auf jährlich 56 800 060 000 X
<2,2o — 1,40) = 454 Milliarden Kronen.
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490
V. Wirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen.
Wassep-
Schiffbare Lunge
Kilometer
Verkehr
in Millionen Tonnen-
Staaten
natür-
liche
künstliche
Zu-
sammen
Flüsse
Binnen-
seen
Ströme
Kanali.
sirte
Flüsse
Kanäle
kilometern
Europa
Oesterreich-Ungarn
5634
-
25
359
6018
1800
Deutschland ....
7700
2000
2100
II 800
10700
Frankreich
4000
3300
4850
12 150
4200
Belgien
500
550
950
2000
1200
Niederlande ....
aooo
200
3100
5300
England . .
3300
800
2000
6100
2500
Schweden-Norwegen .
1420
180
200
1800
1600
Russland
«
33650
850
1000
35500
32000
Italien
1400
400
IIOO
2900
800
zusammen
59604
1 8305
15659
83568
56800
Amerika
Vereinigte Staaten von
Nordamerika . .
24600
1000 4400
30000
40000
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Volkswirthschaftlicher Werth der Wasserstrassen
49Г
Strassen.
E||senbalineii.
Anzahl
der
Biiinen-
Anmerkung.
Länge
in
Küo-
metem
Verkehr
in
Millionen«
Dampfer
Schleppe
Tonnen-
über
loo i. HP.
Ober
200 t.
kilo-
metern
380
2000
Auf 4051 km Dampferbetrieb.
Ausser diesen 6018 km sind noch 5690 km
Lungen flössbare Wasserläufe Vorhanden.
* Moldaukanalisirung.
33700
12000
1500
7600
Ausserdem noch kleine Moorkanäle.
Die Zahl der kleineren Kähne mit bis 200
Tonnen Tragfähigkeit wird auf 13000 be-
ziffert, die Zahl aller Dampfer auf 1900.
48200
32600
550
4500
Der gesammte Schiffspark sammt allen
kleinen Kähnen beträgt 16000 Schleppe
und 680 Dampfer.
41300
13000
250
1000
Ausserdem 200 km Flussläufe nur flössbar.
Nebst den 1000 grösseren Schleppen und
Seglern verkehren noch beiläufig 1000
kleinere Kähne.
6000
3900
300
1200
Femer 8000 Segler, Barken und kleinere
Kähne.
Ausser den 5300 km Wasserstrassen sind noch
rund 2000 kleine Moorkanäle vorhanden.
3200
3000
400
1800
Ausserdem beiläufig 13000 Schraubenboote.
Der tonnenkilometrische Verkehr nur an-
nähernd geschätzt
34500
13500
300
1400
Ausserdem noch 3200 km Binnenseestrecken.
Mit den kleinen Schraubenbu^sem 20000.
Die Zahl der Kanal- und Fischerboote,
sowie der Segler, schätzt man auf 38000.
10200
1000
2800
14000
* Ausserdem 47510 km Flussläufe nur flöss-
bar. Auf 28000 km ist Dampferbetrieb.
** Im Ganzen sind 3040 Dampfer und Bug-
ser u. 20600 Schleppe u. Segler vorhanden.
42000
25000
100
300
Ausserdem viele kleinere Kanalboote und
Fischerbarken.
15600
2100
6580
33800 ]
234700
106 100
6000
20000
Die Zahl der Segler wird auf 10 000, die
Zahl der klemeren Dampf bugser auf
25000 geschätzt.
298000
15800a
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VI. Theü.
Statistik der Wasserstrassen.
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ly. Abschnitt.
Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
Entwicklang der Binnenscliiffalirt in Europa. Der Aufschwung, den die
Binnenschiffahrt in den letzten Jahren durch die technische Entwicklung ihrer
Zugsmittel und durch das stetige Anwachsen der Abmessungen der SchifTs-
gefâsse genommen hat, ist zum grossen Theile das Ergebnis der durch-
geführten Stromregulirungen und der fortschreitenden Ausgestaltung des
künstlichen Wasserstrassennetzes.
Besonders in Deutschland hat die Binnenschiffahrt einen bedeutenden
Aufschwung genommen.
Die deutsche Binnenflotte betrug:
1877 17000 Fahrzeuge mit 1,35 Mill. Tonnen Tragfähigkeit
1882 18000 „ „ 1,63 ,,
1887 19300 „ „ 2,05 „
1892 20300 „ „ 2,09 „
1897 20800 „ „ 3,30 „
1899 20600 „ „ 3,50 „
und die Anzahl der Dampfer ist in den Jahren 1892 bis 1899 von 1500 auf
rund 1900 gestiegen.
Die Verkehrsleistung auf den deutschen Wasserstrassen hat sich nach
Sympher innerhalb 20 Jahre von 2,9 Milliarden auf 7,5 Milliarden Tonnen-
kilometer, also um 159 pCt., erhöht.
Güter
Geleistete
Güter-
Tonnen-
kilometer
in
Millionen
Kilo-
metrischer
Verkehr
in Tonnen
Zunahme gegen
1875 in pCt.
Mittlere
Jahr
ange-
kommen
abge-
gangen
Beförderungs-
länge
in Millionen
Tonnen
km
1875
1885
1895
11,0
14,5
25,8
9,8
13,1
20,9
2900
4800
7500
290000
480000
750000
66
159
280
350
320
Die tonnenkilometrische Leistung auf den deutschen Binnenwasser-
strassen betrug:
1875 2900000000
1880 3 600 000 000
1885 4800000000
1890 6 600 000 000
1895 7 500 000 000
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496 VI. Statistik der Wasserstrassen.
und ist nach den statistischen Erhebungen des Jahres 1898 auf 10,7 Milliarden
gestiegen.
Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch in den übrigen Ländern
Europas und in Amerika besteht derzeit das Bestreben, die vorhandenen
Wasserstrassen auszugestalten, sowie neue Verbindungen zu schaffen und es
verfügen heute fast alle grösseren Staaten über einen lebhaften, immer zu-
nehmenden Wass erStrassenverkehr. Auf den regulirten Strömen wickelt
sich ein regelmässiger Dampfschiflfbetrieb ab, auf Kanälen wird neben alten
Betriebsweisen ein zeitgemässer Schleppzug ausgeübt und es ist der Beweis
erbracht, dass eine entsprechend eingerichtete Binnenschiffahrt dem Eisen-
bahnbetriebe in keiner Weise nachsteht und dass die Wasserstrassen be-
rufen sind, dem wirthschaftlichen Leben einen neuerlichen Aufschwung^
zu geben.
Während diese alten Verkehrswege in der Zeit des Eisenbahnbaues
missachtet wurden, sieht man jetzt deren Vorzüge in Bezug auf Billigkeit der
Beförderung und Entlastung der Eisenbahnen von minderwerthigen, hohe
Frachtsätze nicht vertragenden Gütern ein und wendet denselben nun alle
Sorgfalt zu.
Welcher Umschwung in den Ansichten über den Werth der Wasser-
strassen eingetreten ist, beweist das Wasserstrassengesetz Oester-
reichs (siehe Abschnitt 18), in welchem Lande man durch eine gross-
zügig verfasste Kanal vorläge das gut zu machen trachtet, was durch jahre-
langes Verkennen der Sachlage zum Schaden der wirthschaftlichen Ent-
wickelung dieses Staates versäumt wurde. Denn gerade in Oesterreich-
Ungarn mit seiner 'verhâUnismasig geringen und entlegenen Küstenlänge
muss die Binnenschiffahrt Ersatz für diesen Mangel bieten und dieses umso-
mehr, als seine grossen Flussstrassen mitten durch das Herz des Reiches
gehen und, mit dem vorhandenen mächtigen deutschen Stromverkehre in un-
mittelbare schiffbare Verbindung gebracht, sich zu seinen wichtigsten Verkehrs-
adern entwickeln werden.
Frankreich, Russland und Nordamerika bilden weitere Beispiele
der Erkenntnis des Werthes der Binnenwasserwege. Der Verkehr auf deren
Wasserstrassen hat sich überraschend entwickelt, was ausser der günstigen
natürlichen Lage derselben wesentlich eine Folge deren Vervollkommnung und
Verbindung untereinander war, die es ermöglicht, die Schiffsgefàsse un-
gehindert auf weiten Entfernungen fortzubewegen, wodurch dieselben weit
unter den Eisenbahnfrachten liegende Beförderungskosten ergeben.
Bei der Anlage von Wasserstrassen kann man die Arten und die Menge
von Gütern, welche dieselben benutzen werden, nicht voraussehen, weil durch
sie erst neue Verkehrsgüter in Kreislauf gebracht und absatzfähig gemacht
werden, wie dieses beispielsweise die Erzebeförderungen auf den grossen
Seen Nordamerikas und die Kohlenverkehre am Rheine und auf der Elbe
beweisen. Nur diejenigen Wasserstrassen, welche durch entsprechenden
Ausbau und zweckmässigen Betrieb nicht in Stand gesetzt wurden, billiger
als die Eisenbahnen zu befördern, haben, wie jene in Spanien und theilweise
in England, ihre Verkehre verloren.
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Bestehende und geplante Binnen wasserstrassen. ^gj
Oesterreich. Die österreichischen Wasserstrassen (siehe Karten-
bild 290) sind mit Ausnahme des 4,1 km langen Verbindungskanales vom
Wörthersee nach Klagenfurt durchwegs natürliche Flusslâufe und Binnenseen.
Die im Küstenlande und Dalmatien befindlichen „Canali*' sind keine künstlich
angelegten Kanäle, sondern nur natürliche Fortsetzungen der Küstenflüsse
zum Meere. Die Längen derselben betragen:
Im Küstenlande: der Canale von Aquileja bis zur Ausmündung in
das Meer 8,22 km
der Canale Autora vom Terzoflusse bis zur Mündung in die Aussa 16,1 „
der Canale Primiero und seine Fortsetzungen 25,0 „
der Canale Biero 6,0 „
In Dalmatien: der Canale della Morlacca 10,8 „
Die Gesammtlänge aller österreichischen Binnengewässer beträgt
6700 km, von welchen 3762 nur für Flösserei geeignet und 2938 km für
Schiffe befahrbar sind. Auf 1000 km wird Dampferbetrieb ausgeübt.
Nach Schromm stellen sich die Längen der befahrbaren Fluss-, Kanal-
und Binnenseestrecken in den einzelnen Kronländern:
Land
Flüsse
Kanäle
Binnen-
seen
Ge-
sammt-
länge
hiervon befahrbar
nur für
Flösse
für
SchifFe
Niederösterreich
Oberösterreich
Salzburg . .
Steiermark . .
Kärnten . . .
Krain . . . .
Küstenland . .
Tirol und Vorarlberg
Böhmen .
Mahren .
Schlesien
Galizien .
Bukowina
Dalmatien
Summe
290,6
618,1
99,6
503,9
389,5
141,0
63,2
339,0
1160,9
263,6
27,0
2125,9
351,9
44,6
4,1
55,3
63,6
13,1
9,2
28,7
96,1
10,8
290,6
681,7
112,7
513,1
422,3
141,0
110,5
435,1
1160,9
263,6
27,0
2125,9
351,9
55,4
249,1
50,0
389,3
263,2
57,8
^51,3
806,0
230,4
1206,9
351,9
290,6
432,6
56,7
123,8
159,1
83,2
118,5
283,8
354,9
33,2
27,0
919,0
55,4
6418,8
70,2
210,7
6699,7
3761,9
2937,8
Für die Wasserstrassen hat Oesterreich bisher nicht unbedeutende
Summen, zum grössten Theile für die Donau, aufgewendet, jedoch weniger
vom Standpunkte der Schiffahrt als vielmehr zum Schutze gegen Hochwasser.
Abgaben werden vom Staate nicht erhoben.
Die RuderschifFahrt und der Gegenzug mit Pferden sind im Rückgänge
begriffen , dagegen befindet sich der Dampfschiffbetrieb im steten Auf-
schwünge.
Suppân, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt
32
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498 VI. Statistik der Wasserstrassen.
Dooan- und Elbeyerkehr in Oesterreich. Für die Grossschiffahrt kommen
nur die Donau und die Elbe in Betracht, indem der Schiffsverkehr auf den
übrigen österreichischen Binnengewässern ein unbedeutender ist. Während
jedoch die Vorbedingungen für die Entwickelung der Elbeschiffahrt sehr
günstig liegen, hat die Donauschiffahrt mit vielen Erschwernissen zu kämpfen.
Auf die Entfaltung der Elbeschiffahrt wirkt der Umstand besonders
günstig, dass die Kohle in grossen Mengen flussabwärts in industriereiche
Gegenden mit dichten Bevölkerungen, welche Kohle immer benöthigen, be-
fördert wird. Ferner liegt, ganz abgesehen von den an der Elbe gelegenen
grossen Handelsplätzen Aussig, Dresden und Magdeburg, an der Ausmûndung
dieses Stromes der wichtigste Hafen des europäischen Festlandes, Hamburg,
welcher den Elbeschiffen immer zahlreiche Bergfrachten giebt.
Der Donauschiffahrt fehlt dagegen der grosse Thalverkehr an Kohle,
Erzen, Baumaterialen und Holz und ist dieselbe hauptsächlich auf den Berg-
verkehr mit Getreide angewiesen. Die Donau mündet eben nicht wie die Elbe,
der Rhein oder die Oder in eine offene See, denn das schwarze Meer ist ein
Binnenmeer und alle neben und an demselben gelegenen Hafenstädte, wie
Braila, Galaz, Sulina, Odessa, Varna, Batum, können nie jene Bedeutung für
die Schiffahrt erlangen, wie Hamburg, Antwerpen, Amsterdam oder Stettin.
Die auf der Donau thalwärts bis zum Schwarzen Meere gelangenden
Güter sind zum grössten Theile für erst im Entstehen begriffene Industrie-
gebiete bestimmt, für Bevölkerungen, die noch in der Entwickelung ihrer
Kultur begriffen sind, daher noch wenige Bedürfnisse haben. Lebhafter ist
der Thalverkehr nur in der untersten Donau zufolge der Getreideausfuhr
Rumäniens seewärts Ober Braila-Galaz.
Für den Bergverkehr der Donau sind wieder allein die Bodenerzeugnisse
von Rumänien, Bulgarien, Serbien und Ungarn massgebend, weshalb dieser
immer nur von dem jeweiligen Ergebnisse der Ernte, also von den Witterungs-
verhältnissen abhängig ist. Gerade aber zur Zeit der Ernteausfuhr im Herbste
sind die Donauwasserstände am tiefsten, so dass die Schiffe nicht voll be-
laden werden können, daher die für den Verkehr einzig günstige Gelegenheit
lohnend auch nicht ausgenützt werden kann.
Bei dieser natürlichen und Verkehrslage des Donaustromes, ohne Ver-
bindungen mit dem grossen Weltverkehre , muss sich derselbe auf die
Rolle beschränken, den Güteraustausch zwischen den Industriegegenden West-
österreichs und den Ackerbaustaaten des Balkan so weit zu vermitteln, als die
Versorgung mit Industrieerzeugnissen für diese Staaten vom Seewege aus
nicht vortheilhafter erscheint. Die Donau kann demnach ohne Verbindungen
mit den Mittelpunkten der nordwestlichen Industrie als Verkehrsstrasse nie
jene Bedeutung erlangen, wie sie diesem grossen und leistungsfähigen Strome
entsprechen würde.
Gliedert man jedoch die Donau den deutschen Wasserstrassen und deren
gewaltigen Seehäfen an, so wird nicht nur ein grosser Güteraustausch zwischen
diesen und den Donauländern entstehen, sondern es werden der Donaustrasse
dann auch die grossen Kohlenfelder Böhmens, Schlesiens und Mährens, sowie
die Kohlen- und Eisengebiete des Rheinlandes und Westfalens erschlossen
werden, wodurch in Folge des billigen Bezuges von Brenn- und Rohmaterial
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Bestehende und geplante Binnen wasserstrassen.
499
längs des Donauthales bald zahlreiche Industrien entstehen werden und der
Wasserstrassenverkehr Oesterreichs, welcher heute auf allen Wasserläufen
nur 480000000 tkm oder 5*5 pCt. des gesammten österreichischen Verkehres
von 8,7 Milliarden Tonnenkilometer beträgt, wird dann eine mächtige Steigerung
erfahren.
Die in Oesterreich geplanten Kunstwasserstrassen sind im Abschnitte 18
behandelt.
Ungarn. Die Länge der ungarischen natürlichen und künstlichen
Wasserläufe (siehe Bild 290) beträgt 5008 km, von welchen 355 km Kanäle
und 121 km Binnenseen sind. Auf 3080 km besteht Dampfschiffahrt
Die Wasserstrassen Ungarns vertheilen sich auf:
Flusse, Binnenseen und Kanäle
flössbar
schiffbar
Donau,von der österreichischen
bis zur rumänischen Grenze
einschliesslich ihrer schiff-
baren Seitenarme . . .
Nyitra
Vag (Waag)
Garam
Sio .
Drau
Save
Bossut
Kulpa
Temes
Theiss
Szamos
Bodrog
Koros
Maros
Plattensee
Bega-Kanal
Franzens- und Franz -Josefs-
Kanal .
1076 km
51 ff
317 ff
147 »
155 «
249 П
663 „
49 ff
136 „
3 .
969 „
99 »
30 „
219 „
369 «
121 „
115 »
240 „
1062 km
229 „
604 n
3 n
461 n
127 «
118 „
121 „
240 „
Zusammen .
5008 km
3080 km
An die Binnenschiffahrt knüpfen sich die wichtigsten Interessen des
■wirthschaftlichen Lebens Ungarns, weil dieses als vorwiegend landwirthschaft-
licher Staat darauf angewiesen ist, sich die Vortheile einer billigen Beförde-
rung zu sichern. Ungarn hat desshalb für die Ausgestaltung seiner Flüsse
зсЬоп viele Opfer gebracht. Die bedeutendsten Arbeiten sind die Regulirung der
32*
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500
VI. Statistik der Wasserstrassen.
oberuDgarischen Donaustrecke, ferner jene am Eisernen Thor und den Kata-
rakten und die umfassenden Werke zum Schutze des Theissgebietes gegen
Hochwasser. Im Jahre 1895 ^^^ ^*^ ungarische Regierung neuerlich 54 МШ.
Kronen zum Ausbau des Wasserstrassennetzes bewilligt.
Ungarische Transportstener mid Schiffahrtsgebflhren am Eisernen Thor.
Abgaben für Benützung der Wasserstrassen werden in Ungarn eingehoben.
Bezüglich des Franzenskanals ist dieses selbstverständlich, weil derselbe Besitz
einer Aktien-Gesellschaft ist. Mit den internationalen Bestimmungen
der Freiheit der Donauschiffahrt*) steht jedoch im Widerspruche
die Einhebung der sogenannten „Transportsteuer", eine Abgabe,
welche die Schiffahrt seit dem Jahre 1875 beiastet. Dieselbe beträgt
für die im ungarischen Verkehr im Personendienste und der Gepäcksbeför-
derung eingehobenen Frachtgebühren 18 pCt, von den im Eilgute eingenom-
menen Frachten 7 pCt., von den übrigen Einnahmen im Frachtgeschäfte und
für Schleppzugleistungen 5 pCt.
In neuerer Zeit wird in Ungarn ausser dieser Transportsteuer noch für
die Benutzung der Kataraktenstrecke und des Eisernen Thores eine
die Höhe der üblichen Schiffahrtsabgaben weit übersteigende Gebühr be-
stimmt.
Dieselbe berechnet sich für den in Betracht kommenden Donauabschnitt
vom Beginne der Katarakte bis Tum-Severin auf rund 2 Heller für i tkm.
Diese Abgabe wirkt auf den dortigen Verkehr geradezu lähmend und
hebt den Werth der im Interesse der Schiffahrt dort ausgeführten be-
deutenden Regulirungsarbeiten zum grossen Theile auf. Als Beweis hierfür
möge nur angeführt werden, dass die tonnenkilometrische Leistung der Donau-
Dampfschiffahrts-Gesellschaft im Jahre 1898, als ihr der eben fertiggestellte
Eiserne Thor-Kanal gebührenfrei zur Benutzung überlassen wurde, auf der
Kataraktenstrecke mit 1400 Schleppen 32500000 betrug, während der Verkehr
seit Einführung der Kataraktengebühr auf jährlich 300 bis 400 Schleppe mit
6 bis 9000000 tkm gesunken ist.
Ungarische Kanalbanentwfirfe (siehe Kartenbild 290). In Ungarn liegen schon
seit längerer Zeit verschiedene Kanalprojekte vor. So die Verbindung der Theiss
mit der Donau bei Budapest, welcher der Gedanke zu Grunde liegt, die
Hauptstadt zum Mittelpunkte des Wasserverkehres Ungarns zu machen und in
dieser das ganze Getreidegebiet der Theiss zu vereinigen. Der bestehende,
die Theiss mit der Donau verbindende Franzenskanal entspricht dieser An-
*) Der Pariser Vertrag vom 27. April 1856, Absatz 2, Artikel 15 bestimmt aus-
drücklich, „dass die Schiffahrt auf der Donau vollkommen frei von allen Abgaben
sei. Es darf dieselbe weder einem Hemmnisse noch einer Abgabe unterworfen werden,
es darf daher auch weder ein Zoll, welcher allein auf die Thatsache der Beschiffung
des Flusses gegründet wäre, noch irgend eine Abgabe von Waaren erhoben werden,
die sich an Bord der Schiffe befinden. Ausgeschlossen hiervon sind nur jene Abgaben,
welche zur Deckung und Verzinsung solcher Anlagen bestimmt sind, die im eigensten
Interesse der Schiffahrt nothwendig geworden sind, aber auch diese können nicht ohne
gemeinsame Uebereinkunft der Vertragsmächte festgesetzt und dürfen niemals als eine
Einnahme dem einzelnen Staate zugewendet werden.**
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Zu Seite 500.
)ESTERREICH-UNCARN
fiSBSBsas §^v6aivfce 0{^аАлЛ/1с
Suppen, Wasserstraa
RUMÄNIEN.
Verlalf von A. Troschel, Berlin.
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
505
1875
1898
Berlin und Umgebung
Ruhrort, Duisburg, Hochfeld
Mannheim
Ludwigshafen
Breslau
Frankfurt am Main
Köln
Kosel-Oderhafen
Magdeburg
Düsseldorf
Dresden
In der Güterbewegung auf den Wasserstrassen fallt auf, dass die Menge
der ausgeführten Güter um etwa ein Fünftel geringer als die der angekommenen
ist. Es rührt dies daher, weil mehr Massengüter, wie Getreide, über die
Grenze eingeführt wurden, als über dieselbe gegangen sind. Dieser Ueber-
schuss ist für Hamburg, den Ankunftshafen des amerikanischen Getreides, be-
sonders stark.
3239000
6431000
2935000
II 388000
736000
4508271
129000
1324497
127000
1 231 871
201000
1086924
258000
895427
150000
799000
676000
789098
140000
600036
196000
535305 Tonnen.
Rhein-, Elbe- und Oderverkehp, Den grössten Verkehr weist das Rhein-
gebiet mit 3,4 Milliarden tkm auf.
Auf den Rheinstrom entfallen 886 km, auf seine Nebenflüsse 1440 km und
auf die ihm angegliederten Kanäle 524 km schifibare Längen. Das Rheinbecken
umfasst somit mehr als 25 pCt. der gesammten Länge aller Wasserstrassen
Deutschlands. Am dichtesten ist der Rheinverkehr zwischen Ruhrort und der
holländischen Grenze. Kein anderer Strom besitzt eine so grosse Anzahl von
Häfen, 50 grössere und 24 kleinere, in welchen jährlich über 30 Mill, t um-
geschlagen werden, von denen rund 20 Mill, auf die deutschen und 10 Mill,
auf die holländischen Häfen entfallen. Die Rheinhäfen sind nicht nur durch
ihren Verkehrsumfang, sondern auch durch die Zweckmässigkeit ihrer Anlagen
und Reichhaltigkeit ihrer Lade- und Löscheinrichtungen hervorzuheben. Die
bedeutendsten Stromhäfen sind Ruhrort, Mannheim, Duisburg, Ludwigshafen,
Köln und Düsseldorf, deren Anlage 70 Mill. M. gekostet hat. Die Hafenanlage
in Ruhrort wird dermalen abermals vergrössert.
Der überseeische Verkehr des Rheines wird durch die beiden niederlän-
dischen Seehäfen Rotterdam und Amsterdam, sowie durch den belgischen See-
hafen Antwerpen vermittelt:
Antwerpen Rotterdam Amsterdam
1898 6414000 t 5680000 t 1558000 t
Dem Rheinverkehre folgt in der Grösse jener des Elbegebietes mit
2,8 Milliarden tkm auf eine Ausdehnung von 1940 km, wovon auf die Elbe
von Hamburg bis zur österreichischen Grenze 615 km entfallen. An dritter
-Stelle kommt sodann das Odergebiet mit 710000000 tkm.
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5o6
VI. Statistik der Wasserstrassen.
Den tonnenkilometrischen Verkehr der einzelnen Strom-
gebiete fnr das Jahr 1895 zeigt folgende Tafel:
Länge
Güter
Stromgebiet
ange-
kommen
abge-
gangen
i
Geleistete
Güter-Tonnen-
kilometer
km
in Tausenden von Tonnen
Memelgebiet
Pregelgebiet
Elbingstromgebiet . . .
Weichselgebiet ....
Odergebiet
Ostsee westlich der Oder .
Elbegebiet und märkische
Wasserstrassen . . .
Wesergebiet
Emsgebiet
Rheingebiet mit dem Main-
Donaukanal u. Bodensee
Deutsches Donaugebiet
Uebrige Wasserstrassen
310
340
ТОО
320
1360 ;
i6o
1940
690
210
2850
IIIO
I6I0
660
600
40
560
1080
40
10 160
390
20
11 220
250
780
410
200
40
390
2710
40
6220
390
40
9330
170
960
112 000 000
43 000 000
2 000 000
148000000
710000 000
I 000 000
2 760 000 000
76 000 000
4 000 000
3 372 000 000
24 000 ooo
248 000 000
Zusammen
II 000
25800
20 900
7 500 000 000
Wicbtigste Kanäle Deutschlands. Nach dem Baualter geordnet ergeben
sich folgende wichtigere Kanalverbindungen:
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
507
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г5о8 VI. Statistik der Wasserstrassen.
Abgaben werden von den deutschen Staaten nur auf einigen Kanälen
und den kanalisirten Flussstrecken in der durchschnittlichen Höhe von un-
gefähr 0,30 Heller für I tkm eingehoben. So betragen die SchifFahrtsabgaben
•für I tkm auf
dem Oder-Spree-Kanal . . 0,20 bis 0,40
der kanalisirten Oder . . 0,30 „ 0,50
dem kanalisirten Main . . 0,35 „ 0,60 und
dem Dortmund-Ems-Kanal . 0,15 „ 0,40 Heller.
Der Betrieb geschieht auf den alten Kanalanlagen zum Theil mittels
Treideins, auf den Flüssen, Strömen und neuen Kanälen zumeist durch
Dampfkraft. In jüngster Zeit wurden Schleppversuche . auf Kanälen mittels
elektrischer Lokomotiven gemacht (siehe Abschnitt 13). Der Rhein und die
Elbe haben den bestgeregelten Schiffahrtsbetrieb. Die Frachtsätze schwanken
je nach der Natur der Wasserstrasse und richten sich nach dem besseren
oder schlechteren Wasserstande und nach dem Angebot an Laderaum (siehe
Abschnitt 15).
Deutsche Kanalbanentwurfe. Gegenwärtig liegen verschiedene Kanab
Projekte vor : Die Verbindung des Rhein-Elbekanales mit 8 Zweigkanälen
nach Osnabrück, Minden, Linden, Wülfel, Hildesheim, Lehrte, Peine und
Magdeburg, ferner die Kanalisirung der Weser von Minden bis Bremen und
ein Zweigkanal nach Braunschweig. Weiters wird beabsichtigt, zwischen
Berlin und Stettin einen GrossschifTahrtsweg einzurichten und endlich be-
schäftigt man sich mit dem Plane einer Umgestaltung des alten Main-Donau-
kanales.
Die von der preussischen Regierung verfasste Kanal vorläge umfasst
einen Bauplan von fünfzehn Jahren in nachstehender Weise:
1. Für einen Kanal vom Rhein zum Dortmund -Emskanal,
für den Mittelland-Kanal von Bevergern bis an die Elbe
bei Magdeburg und die Weser-Kanalisirung von Bremen
bis Hameln . 260 784 700 M.
Î2. für einen Berlin-Stettiner-Kanal 41500000 ,,
3. für den Umbau der Kanäle und Wasserstrassen zwischen
Oder und Weichsel und Schiffbarmachung der Warthe
von der Mündung der Netze bis Posen 22 "631 000 „
4. für Verbesserung der Schiffahrt auf der mittleren Oder 4 xoo 000 ,,
Ausserdem betheiligt sich der Staat noch
5. an der Herstellung der Vorfluth in der unteren Oder mit 40 989 000 „
6. an den gleichen Arbeiten für die untere Havel mit . 9 670 000 ,,
7. an der Regulirung der Spree mit 9336000 ,,
zusammen 389010700 M.
Der Umbau der Masurischen Kanäle, sowie die Kanalisirung der Lippe
лvurde einem späteren Zeitpunkte vorbehalten.
Die preussische Regierung verfolgt dabei den Plan, auf allen von
Berlin westlich gelegenen Wasserstrassen 600 Tonnenschleppe , auf allen
östlich gelegenen 400 Tonnenschleppe verkehren zu lassen. Die normalen
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
509
Schleusen für Boote mit 600 t Ladung erhalten 67 m Länge und 8,6 m
Breite, während die Schleusen für Boote von 400 t Ladung bei gleicher
oder einer Breite von 7 m nur eine Länge von 57,5 m bekommen. Die
Möglichkeit, die letzteren Schleusen im Bedarfsfalle zu verlängern, ist baulich
vorgesehen.
Die wichtigste zu schaffende Wasserstrasse Deutschlands ist der Rhein-
Weser-Elbekanal (Bild 292). Derselbe wird vom Dortmund - Emskanat
einerseits bei Herne zum Rhein, anderseits bei Bevergern über Hannover in
die Elbe unterhalb Magdeburg führen und diese Stadt mit einer Zweiglinie
verbinden. Er ist, wie schon erwähnt, bestimmt, die Stromgebiete der Elbe^
der Weser, der Ems und des Rheines mit einander zu vereinigen.
Der bei Herne zum Rhein abzweigende Kanal erhält eine Länge von
39,5 km, an seinem Ende läuft er mit der Emscher zusammen. Der
von Bevergern zur Elbe führende „Mittellandkanal" wird 325 km Länge
Bild 292. Der Dortmund- Ems- und der geplante Mittelland-Kanal.
erhalten, bei Minden die Weser überschreiten, Qber Hannover fuhren und
gegenüber Niegripp unterhalb Magdeburg in die Elbe münden. Von dem-
selben sind 88,7 km Zweigkanäle: nach Osnabrück 15,4 km, Minden 3,2 km^
Linden 11,9 km, Wülfel 6,4 km, Hildesheim 23,6 km. Lehrte 2,6 km, Peine
15,6 km und Magdeburg 10,0 km geplant. Von Minden nach Hameln (61 km),
soll die Weser kanalisirt werden.
Die Baukosten für diese im Ganzen 414 km neuen Kanäle und 61 km
lange Weserkanalisirung werden auf 261000000 Mark, die Betriebs- und Unter-
haltungskosten auf 2169000 Mark berechnet.*)
Der vollendete Dortmund- Em s-K anal (Bild 292) hat von Herne bis Emden
ein mittleres Gefälle von 56 m; dasselbe wird durch 16 Schleusen erstiegen,
während die in 16 m Höhe gelegene Haltung von Dortmund bis Münster
durch das senkrechte Hebewerk bei Henrichenburg (siehe Seite 168) über-^
*) Sympher: Die wasserwirthschaftliche Vorlage. Berlin 1901.
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5IO
Vi. Statistik der Wasserstrassen.
wunden wird. Die längste Kanalhaltung zwischen Herne und Münster beträgt
67 km. Der Kanal ist an der Sohle 18 m, am Wasserspiegel 30 m breit,
hat eine Tiefe von 12,50 m, die Schleusen sind 67 m lang, 8,6 m breit, die
Schleppzugschleusen von Glees abwärts 165 m lang und 10 m breit. Alle
Schleusen haben 3 m Tiefe.
Vergleicht man die Frachtsätze der Eisenbahnen mit den zukünftigen
Frachtsätzen dieser Wasserstrassen, so berechnen sich die letzteren erheblich
billiger. Die Beförderungskosten am Mittelkanal berechnet man unter Zugrunde-
legung von Abgaben, welche zur Unterhaltung, Verzinsung und Tilgung des Bau-
kapitals ausreichen, mit allen Nebenkosten durchschnittlich auf 1,50 Pf. für
I tkm. Die Frachtsätze für den Bereich der preussisch-hessischen Eisenbahn-
gemeinschaft betrugen im Jahre 1898 für Güter des billigsten Tarifes, bei
Aufgabe von ganzen Wagenladungen 2,40 Pf. • fOr i tkm. Heute kostet
der Bahntransport von i t Getreide von Bromberg (Stettin) nach Herne
(Dortmund-Emskanal) 23,00 M. Auf dem Wasserwege wird sich die Be-
förderung auf 13 bis 14 M. stellen. Die Frachtersparnisse, welche sich dem-
nach durch den Rhein-Weser-Elbe-Kanal allein unter Zugrundelegung des
heutigen Eisenbahnverkehres ergeben wurden, können auf jährlich 38 Millionen
Mark veranschlagt werden.
Frankreich. (Bild 293.) Bei der günstigen Lage Frankreichs, welches
von drei Seiten vom Meere eingeschlossen und von zahlreichen Flüssen durch-
zogen wird, war es möglich, durch Verbindung der natürlichen Flussläufe'
mittels Kanälen ein nach allen Richtungen ausstrahlendes Verkehrsnetz zu
schaffen.
Die ersten Kanäle, jener von Briare und Languedoc, wurden von
Privatgesellschaften 1642 bis 1670 erbaut. Die ersten Kammerschleusen sind
im Jahre 1528 zur Kanalisirung des Ourcq, der Vilaine und Lot entstanden.
Auch zur Zeit des grossen Kaisers wurde dem Kanalbau von Seite des
Staates viel Aufmerksamkeit zugewendet, nachdem schon vorher durch die
Revolution 1000 km im Privatbesitze des Adels und der Kirche befindliche
Kanailängen als Staatseigenthum erklärt wurden. Nach und nach löste der
Staat auch die übrigen Privatkanäle ein, so dass im Jahre 1870 fast das ganze
Kanalnetz in Händen desselben war, wodurch es möglich wurde, dass ab 1879
die gänzliche Aufhebung der früher bestandenen Abgaben erfolgte.
Unter dem Ministerium Frey ci net wurde eine Regulirung des gesammten
Wasserstrassennetzes herbeigeführt und die Kanäle je nach ihrer Bedeutung in
vom Staate ausschliesslich zu verwaltende Hauptlinien und in Nebenlinien,
welche von Privaten mit oder ohne Staatsunterstützung betrieben wurden,
eingetheilt. Diese Arbeiten kosteten 1200 Millionen Francs und sind heute
nahezu vollendet. Die Hauptlinien wurden für mindest 300-Tonnen-Schifie
ausgestaltet, 1400 km neue Kanallängen geschaffen, 3600 km alte umgebaut
und 4000 km Flusslängen verbessert oder kanalisirt.
Frankreich hat, wie die „Direction de la navigation" ausweist, im ab-
gelaufenen Jahrhundert für seine Schiffahrtskanäle allein 871,7 Mill. Francs ver-
ausgabt. Die Länge der gesammten Wasserstrassen Frankreichs beträgt heute
12 150 km, davon entfallen auf Kanäle 4850, auf Flusskanalisirungen 3300 und
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
54
FRANKREICH
4TTELLÀND1SCHES
MEER
Bild 293-
auf natürliche schiffbare Flusslangen 4000 km. Hiervon haben 2630 km
'Schiffahrtswege eine Wassertiefe von 2,00 ш, in den Schleusen 2,50 m Drempel-
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512
VI. Statistik der Wasserstrassen.
tiefe und eine nutzbare Länge von 38,5 m bei durchgängiger Kammerbreite
von 5,2 m.
Dem allgemeinen Verkehre werden in Frankreich alle Wasserstrassen
kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Staat bewirkt auf seine Kosten die
Handhabung der Schleusen, Speisung der Kanäle, sei es durch Anlage von
Sammelbecken oder durch Hebung des nöthigen Wassers mittels Pumpwerken.
Er trägt mit einem Worte die gesammten Unterhaltungs- und Verwaltungsaus-
lagen und aberlässt den Betheiligten nur die Ausnutzung der Wasserstrassen
durch entsprechenden Schifiahrtsbetrieb , sowie die Beschaffung der Vor-
richtungen zum Ein- und Ausladen der Güter.
FranzSsiscber Kanalbetrieb. Der Betrieb wird grösstentheils durch
Treideln mit Pferden und Menschen ausgeübt, nur etwa 10 pCt des gesammten
Verkehres wird mittels Dampfers und mechanischen Schleppzuges, in neuester
Zeit durch elektrischen Lokomotivbetrieb, bewerkstelligt.
Bei dem gesammten Wasserstrassenverkehr Frankreichs von 4,2 Milliarden
tkm bringt jede Verminderung der Frachtkosten eine grosse Ersparnis, wes-
halb auch dem Schleppzuge eine sehr grosse Aufmerksamkeit zugewendet
wird und auf vielen Versuchsstrecken verschiedenartige mechanische Zugsroittel
eingerichtet sind (siehe Abschnitt 13).
Die Zugskosten der verschiedenen Arten des Schiflfszuges berechnet die
Staatsverwaltung wie folgt:
Fa
hrgeschwindigkeit
Kosten
pro Stunde
pro tkm
in km
in Heller
Auf Kanälen:
Zug durch Menschen
1.5
0.50
Pferdezug
2,0
0,40
Mechanischer Schleppzug
3.5
0.35
Auf Flüssen:
Pferdezug Bergfahrt
3.0
0,60
„ Thalfahrt
4,0
0.30
Kettenschiffahrt zu Berg
4,5
1,00
„ zu Thal
5.5
0,50
Schleppdampfer zu Berg
4.5
1,10
„ zu Thal
6,2
0,50
Die durchschnittlichen Zugskosten belaufen sich auf beiläufig 7» Heller
für I tkm bei einer mittleren Fahrgeschwindigkeit von 4 km in der Stunde.
Die bezahlten Frachtkosten bewegen sich auf den grösseren Kanälen zwischen
0,70 bis 1,70 Heller, auf den Flüssen im Mittel auf 1,20 Heller.
Verkehrszanahme auf den franzSsischen Wassersirasseu. Durch die
Fürsorge, welche der Staat den Wasserstrassen zuwendet, ist der Verkehr
auf denselben sehr gestiegen. Derselbe hat nach dem „Album de statistique
graphique" von 1882 bis 1896 in Tonnenkilometern um 85 pCt. zugenommen.
1882 betrug die Länge aller schiffba^ren Wasserstrassen 12230 km mit einem
Verkehre von 2265000000 tkm, die Länge aller Eisenbahnen 25670 km mit
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
513
jilihuJSti
einem Verkehre von 10835000000 tkm; es entfielen somit auf i km Wasser-
strasse 185 166 und auf I km Eisenbahn 423665 tkm. 1896 betrug die Länge der
Wasserstrassen 12360 km mit 4 191 000 000 tkm, die Länge der Bahnen 36670 km
mit 12900000000 tkm; es entfielen somit auf i km Wasserstrasse 338978
und auf I km Eisenbahn 360000 tkm (siehe auch Seite 489).
Französische Eaualbaneiitwärfe. Die französische Regierung hat vor
Kurzem einen neuerlichen Gesetzentwurf zur Vorlage gebracht, welcher die
Ausführung neuer Wasserstrassen und Verbesserung vorhandener Kanäle,
FlQsse und Seehäfen mit einem Kostenvoranschlage von 600 Millionen Kronen
zum Zwecke hat. Derselbe umfasst:
I. Die Verbesserung bestehender Wasserstrassen.
Kanäle. Für Kanäle zwischen Dünkirchen und der Scheide und für
den Deule- und Aire-Kanal, ferner die Vergrösserung des Kanales „du Midi".
Seine. Verdoppelung
einiger Schleusen und
Verbesserung des Fahr-
wassers der unteren Seine
von Paris bis Rouen.
Rhône. Fortsetzung
der Regulirungsarbeiten
an der Rhône zwischen
Lyon und dem Meere.
Regulirung der G a -
rönne auf 50 km.
2. Bau neuer Wasser-
strassen.
Chiers-Kanal zur
Verbindung von Dün-
kirchen und dem Kohlen-
gebiet des Nordens mit
dem Erzgebiete von Long-
wy. Länge 85 km, zu
ersteigende Höhe 100 m,
Wassertiefe 2,20 m,
Sohlenbreite um.
Schelde-Maas-Kanal zur Verbindung von Dünkirchen mit den Erz-
gebietin des Ostens. Länge 154 km, zu ersteigende Höhe 220 m, Wasser-
tiefe 2,20 m, Sohlenbreite um.
Zur Entlastung des Kanales von St. Quentin ein neuer Kanal von
Arleux nach Péronne am Sommekanal, sowie der Ausbau des letzteren. Ein
neuer Kanal von Ham am Somme-Kanal nach Noyou am Oise-Seitenkanal;
zu ersteigende Höhe 168 m, Sohlenbreite 12 m, Schleusenlänge 38,5 m, Breite
5,2 m, Wassertiefe 2 m.
Verlängerung des Ourcq-Kanales, Vertiefung der Loire zwischen Nantes
und Angers durch Niederwasser-Regulirun g auf 1,20 m Mindestwassertiefe.
Länge der Strecke 84 km.
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 33
Bild 294. Der Kanal „des deux mers''.
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514
VI. Statistik der Wasserstrassen.
Verlängerung des bestehenden Orleans-Kanals von Combleux bis Orleans.
Kanal von Moulins nach Sancoins zur Verbindung der Allier mit der Scheitel-
iialtung des Berry-Kanals. Länge 49 km, Wassertiefe 2 m, Sohlenbreite
10 m.
Loire-Rhone-Kanal. Bei der Loire sind 220 m, bei der Rhône 337 m,
zusammen 557 m Höhe zu überwinden. Länge 130 km, Wassertiefe 2,2 ra,
Sohlenbreite 10 m.
Endlich die Kanalprojekte von Marseille und von Cette zur Rhône.
3. Seehäfen.
Für Dankirchen, Dieppe, Le Havre, Rouen, St. Nazaire, Nantes, Bordeaux,
Bayonne, Cette und Marseille.
Die Trace des von den Franzosen geplanten grossen „Canal des
deux mers", welcher, weil Gibraltar dadurch lahmgelegt erscheint, die
herrschende Stellung Englands im Mittelmeere beeinträchtigen würde, ist im
Bilde 294 ersichtlich.
Belgien. (Bild 295.) Belgien besitzt im Ganzen 2200 km Wasserlaufe,
wovon 500 km natürlich schiftbare, 200 km nur flössbare, 550 km kanalisirte
Flussstrecken und 950 km Kanäle sind.
Der älteste Kanal ist der von Brüssel nach Rüpel führende Willebroeck-
Kanal. Der grösste Theil des belgischen Kanalnetzes stammt aus der ersten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts und wurde hauptsächlich zur Versorgung
von Brüssel, Gent, Antwerpen, Nordfrankreich und Paris mit Kohle aus den
Becken von Charleroi und Mons angelegt. Die Kanäle stehen unter Ver-
waltung des Staates, nur 400 km unter jener von Gemeinden und Gesell-
bchaften.
Die letzten Jahrzehnte erforderten für die Vertiefung und Verbreiterung
der Kanäle grosse Auslagen. Hierdurch wurden 1500 km für 300 und
400 Tonnenschiffe nutzbar gemacht.
Der Schiffzug geschieht zum grössten Theile mit Pferden. Auf manchen
Strecken ist derselbe vom Staate eingerichtet und beträgt die Gebühr, welche
er hierfür einhebt, für 300 Tonnenschiffe 0,25 Heller für i tkm. Auf dem
Kanal Brüssel-Rupel muss die Kettenschiffahrt, welche vom Staate errichtet
ist, benutzt werden, deren Kosten für Schiffe von 300 t 0,20 Heller für
1 tkm beträgt.
Die Frachtkosten schwanken im Allgemeinen je nach den Abmessungen
der Kanäle und der Jahreszeit zwischen 0,5 bis 2,5 Heller für das Tonnen-
kilometer. Й
Die Abgaben auf den staatlichen Kanälen betragen 0,45 Heller, auf den
kanalisirten Flüssen 0,15 Heller für i tkm. Für leere Schiffe wird nichts
bezahlt. Durch diese Abgaben deckt der Staat alle seine Betriebsausgaben
und erübrigt eine massige Verzinsung der verausgabten Bausummen.
Der Verkehr auf den Wasserstrassen ist ein lebhafter; auf den 1500 km
langen Hauptlinien, für welche ein statistischer Nachweis veröffentlicht wird,
betrug derselbe: 1897 = 815 Millionen tkm und 1899 = 880 Millionen.
In neuerer Zeit beschäftigt man sich mit verschiedenen Bauentwürfen
und will in erster Linie die rücksichtlich der Verkehrszunahme bereits
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. ^15
unzureichend gewordenen Abmessungen der Kanäle entsprechend ver-
grössern.
Niederlande. (Bild 295,) Die natürlichen Flussläufe in den Niederlanden,
insbesondere die Mündungen des Rheines, der Maas und der Scheide, sowie
die diese nach allen Richtungen verbindenden Kanäle bilden ein ausser-
ordentlich leistungsfähiges Wasserstrassennetz und die Grundlage des wirth-
schaftlichen Lebens der Niederlande. Die schiffbaren Ströme haben eine
Länge von 2000 km, die Kanäle eine solche von 3300 km.
Die Anlage der künstlichen Wasserstrassen war mit Rücksicht auf die
geringen Gefällshöhen, welche zu überwinden waren, eine ziemlich leichte.
Ursprünglich wurden die Kanäle in den Niederungen nur zu Entwässerungs-
zwecken angelegt und erst später auf denselben auch die Schiffahrt ein-
gerichtet. Für viele Linien wurden alte Meeres- und Mündungsarme der
Flüsse und Binnenseen verwendet, die den durch Wassergenossenschaften
vereinigten Poldern zurVorfluth dienen. Derart entstanden breite und tiefe
Wasserstrassen, welche seit Jahrhunderten die Städte verbinden und auf
welchen eine lebhafte Dampfschiffahrt unterhalten wird. So ist die Amstel
beispielsweise bis 90 m breit und 2,3 m tief, die Spaarne 50 bis 250 m
breit und 2,30 bis 3,50 m tief.
Die später erbauten Kanäle wurden eigens für die Binnenschiffahrt an-
gelegt, wie der Merwede-Kanal und die zahlreichen kleineren Verbindungs-
kanäle, während der Nordseekanal von Amsterdam nach Ymuiden und der
Kanal von Terneuzen hauptsächlich dem Seeverkehr, der Nordholländische,
der Walcheren- und der Südbeveland-Kanal aber sowohl der Binnen- als auch
der Seeschiffahrt dienen.
Ausser diesen Fahrstrassen wurden zahlreiche kleinere Kanäle von Ge-
meinden und Gesellschaften ursprünglich nur zur Ausbeutung der Torfmoore
angelegt und bilden nun 4000 km lange werthvolle Verkehrswege für kleine
Fahrzeuge.
Die Flüsse und die Staatskanäle von Amsterdam zur Nordsee, von Lüt-
tich nach Mastricht, der neue Mervedekanal, der Kanal von Südbeveland
und die Seeschiffahrt auf dem Kanäle Gent-Temeuzen ausgenommen, werden
auf den übrigen Kanälen je nach dem Tonnengehalte der Schiffe massige Ab-
gaben erhoben.
Auf den Seekanälen und grossen Binnenkanälen wird Dampfschiffahrt
betrieben, während die Schiffahrt auf den kleineren Binnenkanälen mittels
Treideins durch Menschen und Thiere, sowie durch Segelkraft bewerkstelligt
wird. Den üblichsten Kanaltyp zeigt Bild 296, die übrigen Bauformen
siehe Seite 243. Der Frachtsatz bewegt sich zwischen 0,30 und 0,60 Heller
für das Tonnenkilometer.
In neuester Zeit sind grosse Arbeiten gemacht worden, um den See-
schiffen den unmittelbaren Zugang zu den Binnenhäfen zu ermöglichen.
Insbesondere sind zu erwähnen die Verbindung von Rotterdam mit der
See für Dampfer von 7,5 m Tiefgang mit einem Kostenaufwande von 65 Mill.
Kronen und der Nordseekanal, welcher Amsterdam auf dem kürzesten
Wege mittels eines 28 km langen Durchstiches der Dünenkette mit dem Meere
33*
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5>6
VI. Statistik der Wasserstrassen.
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Bild 295.
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Bestehende und geplante ßinnenwasserstrassen.
5^7
verbindet und welcher einschliesslich der grossartigen Hafenanlage zu Ymuiden
über loo Mill. Kronen gekostet hat. Die Sohlenbreite dieses Kanales beträgt
27 m, die Tiefe 7 bis 8 m, die nutzbare Länge der Schleuse bei Ymuiden 215 m,
die Breite 25 m und die Drempeltiefe 9,6 m.
Der Nordseekanal, sowie die für einen Zeitraum von 30 Jahren sich er-
streckenden Arbeiten zur Abschliessung und theilweisen Eindeichung des
Zuider-Sees sind im Bilde 297 dargestellt. Die Trockenlegung des Zuider-Sees
umfasst die Herstellung eines rund 30 km langen mächtigen Abschlussdammes
quer zum See nach Piaam und die am anderen Dammende herzustellenden
Abwässerungs- und Schiffahrtsschleusen. Hierdurch plant man der Nordsee
etwa 360000 ha abzuringen, wovon in 4 Poldern etwa 230000 ha nutzbar
gemacht und 130000 ha Wassergebiet blieben, welches mit der Zeit Süss-
wasser werden und zur
Speisung der wasserarmen
Marschen verwendet werden
würde.
England. (Bild 298 und
299.) England besitzt ein
dichtes Wassernetz von
6100 km Gesammtlänge.
Hiervon entfallen 3300 km
auf natürliche Wasserläufe,
800 km auf kanalisirte
Flüsse und 2000 km auf
Kanäle.
Die Binnenschiffahrt ist
durch gleichmässig ver- Bild 296.
theilteNiederschlagsmengen
und milde Winter, sowie auch durch vortheilhafte Küstenbildung begünstigt.
Die Wasserwege vertheilen sich auf die Flussgebiete der Themse, des
Witham, des Trent, der Ouse, des Mersey und des Severn.
England hat schon in alten Zeiten mit dem Bau von Wasserstrassen
begonnen, die ersten Regulirungsarbeiten reichen bis in das XIV. Jahrhundert
zurück. Der Staat selbst hat sich jedoch mit dem Bau von Kanälen nicht
befasst, sondern dieses immer nur den betheiligten Interessenten überlassen.
Die erste künstliche Wasserstrasse ist durch die Schiffbarmachung des
Flusses Medway 1664 entstanden. Der erste Kanal Englands war der 1761
fertiggestellte Bridgewater-Kanal, welcher von dem gleichnamigen Herzog zur
Verbindung seiner Kohlengruben in Worsley mit Manchester angelegt wurde.
Durch diesen Kanal fiel damals der Kohlenpreis in Manchester um 40 pCt., worauf
der Herzog den 42 km langen Kanal zwischen Manchester und Liverpool und
daran anschliessend die Kanäle durch Lancaster bis nach Wigan und Preston
erbauen liess.
Angeregt durch die hierbei erzielten Erfolge verlegte man sich nun all-
gemein auf den Kanalbau und wurden bis zum Jahre 1800 nicht weniger als
68 Kanallinien eröffnet, welche die Verbindung zwischen den Flüssen Trent,
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5i8
IV. Statistik der Wasserstrassen.
Humber, Severn und Mersey herstellten. Diesen Bauten folgte in grösseren
Abmessungen der Kanal vom Forth zum Clyde, zur Verbindung der Küsten
Schottlands. Eine gleich günstige Entwicklung nahm der Kanalbau in
Irland, dessen Wassei laufe und Häfen Dublin, Waterford, Limerick und
Londonderry durch Binnenwasserwege miteinander verbunden wurden.
In der späteren Eisenbahnzeit stockte der Kanalbau Englands und hörte
1830 gänzlich auf. Die Eisenbahngesellschaften erwarben, um sich höhere
Frachtsätze zu sichern, die grösseren Kanalwege und setzten manche ganz
ausser Betrieb, oder aber sie hoben derartige Abgaben ein, dass der Kanal-
verkehr nicht mehr lohnend erschien.
Bild 297. Der Amsterdam -Nordsee- und der Nordholländische Kanal
(Trockenlegung des Zuidei^Sees.)
In England werden heute für die KanalschiflFahrt Abgaben nach den
verschiedensten Grundsätzen, jedoch in zulässiger Höhe eingehoben.
Die Abmessungen der englischen Kanäle sind nicht gross. Die Schleusen-
weiten betragen zwischen 2,20 bis 5,10 m, die Tragfähigkeiten der Kanalboote
von 20 bis äusserst 250 t.
Geographisch zerfallen die natürlichen und künstlichen Wasserstrassen
Englands in sechs Gruppen, wovon fünf mit weiten Meeresbuchten im Zu-
sammenhange stehen: Im Osten die Gruppe der Themse mit dem Nebenfluss
Lea; weiter nördlich die Gruppe des Wash, in welche die Witham, Weiland
und Ouse münden; ferner die Humberbucht mit dem Derwent, Aire, Calder
und Trent; im Westen die Severnbucht mit dem Wye und Avon; nördlich
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
5^9
davon die Merseybucht. Die sechste Gruppe uragiebt das industriereiche
Birmingham. Die übrigen vereinzelten, zur Küste führenden oder dieser
entlang laufenden Kanäle sind für den Transport nur von untergeordneter
Bedeutung.
Zwischen der Themse einerseits und der östlichen Humber- sowie der
westlichen Mersey-Gruppe anderseits bildet der Grand Junction-Kanal die
BRITISCHER CAH^t
Bild 298.
bedeutendste Verbindung. Mit Birmingham steht das Netz in Verbindung
durch die Oxford-, Warwick and Napton-, Warwick and Birmingham-Kanäle
und den Birmingham and Warwick Junction-Kanal, nordöstlich mit Leicester
durch den Grand Union- und den Leicester and Northamptonshire - Union-
Kanal, sowie mit der Trent durch die Leicester-SchiflFahrt und den Longh-
borough-Kanal.
Die zu dem Meeresarm Wash führenden Wasserstrassen sind durchwegs
natürliche. Nur ein schmaler Seitenkanal vereinigt Northampton mit dem
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520
VI. Statistik der Wasserstrassen.
Grand Junction- Kaalsystem, während die Witham und Fossdyke-Schiffahrt die
Verbindung mit dem Trentflusse herstellt.
Die Ouse-Kanäle sind in vernachlässigtem Zustande, während die Kanäle
der Humber-Bucht grössere Abmessungen aufweisen. Eine lebhafte Schiffahrt
besteht auf dem Aire und Calder, welche mit dem Leeds- und Liverpool-
Kanal die Verbindung zur Merseybucht bilden. Ein zweiter Weg durch den
Calder und Hebble-, den Rochdale- und den Bridgewater-Kanal verbindet die
beiden Flüsse Air und Calder mit Liverpool und eine dritte Verbindung bilden
endlich die Huddersfield-, Ashton-Rochdale- und Bridgewater-Kanäle.
Bild 299. Der Galedonian-Kanal.
Die Kanalverbindung zwischen der Severn-Bucht und der Themse ge-
schieht einerseits durch den Stroudwater- und den Themse-Severn-Kanal,
anderseits durch die Flusse Kennet, Avon und den zwischen diesen
liegenden gleichnamigen Kanal. Die Kanäle in der Umgebung von
Birmingham haben alle sehr geringe Abmessungen und befinden sich zum
grossen Theile im Besitz von Eisenbahngesellschaften.
Zur Mersey-Bucht gehören die Weaver-, Mersey-, Trent- und Shropshire-
Union-Kanäle. Das bedeutendste Glied dieser Gruppe ist der Manchester-
Schiffskanal, welcher neben dem Mersey-Fluss laufend, eine für Seeschiffe
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. ^21
fahrbare Strasse von 7,93 m Tiefe und 36,6 m Sohlenbreite zwischen Man-
chester und Liverpool bildet. Der Höhenunterschied zwischen diesen beiden
Endpunkten beträgt 18 m (siehe auch Seite 150).
Die Binnenkanäle haben zumeist Schleusen mit geringem Gefälle und
kleinen Abmessungen. Der der London and North -Western-Rail way ge-
hörige Shropshire-(Kohlenhafen)-Kanal von Tweedale nach Coalport hat anstatt
der Schleusen eine geneigte Ebene eingefügt, auf welcher die Boote auf
den Wagen einer doppelgeleisigen Eisenbahn geführt werden. Die von der
Grand- Junction Canal Co. behufs Umgehung von 10 Schleusen bei Foxton
hergestellte doppelgeleisige geneigte Ebene siehe Bild 105 Seite 178.
Der Kanalbetrieb wird in England zum grössten Theile mit Pferdezug
ausgeübt. Auf den See- und grösseren Binnenkanälen ist jedoch der Schlepp-
zug mittels Dampfer vorherrschend. Die Seekanäle, deren Verkehr in steter
Zunahme begriffen ist, haben technisch vollendete Anlagen für den Güter-
umschlag von Wasser zu Land.
Im Durchschnitt betragen die Betriebskosten auf den englischen Wasser-
strassen einschliesslich . einer massigen Verzinsung des Baukapitals i ,30 bis
1,50 Heller für I tkm. Die Zugskosten auf der Themse 0,60 Heller und bei
der Aire- und Calder-Schiffahrt (siehe Seite 410) 0,50 Heller für i tkm.
Englisches Kanal-Tarifgesetz. Die Tarife für die im Besitze der Eisen-
bahngesellschaften befindlichen Kanäle wurden allgemein bis in die
neueste Zeit sehr hoch gehalten, wodurch man den Verkehr auf vielen
Kanälen zu Gunsten der Bahnlinien niederhielt. Im Jahre 1893 wurde des-
halb, nachdem man alle Verkehre und Kanaltarife einer eingehenden Unter-
suchung unterzogen hatte, vom Staate ein „Tarifgesetz" erlassen, welches,
um das Wiederaufblühen des Wasserverkehres zu ermöglichen, Bestimmungen
enthält, um die Benutzung der Wasserstrassen vor der Erhebung zu hoher
Abgaben zu schützen und die Eisenbahngesellschaften daran zu hindern,
solche Tarife aufzustellen, die geeignet sind, den Verkehr der Kanäle zu
ruiniren. Der Betrieb und die Verwaltung der Wasserstrassen sind unter
eine geregelte Aufsicht der Staatsbehörden gestellt und strenge Strafen auf
die Uebertretung der gesetzlichen Vorschriften gelegt.
Ueber den Verkehr auf den englischen Kanälen und über deren Verzin-
sung ist Zuverlässiges nicht bekannt. Bei der Eröffnung des Schiffahrts-
Kongresses 1890 in Manchester wies der Minister Hicks-Beach darauf hin,
dass der Verkehr der Kanäle Englands 10 000 t auf eine englische Meile
gegen jenen der Eisenbahnen von 14000 t betrage und dass, wenn der Kanal-
verkehr nicht noch bedeutender sei, die Eisenbahnen durch den Ankauf der
Kanäle und durch ihre Tarifgebahrung die Schuld daran trügen, wodurch das
allgemeine wirthschaftliche Wohl Englands bedeutenden Schaden leide.
Schweden und Norwegen. (Bild 300.) Schweden besitzt an seinen Binnen-
seen und deren Abflüssen zum Kattegat und zur Ostsee ein für das Land ausser-
ordentlich wichtiges Verkehrsnetz.
Die Kanalisirungen dieser Abflüsse waren oft sehr schwierig, weil die
Aufstauungen des Wassers durch grosse Kunstbauten in Felsen, welche die von
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VI. Statistik der Wasserstrassen
^5
■v%,
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. C23
Natur gegebenen Wasserfälle benutzten, hergestellt werden mussten. Durch die-
selben wurden jedoch weite Seen und Flussstrecken aufgeschlossen, so dass
der kilometrische Herstellungspreis der ganzen Wasserstrasse dennoch ein
geringer war.
Die Fahrlänge aller Wasserstrassen Schwedens veranschlagt man auf
1800 km, hiervon sind 380 künstlich geschaffen. Die Länge der von diesen
aufgeschlossenen Seewege und Flussläufe beträgt jedoch mehr als 5000 km.
Die Kanäle haben nicht nur vom 'Standpunkte des Verkehres eine grosse
Bedeutung, sondern sie liefern auch die Wasserkräfte für die an denselben
angesiedelten zahlreichen Industrien.
Die Hauptwasserstrasse Schwedens ist die Verbindung der Nord- mit der
Ostsee durch den TroUhätta- und Götakanal. Ersterer bildet den west-
lichen, letzterer den südlichen Ausgang für die vielen natürlichen und künst-
lichen Wasserstrassen im Gebiete des Wener- und Wettersees. Von den vom
Wettersee ausgehenden Wasserstrassen ist der Dülstandkanal darum besonders
erwähnenswerth, weil er trotz seiner Kürze sieben Binnenseen verbindet und
eine Wasserstrasse von 250 km erschliesst. Im Osten Schwedens ist der
Hjelmar- und der Ström sholmskanal von grosser wirthschaftlicher Bedeutung,
Ersterer verbindet zahlreiche Industrieen mit dem Meere, letzterer reicht in
das reichste Bergbaugebiet Schwedens.
Der bedeutendste Kanal Norwegens ist der im Jahre 1892 fertiggestellte
Bandakkanal in Telemarken, welcher bei Ulefos beginnt und den 57 m betra-
genden Höhenunterschied des Wasserstandes der Nordsee und der Bandaks-
vand mit 17 Schleusen überwindet. Bei Brangfos mit 33 m Höhe sind
sechs Schleusen hintereinander zur Ausführung gekommen. (Siehe Bild 77,
Seite 142.)
Die schwedischen Wasserstrassen sind sämmtlich von Privatgesellschaften
oder von Gemeinden erbaut, wozu aber der Staat reichliche Geldmittel bei-
getragen hat.
Die Abgaben werden je nach der Wichtigkeit der Kanalanlage in ver-
schiedener Höhe eingehoben, jedoch sieht der Staat daraui, dass dieselben
nicht zu hoch bemessen sind.
Der Verkehr geschieht hauptsächlich mittels Dampfer und Segelschiffen.
Besonders auf den Seen ist eine lebhafte Dampfschiffahrt vorhanden. Die
grosse Flösserei, welche für die Hauptausfuhr Schwedens, für Schnittholz, be-
trieben wird, bewegt sich nicht auf den Kanälen, sondern über die Wildwässer,
welche neben diesen laufen.
Rnssland. (Bild 301.) Die schiffbaren Wasserstrassen des europäischen
Russlands vertheilen sich auf das nördliche Eismeer, die Ostsee mit den dazu
gehörigen grossen Seen und die in dieselbe mündenden Flüsse Dwina,
Windau, Njemen und Weichsel, sowie auf das Schwarze, Azow'sche und das
Kaspische Meer. Die Gesammtlänge der flöss- und schiffbaren Wasserstrassen
Russlands in Europa, Finnland ausgenommen, beträgt 83 010 km, von welchen
33 650 km schifibare Flüsse und Binnenseelinien, 1850 km Kanäle und kanali-
sirte Flüsse sind. 15400 km dienen nur zur Thalfahrt für kleine Fahrzeuge
durch Stromantrieb und 29000 km sind flössbar. Dampfschifrbetrieb besteht
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VI. Statistik der Wasserstrassen.
P и S S L A N D
IN A S I E N \
Bild 301.
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. ^25
auf 28 000 km und 3200 km Flusslängen sind regulirt. Im Ganzen verfügt
Russland über 860 Ströme und Flüsse, 39 Seen und 38 Kanäle.
Die zumeist ebene Bodengestaltung, der Wasserreich thu m und die ver-
hältnismässig geringe Entfernung der Ströme von einander haben es ermög-
licht, dieselben unschwer durch kurze Kanalstrecken zu verbinden, und derart
ein ununterbrochenes, leistungsfähiges Wasserstrassennetz zu schaffen. In
diesem unterscheidet man eine östliche und eine westliche Zone. Die östliche
bildet die Verbindungen zwischen dem Kaspischen Meere, dem Eismeer und
der Ostsee, die westliche die Verbindung zwischen dem Schwarzen Meere
und der Ostsee.
Die wichtigsten Wasserstrassen der östlichen Zone sind jene, welche
die Wolga mit der Newa verbinden. Zu dieser gehören:
Das Marien-System, welches aus 845 km durch 370 km Kanäle
miteinander verbundenen Flussstrecken und 305 km Seitenkanälen besteht,
die mit den Bieloje-, Onega- und Ladoga-Seen in Verbindung sind und diese,
weil sie oft sehr stürmisch und lange mit Eis bedeckt sind, parallel um-
gehen« Die Mariengruppe erstreckt sich von Rybinsk an der Wolga bis zur
Newa und wurde 1896 für 500 Tonnenschiffe umgebaut.
Das Flusssystem Tichwin, welches von der Wolga bis zum Ladogasee
reicht und eine Reihe von Flüssen und Seen miteinander verbindet. Seine Länge
beträgt 750 km, in welchen 241 km künstliche Wasserstrassen enthalten sind.
Die Flussgruppe Wischny-Wolotschok, welche durch den Tweren-
Fluss den südöstlichen Verbindungsweg zwischen der Wolga und der Newa
bildet. Von ihren 868 km sind 49 km die älteste künstlich angelegte Wasser-
verbindung zwischen dem Baltischen und dem Kaspischen Meere, welche 1702
Peter der Grosse erbauen liess.
Die beiden letzteren Systeme haben ungenügende Abmessungen und
Wassermangel und sind deshalb von geringerer Bedeutung als die Marien-
Gruppe. Alle drei Flusssysteme schaffen zwischen Astrachan und Peters-
burg eine Schiffahrtsstrasse von 3932 km Länge. Ausser diesen Gewässer-
gebieten besteht noch eine Verbindung des Weissen Meeres mit dem Kaspischen,
welche von Archangelsk am Weissen Meere ausgehend bis an die Marien-
gruppe reicht und 1393 km lang ist.
Die wichtigsten Theile der westlichen Zone sind: Das Fluss-
system der Berezina, welches den Dnjepr mit der westlichen Dwina ver-
bindet, 654 km lang ist und in welchem ein Scheitelkanal und eine kanalisirte
Strecke von 168 km liegen; das Ogninskysystem, welches den Dnjepr,
Pripet, die Skara und den Njemen verbindet, 343 km lang ist und einen
Scheitelkanal von 19 km hat; das Dnjepr-Bugsystem, welches durch die
Flüsse Dnjepr, Pripet, Puma, Bug und Weichsel das Schwarze Meer mit der
Ostsee verbitidet und dessen Flussstrecken zum Theile mit einem 26 km
langen Scheitelkanal vom Dnjepr zum Bug kanalisirt sind, und endlich die
Augustow-Wasserstrassen zwischen Njemen und Weichsel, welche 102 km
lang sind.
Rassische Binnenflotte. Die Wasserstrassen Russlands sind im Jahre
37« ^^^ 5% Monate durch Eis gesperrt, auf manchen Strecken ist die Schiffbarkeit
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52б
VI. Statistik der Wasserstrassen.
durch Stromschnellen behindert, dagegen sind günstige Sommerwasserstände
und nur geringe Hochwässer zu verzeichnen. Die Schiffahrt geschieht ausser
durch Treideln mit Menschen oder Zugthieren durch eine im grossen Auf-
schwünge befindliche Dampfschiffahrt Der erste Binnendampfer verkehrte
1821 auf der Wolga. 1850 betrug die auf allen Flüssen und Binnenseen
verkehrende Dampferzahl 99, welche bis 1898 auf 3040 mit 520000 i. HP
stieg. Diese Flotte besteht aus 1000 Schraubenbooten und 2040 Raddampfern,
darunter 600 für die Personenbeförderung, 290 Frachtdampfer, i860 Zug-
dampfer, 23 Kettendampfer und 267 verschiedene kleine Bugser, Fähren
sowie staatliche Dienstschiffe. Die Zahl der Schleppe , Ruderschiffe und
Segler betrug 1898 20580 mit einem Gesammttrag vermögen von 8624000 t,
darunter 8000 mit Tonnengehalten von über 400 bis 1600.
WoIgaschifFahrt. Russland besitzt in der Wolga, dem Ural, Don, Dnjepr,
der Kama, Petschora und Dvina 7 der grössten Ströme Europas, von welchen
erstere der für Russland wichtigste Strom und gleichzeitig der wasserreichste
Europas ist.
Die Wolga entspringt im Waldaigebirge, etwa 350 km vom Finnischen
Meerbusen in der Nähe der Düna, durchfliesst mehrere kleine Seen und wird
nach Aufnahme der Selisharowka für kleine Fahrzeuge fahrbar, jedoch erst ab
Twer, 447 km unterhalb dem Ursprünge, allgemein schiffbar.
Ihr oberer Lauf geht anfangs zwischen hohen Ufern in südöstlicher
Richtung und dann in einem 1700 km langen Mittellaufe durch ein wellenförmiges
Tiefland. Unterhalb Kasan nimmt die Wolga ihren grössten Nebenfluss, die
Kama, auf, worauf sie in ein Steppengebiet eintritt, in welchem der
Strom in mächtiger Ausdehnung zwischen niedrigen Ufern langsam und in
vielen Armen gespalten zwischen Sand-, Sumpfinseln und unendlichen Schilf-
gründen dahinfliesst und sich 74 km unterhalb Astrachan in einem iio km
breiten Delta mit 8 Haupt- und 20 kleineren Mündungsarmen in das Kaspische
Meer ergiesst.
Die Gesammtlänge der schiffbaren Wolga beträgt 3288 km. Das Strom-
gebiet der Wolga umfasst 1458900 km*. Das ganze Gefälle des Stromes be-
trägt 239 m.
Wolga
Gefälle
für 1000
mm
für die
Strecke
m
Vom Ursprung bis Twer (Cheksnamündung) 447 km
Von Twer bisNischni-Novgorod (Okamündung) 842km
„ Nischni-Novgorod bisz. Mündung der Kama 480 km
„ Kama bis Saratow 964 km
„ Saratow bis Zarizyn 246 km
„ Zarizyn bis Jenotajewsk 600 km
„ Jenotajewsk bis Astrachan 156 km
3735 km
206
67
65
36
56
10
37
92
56
31
34
б
5
239 m
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Bestehende und geplante Binnen wasserstrassen. ^27
Bei Twer ist die Wolga gegen 200 m, bei der Mündung der Molgowa 500 m,
unterhalb der Kama 1500 m und nach der Okamundung nahezu 8 km breit,
Die Tiefen sinken bei Niederwasser im oberen Laufe bis 1,10 m, im mittleren
Laufe sind zumeist ausreichende Fahrtiefen, während die grossen. Sandbänke
des Unterlaufes das dort tiefe Strombett oft bis 1,50 m verseichten. Ungefähr
200 Tage im Jahre ist die Wolga eisfrei. Zur Zeit der Schneeschmelze
treten in dem sonst ruhig dahinfliessenden Strombette starke Ueber-
schwemmungen ein, welche bisweilen die Krümmungen durchbrechen und neue
Flussbette schaffen. Diese Nebenarme des Hauptstromes und seine kleinen
Uferseen bilden die Sicherheitshäfen und Landungsplätze der Schiffahrt
Die Wolga fuhrt ausserordentlich viel Geschiebe, hauptsächlich Sand
und Schlamm, welche den Strom im Mündungsgebiete immer mehr auflanden.
Insbesondere störend für die Schiffahrt sind die sogenannten Perekaty, flache
grosse Sandbänke, welche den Strom durchqueren und den Verkehr zeitweilig
unterbrechen.
Unter den zahlreichen Nebenflüssen der Wolga sind die wichtigsten die Oka,
Sura, Molgowa, Cheksna, Kostroma, Unsha, Wjatka, Wetluga, Kama und Samard.
Die gesammten zum Wolgabassin gehörigen Gewässer werden auf 43000 km
veranschlagt, wovon 11 500 km schiffbar sind. Hiervon entfallen auf:
Dampf-
Länge schiffbar schifibetrieb
die Wolga 3735 3288 2900
„ Kama 1880 1200 1200
„ Oka 1500 1200 1000
Unter den Kanalverbindungen des Wolgabassins sind die drei Kanal-
systerae von Wischny-Wolotschok, des Tichwin- und der Mariengruppe die
wichtigsten, welche die Verbindung mit Petersburg bewirken; ferner der Kanal
des Herzogs von Württemberg, welcher die Wolga mit der Dwina vereinigt.
Mit dem Weissen- und dem Eismeere ist die Wolga durch ihre Nebenflüsse,
die Kama und Keltma, den 18 km langen Katharinenkanal und der nördlichen
Dwina verbunden.
Am Wolgastrome wird eine staatliche, streng geregelte strompolizeiliche
Aufsicht ausgeübt. Die Fahrstrasse ist an allen seichteren Stellen während
des Tages mit Bojen, während der Nacht mit rothen und weissen Lichtern
bezeichnet, so dass auf derselben ein ununterbrochener Betrieb unterhalten
werden kann. So ist es möglich, dass die Personenschiffe die 2446 km lange
Strecke Nishni-Novgorod bis Astrachan in 5 Tagen befahren. Der Wasser-
schaudienst ist dadurch besonders praktisch eingerichtet, dass dem Schiffer die
jeweilig vorhandenen Wassertiefen durch weithin sichtbare Markirungen, be-
stehend aus auf hohen Stangen angebrachten viereckigen Tafeln oder grossen
und kleinen Kugeln am Ufer angezeigt werden. Der Wolgadienst soll der
russischen Regierung jährlich i Mill. Rubel kosten.
Die Anzahl der Wolgadampfer, zumeist Schaufelradschiffe, wird mit iioo
angegeben. Unter denselben sind Frachtdampfer von 87 m Länge, 8,6 m
Breite und 1000 t Bordlast Der stärkste Wolgazugdampfer ist der „Knaz
Kosolsky** mit 2000 i. HP. und der grösste Personendampfer der „Feld-
marschall Suwaroff" mit 87 m Länge, 10,7 m Breite und 1600 i. HP. Die
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VI. Statistik der Wasserstrassen.
Bauart der sehr eleganten und bequemen Personendampfer ist dreistöckig, der
Schiffskörper und das Verdeck dienen als Mannschafts-, Brennmaterial- und
Laderaum, das erste Stockwerksdeck für die Passagiere III. Klasse und für
Eilgüter und das zweite Promenadendeck für die Passagiere I. und II. Юasse.
Auf der Cheksna und im Oberlaufe der Wolga besteht ein Tauereibetrieb mit
23 Kettenschiffen.
Als Heizmaterial verwenden die Dampfer grösstentheils Erdölrückstände,
Astatki, welches einen sehr wohlfeilen automatischen Kesselbetrieb ermöglicht.
Das Astatki wird von mittschiffs eingebauten Tanks durch eine Rohrleitung in
die Kesselfeuerung geleitet und dort durch Dampfdüsen zerstäubt zur Ver-
brennung gebracht. Das Füllen der Schiffsbehälter geschieht in der Weise,
dass der Dampfer sich an die Bordseite des Naphtakahnes stellt, von dessen
h och gebauten Behältern das Erdöl mittels geneigt gestellter Holzrinnen in die
Tanks der Dampfer geleitet wird. Die Naphtakähne pumpen das Erdöl wieder
aus den Landreservoiren ein.
Noch im Jahre 1840 war auf der Wolga ein eigenartiger
Bergseilzug in Uebung. An einem vor das Zugschiff geführten Anker-
seil wurde dasselbe mittels einer am Schiffe befindlichen, oft von 80
Bild 302. Barke (Barja) auf der Wolga und dem Dnjepra
mit 500 Tonnen Tragfähigkeit.
Pferden angetriebenen Göpelvorrichtung aufgewunden und während dieser Zeit
von einem Boote ein zweites Seil mit Anker vorausgeführt, welcher nun, wenn
das Schiff den ersten Anker erreicht hatte, als weiterer Stützpunkt zum Auf-
wärtswinden des Zugschiffes sammt Anhang diente.
Die Anzahl der meist aus Holz gebauten Wolgafrachtkähne wird mit 15000
beziffert. Von denselben sind die hölzernen schweren Ruderschiffe Bar sc ha
und Polubarscha typisch, deren Tragfähigkeit bis 3000 Tonnen steigt
Erstere sind 98 m lang, 11 m breit und haben einen Tiefgang bis 2,8 m,
während die Polubarscha 64 m lang, 8,5 m breit und vollbeladen 2,10 m
tief tauchen. Eiserne Schleppe sind nur wenige vorhanden, selbst die Naphta-
schleppe werden aus Holz erbaut.
Die übrigen Ruderschiffe haben die verschiedensten Formen und Trag-
vermögen von 10 bis 1600 Tonnen: Die aus Holz gebauten Mokchana
mit ganz flachem Boden und fast viereckigem Querschnitte nehmen 200 bis
240 Tonnen, die mit einem Dache versehenen Ruderschiffe Kolomenka
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. ^29
300 Tonnen, die grossen, meist für eine Thalfahrt aus Holz zusammengefügten
Bauwerke Bé liana verkehren nur bei höherem Wasserstande und nehmen
hauptsächlich Holz bis zu 5000 Tonnen und die aus Holz oder Eisen sorg-
fältig gebauten Chkouna und Barja haben einen Gehalt bis 1000 Tonnen.
Bild 302 zeigt eine hölzerne Barja mit den in Russland üblichen, am
Bug und Achter aufgesetzten Plattformen.
Der Wolgaverkehr bezifferte sich im Durchschnitte der Jahre 1889 bis
1893 auf rund 10 Millionen Tonnen, von welchen 7 mit Dampfern und
Kähnen und 3 auf Flössen befördert wurden. Die grösste Masse der Waaren
besteht aus Holz, Getreide, Naphta und Salz. Der Bergfrachtsatz beträgt von
Astrachan nach Rybinsk 0,50 bis 0,70 Heller für i tkm, welcher sich von
Rybinsk bis St. Petersburg mit Rücksicht auf die grösseren Stromerschwer-
nisse auf 2 Heller erhöht. Die Thalfahrten sind erheblich billiger.
Den grössten Verkehr nächst der Wolga und dem Kaspischen Meere
hat die bei Petersburg in den finnischen Busen mündende Newa, welche
750 m breit ist und eine geringste Tiefe von 2,20 m hat.
Der Gesammtverkehr aller russischen Flüsse und Kanäle beträgt über
32 Millionen Tonnen mit einer durchschnittlichen Beförderungsweite von mehr
als 1000 km. Von diesem Verkehre entfällt die Hälfte auf das Gebiet der
Wolga, 20 pCt. auf jenes der Newa, 15 pCt. auf das des Dnjepr und auf alle
übrigen Wasserstrassen 15 pCt. Der Bahnverkehr wird dagegen auf nahezu
100 Millionen Tonnen mit einer mittleren Beförderungsweite von 250 km ge-
schätzt. Die Frachtsätze schwanken auf den Wasserstrassen ganz bedeutend,
steigen aber im Mittel nicht über 1,50 Heller für i tkm. Dagegen verein-
nahmen die Bahnen im Durchschnitte pro tkm 2,80 Heller.
Die russischen Wasserstrassen werden vom Staate angelegt, unterhalten
und verwaltet, für deren Benutzung er einen Werthzoll in der Höhe von
^'4pCt. des Waarenwerthes einhebt. Ferner wird noch für den auf schwierigen
Flussstrecken vom Staate aufgestellten Lootsendienst eine massige Gebühr
eingehoben.
Ausser diesem gewaltigen Wassernetze besitzt Russland noch in Finn-
land künstliche Wasserstrassen, deren wichtigste der Kanal vom Saima-See
zum finnischen Meerbusen ist. Seine Länge von Willmannsstrand am Saima-
See bis Viborg am Ufer der Ostsee beträgt 58 km. Die Schiffahrt auf dem-
selben mit bis 260 Tonnenschiffen ist sehr lebhaft.
Endlich verfügt das russische Reich in Sibirien im Ob, Jenissei, Lena
und Amur über mächtige Ströme, welche in Zukunft durch Kanäle in grossen
Abmessungen unter einander verbunden, den grössten Binnen Wasserweg der
Welt darstellen werden. Ein 8 km langer Kanal genügt, um die Zuflüsse
des Ob mit dem Jenissei zu verbinden, wodurch eine ununterbrochene Strasse
von Tumere bis Irkutsk von 5400 km Länge entsteht. Von hier fehlen
nur noch etwa 600 km bis zur Grenze von China. Auf 4500 km Länge
des Flussgebietes des Amur hat die russische Regierung bereits mit
Stromverbesserungsarbeiten begonnen und es verkehren auf ihm heute schon
70 Dampfer mit 4000 ind. HP und 150 Schleppe mit zusammen 28000
Tonnen Tragfähigkeit.
Snppân, Wasserstrassen tmd BinnenschifTahrt 34
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530
VI. Statistik der Wasserstrassen.
Russische EanalbaneHtwUrfe. Russland beschäftigt sich derzeit mit
grossangelegten Bauentwürfen, worunter die geplante Verbindung des Baltischen
mit dem Schwarzen Meere von Riga nach Cherson, ferner die Verbindung
des Azow'schen mit dem Kaspi-Meere und endlich weitere Anschlüsse der
Weichsel, Njemen und Windau miteinander die wichtigsten sind.
Die Verbindung von Riga mit Cherson wird 1599 km betragen. Der
höchste Punkt wird die Mündung der Berezina mit 121 m Höhe sein. Der
Kanal wird bei 60 m Breite die Tiefe für Seeschiffe erhalten und soll mit
einem Kostenaufwande von 200 Millionen Rubel innerhalb sechs Jahren fertig-
gestellt werden. Nach Fertigstellung dieses Kanales können tiefgehende See-
schiffe aus der Ostsee in das Schwarze Meer und nach Port Said gelangen,
bis Cherson mit einer Wegverkürzung von 6800 km oder 82 pCt., bis Port
Said mit einer Abkürzung von 3900 km oder 51 pCt.
Gleichzeitig soll ein Kanal von Petersburg zum neuen Kriegshafen
Sorotskaja am Weissen Meere gebaut werden. Er wird eine Tiefe von
9 m, eine Breite von 60 m und eine Gesammtlänge von 963 km erhalten.
Davon entfallen 473 km auf vertiefte Flüsse und 490 km auf die dortigen
vier Seen. Die Newa wird mit 55 km Länge den ersten Abschnitt des
neuen Kanales von Petersburg bis zum Ladoga-See bilden. Dieses weite
Binnenmeer wird südlich bis zur Mündung des Swirflusses, der die Ver-
bindung mit dem Onega-See darstellt, gekreuzt. In diesem geht es dann nach
Norden durch einen neu zu grabenden Kanal zum Segosero-See, welcher
durchquert wird und eine Verbindung zum Wygosero-See bekommt. Von
diesem zieht der Kanal im Wygfluss nach Sorotskaja, dem grossen neuen
Kriegshafen am Weissen Meere. Diese Wasserstrasse ist ein Riesenwerk und
wenn auch die meisten Verbindungen schon von Natur aus vorhanden sind,
so müssen dieselben doch vollständig umgestaltet werden. Selbst die Newa
ist stellenweise nur 3 m tief.
Was den Azow-Kaspi-Seekanal betrifft, so wird dieser bei Taganrog
am Azowschen Meer beginnen, mit dem Donflusse bis Rostow führen, sodann
durch das Manytschthal streichen und bei Sagansk in das Kaspimeer gehen.
Um den Schiffen die seichten Wolgamündungen zu ersparen, ist ein
unmittelbarer Anschluss vom Kaspimeer zur Wolga in der Richtung auf
Astrachan geplant.
Endlich bestehen noch Projekte für Kanäle vom Ladogasee und vom
Onegasee zur Wolga und von der Wolga zum Don, so dass das weisse
Meer mit der Ostsee, mit dem schwarzen Meere und dem Kaspisee und
somit alle das europäische Russland umgebenden Meere und Seen unter-
einander und mit den Binnenseen durch Kanäle grösster Abmessungen ver-
bunden sein werden.
Solche Pläne bekunden den richtigen Blick der russischen Staats-
verwaltung für grosse Verkehrsverhältnisse und das Bestreben derselben den
Weltverkehr an sich zu ziehen. Russland aber wird durch diese mächtigen
Wasserstrassen auch seine Wehrkraft bedeutend stärken, weil es durch
diese Verbindung seine gesammte Flotte aus dem Eismeere, der Ostsee,
dem schwarzen Meere und dem Kaspisee an einem beliebigen Punkte ver-
einigen kann, ohne die heimathliche Scholle verlassen zu müssen.
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. ^31
Italien. Die schiffbaren Flussstrecken Italiens betragen 1400 km; wozu
noch II 00 km Kanäle und 400 km kanalisirte Flusse kommen.
Der Bau der Kanäle reicht in Italien bis in das XII. Jahrhundert zurück.
Sie entstanden im breiten Thale des Po, in welchem der erste Kanal der Naviglio
von Mailand war, dem später die Kanäle nach Modena, Bologna und Padua
folgten.
Die Kanäle dienen einer lebhaften Schiffahrt, hauptsächlich aber der Be-
wässerung und Entwässerung der Ländereien. Die Kanaltiefen schwanken
zwischen 1,00 und 1,80 m, die Sohlenbreiten zwischen 5 und 10 m, und die
Schleusenlängen zwischen 25 und 45 m.
Der Betrieb geschieht grösstentheils durch Treideln, auf einigen Kanälen
besteht Dampfschiffbetrieb; in neuester Zeit wird eine zeitgemässe Dampf-
schiffahrt am Po eingerichtet.
Im Allgemeinen spielt die Binnenschiffahrt in Italien trotz der ausser-
ordentlich günstigen Kustengestaltung eine untergeordnete Rolle. Den Bau und
<iie Unterhaltung der Kanäle besorgt der Staat. Abgaben werden von dem-
selben nicht eingehoben.
Der Verkehr auf den Kanälen ist seit Entstehung der Eisenbahnen
zurückgegangen und hebt sich erst wieder in neuester Zeit. Auf dem
Po werden jährlich im Mittel 800000, auf der Etsch 240000, auf dem Mincio
130000 und auf den Binnenseen 350000 t befördert, während der G üterverkehr
auf den Kanälen nahezu 3,3 Millionen t beträgt.
Nach Bompiani betrug der Verkehr 1888:
Auf dem Mailänder Naviglio-Grande und den verschiedenen Kanälen in
<ier Umgebung von Pavia und Mailand, welche zusammen eine Länge von 122 km
haben, 364000 1; auf dem Naviglio von Padua, dem Piovegokanal und dem Naviglio
Brenta, welche zur Schiffahrtslinie Padua — Venedig gehören und eine Länge
von 35 km haben, 316000 t; auf dem Naviglio Brentella, einem 11 km langen
Zweigkanal der vorhergenannten Linie, 245000 t. Der durchschnittliche
jährliche Verkehr auf der Linie von Venedig zum Po, 30 km, beläuft sich auf
649000 t; jener auf den Kanälen von Sotto Battaglia und Cagnola, 15 km,
auf 195000 t.
Auf den Flüssen Sile, 77 km, und Piave, 34 km, sowie auf den Kanälen
der Dolce und Cavetta, welche in den Sile und den Piave münden,
betrug der jährliche Durchschnittsverkehr während der letzten fünf Jahre
1 113 000 t. Auf dem Kanal von Pisa nach Livorno, 23 km, war der-
selbe 153000 t, auf dem 11 km langen maritimen Kanal des Corsini-
hafens in Ravenna ungefähr 100 000 t und endlich auf dem Kanal
Fiumicino und dem Tiber, zwischen Rom und dem Meer, auf einer Länge von
40 km, II о 000 t.
Spanien. In diesem Staate ist ein Fortschritt in der Ausgestaltung der
Wasserstrasssen nicht eingetreten.
Die natürlichen Wasserläufe Spaniens sind nur gegen die Meeresküste
zu, im Mündungsgebiete auf beiläufig 800 km Länge, schiffbar und eine
grössere Binnenschiffahrt wird nur auf dem Ebro und Guadalquivir, sowie
auf den Kanälen von Kastilien und Arragonien betrieben.
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VI. Statistik der Wasserstrassen.
Letzterer ist ein altes Bauwerk und wurde 1790 fertiggestellt. Er zweigt
bei Tudéla vom Ebro ab und geht, nach allen Richtungen Bewässerungslinien
entsendend, nach Torrero unterhalb Saragossa.
Die drei Linien des Kanales von Kastilien, der Kanal d*Alar nach
Serron, jener nach Valladolid und nach Rio Seco haben eine Gesammtlänge
von 209 km mit einem Jahres verkehr von etwa 700000 t
Vereinigte Staaten von Nordamerika. (Bild 303 und 304.) Die Wasser-
strassen Nordamerikas vertheilen sich auf die Gebiete der atlantischen Küste,
des Golfes von Mexico, auf die Pacifische Küste, auf die grossen Seen und
die Flüsse des Mississippibeckens.
Ausser den natürlichen Wasserstrassen in einer Gesammtlänge von
24600 km sind noch 5400 km Kanäle und kanalisirte Flüsse vorhanden.
Von den künstlichen Wasserstrassen befindet sich der kleinere Theil in
Händen von Gesellschaften, der überwiegende Theil ist Eigenthum des
Staates. Die Baukosten wurden sowohl von den einzelnen Staaten, als auch
vom Staate selbst und endlich auch von Unternehmungen aufgebracht
Die wichtigsten Kanäle sind jene des Erie-Ontario- und Champlain-
sees, sowie des Hudson, femer die Kanalgebiete in den Staaten Ohio,
Illinois, Indiana, Wiskonsin, in welchen die Verbindungen des Ohio und des
oberen Mississippi mit dem Erie- und Michigansee liegen. Endlich werden
die atlantische Küste und die Kohlenfelder Pensylvaniens von leistungsfähigen
künstlichen Wasserwegen durchzogen, welche sich im Besitz von Privatgesell-
schaften befinden, die gleichzeitig Eigenthümer der dortigen Kohlenbergwerke
und Eisenbahnen sind. Die grössten dieser Kanäle sind der Morris-Essex-
Kanal, ferner der unvollendet gebliebene Chesapeake- Ohio-Kanal und der
Delaware-Kanal. Durch dieselben werden die wichtigsten Handelsplätze der
Ostküste, New -York, New-Jersey, Brunswigk, Philadelphia, Baltimore und
Washington miteinander verbunden.
Die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Kanäle wird aber bei weitem
nicht ausgenutzt, weil dieselben von den Eisenbahnen, besonders in der
Kohlenbeförderung, stark bekämpft werden. Ein grosser Theil der älteren
Kanalanlagen wurde von den grossen Eisenbahngesellschaften wegen ihres
Wettbewerbes angekauft und ausser Betrieb gesetzt, wie überhaupt zwischen
den Bahnen und den Kanälen, sowie der Flussschiffahrt ein wilder Wettbewerb
besteht.
In keinem andern Lande unterliegen in Folge eines oft sinnlosen Wett-
bewerbes der Eisenbahnen auf einzelnen wichtigen Kanalverbindungen die
Frachtsätze so grossen Schwankungen, wie in Amerika. Es sind schon
Frachtsätze von 0,20 bis 2,5 Heller für i tkm auf den Kanälen eingehoben
worden. Im Jahre 1894 waren die niedrigsten Frachtsätze im Kanalverkehr
0,50 Heller, die niedrigsten Eisenbahnsätze 1,20 Heller für i tkm. Dieser
ausserordentlich niedere Bahnsatz wurde jedoch nur darum eingeführt, um
die beschlossene abermalige Erweiterung des Eriekanals zu vereiteln. Im
Allgemeinen gelangen auf den Kanälen wegen der langen Wintersperre trotz^
ihrer gegenüber den Bahnen um die Hälfte billigeren Frachtsätze nur bei-
läufig 25 pCt. der Frachten, besonders Getreide, zur Abfuhr.
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
533
Bild 303.
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VI. Statistik der Wasserstrassen.
Schiffahrt auf den grossen Binnenseen. Die grösste Binnenschiffahrt
besteht auf den fünf „Grossen Seen". Dieselben bilden eine Wasser-
strasse von 2325 km Länge, die nach allen Seiten mit dem Meere in schiff-
barer Verbindung steht. Der Höhenunterschied zwischen dem Oberen See
von 185 m über dem Meere und dem Huron-See von 177 m Höhe wird
durch die Schleusen von Sault Ste. Marie CSt. Mary-Falls-Kanal) ausgeglichen.
Der Huron- und der 174 m hochgelegene Erie-See wird durch den Detroitfluss
und den St. Clair-Flats-Kanal verbunden, und dem nur 74 m hoch-
gelegenen Ontario-See durch den Wellandkanal angegliedert, der bei 4,2 m
W^assertiefe für Schiffe von 1500 t Tragfähigkeit fahrbar ist. Durch die in
Kanada erbauten Umgehungskanäle der Stromschnellen des St. Lawrence-
stromes können auf diesem Wege 4 m tiefgehende Schiffe zwischen dem
Meere und jedem Punkte der grossen Seen verkehren. Auf der ameri-
kanischen Seite bilden der Eriekanal und der Hudson die Verbindung mit
dem Meere.
Eriekanal. Der Eriekanal, welcher im Jahre 1796 für Boote von
16 t Tragfähigkeit begonnen und 1828 für Schiffe von 70 t Tragfähigkeit
eingerichtet wurde, bildet das wichtigste Kanalnetz Amerikas. Die Ab-
messungen des Kanales und der Schleusen wurden 1862 für Schleppe von
240 t Tragfähigkeit vergrössert. 1883 wurden von den vorhandenen
172 Schleusen 74 zur gleichzeitigen Schleusung zweier hinter einander
gekuppelter Boote verlängert. 1895 erfolgte eine abermalige Erweiterung
des Kanalnetzes bei gleichzeitiger Vertiefung auf 2,74 m und der Umbau
der Schleusen für 400 Tonnenschiffe. Die Wintersperre auf dem Erie-
Kanale dauert durchschnittlich über 4 Monate. Seinen grössten Verkehr
hat er im Jahre 1880 mit 4 150 000 t erreicht und ist seitdem auf etwa
3 000 000 t zurückgegangen.
Nachdem der Eriekanal mit den Eisenbahnen den Wettbewerb nicht
erfolgreich aufnehmen kann und insbesondere, weil in Buffalo ein Umschlag
der von den Seen ankommenden 5 m tiefen Schiffe stattfinden muss, wodurch
sich die Frachtkosten sehr erhöhen, will man den Kanal für den Verkehr
von 1000 t fassenden Seeleichtern, die dann unmittelbar bis New-York ge-
schleppt werden würden, einrichten. Ein Projekt umgeht den Niagarafall,
das andere fuhrt vom Hudson zum Mohawk bei der Stadt Cohoes. Das bei
Cohoes geplante pneumatische Hebewerk (siehe Seite 170) soll aber nach
den neuesten Berichten nicht ausgeführt werden, sondern man will, weil am
Niagara Wasser in UeberfüUe vorhanden ist, eine einfache Schleusentreppe
herstellen.
Kanäle des Mississippi nnd des Seegebietes. Neben dem Eriekanale ist
das wichtigste Kanalnetz jenes des Mississippi, welches die Schiffahrt desselben
mit jener der Seen vermittelt.
Die Verbindung des Ohio und des Mississippi mit dem Michigan und Erie-
See geschieht durch die Ohio-Miami-, Erie- Wabash- und Illinois-Michigan-Kanäle,
ferner durch den kanalisirten Illinois.
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Bestehende und geplante Binnen wasserhtrassen.
535
Die neueste Linie bildet der Entvvàsserungskanal von Chicago nach La
Salle, welcher den Anfang zu einer 6,7 m tiefen Wasserstrasse zwischen
Chicago und dem Mississippi darstellt. Wichtig sind ferner die Verbindungen
Illinois-Mississippi bei Hennepin und die Kanalisirung des Rock-River. Der
Illinois-Michigan-Kanal stellt unter Benutzung des Chicago-Desplainesflusses
schiffbare FUUst
nickt tckiffbœrt
CanäU
Bild 304.
und des in den Mississippi mundenden kanalisirten Illinois die Verbindung
zwischen Chicago und St. Louis her.
Der Schiffahrtsbetrieb erfolgt auf den amerikanischen Flüssen und
Binnenseen ausschliesslich mittels freifahrender Dampfer, während die Kanal -
boote meist durch Maulthiere und Pferde, in neuerer Zeit auch durch Dampfer
geschleppt werden. Auf den dem Staate gehörigen künstlichen Wasserwegen
wird eiûe massige Gebühr nach dem Tonnengehalte der Schiffe berechnet.
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5з6 VI. Statistik der Wasserstrassen.
Mississippischiffahrt Die grösste Stromschifiahrt Amerikas besteht auf
dem Mississippi und Ohio. Im Ohio- und Mississippigebiete liegen die
Hauptstädte des Handels und der Industrie, sie enthalten die Kohlen- und
Erzwerke und bilden die Mittelpunkte der grössten Erzeugung von Weizen
und Korn, sowie den Sitz der Holzverarbeitung.
Der Mississippi, der „Vater der Ströme", entspringt in einer Höhe
von 514 m über dem Meere, durchfliesst die Seen Elk und Itaska, vereinigt
sich beim Permidjisee mit dem Flusse La Place und wird, nachdem er den
Cass- und Winibegoshishsee durchquert und 430 km unterhalb seines Ursprunges
bei Peckagama einen Wasserfall gebildet hat, für Dampfschiffe fahrbar. Eine
zweite Stromschnelle bilden die Fälle von St. Anthony 1050 km unterhalb
der Quelle.
Von Westen nimmt der Mississippi den Minnesota, von Osten den
St. Croix auf und erweitert sich dann zu dem 40 km langen Pepinsee, an
dessen unterem Ende der Chippewa einmündet. Es fliessen ihm sodann der
Wisconsin, der Des Moines und der Illinois zu.
Der an Stromlänge und Wassermenge den Mississippi Oberragende
Missouri mündet in denselben bei St. Louis, 2150 km unterhalb des Mississippi-
ursprunges ; diesem folgen in kurzen Entfernungen die schiffbaren Nebenflüsse
Kaskaskia, Ohio, White River und Arkansas. Nachdem der Mississippi noch
den Yazos und 500 km oberhalb der Meeresmündung den Red River auf-
genommen, ergiesst er sich in den Golf von Mexiko.
Der obere Mississippi führt über das Seenplateau von Minnesota. In
seinem späteren Laufe ist er von steilen Höhen begrenzt, worauf er das
fruchtbare Präriengebiet durchzieht Nach der Ohiomündung tritt er in die
Alluvialregion, wo ihn bald auf der einen, bald auf der andern Seite sumpfige
zum Theil unter dem Wasserspiegel des Stromes liegende grosse Niederungen
begleiten, welche oft bis 80 km breit, 300 km lang und von Wald und Schilf
bedeckt sind. Auf der Ostseite hat der Mississippi etwas höheres Uferland.
Die von der Ohiomündung bis zum Meer gebildeten dammartigen Uferränder,
„banks*, hat sich der Strom selbst aufgelandet Diese natürlichen Erdwalle
sind nicht selten 5 km breit und senken sich landeinwärts allmählig ab. Auf
denselben befinden sich die grossen Zucker- und Baumwollplantagen.
Das Stromgebiet des Mississippi theilt man in fünf Becken ein. Im
ersten Becken vom See Itasca bis zur Mündung des Minnesota, von wo ab
die regelmässige Schiffahrt beginnt, befinden sich bei den Seen Bermidji-,
Cass- und Winnibegoshish die vom Staate gebauten grossen Staubecken, welche
zur Zeit des Niederwassers das Strombecken bis zum Pepinsee speisen.
Das zweite Becken mit 7 grösseren Nebenflüssen reicht vom Minnesota
bis zur Einmündung des Missouri und durchfliesst den Pepinsee. Bei Rock-
Island und Kerkuk liegen Stromschnellen.
Das dritte Becken reicht vom Missouri bis zum Ohio. In diesem lagern
sich die grossen Geschiebemengen ab, welche zur Zeit des Niederwassers
mächtige Sand- und Schlammbänke bilden, die hauptsächlich vom Missouri
und dem Okaw zugeführt werden.
Dem vierten Becken von der Ohio-Mündung bis zum Red River führt der
Ohio mit seinenzahlreichenNebenflüssen, insbesondere den wasserreichen Tennes-
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
537
see und Cumberland, gewaltige Wassermassen zu, welche das Strombett des
Mississipp bei Hochwasser immer mehr verbreitern, grosse Uferbrüche verur-
sachen und die die Schiffahrt gefährdenden, im Strome treibenden Baumstämme
„Snags" bringen. Zum Herausheben der Snags sind eigene Hebedampfer in Ver-
wendung. Trotz der grossen Wassermenge zählt man in dieser Stromstrecke nicht
weniger als 40 grosse Sandbänke, über welchen oft nicht mehr als 1,00 m
Wassertiefe ist. Mächtige Trocken- und Saugbagger sowie Snaghebeschiff*e
arbeiten in dieser Strecke jahraus jahrein, um die Beförderung der grossen
GetreideschleppzOge mit oft 10 000 t in 10 Schleppen von Saint-Louis und
Bild 305. Die Mississippimûndungen.
die mächtigen Kohlenzüge mit 20 000 t von Louisville nach New-Orleans
zu erleichtern.
Das letzte Strombecken reicht endlich bis zum Golf von Mexico, in
welchem der Mississippi in zahlreichen deltabildenden Armen, von denen
einige künstlich abgesperrt sind, mündet.
Die eigentliche Deltabildung beginnt unterhalb New-Orleans. In der-
selben unterscheidet man sechs Mündungen: den Nordostpass, Pass à l'Outre,
Ost-, Südost-, Süd- und Südwestpass (Bild 305). Das Delta des Mississippi
umfasst ungefähr 36 000 km 2. Da es nur 0,30 bis 3,00 m ЬосЪ über dem
Meeresspiegel liegt, so Wird es fast alljährlich ganz unter Wasser gesetzt.
Hierdurch bilden sich grosse Seen und Sümpfe, welche mit Rohr, Schilf
und Bäumen bewachsen sind, deren Ausdünstungen das Klima jener Gegenden
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538
VI. Statistik der Wasserstrassen.
sehr ungesund gestalten. Trotz der loo bis 120 Millionen cbm fester Bestand-
theile, die der Fluss jährlich dem Meere zuführt, scheint das Delta kaum zu
wachsen, weil die zerstörende Kraft des Meeres fortwährend dagegen arbeitet.
Die schiftbare Stromlänge des Mississippi beträgt 4209 km, sein Fluss-
gebiet umfasst 3221800 km*. Letzteres vertheilt sich auf den
Flussgebiet
km 2
Stromlänge
km
Oberen Mississippi . .
Missouri
Ohio
Arkansas
Red River
Die übrigen Nebenflüsse
437700
1 341 600
554200
489500
251200
147600
2140
4983
2035
2436
1930
2000
Im oberen Lauf ist das Gefälle des Mississippi grösser, im unteren Laufe
beträgt es jedoch nur 55 mm auf i km, von der Mündung des Red River
bis zum Meere auf eine Länge von 503 km 30 mm und im 150 km langen
Mündungsgebiete 10 mm pro km. Dennoch behält der Mississippi bis nahe
zu seinem Deltagebiet eine Stromgeschwindigkeit, je nach dem Wasserstande,
von 1,00 bis 1,60 m in der Sekunde. Die Hochwässer des Mississippi sind
bedeutend. Der Unterschied zwischen hohem und niederem Wasserstande
beträgt bei Cairo nicht selten 15 und bei New-Orleans 5 m.
Bei mittlerem Wasserstande ist der Mississippi vom Ohio bis zum
Arkansas etwa 500 m, dann bis 900 m und erst in der unteren Hälfte des
Delta bis 2400 m breit. Die Tiefe beträgt unterhalb der Ohiomündung bei
Hochwasser bis 27 m, beim Anfang des Delta, unterhalb der Mündung des
Red River, 30 m und bei New-Orleans stellenweise sogar 45 m. Dagegen
sind die Ausmündungsarme nur 12 m tief, während das Ende derselben durch
die vorgelagerten Sandbänke kaum 4 m Tiefe und nur der Südpass durch
Anlagen von Buhnen 9 m Tiefe hat.
Die Schiffahrt am Ohio und Mississippi ist ausserordentlich lebhaft. Die
Flachkähne Broadhers Barges und Fiats sind meist aus Holz gebaut. Unter-
halb Cairo werden dieselben zu Thal zu sehr grossen Schleppzügen vereinigt.
Am Ohio verkehren zumeist Heckradampfer, manche von sehr ursprüng-
licher Bauforro mit einem amSterne sitzenden, hölzernen Schaufelrade vongrossem
Durchmesser. Die grossen Mississippidampfer nehmen 1000 bis 1800 t Fracht,
die kleinsten 200 bis 400 t Sie gehen alle verhältnismässig seicht, weil bei
Niederwasser stellenweise oft keine grösseren Fahrtiefen als 1,00 m zu finden
sind. Die normale Fahrtiefe wechselt zwischen 1,90 und 2,80 m. Die Dampfer
nehmen sowohl Reisende, als auch Frachten an Bord und besorgen gleich-
zeitig den Schleppzug. Die grossen Personendampfer des Mississippi sind
Seite 251 behandelt; Bild 306 zeigt eine charakteristische Stromansicht vom
Steuerhause eines solchen Dampfers gesehen und Bild 307 einen mit 800 t
Baumwolle beladenen Heckraddampfer. Der auf dem Ohio und auf dem in
denselben einmündenden und bis Pittsburg kanalisirten Monongaleaflusse ein-
gerichtete eigenartige Schleppzug ist Seite 409 beschrieben.
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. * 539
Binnenverkebr und Binnenflotte Amerikas. Der gesammte Binnen-
verkehr Amerikas wird auf 800 bis 900 Millionen Tonnen jährlich berechnet,
wovon beiläufig 200 Millionen Tonnen auf den Strom- und Kanalverkehr und
700 Millionen Tonnen auf die Eisenbahnen entfallen.
Nach dem statistischen Bericht 1892 entfielen auf das Stromgebiet zur
atlantischen Küste 78000000 t
zum Golf von Mexico 3000000 „
zur Südseeküste 9000000 „
auf die grossen Seen 53000000 „
das Mississippibecken sammt Ohio 29000000 „
und schätzungsweise auf die Kanalschiffahrt 30000000 „
Die gesammte tonnenkilometrische Leistung der Binnenwasserstrassen
einschliesslich des Verkehres der Küstenschiffahrt in den Meerengen und
Binnenseen wird auf 40 Milliarden geschätzt.
Bild 306. Stromansicht des Mississippi
(vom Dampfer aus gesehen).
Der Flottenbestand aller eingetragenen SchiflFe des Mississippibeckens
betrug 1892 1114 Dampfer mit 210700 t und 6339 Schleppe mit 3182000 t
Tragvermögen. Der Frachtenverkehr der Dampfer belief sich auf 10045504 t
und jener der Schleppe auf 19059542 t. Besonders lebhaft ist die Kohlen-
verschiffung unterhalb Cairo, dem Vereinigungspunkte des Ohio mit dem
Mississippi. Denselben bedienten 3890 Schleppe mit 2200000 Tonnengehalt.
Den Mississippi allein befuhren 1892 rund 1000 Dampfer, welche insgesammt
6700000 Reisende und 7500000 t Güter beförderten.
Die Flotte und der Frachten verkehr auf den zur atlantischen Küste
führenden Gewässern betrug 1892:
Zahl d. Segler 6490, d. Dampfer 2713, d. Schleppe 3250
Tonnengehalt,, „ 1383 108, „ „ 793571, « » 617 761
Frachtenverk. „ „ 38283401 1, „ „ 28778341 t, „ „ 10535884 t
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540
VI. Statistik der Wasserstrassen.
Der Binnenverkehr auf den Grossen Seen belief sich 1892:
Zahl d.Segler 987, d. Dampfer 1489, d.Schleppe 308
Tonnengehalt ^ „ 187006, „ „ 599949, » » 139400
Frachten verk. „ „ 19302949 t, „ „ 20181483 t, „ „ 13940000 t
Amerikanisehe Eanalbanentwürfe. Auch in Amerika bestehen be-
deutende Kanalprojekte, wie die Schaffung des Panama- oder des Nicaragua-
kanales, sowie eines zeitgemässen Kanales mit grossen Abmessungen zur Ver-
bindung des Ohio mit dem Eriesee, welcher eine Tiefe von 3 m bekommen soll.
Der Umstand, dass Kanada zur Umgehung des Niagarafalles den
Wellandkanal und die Seitenkanäle am Lawrencestrom in viel stärkerem
Masse, als es beim Eriekanal geschehen ist, erweitert hat, wodurch 1500 t Schiffe
auf diesem Wege zum Ocean gelangen, hat dazu geführt, dass sich die
Bundesregierung mit dem Gedanken trägt, um in dem Wettbewerb in der
Getreideausfuhr noch kräftiger auf-
~- -V'-^*-^ ^ ti* V j^ y treten zu können, einen Tief wasser-
. ■ :^r Ш Щ i "^^ШФ weg aus den Seen unmittelbar zum
w. Ï "щГ-^Ш ^^^^^^Sltt atlantischen Ocean zu schaffen.
Tvrk / -1ю|1^^^^ ^^РЩЯ^^И ^on den Seen zum Ocean soll
l'JTi' к jL- "- M^ Л^ДИ ~" " ^^*^^^еМ^шШ ^^^ Ö|^^ "^ tiefer Seekanal er-
^^^^^^^-^-* ^^^^ ^ -'t.^/ 4 £qj. Schiffe von nur 1500 t Trag-
Bild 307. Baumwolldampfer am Mississippi, fähigkeit. Der Seekanal wird auf
900 Millionen Kronen, der Binnen-
k^nal auf 250 Millionen beziffert.
Durch letzteren würde sich eine Frachtersparnis von 3 Kr. für eine
Tonne Getreide zwischen Chicago bis Liverpool ergeben, während der oben
beschriebene Seekanal eine Ersparnis von 4 Kr. ergäbe.
Im Durchschnitt der letzten 9 Jahre betrug der Frachtpreis für Bufîalo-
Weizen von Chicago bis Liverpool 19 bis 20 Kr. für eine Tonne:
Fracht Chicago bis Buffalo 1500 km Länge. . 2 Kr.
Umladespesen in Buffalo 3 „
Fracht Buffalo-New-York 700 km 3 „
Umladespesen in New-York 4V2 w
Seefracht New- York-Liverpool 5600 km . 67, bis 772 »
Wenn man die Umladungskosten in Buffalo und New- York erspart,
ferner die Verminderung der Frachtspesen durch obige Kanalbauten in Er-
wägung zieht, so würden die Frachtkosten zwischen Chicago und Liverpool
auf nahezu die Hälfte, d. h. 10 Kr. für die Tonne sinken. Das würde bei
der Getreideausfuhr des Jahres 1895 mit 5 Millionen Tonnen eine Fracht-
ersparnis für die Vereinigten Staaten von nahezu 50 Millionen Kronen geben
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen. 541
und dem amerikanischen Weizen im Welthandel eine noch weitere Wett-
bewerbsmöglichkeit zuwenden.
Panama-Kanal. In letzter Zeit haben sich die Vereinigten Staaten zur
endlichen Herstellung des schon so lange geplanten Durchstiches durch die
mittelamerikanische Landenge entschlossen.
Ein Blick auf die Karten (Bild 308) muss den Gedanken, in dieser Land-
enge einen Schiffahrtsweg zu schaffen, sofort zeitigen. Ein solcher wäre auch
schon ausgeführt worden, wenn nicht die bekannten finanziellen Schwierigkeiten
die Panamaunternehmung lahmgelegt hätten. Nach den neuesten Nach-
richten soll sich die amerikanische Regierung für den Ausbau der unter-
brochenen Panamalinie entschieden haben. Ob dieser, wie ursprünglich
von Lesseps geplant, ohne Schleusen oder wie das später umgearbeitete
Projekt festlegt, mit Schleusen ausgeführt werden wird, ist noch unbekannt
Ursprünglich wurden bekanntlich vier Wege in Erwägung gezogen:
Die Richtung durch die Landenge von Panama, jene durch den Nicaragua-
See und die Durchquerungen von Tehuantepec oder von Darien.
Für die Panamalinie hat Lesseps zuerst einen Seewasser-Niveau-
Kanal, so wie jenen bei Suez im Auge gehabt, welcher ohne Schleusen
auf eine Länge von 75 km mit einem 6 km langen Tunnel, einer Sohlen-
breite von 22 m und einer Wassertiefe von 8,5 m veranschlagt war. Die
grossen Einschnittsböschungen von bis 171 m Höhe, sowie die bauliche
Schwierigkeit der Bewältigung der oft ausserordentlichen Hochwässer des
Flusses Charges veranlassten dann einen Bauentwurf für einen Schleusen-
kanal.
Die Nicaragualinie war in einer Länge von 279 km einschliesslich
des 91 km langen Binnenseeweges mit 12 Schleusen auf die gleiche Wasser-
tiefe wie der Panamakanal projektirt Für die dritte, die Tehuantepec-Linie,
welche 100 Schleusen benöthigt hätte, hat Eads die Seite 188, Bild 115
dargestellte Schiffseisenbahn vorgeschlagen, mit welcher ein den Ocean ver-
lassendes Schiff von Dampfmaschinen mit Drahtseilen auf einen mit 1200
Rädern versehenen Ponton gestellt und auf Geleisen mit einer Steigung von
1 : 100 durch Lokomotiven befördert und in das gegenüberliegende Meer
wieder mittels Drahtseilen hätte abgelassen werden sollen.
Die vierte Linie in den Golf von Darien war als Süsswasser-Schleusen-
kanal, den der Atrato hätte speisen sollen, geplant.
Kanada. Der Wasserstrassen verkehr von Kanada vertheilt sich haupt-
sächlich auf den St. Lawrencestrom, die Ottawa- und Trentschiffahrt, auf den
zu Kanada gehörigen Theil der grossen Binnenseen und auf den Welland-
und Marie-Kanal. Im Ganzen besitzt Kanada 45 okm Kanallängen und 4800 km
natürliche schiffbare Ströme und Binnenseestrecken.
Der St. Lawrencestrom, welcher den Abfluss der grossen Seen in den
Atlantischen Ocean bildet, wird mit den Stromschnellen zwischen Montreal und
dem Ontariosee mittels sieben Seitenkanälen von 2,70 m Tiefe umgangen. Der
Wellandkanal umgeht den Niagarafall mit 26 Schleusen , ist 4,20 m tief
und mit Schiffen von 1500 t Tragfähigkeit befahrbar. Der 1,8 km lange
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542
VI. Statistik der Wasserstrassen.
Marie-Kanal verbindet die oberen Seen mit dem Huronsee und enthalt eine
1895 erbaute Schleuse von 270 m Länge , 20 m Breite und 6,20 m
Drempeltiefe.
MeöAv
Bild 308,
Die lebhafteste Schiffahrt besteht von der Mündung des St. Lawrence-
stromes 3820 km aufwärts durch die Seen bis Duluth. Bis Montreal verkehren
auch bei Niederwasser noch Seeschiffe mit 5000 t Tragfähigkeit.
Der Betrieb erfolgt ausschliesslich mit zeitgemässen Dampfern. Auf
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Bestehende und geplante Binnenwasserstrassen.
543
dem Wellandkanal soll mit nahezu 7 km Schleppzugsgeschwindigkeit in der
Stunde gefahren werden.
Den St. Marie-Kanal ausgenommen, bestehen auf den übrigen Wasser-
strassen keine Abgaben.
Geplant werden von der kanadischen Regierung zwei neue grosse Tief-
wasserwege: Ein Kanal vom Richelieufluss, Champlainsee oder Hudson bis
zum St. Lawrencestrom, durch den Ontariosee mit Umgehung des Niagarafalles
auf canadischer Seite, und ein Kanal vom Huronsee durch die Georgian-
bay und den Ottawafluss bis Montreal, welcher den Weg von den Oberen-
Seen nach dem Ocean um 600 km abkürzen würde.
Indien. Die Nothwendigkeit, grosse Gebiete Indiens während der Dürre
mit befruchtendem Wasser zu versehen, hat dort schon in den ältesten
Zeiten zur Schaffung grosser Aufspeicherungswerke, Bewässerungs- und Nutz-
kanäle geführt.
Bild 309. Chinesische Rollbrücke.
Von England wurden diese Kanäle zum Thcile umgebaut und auch
für grössere Schiffe nutzbar gemacht, ausserdem aber auch neue Schiflfahrts-
kanäle angelegt, wie der Buckingham-Kanal von Madras nach dem Delta von
Kistna und der Kanal längs der Malabarküste.
Die grössten Bauten Indiens sind der Ganges-Kanal, zwischen dem
Ganges und Jumma, der Agra-Kanal bei Delhi, der West-Jumma-Kanal im
Pendjab und die Anlagen am Siud, Cauvery und Godavery.
Der neue Ganges-Kanal, welcher nicht nur dem Wassermangel in
trockenen Jahren und dadurch dem Ausbruch von Hungersnoth vorbeugen
soll, sondern auch den Schiffsverkehr in den zwischen dem Ganges und
dem Jummafluss liegenden Gebieten vermittelt, wurde 1848^ in Angriff ge-
nommen. Sein Wasserbedarf wird dem Ganges entnommen. Der Kanal tritt
bei der Stadt Hurdwar in die hindostanische Ebene und durchfliesst diese
in einer Länge von 500 km bis Cawupore, 224 km oberhalb Allahabad, dem
Vereinigungspunkt des Ganges mit der Jumma. Anfangs ist er 52 m breit
und 3 m tief, im weiteren Verlaufe nehmen diese Abmessungen der ab-
geleiteten Wassermenge entsprechend ab. Das bedeutendste technische Werk
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544
VI. Statistik der Wasserstrassen.
des Kanales ist der Solani-Aquädukt, mit welchem derselbe den gleichnamigen
Fluss überschreitet.
China. Für den Verkehr und die Bewässerung wurden in China seit ur-
alten Zeiten bedeutende Kanalanlagen geschaffen. Die berühmteste Kunst-
wasserstrasse ist der Grosse Kanal, welcher bei Hang-Chow beginnt, die
grossen Ströme Yang-tse-kiang und Hwang-ho durchquert und bei Liu-tsing
am Euhoflusse endet. An den Euho schliesst sich der Peihofluss an, welcher bis
Peking führt. Der Grosse Kanal wurde im 13. Jahrhundert vom Kaiser
Chi-Tso begonnen und enthält 72 hölzerne Wehre, einfache Schützenschleusen
und die im Bilde 309 dargestellten Rollbrücken.
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i8. Abschnitt.
Das österreichische Wasserstrassengesetz.
Das Oesetz und seine Begründung. In seinen schiffbaren natürlichen
Wasserläufen besitzt ein Land die billigsten Beförderungswege. Wenn die-
selben noch reich gegliedert sind und miteinander zu einem nach allen
Richtungen auszweigenden Wasserstrassennetze verbunden werden, so findet
Handel und Industrie in dem nun zusammenhängenden Verkehrsgebiete die
wirksamste Förderung.
In Oesterreich liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse nicht
günstig, denn es besitzt ausser der Donau und der Elbe keine leistungs-
fähigen Flüsse und muss als vorwiegend gebirgiges Land zur Verbindung
seiner Flussläufe überall bedeutende Höhenunterschiede überwinden, während
Ungarn dagegen von Natur aus reichlich nach allen Richtungen hin mit
natürlichen Wasserwegen gesegnet ist, welche mittels Kanälen zu einem
geschlossenen Verkehrsnetze umso leichter ausgebildet werden können, weil
sie alle in ebenem Boden liegen.
Umso anerkennenswerther ist es, dass die österreichische Regierung die
heutige wirthschaftliche Lage des Reiches mit Voraussicht beurtheilend und
die Wichtigkeit des Anschlusses der österreichischen Binnenschiffahrt an den
deutschen Wasserverkehr erkennend, sich aus Eigenem zum Bau eines grossen
Kunstwasserstrassennetzes entschlossen hat. Durch diesen thatkräftigen Ent-
schluss hat sich der österreichische Minister-Präsident Ernest von Koerber
ein bleibendes Verdienst geschaffen und der gesammten Monarchie eine
wirthschaftliche Wohlthat für lange Zeit hinaus gesichert.
Das Stromnetz Oesterreich-Ungarns mit der Donau als Grundlinie ist
von dem deutschen Wasserstrassengebiete räumlich so wenig getrennt, dass
der Gedanke einer Verbindung derselben naheliegend ist. Es unterliegt auch
keinem Zweifel, dass diese natürlichen Vorbedingungen schon längst zur
Herstellung eines Kanalanschlusses geführt hätten, wenn nicht einerseits die
österreichische Staatsverwaltung bisher nur in der Ausgestaltung des Eisen-
bahnnetzes das wirthschaftliche Wohl des Reiches zu finden geglaubt hätte,
wodurch die allgemeine Aufmerksamkeit von den Wasserstrassen lange Zeit
abgelenkt war, anderseits aber auch die sich ergebenden technischen
Schwierigkeiten beim Bau österreichischer Kanäle Anlass zu Bedenken ge-
geben hätten. Hierzu trat wohl auch noch der Umstand, dass einzelne
Eisenbahnverwaltungen zur Wahrung ihrer Interessen alle Hebel in Bewegung
setzten, um das Zustandekommen des ihnen gefährlich erscheinenden Wett-
bewerbes zu vereiteln.
Die Erkenntnis der wirthschaftlichen Wichtigkeit der Wasserstrassen ist
indessen in allen Kulturländern Europas zum Durchbruch gekommen. Deutsch-
Suppàn, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt о с
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ел 6 VI. Statistik der Wasserstrassen.
land, Russland, Frankreich arbeiteten eifrig an der Ausgestaltung ihrer
AVasserwege, in Schweden und Norwegen wurden grosse Hindernisse be-
wältigt, um die Binnenschiftahrt zu erleichtem und endlich musste auch
Oesterreich seine alte KanaUrage ins Rollen bringen.
Was die grosse Schwierigkeit der Ueberwindung der hochgelegenen
Wasserscheiden betrifft, so wird hierfür die richtige Lösung wohl gefunden
werden. So wie Oesterreichs Techniker vor einem halben Jahrhundert die
Höhen des Semmerings überschienen mussten, so werden sie eben heute den
Beweis erbringen, dass auch über hohe Wasserscheiden hinweg Kunst-
wasserstrassen in technisch noch wirthschaftlicher Weise geführt werden
können.
Der österreichische Ministerpräsident schloss seine Rede bei Einbringung
der Kanalvorlage am 26. April 190 1 mit folgenden Worten:
„Wir hoffen durch eine grosszügige Hebung der Volks wirthschaft, durch
die energische Geltendmachung der kulturellen und materiellen Interessen aller
im Reiche wohnenden Volksstämme dem inneren Frieden am besten zu
dienen und es ist wohl nicht allzu unbescheiden, wenn ich aus manchen An-
zeichen den Schluss zu ziehen wage, dass die Bevölkerung diesem Bestreben
Sympathie zuwendet. Eine grössere inhaltsreichere Frage als die
Kanalfrage konnten wir kaum vor dieses Haus bringen."
Die wichtigsten Abschnitte des Gesetzes vom 11. Juni 1901 betreffend
den Bau von Wasserstrassen und die Durchführung von Flussregulirungen in
Oesterreich sind:
§ I.
Der Bau
a) eines Schiffahrtskanales von der Donau zur Oder,
b) eines Schiffahrtskanales von der Donau zur Moldau nächst Budweis
nebst der Kanalisirung der Moldau von Budweis bis Prag,
c) eines Schiffahrtskanales vom Donau-Oderkanal zur mittleren Elbe,
nebst Kanalisirung der Elbestrecke von Melnik bis Jaromer,
d) einer schiffbaren Verbindung vom Donau - Oderkanal zum Strom-
gebiete der Weichsel und bis zu einer schiffbaren Strecke des Dnjester
ist vom Staate auszuführen, wenn das Land, in dem einer der unter a bis d
genannten Kanäle oder Kanaltheile hergestellt werden soll, beziehungsweise
eine der oben angeführten zu kanalisirenden Flussstrecken sich befindet,
sich verpflichtet, die Zahlung eines jährlichen Betrages zu leisten, der zur
Verzinsung und Tilgung eines Achtels jener Obligationen hinreicht, welche
zur Herstellung des betreffenden Kanales oder Kanaltheiles , bezw. zur
Kanalisirung der betreffenden Flussstrecke (a bis d) ausgegeben werden.
Zu diesem Zwecke ist das Land berechtigt, die Interessenten heran-
zuziehen.
Die Beiträge der Länder sind nach Massgabe der den Staat aus diesem
Anlasse treffenden Zahlungen zu leisten und haben aufzuhören, wenn die
Einnahmen des betreffenden Kanals nach Abzug der Erhaltungs- und Betriebs-
kosten den zur Verzinsung und Tilgung des Nominal- Anlagekapitals dieses
Kanals erforderlichen Betrag durch zwei auf einander folgende Jahre über-
schritten haben.
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Das österreichische Wasserstrassengesetz. ^^y
§4-
Die Verwaltung der nach § i dieses Gesetzes herzustellenden Wasser-
strassen, sowie die Festsetzung und Einhebung der Abgaben und Gebühren
für die Benutzung derselben und der dazugehörigen Anlagen erfolgt durch
den Staat.
Bei Feststellung dieser Abgaben und Gebühren ist auf den ausgiebigsten
Schutz der gesammten heimischen Produktion, insbesondere durch ent-
sprechende tarifarische Massregeln, vollste Rücksicht zu nehmen.
§ 5- .
Behufs Sicherstellung der Regulirung derjenigen Flüsse in Böhmen,
Mähren, Schlesien, Galizien, Nieder- und Oberösterreich, welche mit den im
§ I genannten Kanälen, kanalisirten und in Kanalisirung begriffenen Flüssen
ein einheitliches Gewässernetz bilden und, sei es wegen der Zufuhr von
Wasser, sei es mit Rücksicht auf die Geschiebebewegung, für die in Betracht
kommenden Wasserstrassen besondere Bedeutung besitzen, sind die Ver-
handlungen mit den betheiligten Königreichen und Ländern sofort einzuleiten,
wobei für die finanziellen Leistungen der Königreiche und Länder die bei
solchen Massnahmen bisher üblichen Gesichtspunkte Anwendung zu finden
haben. Die Regulirung dieser Flüsse muss spätestens gleichzeitig mit dem
Bau der Kanäle (§ 6, Absatz i) in Angriff genommen werden.
§ 6.
Der Bau der im § i bezeichneten Wasserstrassen, hinsichtlich welcher
seitens der Vertretungen der betreffenden Länder zustimmende Beschlüsse im
Sinne des § i gefasst worden sind, hat längstens im Jahre 1904 zu be-
ginnen.
Die erforderlichen Vorarbeiten sind derart rechtzeitig durchzuführen,
dass dieser Zeilpunkt eingehalten und der Bau längstens binnen 20 Jahren
vollendet werden kann.
§ 8.
Die Kosten der Herstellung der im § i bezeichneten Wasserstrassen
und der nach § 5, Absatz i, durchzuführenden Flussregulirungen sind er-
forderlichenfalls, soweit diese Kosten nicht durch die Leistungen der Länder
oder sonstiger Interessenten, beziehungsweise aus dem Meliorationsfonde' ge-
deckt wurden, durch eine mit höchstens 4 pCt. steuerfrei zu verzinsende, auf
Kronenwährung lautende, in 90 Jahren zu tilgende Anleihe zu beschaffen.
Die Regierung wird ermächtigt, von dieser Anleihe in der Bauperiode
1904 bis Ende 191 2 einen Maximalbetrag von 250 Millionen Kronen Nomi-
nale auszugeben. Der hieraus erzielte Erlös darf nur zur Deckung der Her-
stellungskosten der im § I bezeichneten Wasserstrassen und der im § 5,
Absatz I vorgesehenen Regulirungen verwendet werden.
Von dem Anlehenserlöse ist ein Betrag im Höchstausmasse von
75 000 000 Kr. für die erwähnten Regulirungen zu widmen.
§ 9-
Die Deckung des nach dem Jahre 1912 sich ergebenden Erfordernisses
ist rechtzeitig durch ein besonderes Gesetz sicherzustellen.
35'
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548 VI. Statistik der Wasserstrassen.
Aus der Begründung zu diesem Gesetze möge angeführt werden:
„Die Regierung ist sich, indem sie auf Grund Allerhöchster Ermächtigung
diesen Gesetzentwurf der verfassungsmässigen Behandlung vorlegt, dessen
bewusst, dass damit eine neue Epoche der Verkehrsentwicklung in Oesterreich
inaugurirt werden soll. Eine solche Entwicklung thut uns noth, und Wasser-
strassen sind nach den Erfahrungen, die man anderwärts gemacht hat, ein
geeignetes Mittel, um diese Entwicklung zu befördern und zu beschleunigen.
Es kann nicht Aufgabe dieses knappen Berichtes sein, in eine Er-
örterung darüber einzutreten, warum der Antheil des Wasserweges an
unserem gesammten Verkehre bisher so klein gewesen ist. Im Durchschnitte
entfielen auf den binnenländischen Wasserverkehr ca. 5,7 pCt, auf den Bahn-
verkehr 94,3 pCt. Der Grund dafür ist sehr einfach. Die schiffbaren
Ströme, die natürlichen Wasserstrassen, gehören uns zumeist nur im Ober-
laufe an, künstliche Wasserstrassen aber — Kanäle — besitzen wir Ober-
haupt nicht.
Dieser Stand der Dinge ist schon lange als ein unbefriedigender em-
pfunden worden, und mit steigendem Nachdrucke und zunehmender Ver-
tiefung wurde die Frage zur öffentlichen Diskussion gestellt, ob dieser Zu-
stand als ein dauernder hingenommen werden und die Volkswirthschaft Oester-
reichs endgiltig auf jene grossen Vortheile verzichten müsse, die ihr die
billige Verfrachtung auf neu zu erschliessenden Wasserwegen zu bieten ver-
möchte."
In der Vorlage wird dann weiter erwähnt, dass dieselbe in der gesetz-
lichen Sicherstellung des Baues von etwa 1600 bis 1700 km theils künstlicher
Kanäle, theils kanalisirter Flussgerinne, unter Zugrundelegung einer Be-
fahrungsmöglichkeit mit Schiffen von 600 t bestehe und dass die gesammten
Baukosten vorbehaltlich aller Aenderungen , welche sich aus der Linien-
führung und je nach der Verwendung von Schleusen oder Hebewerken er-
geben, mit rund 750 Millionen Kronen veranschlagt sind. Wörtlich heisst es
dann weiter:
„Wenn die Regierung sich dazu entschlossen hat, durch Einbringung
der Vorlage die Initiative zur Lösung der Wasserstrassenfrage in Oesterreich
zu ergreifen, so hat sie sich dabei sagen müssen, dass es sicherlich kein
Zufall sei, dass diese Frage bei uns verhältnismässig erst spät auf die Tages-
ordnung gelangt ist, und dass auch heute noch in ernsten und sachkundigen
Kreisen die Kanäle in Oesterreich, man kann vielleicht weniger sagen
einer Gegnerschaft als einem ziemlich weitgehenden Skeptizismus begegnen.
Die Berechtigung hierzu kann gewiss nicht daraus abgeleitet werden, dass
es etwa nicht wünschenswerth wäre, eine Verbilligung der Fracht für Massen-
artikel, die, mangels einer anderen Gelegenheit, bisher dem Bahnver-
kehre zugefallen waren oder für jene (sogenannten armen und ärmsten)
Artikel herbeizuführen, die wohlfeilster Transportbedingungen bedürfen, um
überhaupt erst mobil werden zu können. Beachtung verdient aber der vielfach
geäusserte Zweifel, ob nach den von der Natur gegebenen Voraussetzungen
in Oesterreich eine finanzielle Rentabilität der Kanäle, vor allem aber, ob
deren wirth schaftlicher Erfolg für das gemeine Wohl als gesichert angesehen
werden kann.
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Das österreichische Wasserstrassengesetz. 54g
In diesen Beziehungen hat die Regierung sich sagen müssen, dass
allerdings die Ueberwindung der Wasserscheiden bei uns der Lösung der
Aufgabe technische Schwierigkeiten bietet, wie sie noch bei keinem der auf
der Welt bestehenden Kanäle zu lösen gewesen sind. Die Regierung hat
erkennen müssen, dass hierdurch der finanzielle Kalkül der Wasserstrassen
wesentlich beeinflusst und der ökonomische Effekt der beiden, des technischen
und finanziellen Momentes, die Wirthschaftlichkeit der Befahrung und Be-
nutzung der theuer zu erbauenden und theuer zu betreibenden Strecken in
Frage gestellt wird.
Anderseits aber darf man an die Sache nicht mit Kleinmuth heran-
treten. So wahr es ist, dass technisch-finanzielle Probleme in aller Regel
durch Enthusiasmus nicht zu lösen sind, so wahr ist es auch, dass die in
ihren Wegen und Zielen oft unsichere und unklare Bewegung, die gegenüber
dem grossen ganzen Komplexe der Wassers trassenf rage in Oesterreich, zum
Theile als skeptische Negation, weit überwiegend aber als überschäumende
Begeisterung sich geäussert hat, alsbald in ernste und eifervolle Arbeit über-
führt sein wird, wenn an Stelle einer das Problem auf Alles oder Nichts
stellenden, bloss in Allgemeinheiten sich ergehenden Diskussion konkrete
Aufgaben gestellt sind, auf die der Preis der Ausführungen gesetzt ist. Diese
Ueberleitung hat denn auch vielfach bereits begonnen. Die Voraussetzungen
eines Werkes werden immer nur dann völlig ausreifen, wenn es feststeht,
dass man das Werk will. Der vorliegende Gesetzentwurf soll diese Sicherheit
schaffen, und dies erklärt auch seine Eigenart."
Schliesslich hebt die Gesetzvorlage noch hervor, dass die Regierung
vorerst nicht auf einen finanziellen Ertrag, sondern auf den wirthschaft-
lichen Erfolg sieht, und dass das grosse Werk, welches durch den vor-
liegenden Gesetzentwurf sichergestellt wird, unter allen Umständen für die
wirthschaftliche Entwicklung mehr als das werth sei, was der Staat dafür
aufwenden will.
Gesammtlänge der geplanten Ssterreicbisclien Wasserstrassen. Die in
der Gesetzes vorläge angeführten, sowie die anderweitig geplanten Kanalbau-
entwürfe sind in der Karte 290 Seite 500 eingezeichnet.
Das in Oesterreich mit annähernd 750 Millionen Kronen zu schaffende
Verkehrsnetz wird im Ganzen auf 1675 km Länge und zwar 1250 km
Kanalhauptlinien, beiläufig 90 km Stichkanäle und 335 zu kanalisirende Fluss-
strecken veranschlagt.
Schiffahrtskanäle: ^
Donau-Oder-Kanal 275 кш
Donau-Moldau-Kanal von Wien nach Budweis 205 „
Mährisch-Böhmischer Kanal von Prerau an der Oder abzweigend
bis Pardubitz an der Elbe 196 „
Oder-Weichsel-Dnjester-Kanal 480 „
Donau-Moldau-Kanal von Budweis nach Linz 94 n
Stichkanäle nach Brunn, in das Ostrau-Karwiner Kohlengebiet und
nach Lemberg 90 w
1340 km
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550
VI. Statistik der Wasserstrassen,
Flusskanalisirungen;
Moldau von Bud weis bis Prag 185 km
Elbe ab Pardubitz 150 »
335 ^^
zusammen 1675 km
Höben der Wasserscheiden. Schleusen oder Hebewerke. Der in dei
Regierungsvorlage angeführte Hinweis auf die technischen Schwierigkeiten
der zu erbauenden Kanäle ist dadurch begründet, dass alle Linien hohe
Wasserscheiden zu übersetzen haben.
Nach Oelwein betragen die Längen der geplanten Kanäle und Kanali-
sirungen, deren Gesammtgefälle, ferner die erforderlichen Schleusen, wenn
nur solche verwendet werden oder die Anzahl von Hebewerken bei An-
wendung dieser:
Länge
km
Gesammt-
Gef&Ue
m
ent-
weder
oder
Wasserstrassen
Schleu-
sen
Hebe-
werke
und
Schleu-
sen
Kanäle
Donau-Oder-Kanal . . .
274
205
50
7
3
Donau-Moldau-Kanal, Wien-
Budweis
205
535
129
4
13
Mährisch-böhmischer Kanal
von der Oder zur Elbe .
196
411
100
6
4
Linz-Budweis-Kanal . . .
95
748
170
8
2
Oder - Weichsel - Dnjester -
Kanal
479
286
71
4
15
Zusammen
1249
2185
520
29
37
Seiten-Kanäle. . . .
80
?
?
7
?
Summe der Kanäle
1329
2185
520
29
37
Kanalisirte Flüsse
Die Moldau von Prag bis
Budweis
185
195
34
—
34
Die Elbe von Prag bis
Pardubitz
150
68
25
—
25
Summe der Wasserstrassen
1664
2448
579
29
96
Werden nur Schleusen verwendet, so sind insgesammt 579 nothwendig.
In diesem Falle müsste aber, ganz abgesehen von der durch die vielen
Schleusungen bedingten Zeitverluste und der sich hierdurch ergebenden
höheren Kanalbetriebskosten, das für die Schleusen erforderliche Betriebs-
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Das österreichische Wasserstrassengesetz.
551
Wasser aus höher als die Wasserscheiden gelegenen Thalsperren beschafft
werden, deren Anlage grosse Baukosten erfordern würde, vorausgesetzt, dass
das für einen grösseren Verkehr, von etwa 4 Millionen Tonnen, erforderliche
Schleusenbetriebswasser in den Wasserscheidegebieten überhaupt beschafft
werden kann.
Oelwein führt diesbezüglich an, dass jedes die Wasserscheide durch-
fahrende Boot bei den geplanten Schleusenabmessungen zu einer Hin- und
Rückfahrt
bei 6 m Schleusengefälle ... 13 920 cbm
und bei 10 m „ ... 23 200 „
Betriebswasser verbrauchen würde. Die erforderliche Betriebswasser-
menge, einschliesslich 20 pCt. für Wasserverluste in Folge Verdunstung und
Versickerung, berechnet er dann für die zu erbauenden Thalsperren und je
nach dem die Scheitelstrecke durchziehenden Verkehre:
bei einem Schleusengefälle
und einem Verkehr von
von
2000000 t
1
3000000 t 40Г0000 t
5000000 t
auf Millionen Kubikmeter
4 m
21,1
31.6
42,2
52,2
6 ,
31,6
47.4
63,4
78,2
8 „
42.1
63.0
84,5
104.5
10 „
52,6
79.0
105.1
130,6
Bei Annahme von Schleusengefällen in der Scheitelhaltung von 5 m
und bei einem Verkehr von 5 000 000 t müsste man in den Thalsperren für
alle Kanäle nahezu 300 000 000 cbm Wasser aufspeichern.
Werden dagegen zur Ueberwindung aller Wasserscheiden geneigte Ebenen
angewendet, so sind 29 Hebewerke noth wendig, wodurch sich die Zahl der
dann erforderlichen Schleusen von 579 auf 96 vermindern würde. Durch die
hierdurch eintretende Verringerung der Schleusenaufenthalte und durch die bei
Anwendung von Hebewerken entstehenden langen Haltungen vermindern sich
aber die Betriebs- und Zugskosten wesentlich, wodurch der Schiffahrtsbetrieb viel
wirthschaftlicher wird. Oelwein berechnet ganz allgemein, dass, nachdem für
die Schleusung eines Schleppes im Durchschnitte 30 Minuten, zur Hebung
desselben über eine geneigte Ebene im Durchschnitte 60 Minuten erforderlich
sind, die Dauer der Durchschleusung eines Schleppes durch die geplanten
Hauptkanäle mit 1249 km Länge bei ausschliesslicher Anwendung von
520 Schleusen 260 Stunden, bei Anwendung von 29 Hebewerken und
« 37 Schleusen 47,5 Stunden betragen, daher durch die Hebewerksanlagen
80 pCt. Betriebszeit entfallen würden.
Rechnet man die Fahrgeschwindigkeit auf den Kanälen im Mittel mit 3,5 km
in der Stunde, das ist für 1249 km 357 Stunden, so beträgt die Fahrzeit: bei
ausschliesslicher Anwendung der Schleusen 617 Stunden, bei Anwendung von
geneigten Ebenen und Schleusen jedoch nur 404,5 Stunden, daher im letzteren
Falle 35 pCt. der Gesammtfahrzeit erspart werden und somit auf eine Stunde Fahrt
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552
VI. Statistik der Wasserstrassen.
bei Anwendung von Schleusen . 2,028 km
bei Anwendung von geneigten Ebenen 3,088 „
entfallen würden.
Unbedingt muss aber hervorgehoben werden, dass so grosse Wasser-
mengen, wie sie für den Betrieb des Schleusenkanales erforderlich sind und
welche nahezu 50 pCt. des gesammten Niederschlagswassers an der Wasser-
scheide ausmachen sollen, wenn dieselben auch durch Anwendung von Spar-
becken und organisirten SchifFahrtsbetrieb noch erheblich vermindert werden,
der Land wirthsch aft nicht entzogen werden können, ohne dass man bei der-
selben auf einen wohlberechtigten Widerstand stossen wird. Auch wird die
nicht zu umgehende Ueberleitung bedeutender Wassermengen von einem Fluss-
gebiet in ein Anderes vielfache Rechtsstreitigkeiten hervorrufen.
Alle diese Schwierigkeiten zusammengefasst, muss man zu dem Schlüsse
kommen, dass die Anwendung von den jeweiligen Terrain-Verhältnissen
richtig angepassten Hebewerken bei den österreichischen Kanälen
eine Nothwend igkeit ist und der wirthschaftliche Bau derselben von
der zweckmässigsten Lösung dieser Frage abhängt.
WirthschafUicher Werth der einzelnen Kanallinien. Jeder der ge-
planten österreichischen Kanäle hat seine besondere wirthschaftliche und ver-
kehrspolitische Bedeutung und ist es wohl naheliegend, dass man zunächst
mit dem Bau des für das Land wichtigsten beginnen wird.
Für den Anschluss Oesterreich-Ungarns an den Weltverkehr ist die
Verbindung der Donau mit der Elbe bis zum Welthafen Hamburg und durch
diesen mit den niederländischen und belgischen Häfen, sowie mit dem Rhein
die wichtigste, gleichgiltig, ob diese Verbindung mittelbar durch den Donau-
Oderkanal und die obere Elbe, oder unmittelbar über Wien oder nächst Linz
zur Moldau erfolge.
Vom Standpunkte des Inlandverkehres und hinsichtlich der Beschaffung
billiger Kohle für Wien und Niederösterreich erscheint der Donau-Oder-Kanal
als besonders vortheilhaft. Nachdem von diesem aus der Anschluss an das
Elbegebiet über Nordböhmen geplant ist, derselbe überdies durch die noch
zu erfolgende Regulirung der preussischen Oderstrecke von Kosel aufwärts
an den Oderverkehr und an den wichtigen Binnenhafen Berlin, sowie durch
Stettin an den Seeverkehr angeschlossen wird, ferner die Abzweigungen an
das galizische Stromgebiet nach Russland erhält, so ist es zweifellos, dass mit
dieser, von Wien ausgehenden Verbindung zuerst begonnen werden wird.
Gleichzeitig mit dem Bau des Donau-Oder-Kanales wird die Regulirung
der Donau bis Linz und mit dieser der gleichzeitige Donauanschluss nächst
Linz zur Moldau erfolgen müssen, während die zweite Verbindung von
Wien nach Budweis zur Moldau erst dann nothwendig wäre, wenn die ge-
schlossene Strasse von der Donau ab Wien — Oder — Elbe — Prag —
Moldau — Linz zur Donau und entlang dieser bis Wien den Ver-
kehrsanforderungen nicht mehr genügen sollte.
Donau-Oder-Kanal. Für diesen Kanal beginnt die Linie im Allgemeinen
an der Donau bei Wien, folgt dem Flussgerinne der March und Beczwa,
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Das österreichische Wasserstrassengesetz. ^53
übersetzt in der Scheitelstrecke die Wasserscheide zwischen der Beczwa und
der Oder, um in das Oderthal zu gelangen und bei Oderberg in einem Hafen
zu enden. Ein Anschluss an die Oder ist im Gesetze noch nicht vorgesehen.
Hierzu sind noch Verhandlungen mit Preussen erforderlich, um durch
eine Kanalisirung der Oder von Kosel bis zur österreichischen Grenze oder
durch einen Seitenkanal die Mündung des Kanales in die Oder zu ge-
winnen.
Die Hauptlinie Wien — Oderberg soll in einer Länge von 275 km im Auf-
stiege 126 m und im Abstiege 84 m Höhen überwinden. Wird der Kanal mittels
Schleusen gebaut, so sollen*) 47 Kammerschleusen erforderlich sein, während
er bei Anwendung geneigter Ebenen mit 7 Hebewerken und 3 Schleusen-
anlagen, I zum Anschluss an die Donau und 2 bis Oderberg, ausgeführt
werden kann.
Die Mündung des Kanales in den Donaustrom ist nächst Wien bei
Floridsdorf in einen Kanalhafen projektirt. Die Kanallinie soll Floridsdorf,
Gerasdorf, Deutsch -Wagram, Schönkirchen, Angern, Dürnkrut, Waltersdorf
Hohenau, Landshutj Göding, Rohatetz, Bisenz, Pisek, Ungarisch-Hradisch,
Napagedl, Hullein, Prerau, Leipnik, Mährisch- Weisskirchen, Barnsdorf, Kune-
wald, Gross-Peterswald, Alt-Biela, Witkowitz, Mährisch-Ostrau, Hruschau be-
rühren und bei Oderberg enden. Als Abzweigung wird ein Stichkanal nach
Brunn gewünscht, ferner sind die Verbindungen von Prerau zur Elbe bei Pardu-
bitz, sowie zum Stromgebiete der Weichsel und des Dnjestr geplant.
Die Hauptaufgabe des Donau-Oder-Kanales wird die Bewältigung der
Kohlenfrachten aus dem mährisch-schlesischen Gebiete bilden. Diese grossen
Kohlengebiete geben die Grundlage zur Schaffung zahlreicher Industrien längs
seines Laufes und sind besonders für die Reichshauptstadt Wien von grosser
Bedeutung. Für Mähren ist der Kanal deshalb wichtig, weil er einen lebhaften
Verkehr von Erzen, Bausteinen, Ziegeln, Schafwolle, Holz und Bodenerzeug-
nissen schaflTen wird. Für Galizien ist er durch seinen Anschluss an die Flüsse
dieses Landes nicht nur von Wichtigkeit in Bezug auf die Ausfuhr von Ge-
treide, Holz und Erdöl, sondern in erster Linie dadurch, dass dieses weite
Gebiet durch den Kanal wohl endlich einen kräftigen Kulturaufschwung nehmen
wird. Uebrigens darf der Donau-Oder-Kanal nicht als ein Beförderungsweg
mit den Endpunkten Wien und Oderberg betrachtet werden, sondern тай
muss seine Verbindung an die Ost- und Nordsee sowie an das schwarze Meer
in Rechnung ziehen. In diesem mitten durch Europa ziehenden Gebiete be-
finden sich aber Staaten von so wesentlich verschiedener Kultur, dass sich
durch den gegenseitigen Verkehr derselben ein nach Millionen Tonnen zu
rechnender Güteraustausch ergeben wird.
Die Bedeutung des Donau-Oder-Kanals für die Hauptstädte Oester-
reich-Ungarns möge aus folgendem Vergleiche der heute bestehenden
Bahnfrachtsätze und der voraussichtlichen Wasserfracht beurtheilt werden:
*) nach Hallier und Dietz-Monnin.
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554
VI. Statistik der Wasserstrassen.
Strecke
Donau -Oder-
Kanal 1,50 Heller
für I tkm
Deutscher
Wassersatz auch
mit 1,50 Heller
für I tkm an-
genommen
Zusammen
Kr.
Wien bis Frankfurt a. Oder
Wien „ Berlin ....
Wien „ Stettin ....
275 km 4,12
n « 4>I2
M П 4,12
449 km 6,74
5Ï9 и 7,79
589 „ 8,84
io,86
11,91
12.96
Der billigste heutige Bahnsatz für i t Getreide und Kleie beträgt:
Wien bis Frankfurt a. Oder 637 km 32, — Kr.
Wien ,, Berlin 704 „ 23, — „
Wien ,, Stettin 768 ,, 21, — „
Daher wird sich die zukünftige Wasserfracht
von Wien bis Frankfurt a. Oder um 66 pCt.
„ Wien „ Berlin „ 48 „
„ Wien „ Stettin ,. 38 »
billiger stellen.
Die Donaulinie ab Budapest bis Wien mit 6, — Kr. für i t Fracht mit-
einbezogen, berechnen sich diese Verkehrsakte mit:
Strecke
Zukünftige
Wasser-
fracht
Heutige
Bahnfracht
Ersparnis
in pCt.
Budapest bis Frankfurt a. Oder.. . .
Budapest „ Berlin
Budapest „ Stettin (Seeausfuhrtarif)
16,86
17,91
18,96
44,—
37i—
31,—
62 pCt.
52 n
42 n
DieBaukosten desDonau-Oder-Kanales sind bisher nichtbekannt. Dieselben
werden für eine Trace mit geneigten Ebenen auf 150 Millionen Kronen geschätzt
und die Kanalgebühr soll einschliesslich einer massigen Verzinsung dieser
Kosten mit durchschnittlich 0,60 Heller für i tkm angesetzt werden.
Diese Kanalgebühr mit
1,00 Heller für Güter I. Klasse
<^,8o „ „ „ IL „
0,60 „ „ „ III. „ und
0,50 „ „ Kohle und Steine angenommen, ergeben
sich dann mit den Seite 434 bis 438 berechneten Zugs- und Schleppkosten sowie
mit Berücksichtigung der den verschiedenen Waarenklassen eigenthümlichen
Schleppausnützungen und Schleppaufenthalte, Lade- und Versicherungskosten
folgende Kanalfrachtsätze für ein Tonnenkilometer:
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Das österreichische Wasserstrassengesetz. 555
Ab- Betriebs- Zu- Daher niederster Fracht-
gabe kosten sammen s atz bei 20 pCt. Zuschlag.
I. Klasse 1,00 + 0,80 =1,80 2,16 Heller
II. „ 0,80 + 0,70 = 1,50 1,80 „
III. „ 0,60 + 0,60 = 1,20 1,44 „
Kohle 0,50 + 0,50 = 1,00 1,20*) „
Gegenüber den bestehenden billigsten Kohlentarifen der Nordbahn
stellen sich diese Frachtsätze beiläufig 4opCt. niedriger.
Wenn als Grundlage zur Verzinsung und Tilgung der Kanalbaukosten
die von Konta für das Jahr 1896 berechnete Verzinsung des Anlagekapitals
der österreichischen Staatsbahnen mit 2,89 pCt. angewendet wird**), ferner die
Erhaltungs- und Betriebskosten des Kanales, welche bei 3.5 Mill. Tonnen Ver-
kehr auf 1,5 Mill. Kronen berechnet werden, voll gedeckt werden sollen, so
müsste derselbe bei einer durchschnittlichen Kanalgebühr von 0,60 Heller
für I tkm einen Verkehr von 3,6 Millionen Tonnen oder eine Leistung von
nahezu. einer Milliarde Tonnenkilometer erreichen:
Ausgaben:
Erhaltungs- und Betriebskosten . . . . i 500 000
-f 2,89 pCt. Verzinsung und Tilgung . . 4 335 000
= 5Ô35000 Kr.
Einnahmen:
275 km X 3,6 Millionen Tonnen = 990 000 000 tkm
X 0,60 h =5 900 000 Kr.
Wie oben erwähnt, muss mit dem Bau des Donau-Oder-Kanales auch der
Anschluss von der österreichischen Grenze an die schiffbare Oder deutscher-
seits erfolgen. Die Entfernung von Oderberg über Ratibor bis zum Beginn
der kanalisirten Oder bei Kosel der Oder entlang beträgt 75 km. Günstiger
als die weitere Kanalisirung dieser Strecke wäre offenbar die Anlage eines
Seitenkanales neben der Oder, weil dieser unabhängig von den Wasser-
schwankungen und bedeutend kürzer als die kanalisirte Flussstrecke wäre,
welche aus vielen Krümmungen besteht.
Nothwendig ist ferner, dass die Schleusenabmessungen der bestehenden
kanalisirten Oderstrecke auf die Maasse der geplanten österreichischen Schleusen-
anlagen, überhaupt dass der Oderstrom auf die zukünftige öster-
reichische Kanal- und Donautiefe gebracht werde, damit ein ununter-
*) Sympher berechnet die Frachtsätze für den Dorlmund-Ems- und den Mittel-
land-Kanal für ein Tonnenkilometer auf:
I. Klasse 2,04 Heller
II M 1,74 »
111- » 1,44 I,
Kohle 1,20 „
♦*) Konta berechnet die Verzinsung des Bahnanlagekapitals für 1896
für alle Bahnen Deutschlands mit 5 5^5 pCt.
„ die preussischen Staatsbahnen mit 6,760 „
„ „ bayrischen Bahnen mit ЗДбо „
„ „ Bahnen Oesterreich-Ungarns mit 4,400 „
„ „ österreichischen Staatsbahnen mit 2,890 „
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556 VI. Statistik der Wasserstrassen.
brochener Verkehr hergestellt werden könne. (Die heutige mangelhafte Schifi-
barkeit des Oderstromes siehe Seite 30 und 331.)
Die preussische Regierung zieht übrigens in Erwägung, die Oder von
der Neissemündung bis Steinau zu kanalisiren, und von da ab einen Seiten-
kanal bis zur Mittelhaltung des Oder-Spreekanales zu führen, was zusammen
auf rund 80 Millionen Mark Baukosten beziffert wird, oder aber eine, zwar
nicht ausreichende, Vertiefung des Oderfahrwassers durch Anlegung grösserer
Sammelweiher mittels Thalsperren in den Gebieten der Nebenflüsse der Oder
zu erzielen (siehe Seite 96).
Donau-Moldau-Eanal. Ueber die Richtung und Länge dieser Kanaltrace
sind in der Gesetzvorlage keine Angaben enthalten. Die Mündung des Kanals
in die Moldau ist in der Gegend von Budweis geplant, während bezüglich des
Anschlusspunktes an die Donau verschiedene Vorschläge vorliegen.
Von einer Seite wird Wien in Aussicht genommen, von anderer Seite
wird, weil man doch dem natürlichen Stromthale der Donau soweit als nur
möglich folgen will, ein Donauanschluss in der Richtung auf Linz vorge-
schlagen. Der Gesetzentwurf nimmt zu diesen verschiedenen Projekten vor-
läufig noch nicht Stellung, da die Entscheidung von der noch ausstehenden
technischen Lösung, wie die grossen Höhenunterschiede am zweckmässigsten
zu überwinden wären, ferner von verkehrspolitischen und anderen Erwägungen
abhängt. Bei jeder Kanallinie schliesst jedoch die oben erwähnte Kanalisirung
der Moldau von Budweis bis Prag an.
Das erste vollkommene Projekt für einen Donau-Elbe-Kanal wurde im
Jahre 1878 von Deutsch ausgearbeitet. Die von ihm gewählte Linie, welche
die Moldau vor Budweis trifft, verlässt die Donau oberhalb Korneuburg, um-
fasst einen Kanal von 222 km und die kanalisirte Moldau in einer Länge von
246 km bis Melnik» An der Scheitelstrecke mit 551 m Seehöhe liegt eine
Haltung von 76 km Länge. Der erste Plan sollte im Aufstieg zur Moldau
55 Schleusen und die kanalisirte Moldau deren 62 erhalten»
Alle folgenden Kanalbauentwürfe gründen sich im grossen Ganzen auf
diese Trace, sie überschreiten alle in der Gegend Gmünd-Schwarzenau-
Allentsteig annähernd 530 m hohe Wasserscheiden zwischen der Moldau und
der Donau, sowie die östlicher gelegene 580 m hohe Wasserscheide zwischen
der Thaja und der Kamp.
Hallier und Dietz-Monnin wenden in ihrem Projekte vom Jahre 1894
zur Ueberwindung dieser Wasserscheide im Aufstiege von der Donau bei
Korneuburg über Horn nach Allentsteig 7 geneigte Ebenen und im Abstiege
über Gmünd, Gratzen, Forbes nach Budweis in die Maltsch 3 geneigte Ebenen
an, deren Längen zwischen 1020 bis 2000 m schwanken, und mit Steigungen
von 40 %Q bis 60 7oo Höhenunterschiede von 38 bis loi m überwinden.
Diese Kanallinie ist 181 km lang und enthält drei grössere Haltungen,
die bei Drei Eichen von 30,5 km Länge, die Scheitelhaltung bei Klein-Hasel-
bach mit 31 km und die bei Forbes mit 31,5 km. Auf der Scheitelstrecke liegt
der Kanal in zwei Einschnitten, von denen der eine eine Tiefe von 28 m bei
einer Länge von 2,5 km, der zweite eine Tiefe von 22 m bei einer Länge
von 3 km hat.
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Das österreichische Wasserstrassengesetz. ccn
Ein zweiter Bauentwurf von Gröger wendet geneigte Ebenen und
Kammerschleusen an, beginnt den Aufstieg von der Donau, 50 km Donau
aufwärts von Wien, bei der Mündung des Kampflusses, welchen er in einer
Länge von 11,4 km kanalisirt, und in demselben und in der Scheitelstrecke
bei Allentsteig den Aufstieg mit geneigten Ebenen, deren Längen 267
bis 925 m, deren Neigung 40 bis 75 %o ^^^ deren Höhen 24 bis 39 m be-
tragen, bewirkt. Der Abstieg zur Moldau von Gmünd über Schweinitz
nach Budweis in die Maltsch geschieht mittels Kammerschleusen, deren Gefälle
von 2 m bis 9,50 m wechselt. Die Kanallinie ist 156 km lang. Die 33 km
lange Scheitelhaltung liegt zum Theile in 2 Tunneln von 1850 m und
2440 m Länge.
Ein weiterer Bauentwurf, welchem nur Kammerschleusen zu Grunde
liegen, ist von Lanna-Vering (Gunesch) ausgearbeitet. Diese Trace zweigt
bei Korneuburg ab, führt durch die Tullnerebene und das Schmiedachthal
nach Eggenburg bis Stockern. Hier durchschneidet die Strecke die Wasser-
scheide in das Kampthal, von wo sie zu dem Scheitel bei Taures zieht und
die Wasserscheide im Thayathal durchschreitet. Nachdem die Kanallinie
Schwarzenau berührt, senkt sich dieselbe gegen Gmünd auf dem nördlichen
Abhänge des Böhmerwaldes über Schweinitz durch die Maltsch in die Moldau
bei Budweis. Von der Donau mit 161,6 m Seehöhe steigt der Kanal 367,4 m
bis zu einer Seehöhe von 529 m an und fällt von seinem Scheitel um 145 m
auf die Wasserspiegelhöhe der Moldau von 384 m Seehöhe. Die Kanallänge
beträgt 205 km. Der Aufstieg auf die Scheitelstrecke erfolgt durch 38 Kammer-
schleusen von je 10 m Gefälle, der Abstieg nach Budweis durch 15 solche
Schleusen. Bei Budweis schliesst dieser Schleusenkanal, sowie alle früher be-
schriebenen Linien, an die Moldau an, deren Gefälle von 200 m von Budweis
bis Prag mittels 34 Schleusen kanalisirt wird. Die Moldaustrecke von Budweis
bis Prag ist 179 km lang, so dass die ganze Wasserstrasse von Korneuburg
bis Prag unter Zugrundelegung des Schleusenplanes bis Budweis 384 km be-
tragen würde. Der Wasserverbrauch wird bei einem Verkehr von 3 Millionen
Tonnen auf jährlich 40 Millionen Kubikmeter berechnet.
Der von den böhmischen Maschinenfabriken (Schönbach) für
diese Trace ausgearbeitete Hebewerk plan mit Trogschleusen ist auf Seite 180
behandelt. In jüngster Zeit wurde derselbe von den Maschinenfabriken in
der Weise umgearbeitet, dass die Beförderung der Schiffe nicht mehr
schwimmend, sondern in trockener Lage erfolgt. (Siehe Bild 119.)
Die technische Ausführung der unmittelbaren Verbindung der Donau
mit der Elbe, ob diese nun über Wien oder nächst Linz erfolgt, gestaltet sich
wegen der grösseren Höhenunterschiede als beim Donau-Oder-Kanale, jeden-
falls schwieriger als bei diesem und erfordert die Anwendung von Hebe-
weiken oder einer Schiffseisenbahn, welche die Schiffe über die Wasser-
scheiden befördern. Durch eine entsprechende Ausnützung des Bodengefälles
bei den zu überwindenden Höhen wird insbesondere eine Schiffs ei senb ahn
die Möglichkeit bieten, eine zweckmässige Kanallinie zu finden und einen sehr
leistungsfähigen Schiffahrtsbetrieb zu sichern (siehe auch Seite 195 — 199).
Den zukünftigen Ertrag eines Schleusenkanales für die Linie Wien nach
Budweis und durch die kanalisirte Moldaustrecke bis Prag berechnet Kaftan
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558 VI. Statistik der Wasserstrassen.
unter Zugrundelegung nur des Bauaufwandes für den Kanal bis Budweis mit
150 Mill. Kr. (die Kanalisirung der Moldau kostet weitere 70 Millionen) wie folgt:
Bei einer Jahres Verfrachtung von 2 300 000 Tonnen betragen
die 4 pCt. Verzinsung des Baukapitals des Kanales
von 150000000 Kr 6 000 000 Kr.
die Verwaltungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten .... i т 15 000 „
daher die gesammten Staatskosten 7 115 000 Kr.
Hiervon ab die KanalgebOhren für 471000000 Tonnen-
kilometer mit 0,25 Heller für das Tonnenkilometer . . i 180 000 Kr.
Bleiben zu Lasten des Staates 5 935 000 Kr.
Kaftan bemerkt hierzu, dass, nachdem die Eisenbahnverfrachtung Wien-
Aussig derzeit mindestens 8 bis 9 Kr, für die Tonne daher 18400000 Kr.
kostet, die Wasserverfrachtung Wien-Aussig jedoch nur 8400000 „
kosten wird, der Ausfall durch diese Frachtersparnis von . 10 000 000 ^
für das Gemeinwohl und die Industrie aufgewogen wird.
Obige Kanalgebühr von 0,25 Heller für i tkm, ist aber wohl zu niedrig
bemessen. Wenn man, so wie beim Donau-Oder-Kanale, die 2,89 pCt. Ver-
zins ungszifFer der östereichischen Staatsbahnen und als durchschnittliche
Kanalgebühr 0,60 Heller für i tkm als Grundlage nimmt, so ist beim Donau-
Moldau-Elbe-Kanal bis Prag ein Verkehr von 3,6 Millionen Tonnen oder eine
Leistung von nahezu 1400000000 Tonnenkilometer erforderlich um die Lasten
des Staates zu decken.
Ausgaben:
Erhaltungs- und Betriebskosten .... 2 000 000
+ 2,89 pCt. Verzinsung von 220 Mill. Kr. 6 358 000
= 8 358 000 Kr.
Einnahmen:
384 km X 3,6 Millionen Tonnen = i 382 400 000 tkm
X 0,60 h =8 294 000 Kr.
Der Donau -Moldau -Elbe -Kanal eröffnet, wenn von Prag ab der Gross-
schifFahrtsweg hergestellt sein wird, eine unmittelbare Wasserstrasse vom
Schwarzen Meere bis zur Nordsee. Seine hauptsächlichste Bedeutung
beruht daher in erster Linie in der Schaffung eines grossen internationalen
Verkehres. Durch die Angliederung der Donau an die Elbe erhält man eine
über 3000 km lange Wasserstrasse, welche von der Nord- und der Ostsee,
erstere durch die Elbe, letztere durch den Trave-Kanal, bis in das Schwarze
Meer reicht.
Werden Hamburg und die Travemündung Lübeck als Ausgangs-
punkte genommen, so ergeben sich gegenüber dem bisher zu benützenden
Seewege folgende Wegabkürzungen:
Die Länge des Seeweges Hamburg oder Lübeck über Calais, Gibral-
tar, Konstantinopel nach Sulina beträgt 7000 km, durch die Elbe-Donau-
linie würde sie dagegen nur 3100 km betragen oder um 55 pCt. kürzer sein.
Von Hamburg oder Lübeck über Calais, Gibraltar nach Konstantinopel sind
es 6500 km, über die Elbe-Donau nach Konstantinopel nur 3600 km^ oder
eine Kürzung von 43 pCt. Allerdings darf diese Wegabkürzung nicht etwa
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Das österreichische Wasserstrassengesetz. ccg
zu dem Trugschlüsse führen, dass hierdurch der billige Seeverkehr in die
Binnenstrasse abgeleitet werden wurde. Immerhin werden aber gewisse Ver-
kehrszonen dieses zukünftigen Binnenwasserstrassengebietes gegenüber dem
Seewege wettbewerbsfähig werden, insbesondere jene, welche ersterem nahe-
liegen und letzteren erst mittels längerer Eisenbahnlinien erreichen müssen.
Von allen geplanten Kanälen ist demnach die Verbindung der Donau
mit dem Elbegebiete für Oesterreich-Ungarn handelspolitisch die wichtigste.
Keine andere Linie gewährt diesen kürzesten Verkehr der Nord- und Ostsee
mit dem Schwarzen- und Mittelländischen Meere. Die Elbe vermittelt ja heute
schon den grössten Theil des österreichischen Seehandels. Während von
Oesterreichs Aussenhandel über Triest nur etwa 1,2 Millionen Tonnen ziehen,
gehen über Hamburg*) 3,2 Millionen. IiA Durchfuhrhandel hat deshalb die Elbe
eine ausserordentliche Bedeutnng und es wird von jener Menge, welche von
den Bahnen derselben zugeführt wird, ein grösserer Theil zukünftig den
Kanalweg benützen.
Neben diesem Verkehre kommt noch jene Verkehrszone in Betracht,
welche sich rheinwärts von Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen mit dem
Bahnumschlag im Mannheim und Frankfurt a. M. über Passau die Donau
l^erunter und umgekehrt bewegt, ferner, wenn auch in geringem Maasse
jene, welche sich durch die Frachtzufuhr aus der Ablenkung des Verkehres
von den Mittelmeerhäfen nach Hamburg und von den Donauhäfen Braila und
Galatz ergeben. Letztere werden einen Theil des Verkehres des im Bereiche
der Bahnlinien Pitesti-Braila gelegenen Gebietes Rumäniens verlieren.
Durch die Kanalverbindung zur Elbe entsteht mit einem Worte für die
Donau eine zweite Mündung nach dem Westen, wodurch die unteren Donau-
länder wirthschaftlich näher an die westlichen Kulturgebiete heranrücken.
Hierdurch werden sich erhebliche Verschiebungen des Verkehres innerhalb
des Donaugebietes ergeben und die Städte Budapest, Wien und Prag die
Empfänger eines Theiles des jetzt über Sulina seewärts strebenden Verkehres
werden. Selbst die diesem Seewege näher liegenden Zonen, wie beispiels-
Aveise Pitesti-Magurelli, können noch Donau aufwärts abgelenkt werden, wenn
die Seefrachtsätze, wie dieses wiederholt schon eingetreten ist, ab Sulina eine
gewisse Höhe erlangen. Dieser Frachtvortheil Donau aufwärts wird naturge-
mäss um so grösser, je westlicher gelegene Donauumschlagplätze als Ausgangs-
punkt der Versendungen benutzt werden und wird dort am grössten, wo die
hohen Anschlussfrachten der Eisenbahn entfallen, wie dieses bei den unmittelbar
an der Donau gelegenen Getreideplätzen Calafat, Corabia und Turn-Severin
der Fall ist.
Durch die Donau-Elbeverbindung wird namentlich Ungarn in Bezug
auf seinen Getreidehandel aus dem Donau- und Theissgebiete einen grossen
Nutzen erzielen, indem diesem der unmittelbare Zugang zur Nordsee erschlossen
wird. Auch werden aus Ungarn und den unteren Donauländern jene Getreide-
sendungen, insbesondere Gerste und Mais nordwärts gehen, welche jetzt über
Rotterdam und Hamburg nach Deutschland gelangen, ebenso wird ein Theil
*) In Hamburg sind 1897 mit Seeschiffen angelangt 6,7, abgegangen 4,6, mit
Flussschiffen eingetroffen 3,8 und ausgelaufen 3,8 Millionen Tonnen.
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^бо VI. Statistik der Wasserstrassen.
des über Passaii nach Suddeutschland gehenden Verkehres die Kanallinie be-
nutzen. Endlich wird Ungarn und auch Serbien ftir seine Eichen, Buchen,
Nussholz, Gerbstoffe, Muhlenerzeugnisse usw. einen erweiterten Absatzkreis
über Norddeutschland hinaus erringen.
Wie bei der Kanalverbindung zur Oder muss auch beim Anschlüsse
des Donaustromes an die Elbe vorausgesetzt werden, dass die Elbe von Aussig
abwärts für grössere Tauchtiefen regulirt werde.
In dieser Beziehung liegen die Verhältnisse der Elbeschiffahrt, wie dieses
Seite 29 und 326 nachgewiesen, noch recht ungünstig. Bei der Wichtigkeit eines
ununterbrochenen Verkehres mit der Elbe ab Aussig dürfen auch die Be-
denken und die Kosten einer Kanalisirung der Elbe von Aussig abwärts,
welche allerdings auf 100 Millionen Mark berechnet werden, nicht in die Wag-
schale geworfen werden.
Oder-Elbe-Kanal. Dieser Kanal wird durch eine ostwestliche Querlinie
von Prerau nach Melnik der zwei vorbezeichneten Wasserstrassen geschaffen
und setzt sich aus einem eigentlichen Kanal von Prerau bis Pardubitz und
einer Kanalisirung der Elbe von letzterem Orte bis Melnik zusammen.
Ein Bauentwurf über diese Linie ist bisher nicht veröffentlicht. Die
technischen Schwierigkeiten der Kanalstrecke dürften die Mitte zwischen
denen am Donau-Oder- und Donau-Moldau-Kanal halten. Die Länge wird auf
196 km, der zu überwindende Höhenunterschied auf 200 m veranschlagt.
Die hauptsächlichste Bedeutung dieser Linie liegt darin, dass sie den
nördlichen Abschluss des geplanten österreichischen Kanalnetzes und gleich-
zeitig die Fortsetzung der östlichen galizischen Kanalgruppe bildet.
Wird der Donauanschluss zur Moldau nicht von Wien sondern von
Linz gebaut, so wird der von und zu der Elbe gehende Durchzugsverkehr
zum Theile über Linz in das Donauthal, zum Theile über diesen Elbe-Oder-
kanal und den Oderkanal bis Wien geleitet werden.
Oder-Weichsel-Dujester-Kanal. Diese Wasserstrasse entsteht durch die
Verbindung des Donau-Oder-Kanales bei Oderberg mit dem Weichselthal
oberhalb Krakau durch einen Kanal. Für ihren Lauf kommen zwei Tracen
in Betracht, deren jede wiederum verschiedene Lösungen zulässt. Die erste
Gruppe würde die natürlichen Wasserläufe der Weichsel und des San be-
nutzen und von einem Punkte des letzteren einen Kanal bis zum Dnjester
erfordern; die Verfolgung der Flüsse würde aber einen Umweg längs der
Landesgrenze und die Zustimmung Russlands bedingen, weil die Weichsel
auf langer Strecke Grenzfluss ist. Die zweite Gruppe umfasst Pläne, welche
durchwegs einen Kanal vorsehen.
Alle bisher bekannten Entwürfe bewegen sich in einem weiten Rahmen,
der auch hinsichtlich des Anschlusspunktes an den Dnjester und des Weges,
auf dem dieser erreicht werden soll, Einzelheiten noch nicht enthält. Tech-
nische Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bei diesen, geringe Bodener-
hebungen überwindenden und durch wasserreiche Gegenden führenden
Kanalgruppen im Allgemeinen nicht. Galizien liegt nördlich der Karpathen
in einem Flachlande; in wenig über 250 m Höhe gelangt man unschwer von
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Das österreichische Wasserstrassengèsetz.
561
einem Flussgebiete in das andere und zumeist loser Boden erleichtert den
Kanalbau.
Der Oder-Weichsel-Dnjester-Kanal wird dem Lande Galizien grosse Vor*
theile bringen, wenn er auch wegen der lange anhaltenden strengen Winter-
kälte während fast 4 Monaten des Jahres nicht befahrbar sein wird. Es ist
jedoch irrig, wenn man ihm eine grosse wirthschaftlich-politische Bedeutung
zuschreiben und namentlich betonen wollte, dass er zwei Meere, die Ostsee
mit dem Schwarzen Meere, verbindet, weil der Dnjester als Strasse für den
Durchzugs verkehr nur wenig in Betracht kommt, ganz abgesehen davon, dass
er gleich der Weichsel nach Russland hinQberströmt, dessen Grenzen für den
Waarenverkehr auf Wasserstrassen nicht gerade offener sein dürften als für
den auf Landwegen. Er hat deshalb hauptsächlich nur für die Erschliessung
der dortigen Kronländer in wirthschaftlichem Sinne, besonders hinsichtlich
der Bodenerzeugnisse wie Getreide, Holz und Erdöl einen allerdings grossen
Werth.
Schiffbare Flüsse Galiziens. Obwohl die natürlichen Flussläufe Galiziens
eine Länge von 1519 km haben, sind dieselben trotz der bisher ausgeführten
Strom Verbesserungen nur als bedingt schiffbar zu bezeichnen, weil grössere
Fahrtiefen als 0,50 m in denselben nicht vorhanden sind. Die Verfassung
derselben ermöglicht jedoch 919 km Längen zu grossschiffigen Wassers trasse h
auszugestalten, wie folgende Zusammenstellung (nach Iszkowski) zeigt.
F 1 u s s
Weichsel ^
innerhalb d. Österr. Gebietes u.
längs d. österr.-russisch. Grenze
Zuflüsse der Weichsel:
Przemzsa
Dunajec
Wisloka
San
Dnjester
Bug . . ......
Zusammen
В 9)
is
О
km
288
1519
hiervon schiffbar
von
der Mündung der
Przemzsa
Niepolomice
23 Myslowice
185 Zglobice
119 Mielec
350 Garolan
483 Rozwadöw
71 Sokal
bis
Niepolomice
Zawichost
zur Mündung in die
Weichsel bei Gorizöw
z.Mündungi.d.Weichsel
Okopy
Reichsgrenze
km
104
184
23
39
20
120
398
31
919
Der wichtigste Fluss Galiziens ist die Weichsel, welche auf Grund
eines Staatsvertrages der beiden Uferstaaten Oesterreich-Ungarn und RusslanÖ
vom Jahre 1864 in der 148 km langen Grenzstrecke von Niepolomice biè
Zawichost und der 20 km langen Sanstrecke nach von den beiden
Staaten jeweilig getrofïenen Vereinbarungen regulirt wird. Die auf der Weichsel
gegenwärtig vorhandenen Fahrtiefen betragen 0,50 m. Auf derselben ver-
kehren Fahrzeuge von 20 m Länge und 6 m Breite. Im Jahre 1896 wurdeh
Suppän, Wasserstrassen und Binnenschiffahrt 36
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^62 VI. Statistik der Wasserstrassen.
zu Thal 2271 Schiffe und 4705 Flösse mit einer Gesammtfracht von 198000 t
befördert. Dampferverkehr ist mit Ausnahme einiger staatlicher Schleppdampfer
zu Regulirungszwecken nicht vorhanden. Die SchifFahrtsdauer beträgt
240 Tage.
Die Przemzsa kommt als Schiifahrtsstrasse von der Grenzortschaft
Myslovice an in Betracht und zeigt im Allgemeinen die gleichen Verhältnisse
wie die Weichsel. Die auf derselben verkehrenden Fahrzeuge haben die Ab-
messungen der Weichselschifie, deren Ladung bis 25 t beträgt. Im Jahre 1896
wurden thai- und bergwärts 4486 Schiffe mit einer Gesammtladung von
50700 t befördert.
Der Sanfluss gewinnt dadurch Bedeutung, dass er die geplante Ver-
bindung der Weichsel mit dem Dnjester erleichtert. Im Jahre 1896 wurden
auf demselben 1973 Flösse mit 26400 t befördert.
Am Dnjester wurde die Dampfschiffahrt schon wiederholt, jedoch erfolg-
los, versucht. Als Ursache des Misserfolges wird angegeben, dass an vielen
Stellen, zumeist unterhalb der Ausmündungen ihrer geschiebeführenden Zuflüsse
lange Querschwellen bestehen, welche als sehr widerstandsfähig und schwer
zu beseitigen geschildert werden. Mit seichttauchenden Schraubenraddampfern
könnte jedoch ein ganz wirthschaftlicher Betrieb eingerichtet werden. Im
Jahre 1896 wurden am Dnjester zu Thal 856 Flösse mit insgesammt 91 412 t
befördert. Die obere Flussstrecke ist seit 1893, so wie der Bug, in Regulirung
begriffen.
Linz-Moldan-Kaiial. Bezüglich der Verbindung der Moldau mit Ober-
österreich liegen verschiedene Projekte vor. Auch der Altmeister der öster-
reichischen Wasserstrassenfrage, Deutsch, hat einen Weg über Oberösterreich
in Betracht gezogen.
Ein Schleusenplan zur Moldau nach Rosenberg steigt mittels 10 Schleusen
über Dornach nach Trefiling 100 m hoch, woselbst eine 14 km lange, im
Gebiete des Gusenbaches gelegene Kanalhaltung besteht. Von hier führt die
Trace mittels 27 Schleusen über Neumarkt bis zur Scheitelhaltung weitere
270 m empor, von wo der Abstieg zur Moldau mit 8 Schleusen bis Rosenberg,
50 km flussaufwärts von Bud weis, erfolgt. Die Scheitelhaltung von 16 km
Länge liegt 370 m über dem Donauwasserspiegel bei Linz und 80 m über dem
Moldaufluss. Rechnet man die zu kanalisirende Strecke des Moldauflusses
von Rosenberg bis Budweis mit 50 km dazu, so ergiebt sich eine Gesammt-
länge von Linz bis Budweis von 99 km oder rund die Hälfte der geplanten
Kanallinie Korneuburg-Budweis.
Ein anderes Projekt (Poeschi) beginnt in Neuhaus an der Donau, ver-
folgt den Lauf des grossen Mühlflusses und führt zur Wasserscheide am
Rosenhügel. Die Scheitelhaltung wendet sich dann zur Moldau, überquert
diese und führt auf der jenseitigen Berglehne weiter in der Richtung auf
Budweis, wo der Kanal nach einem Laufe von 93 km in den Moldaufluss
mündet.
In jüngster Zeit wurden von Urbanitzky Bauentwürfe ausgearbeitet,
denen sowohl geneigte Hebewerke, als auch Schleusen zu Grunde gelegt sind.
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Das österreichische Wasserstrassengesetz. 563
Der kürzeste und wirthschaltlichste Anschluss des Donauthales an die
Moldau dürfte jedoch mittels einer Schiffseisenbahn (Trockenförderung)
von Linz zu einem dem Donauthale zunächst liegenden Punkte des Moldau-
thales, in der Gegend zwischen Rosenberg und Hohenfurth (in 35 km Länge)
möglich sein, von wo ab die Kanalisirung der Moldau bis Budweis zu er-
folgen hätte. Dabei wird die Ausnutzung der grossen Gefälle der Moldau
und der billigen Anlage von grossen Wasserbecken im obersten Moldau-
gebiet zur Erzielung eines regelmässigen vergrösserten Wasserabflusses sehr
günstige Ergebnisse liefern. Ebenso ist mittels einer Schiffseisenbahn auch
«ine Verbindung des oberösterreichischen Donauthales mit der Moldau von
Mauthausen an der Donau aus zweckmässig durchführbar. Eine solche An-
lage würde auch für eine südliche Fortsetzung des österreichischen Wasser-
strassennetzes als typisches Vorbild dienen.
Wo immer die Verbindung der Donau nächst Linz mit der Moldau
•erfolge, ist sie insbesondere für die Versorgung des oberen Donaugebietes,
ferner von Salzburg und Tirol mit böhmischer Kohle sehr wichtig. Dieser
Braunkohle kann nur durch diesen Kanal und nie "durch die Budweis- Wiener-
Linie ein Absatzgebiet erschlossen werden, weil sie gegenüber der höher-
werthigen schlesischen Kohle über Wien nicht erfolgreich in Wettbewerb treten
kann. Bezüglich des übrigen Kanalverkehres dieser Linie gelten zum Theile
die für den Wien-Budweiscr Kanal angeführten Erwägungen.
Voraussichtliche Eanalverbiudungen. Bleibt der Ausbau der unmittelbaren
Kanallinie von der Donau zur Moldau (Wien-Budweis) einem späteren Zeit-
punkte vorbehalten, so würde sich durch die übrigen angeführten Kanal-
verbindungen eine geschlossene Wasserstrasse von etwa 1623 km ergeben
und zwar:
der Stammkanal Donau-Oderberg 275 km
die Anschlüsse in das Weichsel-Dnjestergebiet . . 480 „
der Oder-Elbe-Kanal bis Melnik 346 „
die kanalisirte Strecke Melnik bis Prag .... 50 „
die kanalisirte Moldau Prag bis etwa Hohenfurth . 234 „
die Verbindung der Moldau bis Linz 35 w
die Donaustrecke Linz- Wien 203 „
Nachdem die Strecken Melnik bis Prag und Linz bis Wien schon be-
stehen, so wären im Ganzen 1370 km und insgesammt mit Stichkanälen nach
Brunn, sowie etwa solchen zum Ostrau - Karwiner Kohlengebiet und nach
Lemberg mit beiläufig 90 km, zusammen rund 1460 km Kunstwasser-
strassen zu schaffen.
Gleichzeitig müssten aber auf der Donaustrecke von Wien bis Linz
die noch noth wendigen Arbeiten für Schaffung einer Niederwasser fahrrinne
ausgeführt werden. Dass die Bedingungen zur Ausführbarkeit derselben vor-
handen sind, wurde durch die 1901 auf Veranlassung des Statthalters von
Niederösterreich, Grafen Kielmannsegg, abgehaltene Expertise klargelegt.
Girardon äusserte sich in dieser, dass die Verfassung des Donaustromes
die Schaffung einer geringsten Tiefe von 2 m durch Ausbau eines Nieder-
wasserbettes unschwer zulässt, weil die hierzu erforderliche Wassermenge auch
36*
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^64 ^^- Statistik der Wasserstrassen.
bei geringstem Wasserstande vorhanden ist, für die Schiffahrt ungünstige
Fuhrtschwellen mit jäher Thalwegsänderung aber nur wenige bestehen und
die grössere Zahl derselben in sanfteren Bögen von einem Ufer zum
andern übergehen. Er zieht hieraus den Schluss, dass überhaupt nur bei«
den ganz unvermittelten Abbiegungen im Stromstrich die Tiefe auf weniger
als 2 m unterhalb des tiefsten Wasserstandes sinkt, dass dieselbe, sobald die
Biegung sich sanfter gestaltet, an den tiefsten Punkten auf 2,50 m steigt und
dass endlich dort, wo die Thalwegsbiegung regelmässig und allmählig ver-
laufend erfolgt, die tiefsten Punkte 3,50 bis 4 m betragen, man daher über allen
Fuhrtschwellen durch Regulirungswerke für Niederwasser eine Tiefe von 2 m
beim tiefsten Wasserstande erreichen kann.
Verbindung des Donangebietes mit Triest. Zum Schlüsse sei noch auf
die Wichtigkeit der Verbindung des Donauthales mit Triest hingewiesen,
weil, solange dieser einzige Seehafen Oesterreichs mit dem Donaugebiete nicht
durch einen unmittelbaren Wasserweg verbunden ist, sich alle vom Staate für
denselben bisher gebrachten Opfer nicht lohnen können.
Die Schaffung einer Wasserstrasse nach Triest dürfte jedoch unter Zu-
grundelegung einer Schiffseisenbahn (Trockenförderung der Schiffe über die
Wasserscheide), beispielsweise über Mauthausen an der Donau durch das Enns-
thal in das Murthal bei gleichzeitiger Ausnützung der bedeutenden Fluss-
gefälle zu elektrischen Kraftanlagen, (siehe Kartenbild 290) technisch wohl mit
noch wirthschaftlichen Kosten durchführbar sein. Hierdurch würde sich ein
Wasserweg Nord-Ostsee-Elbe-Moldau-Donau-Triest von etwa 1500 km Länge
ergeben. ^
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